Sonntag, 18. Juli 2010

High-End Mastering

Mastering war früher mal die Tätigkeit, einen "Mix" so aufzubereiten daß man das Resultat auf einen Tonträger zum Verkauf pressen konnte. Hört sich trivial an. Schließlich ist der Mix bereits in Stereo, wenn man auf CD oder Vinyl veröffentlichen will. Man könnte also meinen es geht um wenig mehr als eine Datenkonversion. Hier das Masterband aus der Mix-Phase, dort die Preßmatritze für den Herstellungsprozeß. Zwei verschiedene Träger, die gleichen Daten. So könnte man meinen.

Als das Zielmedium die Langspielplatte war stellte sich die Lage aber deutlich komplexer dar. Das Material aus dem Mix konnte (und kann) man nicht einfach so auf Platte pressen. Das Medium Schallplatte hat so seine speziellen Eigenheiten, die nach einem Spezialisten verlangen damit bei dieser "Datenübertragung" die optimalen Ergebnisse rauskamen. Zum Beispiel muß man einen Kompromiß zwischen Lautheit, Frequenzkomponenten und Rillenbreite eingehen, um bei sicherer Abspielbarkeit die Rauschabstände und die Spielzeit optimal auszunutzen. Wenn man's übertreibt, dann kann die Nadel aus der Rille springen. Der für den Mix verantwortliche Tontechniker kümmert sich um sowas normalerweise nicht, der sorgt für die rechte klangliche Balance zwischen den Spuren bzw. Instrumenten. Deswegen hatte man den Mastering-Engineer, der aus dem Zielmedium das Beste herausholen sollte.

Das ist erst einmal keine künstlerische oder kreative Rolle, dennoch haben sich die Mastering-Engineers eine gewisse künstlerische Rolle erobert, denn sie sind vor einer Veröffentlichung der letzte, der noch in der Lage ist, am Klang des Werks korrigierend einzugreifen. Was danach kommt ist nur noch ein Fertigungsprozeß, der hoffentlich ausreichend gut beherrscht ist daß gute Qualität bei jeder Scheibe herauskommt. Zudem hat der Mastering-Engineer nochmal eine unabhängige Sicht und Meinung beizusteuern, was das werdende Produkt angeht.

Die CD als digitales Medium hat die meisten der Eigenheiten einer Schallplatte nicht. Der Mastering-Prozeß ist daher im Grunde viel einfacher, wenn man mal von den künstlerischen Aspekten absieht. Mit dem Aufkommen der Audiobearbeitung am PC gab es bald auch Software, mit denen praktisch jeder das Mastering selber machen konnte. Das Ergebnisse, die gebrannte CD-R, konnte man dem Preßwerk geben, und die vervielfältigten das ganz einfach. Bye-bye Mastering-Engineer. Oder vielmehr: Be-your-own-mastering-engineer!

Das hätte die professionellen und teuren Mastering-Engineers, die teilweise an dem Punkt im Begriff waren zu Berühmtheiten aufzusteigen, überflüssig machen können. Aber aus verschiedenen Gründen kam's nicht so. Zum Einen kommt auch beim Mastern, wie bei so vielen Dingen, Schrott heraus wenn man keine Ahnung hat, und eine PC-Software kann Ahnung letztlich nicht ersetzen. Zum Anderen gab's zunehmend neue Aufgaben für den Mastering-Engineer: Laut machen!

Mit dem laut machen haben sich auch Mix-Engineers immer wieder versucht, und selber den Kompressor auf dem Mix-Bus angeschmissen. In vielen Fällen ist das aber nicht so erfolgreich gewesen, und die Mastering-Engineers konnten sich ihre Marktlücke behaupten. Im Grunde ist das ein Segen, denn dann besteht wenigstens eine Chance daß vom Mix ein halbwegs unvermurkstes Masterband übrig bleibt, aus dem man bei passender Gelegenheit auch gut klingende Veröffentlichungen generieren kann. Wer akzeptiert daß das Lautmachen der Job des Mastering-Engineers ist, der kann sich wieder auf das konzentrieren was einen guten Mix ausmacht.

Letztlich gibt's aber immer wieder ein gewisses Konkurrenzverhalten zwischen den beiden Rollen, und der Kostendruck tut dazu sein Übriges.

Inzwischen machen Mastering-Engineers eigentlich nur noch dadurch Schlagzeilen daß sie eine besonders laute Produktion abliefern, also eine weitere Marke auf der Skala des "Loudness Wars" erreicht haben. Das scheint inzwischen ihr Existenz-Zweck zu sein.

Und es stimmt ja auch: Wenn man das noch toppen will was da inzwischen an totkomprimierten Maximal-Laut-Produktionen abgeliefert wird, dann muß man schon was drauf haben. Von einem normalen Mix-Engineer kann man nicht erwarten daß er da mithalten kann. Eine Produktion die in die Charts will braucht daher nach wie vor einen guten Mastering-Engineer, sonst kann man sich nicht gegen die Lärm-Konkurrenz durchsetzen.

Deshalb wundert's nicht daß gerade die großen Mastering-Namen hier ihre Talente einsetzen. Eine Zeit lang schien es so als sei das Lautmachen die Domäne einer neuen Generation von Mastering-Ingenieuren. Womöglich hatten die alten Platzhirsche eine Weile Skrupel, der Musik das anzutun. Aber wenn's um's Geld geht bricht der Widerstand schnell zusammen. Bob Ludwig z.B., einer der ganz großen Platzhirsche des Mastering, gehört inzwischen auch in die vordere Riege der Lautmacher.

Das führt zu einer interessanten psychologischen Situation: Die Mastering-Ingenieure haben einigen Aufwand darin investiert, sich als die Hüter audiophiler Werte darzustellen. Mehrere dieser Leute gelten als Goldohren par excellence und betreiben ziemlich effektives Selbstmarketing in diese Richtung. Das geht nicht gut zusammen mit dem tatsächlichen Output, den sie generieren.

Es fällt vielleicht nicht jedem gleich ins Auge, aber auf mich wirkt es ziemlich grotesk, wenn der gleiche Mensch auf der einen Seite über die angeblichen klanglichen Unterschiede zwischen einem 24-bit D/A-Wandler und einem 32-bit D/A-Wandler schwadroniert, und über die Unzulänglichkeit eines Mediums wie der CD, die klagenswerterweise bloß 16 Bit und 44,1 kHz bietet, und auf der anderen Seite kommen aus seiner Werkstatt Machwerke heraus die auch mit 4 Bit auskommen würden. Die oberen 4 Bit natürlich, also ironischerweise das "High-End".

Schon komisch, nicht? Wenn man den Gestehungsprozeß einer solchen Musikproduktion als Kette darstellt und sich die Stufen anhört, dann findet man daß ausgerechnet in der Stufe, wo der ausgewiesenste Audiophile sitzt, nämlich im Mastering, die Klangverschlechterung am deutlichsten ist.

Mastering ist daher heutzutage ein Job für Schizophrene. Die Realität der Arbeit und der Anspruch klaffen weit auseinander, und den Bruch muß man im Interesse der erträglichen Selbstwahrnehmung irgendwie überkleistern.

Was aber auch nicht unbedingt schwer ist:
  1. Schuld ist nämlich immer jemand Anderes. Die Mastering-Ingenieure würden ja gerne anders, dürfen aber leider nicht. Und wenn der Eine nicht täte, dann würde es halt jemand Anderes tun. Und bevor der das Geld einsackt mach's lieber ich. Allgemeines kollektives Achselzucken.
  2. Mit der demonstrativen Audiophilie kann man ebenfalls die bösen Geister abwimmeln. Wer so ein feines Gehör hat, und auf solche Winzigkeiten wert legt, der kann kein schlechter Mensch sein, oder? Der würde doch auf alle Fälle, in den Grenzen seiner Möglichkeiten natürlich, den Sound so gut machen wie's irgend geht! Das würde er doch bestimmt, oder?
  3. Mittlerweile gibt's auch keinen Mangel an Marketing gegen den Lautheitswahn, für die Popularisierung von mehr "Dynamic Range", und da kann man an vorderster Front seine rechtschaffene Gesinnung demonstrieren. Man ist selbstverständlich sehr für mehr Dynamik, und sehr gegen den Lautstärkewahn, das versteht sich als Audiophiler ja von selbst! Außer man redet mit den potentiellen Auftraggebern, da ist man der fähigste Lautmacher, denn man will ja den Auftrag haben.
  4. Zwischendurch macht man immer mal wieder auch eine wirklich gute Produktion, wenn sowieso klar ist daß das Material nicht chart-fähig ist. Bei guten Mixes braucht man dazu evtl. nur weitgehend die Finger weg zu lassen. So etwas ist ungemein gut für die audiophile Selbstdarstellung, denn man kann solche Beispiele jedem Kritiker unter die Nase reiben.
  5. Besonders witzig: Man kann wegen der erwähnten Eigenheiten der Schallplatte nicht gar so grob vorgehen wie bei der CD, außerdem ist die Schallplatte ein Nischenprodukt, das dieses aggressive Marketing nicht braucht. Also mastert man die CD beschissen und die LP deutlich besser. Und kann so gleich noch eine andere audiophile "Wahrheit" unter's Volk bringen, nämlich daß analog besser sei als digital. Es gibt Mastering-Ingenieure die deswegen ganz bewußt empfehlen die LP zu kaufen wenn man guten Klang will. Technisch gesehen ist das absurd, vom Marketing her macht's Sinn.
Ich habe leider Probleme mit dieser Art der Selbstdarstellung. Ich kann die Widersprüche und die Heuchelei nicht ausblenden. Vielleicht ist das Mastering noch nicht tot, aber es riecht ausgesprochen komisch.

204 Kommentare :

«Älteste   ‹Ältere   201 – 204 von 204
Anonym hat gesagt…

Dirk,

ganz ehrlich.

Ich denke Du warst schon damals im Sandkasten und in der Schule einer dieser total hinterfotzigen Jungs, die andere von hinten angefallen haben, und wenn der Vater oder der Lehrer kam, "der hat ja angefangen" geningelt hast...

Und so ist es jetzt in den Foren.

Alex8529

31. Juli 2010 15:33

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Q.E.D

wieder mal Recht gehabt

Alex8529

Anonym hat gesagt…

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Wer gegen den unsäglichen Mist hier im Block legal vorgehen möchte und eine Sperrung für DE und der CH erwirken möchte, kann das mit Hilfe von § 187 Verleumdung (http://bundesrecht.juris.de/stgb/__187.html) und § 185 Beleidigung (http://bundesrecht.juris.de/stgb/__185.html), hier bei Google machen.

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Anonym hat gesagt…

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Wer gegen den unsäglichen Mist hier im Block legal vorgehen möchte und eine Sperrung für DE und der CH erwirken möchte, kann das mit Hilfe von § 187 Verleumdung (http://bundesrecht.juris.de/stgb/__187.html) und § 185 Beleidigung (http://bundesrecht.juris.de/stgb/__185.html), hier bei Google machen.

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Anonym hat gesagt…

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Hier auch der einfache Weg:
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