Samstag, 17. Januar 2009

Blindtests - ein Leitfaden zum kriegerischen Gebrauch

Blindtests sind schon Jahrzehnten ein akzeptiertes und oft gebrauchtes Hilfsmittel für Wissenschaftler, um in Sachen menschlicher Wahrnehmung die Fakten von den Einbildungen zu trennen, und der Audiobereich ist hier keine Ausnahme. Viele bedeutende Erkenntnisse und Entwicklungen im Audiobereich wären ohne Blindtests kaum vorstellbar, so daß es nicht verwundert daß inzwischen diverse unterschiedliche Techniken und Varianten zur Verfügung stehen, und zum Teil sogar international genormt sind, damit sich der Test mit größerer Zuverlässigkeit und Aussagefähigkeit durchführen läßt und vermeidbare Fehler vermieden werden können.

Doch dieses traditionelle Anwendungsfeld von Blindtests wurde schon vor Jahren ergänzt um ein ganz anderes Anwendungsfeld, das auf den ersten Blick nicht unbedingt im Sinne des Erfinders zu sein scheint. Man hat entdeckt, daß man sich mit Blindtests auch gegenseitig bekriegen kann.

Es war schon immer ein Zeichen von fortschreitender Zivilisation, wenn für ein friedliches Werkzeug plötzlich neue Verwendungen entdeckt werden, mit denen man seinen Gegnern eins überbraten kann. Man wird erinnert an die symbolträchtige Stelle aus dem Film "2001: A Space Odyssey" von Stanley Kubrick, wo die Affen entdecken, daß sie mit Hilfe von Knochen als Prügel einen gegnerischen Affen totschlagen können. Man begreift unmittelbar daß hier die Schwelle liegt an dem der Affe zum Mensch wird, der Beginn von Kultur.

So kann man im Blindtestkrieg einen weiteren kleinen zivilisatorischen Schritt entdecken, gekennzeichnet durch die zweckfremde Verwendung von Blindtests. Das kann von beiden gegnerischen Lagern geschehen, und ich will hier einen kleinen Abriß der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten am Beispiel des großen 30-jährigen Kabelklangkrieges geben.

Günstig für die Verwendung als Waffe erweist sich daß die meisten Betroffenen keine Ahnung von Blindtests haben. Daher kann man fast beliebige Behauptungen und Unterstellungen in die Welt setzen, die man so darstellen sollte als seien sie selbstverständlich wahr. Es hängt vom eigenen Standpunkt ab wie man hier vorgeht.

Wer zum Beispiel befürchten muß daß seine Position in einem ordentlich durchgeführten Blindtest schlecht aussehen würde, dem stehen folgende Finten offen:
  1. Man kann so tun als wäre der Blindtest offensichtlich ungeeignet für das was es zu hören gibt. Warum er ungeeignet sein sollte steht zwar in den Sternen, aber einem Ahnungslosen kann man so vielleicht gleich den Wind aus den Segeln nehmen. Vorgetäuschtes Wissen ist oft ein guter Ersatz für echtes Wissen, wenn man sich bekriegt.
  2. Man kann postulieren, ein Blindtest sei unnötig, denn man wisse auch so was Sache sei und könne sich auf seine Wahrnehmung und/oder seine Erfahrung verlassen. Das ist natürlich nicht mehr als eine Beteuerung, und wenn der Gegner zuvor einen Blindtest gefordert hat wird er einem die Beteuerung kaum abnehmen, aber wenigstens zwingt man ihn dadurch, sich zu seinem Mißtrauen zu bekennen, was einem die Gelegenheit zu einer beleidigten Geste gibt. Das funktioniert am besten wenn man sich erfolgreich als alter Hase darstellen kann.
  3. Man kann den Blindtest lächerlich machen, indem man völlig verzerrt darstellt wie er geht. Man orientiert sich am besten daran wie dumm der Gegner zu sein scheint. Manche sind sich nicht zu blöd zu behaupten es gehe dabei um das Verbinden der Augen beim Test. Oder es gehe dabei darum den Tester möglichst wirkungsvoll zu stressen, oder ihm die Sache generell so schwer als möglich zu machen.
  4. Man kann Blindtests versuchen, zu diskreditieren, indem man das Ergebnis von bereits durchgeführten Tests als offensichtlich falsch darstellt. Dabei hilft es wenn man die umstrittene Tatsache, die eigentlich erst zu beweisen wäre, schon voraussetzt. Wenn zum Beispiel ein Blindtest ergibt, daß man zwischen verschiedenen Verstärkern keine Unterschiede hören konnte, dann nimmt man das als Beweis dafür daß der Blindtest nichts taugt, weil es ein offensichtlich unsinniges Ergebnis sei daß die Verstärker wirklich gleich geklungen haben. Daß dieses Ergebnis gar nicht so unsinnig ist unterschlägt man stillschweigend.
  5. Man verlangt vom Gegner, er solle den Blindtest selbst machen, und damit seine eigene Behauptung beweisen. Abgesehen davon daß man damit den Aufwand des Tests auf Andere verschiebt, ist natürlich klar daß es prinzipiell nicht möglich ist daß ein Blindtest beweist daß ein bestimmter Effekt nicht hörbar ist. So einen Beweis kann man nicht ein für alle Mal führen, schon gar nicht per Blindtest. Man hat damit seinem Gegner eine unmögliche Aufgabe aufgehalst.
  6. Man nimmt einen mangelhaft durchgeführten Blindtest und kritisiert mit Hilfe dieses Beispiels die Blindtests als Ganzes. Man versucht dabei den Eindruck zu erwecken, der Beispieltest sei typisch oder symptomatisch für alle Blindtests. Beliebt sind hier als angeblich typisches Beispiel Geschmackstests von Wein oder Bier. Es ist nicht überraschend daß Leute, die zwar glauben, Biersorten leicht unterscheiden zu können, aber keine Erfahrung und Übung mit Blindtests haben, keinen Unterschied schmecken. Das kann man leicht auf den Blindtest schieben, obwohl es eher am fehlenden Training liegt.
  7. Man kann bei jedem Blindtest irgend ein Haar in der Suppe finden. Man hätte andere Kabel testen sollen, man hätte die Kabel einspielen sollen, man hätte andere Geräte nehmen sollen, man hat zu schnell, zu langsam, zu oft, zu selten, umgeschaltet, die falsche Musik benutzt, die falschen Tester gehabt, und so weiter ad nauseam infinitam. Und deswegen gilt der Test eben nicht. Und die Veranstalter hätten das wissen müssen und da sie das nicht berücksichtigt haben haben sie ihre Gegner um den Sieg betrogen.
  8. Man legt möglichst stringente "wissenschaftliche" Maßstäbe an einen Blindtest an, der gar nicht diesen hohen Anspruch hatte. Das funktioniert interessanterweise sogar dann, wenn man selber gar keine Ahnung hat was wirkliche wissenschaftliche Maßstäbe eigentlich verlangen würden. So kann man sich zum Hüter der Wissenschaftlichkeit aufschwingen, unter dessen kritischen Augen der Test nicht bestehen kann, und dabei hat man mit der Wissenschaft nicht das Geringste am Hut.
  9. Man stellt dem Test einen anderen Test entgegen der angeblich zu einem anderen Ergebnis kommt. Das kann ruhig auch ein Test sein, der völlig mangelhaft war, oder der gar nicht das behauptete Ergebnis hatte. Wichtig ist, erst ein mal einen scheinbaren Widerspruch hinzuwerfen und es dann den Anderen zu überlassen, den Fall aufzuklären. Das sollte man auch nicht zu einfach machen, zum Beispiel kann man es versäumen, für den Gegentest eine ordentliche Quelle anzugeben, oder man gibt eine an die schwer zu besorgen ist. Notfalls erfindet man eine, die halbwegs autoritativ klingt. Bewährt ist auch wenn man mehrere solche Gegentests vorweisen kann, die aufeinander verweisen. Das ist dann aufwändiger zu durchschauen.
Als Gegenseite kann man ebenfalls auf ein paar Finten zurückgreifen:
  1. Man tut so als würde ein "gescheiterter"Blindtest beweisen daß es nichts zu hören gab. Das ist zwar ein logischer Fehler, aber es wirkt bei Vielen überzeugend. Tatsächlich beweist ein gescheiterter Blindtest nichts dergleichen. Er zeigt nur daß die Tester das nicht geschafft haben was man sich erhofft hätte.
  2. Man tut so als würde ein "gescheiterter" Blindtest beweisen daß man in anderen Situationen auch nichts hören kann. Das gilt zwar noch weniger, aber auch das wird oft als überzeugend empfunden.
  3. Man kann obige Finten forcieren indem man die entsprechenden Tests selbst organisiert und durchführt. Dabei kann man die Naïvität und Selbstüberschätzung vieler Audiophiler sehr leicht nutzen, denn sie werden oft ein angemessenen Training für unnötig halten, und es ist leicht, ihnen völlig unhaltbare Behauptungen zu entlocken, die sie dann im Test nicht werden bestätigen können. Je eingebildeter sie sind, desto leichter gehen sie in die Falle. ("You can't cheat an honest man." W.C. Fields)
  4. Deswegen darf man sich auch nicht dazu bringen lassen, selbst als Tester verpflichtet zu werden. Man hätte die Arbeit, und es würde nichts dabei heraus kommen. Der Gegner behauptet eine Hörbarkeit, dann muß er sie auch belegen. Dabei muß es bleiben, und kein Spieß wird rumgedreht. Im Krieg ist es immer ratsam, den eigenen Aufwand niedrig und den des Gegners hoch zu machen.
  5. Man muß seinem Gegner so viel Freiraum im geforderten Blindtest lassen wie möglich, damit er sich nicht beschweren kann die Bedingungen würden seine Hörfähigkeiten beeinträchtigen. Er wird sowieso heftigst um Ausreden bemüht sein, dann sollte man ihm nicht noch welche auf dem Silbertablett servieren. Eine glaubwürdige Verblindung, und statistische Signifikanz, darauf muß man dringen. Der Rest ist das Problem des Gegners und sollte es bleiben. Die Testmodalitäten, Ort, Gerätschaften, Audiomaterial, ... sind allesamt potenzielle Ausreden wenn der Test nicht nach Wunsch gelaufen ist und sollten daher so weit als möglich vom Gegner bestimmt werden. Man muß ihm möglichst reichlich Seil geben damit er sich damit leichter erhängen kann.
  6. Man sollte die Eitelkeit des Gegners aufstacheln, damit er möglichst weit über das Ziel hinausschießt bei seinen Behauptungen. Audiophile haben sowieso Schwierigkeiten mit maßvollen und nüchternen Formulierungen, daher ist es leicht sie hier in die Bredouille zu bringen, zudem ihr Stolz sie daran hindert, einmal gemachte Behauptungen wieder zurückzunehmen. Eher werden sie den absichtlich Mißverstandenen spielen, und beleidigt tun. Wenn man dann eine schön hanebüchene Behauptung "im Kasten" hat kann man nach Belieben darauf herumreiten, und den Gegner in Richtung Blindtest vor sich her treiben.
Mit diesen Kriegslisten können es beide Seiten leicht so weit bringen, daß jede Klärung irgend eines Sachverhalts wirkungsvoll verhindert wird, daß sich die Gegner spinnefeind bleiben, daß die vernünftigeren Naturen daran verzweifeln und das Gleichgewicht somit nicht stören können, und daß die Übrigen dazu gezwungen werden, den Raum zwischen den Schützengräben zu verlassen.

Mit anderen Worten, man macht sich so um die Stabilisierung der Situation, um die Erhaltung der Normalität verdient, und kann es dadurch auch vermeiden, über unbequemen Gedanken Zeit zu verlieren, die man besser für wichtigere Dinge einsetzt.

1 Kommentar:

  1. Schön beobachtet.

    Verwechseln sollte man einen BT aber nicht mit:

    K+H O 410 vs. Wiener DIY Horn = MT-Kalotte der K+H klingt natürlicher, aber ist scheiße und Abstrahlverhalten ist egal , JA, das wäre dann ein nicht bestandener DUMMTEST.

    Oder:

    STAX ablösen lassen von einer
    Dynaudio.
    Damit kann der Wiener Händler seine Rassepussy refinanzieren = Kunde hat den MANIPULATIONSTEST nicht bestanden.

    Liebe Grüße

    Martin Gelte

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