Wir brauchen uns eigentlich über den Lautheitswahn bei Musikproduktionen und bei Radios nicht zu wundern, denn das Prinzip gilt anscheinend generell bei menschlicher Kommunikation. Oder besser "Nicht-Kommunikation", wenn man der Ansicht ist daß zur Kommunikation zwei Richtungen gehören: Nicht nur raus, sondern auch rein.
Wenn dabei ein (im übertragenen Sinn verstanden) entsprechender Lärmpegel entsteht, dann ist es mit der Kommunikation am Ende, weil bei den möglichen Empfängern schnell die Schotten dicht sind. Ein Haufen Taube brüllen sich gegenseitig an.
So einen Zustand hat offenbar die Blindtest-Diskussion inzwischen erreicht. Es scheint darum zu gehen, sich gegenseitig zu übertönen, und dazu noch bemüht man sich durch eine Kakophonie von Irrlichtern möglichst viel begriffliches Chaos zu stiften, damit auch ja keiner mehr durchblickt worum es überhaupt geht. Siehe z.B. als aktuelles Beispiel hier oder hier oder hier.
Eines dürfte schon mal klar sein: Mit diesen Protagonisten (auf beiden Seiten!) und mit diesen Vorstellungen von Blindtests hat so eine Veranstaltung nicht den geringsten Sinn. Welche Frage sollte damit auch beantwortet werden? Alle Beteiligten wollen ja schon wissen was bei "richtiger" Durchführung herauskommen wird (soll, muß), die Veranstaltung hat demzufolge einen rein demonstrativen Charakter, und es kann höchstens sein daß die Demonstration, sollte sie je stattfinden, so "mißlingt" wie etliche zuvor. An den Positionen der Beteiligten wird sich so oder so nichts ändern.
Vielleicht sollte man daher die Beteiligten daran erinnern, daß Kommunikation nur einen Sinn hat wenn es auch einen empfangsbereiten Empfänger gibt, und daß ein Test nur einen Sinn hat wenn klar ist welche Frage er beantworten soll. Ich füchte aber daß ich mit diesem Hinweis bei den Betroffenen nicht auf empfangsbereite Empfänger treffe. Vielleicht finden's aber wenigstens die Anderen interessant.
Wer sich überlegt welche Frage ein Blindtest beantworten soll merkt schnell woran die Diskussion krankt.
Blindtests sind überhaupt erst erfunden worden um individuelle Voreinstellungen und andere subjektive Einflüsse als Einflußfaktoren ausklammern zu können. Egal ob es um Arzneimittel, um Nahrungsmittel oder um Audio geht, man macht solche Tests um eine Chance zu haben subjektive Faktoren von objektiven Faktoren zu trennen. Wenn daher Leute damit daher kommen daß die Wahrnehmung ja menschlich individuell sei und jeder anders empfinde, und daß diese Wahrnehmung ja noch gar nicht engültig erforscht sei, dann sind sie in einer Blindtestdiskussion im falschen Film. Eine entsprechende Diskussion permanent mit solchen am Thema vorbei gehenden Beiträgen zu überziehen ist damit Trollerei.
Für einen Blindtest ist nicht nötig daß man über die individuelle Wahrnehmung irgend etwas weiß. Es genügt zu wissen daß es subjektive Einflüsse gibt, und wie sie sich auswirken können. Man muß nur so viel über diese Einflüsse wissen daß man sie beim Test ausschließen kann.
Es gibt auch keinerlei Notwendigkeit, daß der Blindtest "maximal" empfindlich ist. Ob er das ist oder nicht kann man sowieso nicht so einfach sagen. Man kann allenfalls den Test so gestalten daß man als Ergebnis erfährt wie empfindlich er war, aber das erfordert daß man die gesuchten Parameter kennt und quantitative Referenzen beim Test zur Verfügung hat. Aber selbst wenn man das nicht hat ist ein Blindtest immer noch ein Blindtest, man muß bloß aufpassen welche Schlüsse man aus seinem Ergebnis ziehen kann und welche nicht.
Viele der Einwände, die gegen Blindtest so penetrant und lautstark vorgetragen werden, gehen also an der Sache völlig vorbei. Diese Einwände tragen nichts zur Diskussion um Blindtests bei, sie sind aber deutlicher Ausdruck der Denkweise und Haltung der Beteiligten. Es handelt sich hier schließlich um absolute Grundlagen, die man schon nach sehr kurzer Beschäftigung mit dem Thema intus haben müßte. Angesichts dessen daß die Beteiligten schon seit Jahren beim Thema mitdiskutieren wird klar daß hier Erkenntnisverweigerung vorherrscht.
Die immer wieder heftig umstrittenen Blindtests von David (damit ich nicht die ganzen Links herauusuchen muß verweise ich einfach hierhin) werden damit meist zu unrecht angegriffen. Die Verblindung, die Auswertung und das generelle Testdesign waren im großen und ganzen in Ordnung. Wie empfindlich sie waren kann man mangels mit eingeplanter Gegenproben zwar nicht sagen, aber das macht den Test nicht zunichte.
Das Problem ist daran höchstens was für Schlüsse daraus gezogen werden. Als Beweis für die prinzipielle Unhörbarkeit von irgendwas taugt so etwas schon aus Prinzip nicht, aber sogar mit Gegenprobe wäre das so. Was man aber sehr wohl daraus folgern kann ist wie groß die Unterschiede allenfalls sein können wenn sie denn hörbar sein sollen. Und im Falle von Leuten wie Gemkow kann man zumindest schließen daß der Betreffende die Sache völlig falsch eingeschätzt hat. Das ist ein wichtiges Ergebnis angesichts der Sache um die's da ging, nämlich Gemkow's eigene Kabelprodukte.
Die Rolle und Funktion solcher Tests wie denen von David liegt also nicht darin, daß sie irgend etwas beweisen, sondern daß sie aufzeigen wie sehr auch Fachleute und selbstbewußte Audiophile mit ihrer Einschätzung daneben liegen können. Genau die gleiche Funktion haben auch die sog. Fake-Tests (die nicht-blind sind), wo Umschaltungen nur vorgetäuscht werden.
Wer dagegen wissen will wie weit seine eigenen Hörfähigkeiten wirklich gehen, oder wie weit die menschlichen Hörfähigkeiten im Allgemeinen gehen, wer also an den Grenzen interessiert ist und nicht an der Glaubwürdigkeit der Einschätzungen Anderer, der wird anders testen müssen. Das ist eine andere Frage, die deswegen auch anders angegangen werden muß. Diese Frage ist von Ansatz her wesentlich eher "wissenschaftlich".
Wer so ein wissenschaftliches Interesse hat der sollte sich auch an ein wissenschaftliches Vorgehen halten, und das fängt damit an daß man sich mit dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auseinandersetzt. Da steht also erst einmal Recherche und Literaturstudium an. Davon ist gerade bei denen die schnell mit dem W-Wort bei der Hand sind rein gar nichts zu merken, und ich fürchte wenn die anfangen würden, sich die wissenschaftlichen Artikel zur Brust zu nehmen dann brächten sie es fertig, egal was da steht doch wieder ihre eigenen Hirngespinste herauszulesen.
Jedenfalls gibt es mehr als genug Erkenntnis und Erfahrung mit wissenschaftlichen Blindtests im Audiobereich, es ist geradezu lächerlich wenn da ein paar Amateure meinen es mit einem eigenen "Testdesign" besser zu können. Das was da an Testdesigns vorgestellt wird ist eher eine nicht enden wollende Reihe von Versuchen, wie man es fertig bringen kann einen Test zu erfinden den man als Blindtest verkaufen kann ohne daß er die entsprechenden Anforderungen erfüllen würde. Oder wie man wenigstens jegliche begriffliche Klarheit nachhaltig aus der Diskussion beseitigen kann wenn man schon sonst keinen Effekt damit erzielen kann.
Nun bringt es erfahrungsgemäß nichts, jemandem eine Erkenntnis vermitteln zu wollen die er nicht haben will. Für die Kombattanten selbst habe ich daher keine Hoffnung, die wollen nichts Neues herausfinden, die wollen ihre bestehenden Erfahrungen behalten, und zwar auf beiden Seiten. Und sie wollen das demonstrieren. Interessant und aufschlußreich ist aber für den distanzierten Beobachter wie sie das tun.
Die Phase der Argumentation hat man im Grunde inzwischen hinter sich gelassen. Es werden die Scheuklappen enger geschnallt und man versucht durchzubrettern. David und Dirk gleichen sich darin interessanterweise, denn bei beiden sieht man ein "jetzt erst recht weiter so" im Verhalten, egal ob einem dabei noch jemand folgen mag oder nicht. Je dunkler der Wald, desto lauter das Pfeifen.
In der Situation und Haltung wie sie sich dort darstellt haben Blindtests keinerlei Zweck mehr, die Diskussion könnte man an der Stelle also eigentlich beenden. Sie sind aber auch gar nicht mehr nötig, denn wenn diese Blindtests (die nicht-wissenschaftlichen) dazu da sind daß man sich über die Glaubwürdigkeit der Einschätzungen von bestimmten Leuten ein Bild machen kann, dann werden sie nicht mehr gebraucht. Der Auftritt der entsprechenden Leute macht es einfach, sich dieses Bild auch ganz ohne Blindtests zu machen.
Die Diskussion um den neusten von Dirk favorisierten D/A-Wandler ist dafür ein Beispiel. Man könnte natürlich einen Blindtest organisieren um herauszufinden ob der neue D/A-Wandler wirklich so deutlich anders ist als der vorige, aber wozu? Es ist eigentlich völlig egal ob das so ist oder nicht, die Art und Weise wie Dirk in dieser Sache auftritt macht ihn so oder so völlig unglaubwürdig. Kein denkbarer Ausgang so eines Blindtests würde ihn in einem guten Licht darstellen.
Man braucht dazu die beiden Geräte auch gar nicht selbst gehört zu haben, es reichen ein paar Plausibilitätsbetrachtungen. Man braucht nicht einmal zu berücksichtigen daß er den vorigen Wandler von Lavry mal als Händler vertreten hat und vielleicht ein nicht-klangliches Motiv zu so einer Einstufung hat, es ist klar daß das Gerät zu den besten am Markt verfügbaren Geräten gehört. Wenn sich ein anderes Gerät sehr deutlich klanglich davon absetzt dann muß es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schlechter sein, denn nach oben hin gibt es einfach nicht mehr so viel Raum.
So oder so, wenn der Unterschied wirklich so groß ist dann macht er sich lächerlich weil nicht ersichtlich ist wie er dann zuvor den Lavry so loben konnte, und wenn er nicht so groß ist dann macht er sich wegen seiner maßlosen Übertreibungen lächerlich. Egal wie's nun wirklich sein mag, mit seinen Urteilen ist nichts anzufangen, die Glaubwürdigkeit im Keller.
Ebenso steht's mit der Haltung einiger Diskutanten die immer wieder mit aller Penetranz auf die Individualität der Wahrnehmung, die Unerforschbarkeit menschlicher Kognition oder die Unmeßbarkeit der Musikempfindung pochen. Das sind alles für das Thema Blindtest irrelevante Einwände, und wer darauf pocht will im Grunde von Blindtests nichts wissen. Für (oder mit, oder gegen) solche Leute einen Blindtest veranstalten zu wollen ist schon im Ansatz vergeblich, es gibt auch da kein denkbares Ergebnis das irgend einen Fortschritt zur Folge hätte. Und das ist nicht der Fehler der Blindtests.
Einen Blindtest veranstaltet man wenn man sich der subjektiven Einflüsse auf ein Hörerlebnis bewußt ist und solche Einflüsse möglichst los werden will, weil man ein objektives Urteil haben möchte. Die größten Kritiker der Blindtests wollen aber ausweislich ihrer ureigenen Argumentation gerade keine objektive Antwort haben, und pochen auf den Vorrang des subjektiven Empfindens. Schon eine Teilnahme an Blindtest-Threads ist daher im Grunde eine Verfehlung des Themas, und letztlich der Versuch die Diskussion zu torpedieren.
Der eigentliche Streitpunkt zwischen den Fraktionen hat damit auch gar nichts mehr zu tun, sondern im Grunde geht es wieder einmal darum wie man es mit der Objektivität hält. Es gibt nun einmal eine Gruppe von Leuten die damit auf Kriegsfuß stehen, und für die ihre eigene subjektive Empfindung immer sticht. Mit solchen Leuten ist nicht zu reden. Wie ich früher schon schrieb: Die stecken mit ihrem Kopf tief im eigenen Hintern. Alles was sie wahrnehmen ist letztlich ihr eigenes Inneres.
Anstatt also an der allgemeinen kommunikationslosen Kakophonie teilzunehmen könnte man sich auch einfach zurücklehnen und sich klar machen daß die Blindtestdiskussion ihren sinnvollen Effekt bereits gehabt hat, und daß man vielleicht die eigentlich wichtigen und interessanten Lehren gar nicht aus den Blindtests selbst gewinnt, sondern aus der Art wie die verschiedenen Parteien damit umgehen.
Samstag, 31. Juli 2010
Sonntag, 18. Juli 2010
High-End Mastering
Mastering war früher mal die Tätigkeit, einen "Mix" so aufzubereiten daß man das Resultat auf einen Tonträger zum Verkauf pressen konnte. Hört sich trivial an. Schließlich ist der Mix bereits in Stereo, wenn man auf CD oder Vinyl veröffentlichen will. Man könnte also meinen es geht um wenig mehr als eine Datenkonversion. Hier das Masterband aus der Mix-Phase, dort die Preßmatritze für den Herstellungsprozeß. Zwei verschiedene Träger, die gleichen Daten. So könnte man meinen.
Als das Zielmedium die Langspielplatte war stellte sich die Lage aber deutlich komplexer dar. Das Material aus dem Mix konnte (und kann) man nicht einfach so auf Platte pressen. Das Medium Schallplatte hat so seine speziellen Eigenheiten, die nach einem Spezialisten verlangen damit bei dieser "Datenübertragung" die optimalen Ergebnisse rauskamen. Zum Beispiel muß man einen Kompromiß zwischen Lautheit, Frequenzkomponenten und Rillenbreite eingehen, um bei sicherer Abspielbarkeit die Rauschabstände und die Spielzeit optimal auszunutzen. Wenn man's übertreibt, dann kann die Nadel aus der Rille springen. Der für den Mix verantwortliche Tontechniker kümmert sich um sowas normalerweise nicht, der sorgt für die rechte klangliche Balance zwischen den Spuren bzw. Instrumenten. Deswegen hatte man den Mastering-Engineer, der aus dem Zielmedium das Beste herausholen sollte.
Das ist erst einmal keine künstlerische oder kreative Rolle, dennoch haben sich die Mastering-Engineers eine gewisse künstlerische Rolle erobert, denn sie sind vor einer Veröffentlichung der letzte, der noch in der Lage ist, am Klang des Werks korrigierend einzugreifen. Was danach kommt ist nur noch ein Fertigungsprozeß, der hoffentlich ausreichend gut beherrscht ist daß gute Qualität bei jeder Scheibe herauskommt. Zudem hat der Mastering-Engineer nochmal eine unabhängige Sicht und Meinung beizusteuern, was das werdende Produkt angeht.
Die CD als digitales Medium hat die meisten der Eigenheiten einer Schallplatte nicht. Der Mastering-Prozeß ist daher im Grunde viel einfacher, wenn man mal von den künstlerischen Aspekten absieht. Mit dem Aufkommen der Audiobearbeitung am PC gab es bald auch Software, mit denen praktisch jeder das Mastering selber machen konnte. Das Ergebnisse, die gebrannte CD-R, konnte man dem Preßwerk geben, und die vervielfältigten das ganz einfach. Bye-bye Mastering-Engineer. Oder vielmehr: Be-your-own-mastering-engineer!
Das hätte die professionellen und teuren Mastering-Engineers, die teilweise an dem Punkt im Begriff waren zu Berühmtheiten aufzusteigen, überflüssig machen können. Aber aus verschiedenen Gründen kam's nicht so. Zum Einen kommt auch beim Mastern, wie bei so vielen Dingen, Schrott heraus wenn man keine Ahnung hat, und eine PC-Software kann Ahnung letztlich nicht ersetzen. Zum Anderen gab's zunehmend neue Aufgaben für den Mastering-Engineer: Laut machen!
Mit dem laut machen haben sich auch Mix-Engineers immer wieder versucht, und selber den Kompressor auf dem Mix-Bus angeschmissen. In vielen Fällen ist das aber nicht so erfolgreich gewesen, und die Mastering-Engineers konnten sich ihre Marktlücke behaupten. Im Grunde ist das ein Segen, denn dann besteht wenigstens eine Chance daß vom Mix ein halbwegs unvermurkstes Masterband übrig bleibt, aus dem man bei passender Gelegenheit auch gut klingende Veröffentlichungen generieren kann. Wer akzeptiert daß das Lautmachen der Job des Mastering-Engineers ist, der kann sich wieder auf das konzentrieren was einen guten Mix ausmacht.
Letztlich gibt's aber immer wieder ein gewisses Konkurrenzverhalten zwischen den beiden Rollen, und der Kostendruck tut dazu sein Übriges.
Inzwischen machen Mastering-Engineers eigentlich nur noch dadurch Schlagzeilen daß sie eine besonders laute Produktion abliefern, also eine weitere Marke auf der Skala des "Loudness Wars" erreicht haben. Das scheint inzwischen ihr Existenz-Zweck zu sein.
Und es stimmt ja auch: Wenn man das noch toppen will was da inzwischen an totkomprimierten Maximal-Laut-Produktionen abgeliefert wird, dann muß man schon was drauf haben. Von einem normalen Mix-Engineer kann man nicht erwarten daß er da mithalten kann. Eine Produktion die in die Charts will braucht daher nach wie vor einen guten Mastering-Engineer, sonst kann man sich nicht gegen die Lärm-Konkurrenz durchsetzen.
Deshalb wundert's nicht daß gerade die großen Mastering-Namen hier ihre Talente einsetzen. Eine Zeit lang schien es so als sei das Lautmachen die Domäne einer neuen Generation von Mastering-Ingenieuren. Womöglich hatten die alten Platzhirsche eine Weile Skrupel, der Musik das anzutun. Aber wenn's um's Geld geht bricht der Widerstand schnell zusammen. Bob Ludwig z.B., einer der ganz großen Platzhirsche des Mastering, gehört inzwischen auch in die vordere Riege der Lautmacher.
Das führt zu einer interessanten psychologischen Situation: Die Mastering-Ingenieure haben einigen Aufwand darin investiert, sich als die Hüter audiophiler Werte darzustellen. Mehrere dieser Leute gelten als Goldohren par excellence und betreiben ziemlich effektives Selbstmarketing in diese Richtung. Das geht nicht gut zusammen mit dem tatsächlichen Output, den sie generieren.
Es fällt vielleicht nicht jedem gleich ins Auge, aber auf mich wirkt es ziemlich grotesk, wenn der gleiche Mensch auf der einen Seite über die angeblichen klanglichen Unterschiede zwischen einem 24-bit D/A-Wandler und einem 32-bit D/A-Wandler schwadroniert, und über die Unzulänglichkeit eines Mediums wie der CD, die klagenswerterweise bloß 16 Bit und 44,1 kHz bietet, und auf der anderen Seite kommen aus seiner Werkstatt Machwerke heraus die auch mit 4 Bit auskommen würden. Die oberen 4 Bit natürlich, also ironischerweise das "High-End".
Schon komisch, nicht? Wenn man den Gestehungsprozeß einer solchen Musikproduktion als Kette darstellt und sich die Stufen anhört, dann findet man daß ausgerechnet in der Stufe, wo der ausgewiesenste Audiophile sitzt, nämlich im Mastering, die Klangverschlechterung am deutlichsten ist.
Mastering ist daher heutzutage ein Job für Schizophrene. Die Realität der Arbeit und der Anspruch klaffen weit auseinander, und den Bruch muß man im Interesse der erträglichen Selbstwahrnehmung irgendwie überkleistern.
Was aber auch nicht unbedingt schwer ist:
Als das Zielmedium die Langspielplatte war stellte sich die Lage aber deutlich komplexer dar. Das Material aus dem Mix konnte (und kann) man nicht einfach so auf Platte pressen. Das Medium Schallplatte hat so seine speziellen Eigenheiten, die nach einem Spezialisten verlangen damit bei dieser "Datenübertragung" die optimalen Ergebnisse rauskamen. Zum Beispiel muß man einen Kompromiß zwischen Lautheit, Frequenzkomponenten und Rillenbreite eingehen, um bei sicherer Abspielbarkeit die Rauschabstände und die Spielzeit optimal auszunutzen. Wenn man's übertreibt, dann kann die Nadel aus der Rille springen. Der für den Mix verantwortliche Tontechniker kümmert sich um sowas normalerweise nicht, der sorgt für die rechte klangliche Balance zwischen den Spuren bzw. Instrumenten. Deswegen hatte man den Mastering-Engineer, der aus dem Zielmedium das Beste herausholen sollte.
Das ist erst einmal keine künstlerische oder kreative Rolle, dennoch haben sich die Mastering-Engineers eine gewisse künstlerische Rolle erobert, denn sie sind vor einer Veröffentlichung der letzte, der noch in der Lage ist, am Klang des Werks korrigierend einzugreifen. Was danach kommt ist nur noch ein Fertigungsprozeß, der hoffentlich ausreichend gut beherrscht ist daß gute Qualität bei jeder Scheibe herauskommt. Zudem hat der Mastering-Engineer nochmal eine unabhängige Sicht und Meinung beizusteuern, was das werdende Produkt angeht.
Die CD als digitales Medium hat die meisten der Eigenheiten einer Schallplatte nicht. Der Mastering-Prozeß ist daher im Grunde viel einfacher, wenn man mal von den künstlerischen Aspekten absieht. Mit dem Aufkommen der Audiobearbeitung am PC gab es bald auch Software, mit denen praktisch jeder das Mastering selber machen konnte. Das Ergebnisse, die gebrannte CD-R, konnte man dem Preßwerk geben, und die vervielfältigten das ganz einfach. Bye-bye Mastering-Engineer. Oder vielmehr: Be-your-own-mastering-engineer!
Das hätte die professionellen und teuren Mastering-Engineers, die teilweise an dem Punkt im Begriff waren zu Berühmtheiten aufzusteigen, überflüssig machen können. Aber aus verschiedenen Gründen kam's nicht so. Zum Einen kommt auch beim Mastern, wie bei so vielen Dingen, Schrott heraus wenn man keine Ahnung hat, und eine PC-Software kann Ahnung letztlich nicht ersetzen. Zum Anderen gab's zunehmend neue Aufgaben für den Mastering-Engineer: Laut machen!
Mit dem laut machen haben sich auch Mix-Engineers immer wieder versucht, und selber den Kompressor auf dem Mix-Bus angeschmissen. In vielen Fällen ist das aber nicht so erfolgreich gewesen, und die Mastering-Engineers konnten sich ihre Marktlücke behaupten. Im Grunde ist das ein Segen, denn dann besteht wenigstens eine Chance daß vom Mix ein halbwegs unvermurkstes Masterband übrig bleibt, aus dem man bei passender Gelegenheit auch gut klingende Veröffentlichungen generieren kann. Wer akzeptiert daß das Lautmachen der Job des Mastering-Engineers ist, der kann sich wieder auf das konzentrieren was einen guten Mix ausmacht.
Letztlich gibt's aber immer wieder ein gewisses Konkurrenzverhalten zwischen den beiden Rollen, und der Kostendruck tut dazu sein Übriges.
Inzwischen machen Mastering-Engineers eigentlich nur noch dadurch Schlagzeilen daß sie eine besonders laute Produktion abliefern, also eine weitere Marke auf der Skala des "Loudness Wars" erreicht haben. Das scheint inzwischen ihr Existenz-Zweck zu sein.
Und es stimmt ja auch: Wenn man das noch toppen will was da inzwischen an totkomprimierten Maximal-Laut-Produktionen abgeliefert wird, dann muß man schon was drauf haben. Von einem normalen Mix-Engineer kann man nicht erwarten daß er da mithalten kann. Eine Produktion die in die Charts will braucht daher nach wie vor einen guten Mastering-Engineer, sonst kann man sich nicht gegen die Lärm-Konkurrenz durchsetzen.
Deshalb wundert's nicht daß gerade die großen Mastering-Namen hier ihre Talente einsetzen. Eine Zeit lang schien es so als sei das Lautmachen die Domäne einer neuen Generation von Mastering-Ingenieuren. Womöglich hatten die alten Platzhirsche eine Weile Skrupel, der Musik das anzutun. Aber wenn's um's Geld geht bricht der Widerstand schnell zusammen. Bob Ludwig z.B., einer der ganz großen Platzhirsche des Mastering, gehört inzwischen auch in die vordere Riege der Lautmacher.
Das führt zu einer interessanten psychologischen Situation: Die Mastering-Ingenieure haben einigen Aufwand darin investiert, sich als die Hüter audiophiler Werte darzustellen. Mehrere dieser Leute gelten als Goldohren par excellence und betreiben ziemlich effektives Selbstmarketing in diese Richtung. Das geht nicht gut zusammen mit dem tatsächlichen Output, den sie generieren.
Es fällt vielleicht nicht jedem gleich ins Auge, aber auf mich wirkt es ziemlich grotesk, wenn der gleiche Mensch auf der einen Seite über die angeblichen klanglichen Unterschiede zwischen einem 24-bit D/A-Wandler und einem 32-bit D/A-Wandler schwadroniert, und über die Unzulänglichkeit eines Mediums wie der CD, die klagenswerterweise bloß 16 Bit und 44,1 kHz bietet, und auf der anderen Seite kommen aus seiner Werkstatt Machwerke heraus die auch mit 4 Bit auskommen würden. Die oberen 4 Bit natürlich, also ironischerweise das "High-End".
Schon komisch, nicht? Wenn man den Gestehungsprozeß einer solchen Musikproduktion als Kette darstellt und sich die Stufen anhört, dann findet man daß ausgerechnet in der Stufe, wo der ausgewiesenste Audiophile sitzt, nämlich im Mastering, die Klangverschlechterung am deutlichsten ist.
Mastering ist daher heutzutage ein Job für Schizophrene. Die Realität der Arbeit und der Anspruch klaffen weit auseinander, und den Bruch muß man im Interesse der erträglichen Selbstwahrnehmung irgendwie überkleistern.
Was aber auch nicht unbedingt schwer ist:
- Schuld ist nämlich immer jemand Anderes. Die Mastering-Ingenieure würden ja gerne anders, dürfen aber leider nicht. Und wenn der Eine nicht täte, dann würde es halt jemand Anderes tun. Und bevor der das Geld einsackt mach's lieber ich. Allgemeines kollektives Achselzucken.
- Mit der demonstrativen Audiophilie kann man ebenfalls die bösen Geister abwimmeln. Wer so ein feines Gehör hat, und auf solche Winzigkeiten wert legt, der kann kein schlechter Mensch sein, oder? Der würde doch auf alle Fälle, in den Grenzen seiner Möglichkeiten natürlich, den Sound so gut machen wie's irgend geht! Das würde er doch bestimmt, oder?
- Mittlerweile gibt's auch keinen Mangel an Marketing gegen den Lautheitswahn, für die Popularisierung von mehr "Dynamic Range", und da kann man an vorderster Front seine rechtschaffene Gesinnung demonstrieren. Man ist selbstverständlich sehr für mehr Dynamik, und sehr gegen den Lautstärkewahn, das versteht sich als Audiophiler ja von selbst! Außer man redet mit den potentiellen Auftraggebern, da ist man der fähigste Lautmacher, denn man will ja den Auftrag haben.
- Zwischendurch macht man immer mal wieder auch eine wirklich gute Produktion, wenn sowieso klar ist daß das Material nicht chart-fähig ist. Bei guten Mixes braucht man dazu evtl. nur weitgehend die Finger weg zu lassen. So etwas ist ungemein gut für die audiophile Selbstdarstellung, denn man kann solche Beispiele jedem Kritiker unter die Nase reiben.
- Besonders witzig: Man kann wegen der erwähnten Eigenheiten der Schallplatte nicht gar so grob vorgehen wie bei der CD, außerdem ist die Schallplatte ein Nischenprodukt, das dieses aggressive Marketing nicht braucht. Also mastert man die CD beschissen und die LP deutlich besser. Und kann so gleich noch eine andere audiophile "Wahrheit" unter's Volk bringen, nämlich daß analog besser sei als digital. Es gibt Mastering-Ingenieure die deswegen ganz bewußt empfehlen die LP zu kaufen wenn man guten Klang will. Technisch gesehen ist das absurd, vom Marketing her macht's Sinn.