Seit Richard Dawkins im Ruhestand ist kann er sich voll und ganz seinem Hobby widmen, nämlich den bornierten Religiösen gehörig auf die Nerven zu gehen. Nicht daß er damit bis zum Ruhestand gewartet hätte, sein Ruhm hat ihm auch schon davor recht große Freiheiten beschert, aber jetzt sind die Verpflichtungen ganz entfallen. Der Ruhm ist nicht unverdient, hat aber mit Religion nur indirekt etwas zu tun. Der Mann war eigentlich mal Biologe, genauer gesagt Zoologe, und sein Ruhm geht zu einem bedeutenden Teil auf ein Buch zurück das er schon vor über 30 Jahren veröffentlicht hat: "The selfish gene", auf Deutsch: "Das egoistische Gen". Eine durchaus bahnbrechende Arbeit, die bis heute lesenswert ist und nicht umsonst zu einem Bestseller wurde.
Sie wurde auch prompt mißverstanden, schon der Buchtitel wurde z.B. mißverstanden im Sinne von: "Das Gen, das egoistisch macht". Daß er genau das nicht meint hat er schon im Buch selber mehr als klar gemacht, aber seine Kritiker hindert das schon seit 30 Jahren nicht, Kritikpunkte vorzubringen die man sogar durch oberflächliches Lesen seiner Texte schon als unberechtigt erkennen könnte. In den meisten Fällen kommt solche Kritik aus der religiösen Ecke, und von daher wird verständlich warum der Mann unweigerlich zum zubeißenden Atheisten werden mußte. Wer 30 Jahre lang ständig Angriffen von Leuten ausgesetzt ist, die offenkundig noch nicht einmal die einfachsten seiner Argumentationspunkte verstanden haben, und ganz offensichtlich auch gar nicht verstehen wollen, der kann - je nachdem welches Temperament er hat - nur entweder in die Resignation abtauchen, oder das Feuer erwidern. Dawkins gehört nicht zu den Leuten die man einfach so beiseite pinkeln kann, demnach mußte er zu einem Vertreter der zweiten Kategorie werden.
Das soll aber nicht mein Thema hier sein. Mir geht's um den Inhalt seines erwähnten Buches. Der springende Punkt darin ist, daß die Gene die zentralen Figuren bei der Evolution sind, und nicht die Lebewesen. Vorher war die Vorstellung sehr verbreitet, durchaus auch in der Tradition Darwins, daß der evolutionäre Kampf um's Dasein, und damit das Überleben der Besten, sich auf die Lebewesen bezieht. Dawkins stellte das auf den Kopf und vertrat die Ansicht, daß die Lebewesen nur Mittel zum Zweck sind, und die eigentliche Konkurrenz zwischen den Genen stattfindet. Die Lebewesen konkurrieren nicht darum, ihre Gene weiterzugeben, sondern die Gene bilden Lebewesen als Vehikel zu ihrer Verbreitung. Wir alle sind bloß Mittel zu diesem Zweck.
Jetzt sind Gene nur tote Speicher von Information. Eiweißmoleküle ohne eigene Lebensfähigkeit, und damit auch ohne Willen, und ohne Fähigkeit zu handeln. Im Grunde können sie damit nicht wirklich "egoistisch" sein. Der Buchtitel ist damit zugegebenermaßen nicht nur irreführend sondern auch provokant. Aber er verkauft das Buch ganz gut, und die Erklärung bleibt Dawkins ja auch nicht schuldig. Der Egoismus der Gene ergibt sich letztlich daraus daß nur diejenigen Gene erfolgreich sind und sich verbreiten, die es schaffen möglichst effektive "Kopiermaschinen" zu bauen, also Lebewesen die für die Verbreitung der Gene sorgen. Die Sprache deutet hier geplantes und willentliches Vorgehen an, aber in Wirklichkeit basiert alles auf einem willenlosen Prozeß der Mutation und Selektion. Willenlos heißt nicht zufällig. Bei der Mutation wirkt zwar der Zufall mit, aber die Selektion gibt dem Ganzen eine Richtung.
Am ehesten versteht man das vielleicht wenn man sich Viren anschaut. Viren sind keine Lebewesen. Sie sind ein bißchen Erbgut, mit einer Verpackung die den Inhalt vor allzu leichter Zerstörung schützt. Eingewickelte Gene. Wie ein Buch mit einem schützenden Einband. Information, die darauf wartet, gelesen zu werden. Und nicht nur gelesen, nein, vor allem auch kopiert zu werden. Ein Buch das auf eine geeignete Kopiermaschine wartet. Eine geeignete Kopiermaschine, das ist ein Lebewesen das das Buch liest und dann quasi begeistert anfängt, Kopien in die Welt zu verteilen.
Wenn diese Kopierbegeisterung so heftig ist daß die sonstigen Lebensfunktionen ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen werden, dann spricht man davon daß das Lebewesen krank ist. Eine Virusinfektion. Die harmloseren Varianten führen bloß dazu daß das Lebewesen sich eine Zeitlang mit dem Kopieren beschäftigt und so lange seine sonstigen Funktionen vernachlässigt, aber nach einer Weile wieder zum Normalzustand zurückkehrt. So wie bei einer Erkältung. Die gefährlicheren Varianten führen dazu daß sich das Lebewesen beim Kopieren so verausgabt das es dabei kaputt geht. Wenn das zu schnell geht ist das auch für das Virus nicht gut, denn dadurch wird die Kopierleistung verringert.
Mutationen verändern die Information im Virus bzw. in seinen Genen gelegentlich, und wenn das auch meistens eher schlecht für das Virus ist, so kommt es doch auch manchmal vor daß dadurch das Virus sich leichter bzw. erfolgreicher kopiert. Daß das befallene Lebewesen umso begeisterter Kopien anfertigt, oder daß andere Lebewesen für diesen Zweck eingespannt werden bei denen man vorher keinen Erfolg hatte. Die Schweinegrippe fällt mir da ein.
(Mir ist übrigens durch den Kopf gegangen ob diese Form der Grippe wohl deswegen auf den Menschen übergesprungen ist weil der schweineähnlicher geworden ist. Ich habe das aber wieder verworfen weil es dann wahrscheinlich nicht in Mexico passiert wäre.)
Wenn man wie ich von Genen als Informationsträger spricht dann liegt der Gedanke nicht fern daß sich auch andere Informationsträger so verhalten könnten. In der Richtung hat auch Dawkins gedacht, und im gleichen Buch auch den Begriff des Mems eingeführt. Ähnlich wie Gene sind Meme Informations-Schnipsel, die Lebewesen dazu bringen diese Information zu vervielfältigen und zu verbreiten.
Ein guter Witz könnte dafür als Beispiel dienen. Er bringt die Leute dazu ihn weiter zu erzählen und für seine Verbreitung zu sorgen. Schlechte Witze kommen nicht weit, während gute Witze womöglich über Jahrzehnte kursieren. Schlecht und gut sind hier übrigens nicht im Sinne von "Niveau" oder "Geschmack" gemeint. Ein (im geschmacklichen Sinne) schlechter Witz kann sich durchaus sehr erfolgreich verbreiten, und im memetischen Sinn ist er damit ein guter Witz.
Der lustigste Witz der Welt von Monty Python ist in diesem Sinn kein so guter Witz, denn er bringt jeden um der ihn liest, bevor er eine Chance hat ihn weiter zu erzählen, aber er ist auch kein ganz schlechter Witz, denn er bringt immerhin das Militär dazu, ihn zu kopieren und zu verbreiten. Ein Mem kann demnach auch von "unkonventionellen" Verbreitungsmethoden profitieren. Seine Verbreitung wurde in diesem Fall nur dadurch gestoppt, daß plötzlich der Frieden ausbrach.
Man erkennt, daß ein Mem keinen besonderen Sinn zu haben braucht oder gar wahr sein muß. Es muß bloß genügend vielen Leuten als verbreitenswerte Information erscheinen, und es muß sich ohne zu große Verfälschung kopieren lassen. Das bringt uns nach dieser langen Einleitung endlich zu den Audiophilen. (Ihr habt schon drauf gewartet, nicht wahr?)
Viel von dem was Audiophile so als ihre "Erfahrungsberichte" verbreiten hat weder einen Sinn noch ist es wahr, aber es ist ein Mem, das offenbar gern verbreitet wird. Nach Jahrzehnten von Mutationen und Variationen haben sich inzwischen auch diejenigen Ausprägungen des Mems herauskristallisiert, die sich am erfolgreichsten verbreiten. Es dürfte nicht ganz zufällig sein daß es die Varianten sind die wegen ihrer Unsinnigkeit den größten Wiedererkennungswert haben (was der Verfälschung beim Kopieren entgegen wirkt, und gleichzeitig eine Gruppenidentität schaffen hilft), und die dem Ego der befallenen Personen schmeichelt (was sich günstig auf deren Bereitschaft zur Weiterverbreitung auswirkt).
Da die Krankheit in den allermeisten Fällen harmlos verläuft wird auch kaum einmal die Fähigkeit der Betroffenen zur Weiterverbreitung ernsthaft beeinträchtigt. Es kommt allerdings immer wieder vor daß aufgrund starker Verblendung deren Überzeugungskraft für noch nicht Befallene deutlich abnimmt. Das Phänomen wird daher weithin nicht als Krankheit aufgrund von Membefall wahrgenommen, schon gar nicht von den Betroffenen.
Hier schließt sich übrigens der Kreis auch zu der Religion, von der ich eingangs schrieb. In der uns allen bekannten christlichen Religion z.B. sind die gleichen Mechanismen am Werk. Auch hier haben sich die unsinnigeren Varianten wegen des größeren Wiedererkennungswertes, und wegen des Egos durchgesetzt. Eine sehr populäre Variante dieses Mems beinhaltet z.B. die Ansicht daß ein Gott sich in einer zweiten Erscheinungsform foltern und umbringen ließ um dadurch die Erlösung von Menschen zu bewirken die ohne diesen Gott diese Erlösung gar nicht nötig hätten, was aber nur funktioniert wenn diese Menschen daran und an die Jungfrauengeburt und an die Auferstehung und an die Verwandlung einer Oblate in einen Gott und an die Unfehlbarkeit des Papstes glauben. Und daß die Welt mitsamt dem ganzen Universum um des Menschen Willen von eben diesem Gott geschaffen wurde. Man erkennt die typischen Elemente der Unsinnigkeit und des Ego-Schmeichelns hier mühelos. Kein Wunder daß die Befallenen die Verbreitung ihres Mems auch für unbedingt geboten halten.
Ich weiß nicht ob die Audiophilen als Studienobjekt von den Memetikern schon entdeckt worden sind, aber ich bin überzeugt daß sie in mancherlei Hinsicht gute Beispiele dafür abgeben würden. Gegenüber größeren Gruppen wie den Religionen würden sie den Vorteil einer größeren Übersichtlichkeit bieten, und mir scheint deswegen daß dieses Feld daher auch leichter zu überblicken und zu studieren wäre.
Gilt diese These nicht irgendwie für fast alle Hobby bereiche? Der Audio DIY-verein zeigt auch ähnliches verhalten (teilweise von den 'advertisment' gesteuert).
AntwortenLöschen