Samstag, 4. April 2009

Die großen Drei

Vor ein paar Wochen kam es im Hifi-Forum mal wieder zu einem Thread über Hifi-Zeitschriften. Das wäre nicht weiter bemerkenswert gewesen wenn nicht der Teilnehmer "Stones" die "Drei Großen", also Audio, Stereo, und Stereoplay, angeschrieben hätte und sie nach ihrer Position zu Blindtests gefragt und einen "öffentlichen" Blindtest angeregt hätte. Zu seiner eigenen Überraschung haben alle drei geantwortet. Ich finde die Antworten aufschlußreich genug daß sie mich zu diesem Blog-Artikel inspiriert haben.

Bevor ich hier durch meine Kommentare Voreingenommenheit erzeuge solltet Ihr am besten zuerst die Antworten lesen, die Stones hier, hier und hier veröffentlicht hat.

Ich gehe mal in umgekehrter Reihenfolge darauf ein. Der Kommentar der Audio zeigt wie blank die Nerven bei diesem Punkt liegen. Außer Polemik kommt absolut nichts. Wenn man die Tests und die Testergebnisse aus der Zeitschrift bezweifelt und nicht glauben mag daß sich die Testgeräte alle hörbar unterscheiden, dann ist man damit immer noch weit davon entfernt zu behaupten, alle CD-Spieler oder Verstärker klängen gleich. Wenn man aus der "Seriosität" dieser hingekotzten Antwort auf die angebliche Seriosität der durchgeführten Tests schließen kann, dann gute Nacht.

Der Kommentar der Stereoplay ist es schon eher wert daß man sich damit beschäftigt, was nicht heißen soll daß er überzeugender wäre. Sie behaupten immerhin explizit, regelmäßig Blindtests zu machen, und sie auch "Monat für Monat" zu "bestehen". Stattdessen schieben sie den Ball zurück ins andere Feld und behaupten, das öffentlich zu machen würde die Zweifel nicht ausräumen, man könnte schließlich immer einen Vorwand für die Ablehnung finden. Am interessantesten ist dabei der Verweis auf einen öffentlichen Blindtest, den die Stereoplay vor Jahren durchgeführt hatte. Man erweckt den Eindruck als sei der quasi eine Bestätigung für die Position der Stereoplay.

Es wird zwar keine genaue Angabe gemacht, aber es kann sich bei dem angegebenen Test eigentlich bloß um einen im Jahr 1990 veranstalteten Test handeln, über den in der Stereoplay 5/90 und der folgenden Ausgabe ein zweiteiliger Artikel von Karl Breh berichtete. Ich habe Kopien des Artikels vorliegen. Zwar war ich in den 80ern selbst Stereoplay-Abonnent, aber ich hatte das Abo zu früh gekündigt, und außerdem schon lange alle Hefte "entsorgt". Wenn man den Artikel liest und ihn mit dem Stereoplay-Kommentar vergleicht bekommt man einen Eindruck, wie weit die "Legendenbildung" auch bei der Stereoplay selbst schon fortgeschritten ist.

Zuerst zu den faktischen Fehlern: Laut Artikel hat die Jury 30 Leute umfaßt, und nicht 50. Ob das der größte bis dahin veranstaltete öffentliche Blindtest war kann man getrost bezweifeln.

Auch die Beschreibung der Testmethode ist völlig falsch. Auf DAT aufgezeichnet wurde gar nichts. Es gab in Wirklichkeit 2 verschiedene Tests. Der erste Test diente dem Vergleich eines von LP abgespielten Signals mit dem gleichen Signal, das zusätzlich eine A/D-Wandlung und wieder eine D/A-Wandlung durchlaufen hat. Die Frage war also ob eine solche Wandlerkette das Signal merklich verschlechtert. Es wurden dazu die Wandler in einem DAT-Recorder Pioneer D1000 benutzt, aber es sieht nicht danach aus als ob das Band dabei überhaupt lief. Der zweite Test versuchte speziell die CD mit ihrem Mastering-Prozeß zu überprüfen, wozu man von der LP abgespielte Stücke auf CD masterte, so daß man das Original von der LP mit der "Kopie" von der CD vergleichen konnte. Ein DAT-Laufwerk war hier nirgends im Spiel. Hier waren also gegenüber dem ersten Test zusätzlich zu den A/D- und D/A-Wandlern noch der Masteringprozeß der CD im Spiel. Die Wandler waren im zweiten Test natürlich andere als im ersten, beidesmal wird es sich aber um 16-bit/44,1 kHz Wandler gehandelt haben, auch wenn man das so explizit nicht gesagt bekommt.

Auch das Ergebnis stellt sich keineswegs so eindeutig dar wie man es uns heute glauben machen will. Schon bei der Lektüre des Artikels habe ich den Eindruck daß aus den Ergebnissen mehr heraus gelesen wird als drin ist, aber da die Ergebnisse wenigstens detailliert dokumentiert sind, kann man die Tabellen auch selbst studieren und interpretieren. Und die ergeben eben, daß im ersten Test von 9 Testredakteuren mindestens 6 so nahe an einem Zufallsergebnis lagen daß man beim besten Willen nicht davon reden kann daß hier so etwas wie eine Erkennung stattgefunden hat. Eine ordentliche Signifikanzanalyse findet leider nicht statt und es wurden augenscheinlich auch vor dem Test keine Signifikanzschwellen festgelegt, so daß schon deswegen ein gewisser Interpretationsspielraum verbleibt. Aber selbst im günstigsten Fall muß man sagen daß auch bei den Testredakteuren eine erfolgreiche Erkennung der Unterschiede die Ausnahme und nicht die Regel war.

Beim zweiten Test sind die Juroren nicht mehr aufgeschlüsselt, man kann also nicht mehr erkennen wie die Testredakteure gegenüber den übrigen Teilnehmern abgeschnitten haben. Bemerkenswert bei diesem Test ist allerdings daß es im Gesamtergebnis eine geringe Bevorzugung der CD gab, die ja eigentlich als Kopie von der LP höchstens schlechter als diese sein konnte.

Zudem sollte man sich das Alter des Tests vor Augen halten. Die dabei verwendete Technik ist von vor 20 Jahren, und die CD war erst ein paar Jahre auf dem Markt. Die damals verwendeten Top-Wandler werden heute in ihren technischen Daten teilweise von Billig-Chips überboten.

Ein solches Testergebnis also zum Anlaß zu nehmen sich auf die Brust zu klopfen, und wie selbstverständlich zu behaupten man könne alle diese Unterschiede routinemäßig hören und stelle das Monat für Monat unter Beweis, das ist schon eine ziemliche Chutzpe. Man fälscht quasi die eigene Geschichte und hofft darauf daß die Leserschaft schon nicht genauer nachsehen wird. Darauf aufbauend zieht man aus den Tests im Eigeninteresse genau den umgekehrten Schluß der eigentlich angebracht wäre, und stellt sich selbst einen Persilschein aus.

Da kann ich nicht anders als mich als "Internet-Stänkerer" (Audio) zu betätigen: Ich nehme solche Aussagen als einen starken Hinweis darauf daß man bei der Stereoplay tatsächlich keine Bodenhaftung mehr hat was die Einschätzung der Hörfähigkeiten angeht, und die ganze Kritik an deren Tests und Ranglisten finde ich dadurch bestätigt.

Beim Kommentar der Stereo fragt man sich ob man als Satiriker überhaupt etwas dazu schreiben soll, treiben sie die Realsatire doch schon selbst auf die Spitze.

Sie führen angeblich keine Blindtests durch weil man auch schon ohne Blindtests die Unterschiede problemlos hört. Entlarvend, nicht? Als ob es der Zweck von Blindtests wäre, möglichst viele Unterschiede zu hören. Schon klar: Wer Unterschiede hören will sollte sich mit Blindtests gar nicht erst aufhalten. Das ist ein alter Hut, und er illustriert aufs Deutlichste daß ihnen der Zweck eines Blindtests völlig unklar ist, und - so kann man vermuten - auch der Zweck von Tests im Allgemeinen. Um die Realität geht's hier jedenfalls eindeutig nicht, denn wer das Hören eines Unterschieds als Wert an sich betrachtet, der kann die Realität nur als störend betrachten.

Was für eine "freihändige" und jede nüchterne Einstellung zu Blindtests völlig negierende Position die Stereo hat wird aus dem weiteren Text jedenfalls mehr als klar. In gewissem Sinn ist die Antwort der Stereo daher die konsequenteste der drei Antworten. Man hält sich gar nicht erst mit den Tatsachen auf. Wozu Blindtests oder überhaupt Tests da sind, und was die Wissenschaft dazu zu sagen hat, ist völlig uninteressant. Das Hören von Unterschieden ist zum Zweck in sich geworden, und alles Andere einschließlich der beteiligten Geräte wird zum Hilfsmittel dafür.

Auch die zum Teil wirklich weit ausholenden Analogien stoßen mit ihrer völligen Sinnfreiheit ins gleiche Horn. Wenn sich jemand in einem Gerätevergleich die Unterschiede herbeifabulieren kann, dann kann er ebenso mühelos auch einen Zusammenhang mit der Stringtheorie herbeifabulieren. Freie Assoziation eben, keiner Realität, keiner Seriosität und keiner Nachvollziehbarkeit verpflichtet.

Ich gebe zu: Die Antwort der Stereo amüsiert mich, während mich die beiden anderen eher ärgern. Die Stereo weiß offenbar wenigstens wo sie steht und stehen will. Man hat sich eindeutig für das Audiophilen-Klientel entschieden mitsamt ihrer Weltfremdheit und Hörelite-Dogmatik. Denen liefert man die Denkschablonen und die Dogmen, die Gruppenidentität und das Selbstbewußtsein. Jede zur Schau gestellte Objektivität, falls man sich darum überhaupt bemüht, ist Fassade. Entweder man nimmt das ernst, und ist damit selbst vom dazugehörigen Denkschema infiziert, oder man nimmt es als eine ordentliche Dosis Realsatire, die umso besser ist je ehrlicher die Redakteure von ihrem Gemache überzeugt sind.

Audio und Stereoplay versuchen dagegen eine Grätsche, die eigentlich nicht gut gehen kann. Sie wissen offenbar nicht wo sie stehen und wo sie hin wollen. Entweder man spricht den kritisch denkenden Leser an oder den selbstbezogenen Subjektivisten. Je mehr man sich dem einen zuwendet desto mehr schreckt man den anderen ab. Dabei ist es generell schwieriger, jemanden zu gewinnen als zu verlieren. Das ist das Problem: Auch wenn der Markt eine nüchterne und rationale Zeitschrift durchaus vertragen könnte, ist doch keineswegs klar daß sie auch vom Fleck weg ausreichend Abonnenten bekäme. Das Terrain ist schlicht und einfach vergiftet, die Anhänger einer rationalen Linie sind schon längst vergrault, und ihr Vertrauen ist auch nicht im Handstreich zurückzugewinnen.

Wenn man dazu noch einen Teil seiner eigenen Vergangenheit verleugnen müßte wird's extra schwierig. Der Subjektivismus und die Blindtest-Muffelei sind eine schiefe Ebene, auf der man unweigerlich tiefer rutscht wenn man nicht aktiv dagegen arbeitet. Die Fehler die man auf dem Weg nach unten gemacht hat werden einem auf dem Weg zurück unweigerlich um die Ohren gehauen. Man kann zumindest die kritischen Geister eben nicht für dumm verkaufen und danach wieder ihr Vertrauen einfordern.

Ich glaube daher daß es mit dem Weg zurück nach oben für die Stereoplay und die Audio nichts werden wird. Vorübergehende Tendenzen bei der Audio scheinen schnell wieder untergegangen zu sein, und ich meine auch zu verstehen warum. Es liegt in der Logik der Sache. Bloß wartet auf der schiefen Ebene weiter unten schon die Stereo. Da wird's ungemütlich eng werden.

4 Kommentare:

  1. Wenn Audio, Stereo und Stereoplay Fachzeitschriften für Audiotechnik sind, dann ist der Playboy eine Fachzeitschrift für Anatomie.
    In Wahrheit sind alle erwähnten Zeitschriften nur Märchenhefte für mehr oder weniger Erwachsene.
    Dabei ist es für den Effekt beim Leser völlig egal, ob die Titten echt, oder der Klang wirklich anders ist, es kommt nur auf das an, was im Gehirn geschieht.

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  2. mich haben die Antworten keineswegs überrascht, "denn sie wissen was sie tun", Anzeigen verkaufen, und sonst nix.....

    alex8529

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  3. Eine ausführliche Zusammenfassung der beiden Stereoplay-BTs von 1990 findet man hier:

    Stereoplay BTs

    Gruss
    Stefan

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  4. Alle lieben den Verrat, keiner liebt den Verräter

    Pelmazo ist…

    Wer aber, aus rechtlich relevanten Gründen wissen möchte oder muss, wer sich hinter dem Pseudonym "Pelmazo" verbirgt, bitte eine E-Mail an: s.h.i.m.leser@googlemail.com

    Nach Überprüfung der Sachlage, gibt es den vollständigen Namen, die E-Mail, Namen der Arbeitgeber und für wen er so gearbeitet hat und sogar ein hübsches Bild.

    Der anonyme, Anonymus :L

    http://img10.abload.de/img/pelmazorgji.jpg

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