Sonntag, 25. Januar 2009

Strategisches Beleidigtsein

Ja, ich habe sie auch entdeckt, die Atheistische Bus-Kampagne in Großbritannien. Sie war ja oft genug in den Medien, und wer weiß, vielleicht sehen wir ja auch hierzulande bald Ähnliches an öffentlichen Transportmitteln. Auf andere Länder übergeschwappt ist die Sache ja bereits.

Jetzt bin ich zwar selber Atheist, aber bevor die Sache Anfang des Jahres Wirklichkeit wurde war ich von dieser Idee eher unbegeistert. Es schien mir einfach zu platt und simplizistisch zu sein, und der Nutzen hat mir nicht recht eingeleuchtet. Inzwischen finde ich die Idee aber super, und zwar nicht wegen des Spruches auf den Bussen selbst, sondern wegen der Reaktionen, die er heraufbeschwört. Man braucht offenbar die Bigotten in der Gesellschaft bloß leicht anzustechen, und schon kriegt man die schönsten Beispiele des Stumpfsinns frei Haus serviert. Das hat mich sogleich an die Situation beim Hifi-High-End erinnert.

So lese ich beispielsweise daß es bei den Briten 326 Beschwerden an die ASA gab, die den atheistischen Slogan entweder anstößig fanden oder sich darüber mokierten daß es keinen Beweis dafür gebe daß "Gott wahrscheinlich nicht existiert". Klasse, oder? Ich kann gar nicht sagen wie oft ich schon christliche Sprüche in der Londoner Tube gelesen habe, um nur ein Beispiel zu nennen. Was ist dann von denen zu sagen? Ist "Jesus loves you" etwa eine bewiesene Aussage? Und wieso ist der atheistische Spruch anstößiger als die Behauptung, man könne nur durch den Glauben an Christus gerettet werden (von der ewigen Verdammnis z.B.)?

Die ASA hat die Einsprüche zwar abgelehnt*, aber es ist auch interessant wie sie das begründet hat. Sie findet es "unwahrscheinlich, daß [der Slogan] in die Irre führt oder ernstes oder weitverbreitetes Ärgernis verursacht". Das ist wiederum eine Parallele zum Deutschen "Gotteslästerungsparagraphen" (§166 StGB), der die Strafbarkeit auch nicht etwa am Inhalt, sondern an der Störung des öffentlichen Friedens festmacht. Es ist also nicht so sehr das Problem was man sagt, sondern wie es wirkt.

Um das etwas zuzuspitzen: Man darf die Wahrheit dann nicht sagen, wenn sich zu viele Leute darüber aufregen.

Aus der Perspektive eines Staatswesens hat das einige unbestreitbare Vorteile. Der wichtigste dürfte sein, daß man sich gar nicht erst in die Niederungen der Auseinandersetzung darüber begeben muß, was nun wahr ist und was nicht. In so schwierigen Fragen wie der Existenz Gottes wäre das eine formidable Herausforderung für ein Gericht. Da ist es schon viel einfacher, zu entscheiden ob der öffentliche Frieden gestört ist, oder nicht.

Es folgt daraus aber auch, welche Strategie jemand verfolgen muß um eine unwillkommene Meinung im öffentlichen Diskurs zu diskreditieren: Man muß sich möglichst intensiv, laut und wirkungsvoll aufregen. Je dramatischer man seine Gekränktheit in Szene setzt, desto besser. Erstens kriegt man so die Aufmerksamkeit der Medien, zweitens glauben viele daß bei so viel Rauch auch irgendwo Feuer sein müsse, sprich wenn jemand so beleidigt ist muß er auch beleidigt worden sein.

Vielleicht ist es wirklich so daß die Atheisten in dieser Hinsicht einen Aufrege-Nachholbedarf haben. Wer hat sich denn bisher z.B. groß darüber aufgeregt wenn mal wieder ein religiös Überzeugter die Atheistische Gesinnung mit Gewissenlosigkeit (und Schlimmerem!) in Verbindung bringt, wie man das regelmäßig erlebt? Man ist das irgendwie gewohnt, die religiösen Hardliner sind eben so, und sie genießen ja Meinungsfreiheit wie alle Anderen auch. Aber wehe Du druckst eine Mohammed-Karikatur - schon rast ein Aufschrei um die Welt und es gibt Tote.

Aber vielleicht ist das ja sogar ein Vorteil für die Atheisten, denn je überdramatischer und theatralischer sich die Betroffenen aufregen, je unglaubwürdiger machen sie sich. In Großbritannien scheinen jedenfalls nicht besonders Viele auf die Gekränktheits-Demonstrationen herein zu fallen. Daß ein Busfahrer sich empört geweigert hat seinen Bus mit dem Spruch zu fahren, war eher ein kurioser Einzelfall. Die Briten haben für Exzentriker ja auch ein ausgeprägtes Verständnis.

Nachdem sich dort durch diese atheistische Aktion die Riege der Bigotten so pflichtschuldigst lächerlich gemacht hat, könnte ich mir hierzulande auch gut vorstellen, auf unseren Bussen den Spruch zu sehen:

Es gibt wahrscheinlich keinen Kabelklang. Also entspanne Dich und genieße die Musik.

(Wie Richard Dawkins in England würde auch ich lieber - und wahrheitsgemäßer - das Wort "wahrscheinlich" ersetzen wollen durch "so gut wie sicher", aber womöglich kriegt man dafür weniger Unterstützung. Und für die High-End-Bigotten ist es auch so schon Provokation genug.)

* Wer noch einen weiteren Lacher möchte sollte sich hier ansehen wie die Ablehnung der Beschwerden durch die ASA von einem der Beschwerdeführer sogar noch in seinem Sinne interpretiert wird.

4 Kommentare:

  1. Unglaublig, was die sich in London alles erlauben :D. Wenn sie noch unterschiedliche Versionen davon hätten, oder gar mehrere ähnlich gesinnte Sprüche, dann würde ich die Werbung wirklich mögen.

    "Wahrscheinlich klingt Ihre CD nach dem Entmagnetisieren nicht anders, also genießen Sie einfach die Musik" wäre auch ein guter Slogan gewesen.

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  2. warhscheinlich klingt ihre anlage nach dem einbrennen nicht anders, also genießen sie ihren kontostand

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  3. Pelmazo, you made my day..:-)

    Bitte schreib mehr !
    Zum Beispiel über Basen für NAS-Laufwerke oder so..

    Bye

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  4. Alle lieben den Verrat, keiner liebt den Verräter

    Pelmazo ist…

    Wer aber, aus rechtlich relevanten Gründen wissen möchte oder muss, wer sich hinter dem Pseudonym "Pelmazo" verbirgt, bitte eine E-Mail an: s.h.i.m.leser@googlemail.com

    Nach Überprüfung der Sachlage, gibt es den vollständigen Namen, die E-Mail, Namen der Arbeitgeber und für wen er so gearbeitet hat und sogar ein hübsches Bild.

    Der anonyme, Anonymus :L

    http://img10.abload.de/img/pelmazorgji.jpg

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