Samstag, 20. Dezember 2008

Einbrennen, bitte!

Versuch' Dir mal vorzustellen, Du wärst Verkäufer in einem High-End-Laden. Ein Traum-Job, man lebt nicht nur die audiophile Lebensart, sondern verhilft auch dem Mitmenschen dazu, dem Gleichgesinnten. Ein Leben, dem höchsten Klanggenuß verpflichtet!

Jetzt ist es natürlich so, daß der höchste Genuß beim Verkäufer in aller Regel mit Geld zusammenhängt, das der Kunde nach Möglichkeit zurücklassen sollte. Genauer gesagt, mit dem Teil des Geldes vom Kunden, das nach Abzug der Einkaufspreise und Unkosten noch übrig bleibt.

Zum Glück ist es jetzt in diesem Markt so, daß fast durch die Bank die besten und audiophilsten Geräte auch die sind, mit denen die größten Gewinne erzielt werden können. Es ist die fast universell akzeptierte Weisheit, die man in ihren Konsequenzen in den ganzen Testzeitschriften, und in den Meinungen der meisten Händler und auch der Kundschaft wiederfinden kann, daß von nichts eben nichts kommt, daß man also schon einiges investieren muß um zur höchsten Vollendung zu kommen, und daß daher die paar unbedeutende Miesepeter die dagegen wettern im Grunde nur neidisch sind.

Unter solchen Umständen sollte man also zwischen Händler und Kunde schnell handelseinig werden können. Der Kunde will ja viel Geld ausgeben, denn nur so kann er auch den entsprechenden Hochgenuß erreichen und gilt in seiner Bezugsgruppe etwas. Besonders bei Zubehörteilen wie Kabeln, Netzleisten, Racks etc. liegen die Händlermargen in Bereichen wo man im Bereich der Elektronik sehr selten hinkommt. Da bleiben bei den Händlern locker zwei Drittel oder mehr des Verkaufspreises, sogar schon bei vergleichsweise moderat bepreisten Teilen. Der entsprechende Einfluß auf den Genuß ist offensichtlich.

Das wäre alles wundervoll wenn es nicht immer wieder Kunden gäbe, die sehr kompliziert sein können. Diese Kunden glauben es ihrer Audiophilie schuldig zu sein, klangliche Nachteile von irgendwelchen Teilen festgestellt zu haben. Da hat man sich schon gefreut, daß man wieder ein 2000 Euro teures Lautsprecherkabel verkauft zu haben, an dem man als Händler locker 1500 verdient hätte, dann kommt der Typ zwei Tage später wieder zurück und meint, das Teil sei für ihn leider nicht spielfreudig genug und würde die Bässe zu sehr verzögern, da käme einfach kein Rhythmus auf.

Dabei hat der vorige Käufer des gleichen Teils exakt das Gegenteil berichtet. Aber als Händler muß man dazu ja gute Miene machen. Ja, selbstverständlich, es muß mit der Kette harmonieren, der Kunde hat natürlich völlig recht, die schlechte Erfahrung ist angesichts des hochwertigen Teils zwar schwer erklärbar, aber den Kunden auch nur den geringsten Zweifel an seinen Worten spüren zu lassen wäre fatal.

Was tun? Es stehen genug Kröten auf dem Spiel daß sich auch ein halber Tag schwafeln noch lohnen würde. Und siehe da, es gibt auch eine einfache Lösung!

Einspielen!

Wenn es dieses Argument nicht schon gäbe, man müßte es erfinden!

Welches andere Argument könnte einem komplizierten Audiophilen, der reklamierend vor einem steht, so sehr den Wind aus dem Segel nehmen?

Würde er etwa widersprechen: "Blödsinn, das Ding ist genug eingespielt, daran kann's nicht liegen?" Er müßte sich ja eingestehen daß er ein Teil gekauft hat, was nur 2 Tage eingespielt werden muß. Also daß er minderwertigen Ramsch gekauft hat. Nein, da nickt er lieber und nimmt das Kabel noch mal mit, diesmal für zwei Wochen. "Klar, einspielen, das kann natürlich gut sein, das werde ich probieren. Haben Sie einen guten Tip wie ich das am besten einspiele?" -- "Ja, klar, am schonendsten eingespielt wird so ein hochwertiges Kabel nach unserer Erfahrung mit dem speziellen Einbrennsignal von unserer Spezial-CD, die ich Ihnen für 49,99€ mitgeben könnte..."

Wenn er dann nach 14 Tagen wieder auf der Matte steht und das Kabel dennoch zurückgeben will, dann kann man wohl nichts machen, aber die Chancen stehen gut daß er sich an das Kabel gewöhnt hat, daß er den neuen Eindringling in seine audiophile Welt akzeptiert hat und nicht wieder hergeben will. Die Zeit heilt nicht nur Wunden, sondern auch Emotionen, und die menschliche Wahrnehmung ist sehr anpassungsfähig.

Und die Chancen stehen gut daß er darüber zum begeisterten Anhänger, Verbreiter und Verteidiger des Einbrennens wird, der dem kleinen Schwindel nachträglich die Rechtfertigung verleiht. Einbrennen funktioniert, wird er der Welt mitteilen wollen, ich hab's selbst gehört!

Und so wird eingebrannt was das Zeug hält! Nichts was nicht eingebrannt werden müßte. Und wenn 14 Tage nicht reichen, dann müssen es eben 6 Wochen sein oder ein halbes Jahr. Je länger eine Komponente eingespielt werden muß, desto besser muß sie sein, und desto teurer darf (nein, muß!) sie sein. Man munkelt, die neueste Kreation einer Komponente X müsse mehrere Jahre eingespielt werden um die maximale Klangqualität zu erreichen. Zu schade daß sie teurer als ein Neubau eines passenden Hörraums ist. Aber der neue Hörraum muß natürlich ebenfalls eingespielt werden. Ob man nicht vielleicht auch die Luft darin einspielen müßte?

2 Kommentare:

  1. Thema korrekt, aber "geklaut" :-)

    http://www.hifi-forum.de/viewthread-30-716.html

    alex8529

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