Der audiophile Hersteller wußte gleich nach dem Aufwachen, was er heute erschaffen würde. Es würde ein Lautsprecher sein. Der beste Lautsprecher, der jemals gebaut wurde. Wer ihm zuhören würde, würde sich mitten ins Geschehen versetzt fühlen, alles rundherum vergessen, und in der Musik leben.
Heute war der Tag dafür.
Schon unter der Dusche stand der Lautsprecher vor seinem geistigen Auge, so klar als wäre er bereits gebaut. Er war groß und imposant, aber wirkte doch zugleich unaufdringlich, er war unübersehbar und doch nicht im Mittelpunkt. Er war wie eine Diva, die den Anwesenden zu sagen versucht, man solle sich nicht um sie kümmern, wohl wissend daß das völlig unmöglich ist. Die beleidigt wäre wenn man es wirklich befolgte.
Auf dem Weg zum Firmengebäude verdichtete sich das Konzept zum Bauplan. Die Hölzer und die Lacke, die Wege und die Weichen geronnen zu einem Ganzen, das darauf wartete in die Welt gesetzt zu werden.
Der audiophile Hersteller rief seine Mitarbeiter sogleich zu einer Besprechung zusammen. In gepannter Erwartung lauschten die Anwesenden den neuen Schöpfungen ihres großen Vorbildes. Es war genial. Binnen zwanzig Minuten wußte Jeder, was er zu tun hatte. Kaum daß der audiophile Hersteller geendet hatte, machten sich alle an die Arbeit.
Der audiophile Hersteller begleitete den Schreiner ins Holzlager, wo er die besten Stücke aussuchte, die Resonanzen abklopfend wie ein Geigenbauer.
Sodann begab er sich mit dem Elektroniker ins Bauteilelager, wo er die besten Spulen und Kondensatoren aussuchte, und den Elektroniker ermahnte, immer auf die richtige Flußrichtung der Elektronen zu achten.
Schließlich ging er zum Lackierer, um mit ihm den schönsten Lack herauszusuchen, und ihn zur Sicherheit noch einmal auf die Wichtigkeit der richtigen Materialschwingungen hinzuweisen.
Als das alles auf den Weg gebracht war, widmete er sich den Treibern, die er mit besonderem Bedacht auswählte, kam es doch auf deren richtiges Zusammenspiel entscheidend an. Den Rest des Vormittags verbrachte er sodann beim Schreiner, den er bei der Fertigung der vielfältigen inneren Gehäusedetails überwachte.
So geschäftig war die ganze Firma, daß man das Herannahen der Mittagszeit beinahe versäumt hätte. Doch die gute Fee der Firma war auf dem Posten und rief die Männer zur Mahlzeit, die keiner über Gebühr ausdehnte, war doch ein wichtiges Tagwerk zu tun!
Jeder spürte, daß etwas Großes im Entstehen war, und alle arbeiteten gewissenhaft an dessen Vervollkommnung. Kurz nach vier, der Lack war noch frisch, versammelten sie sich um das neue Geschöpf. Dem Meister stand es zu, den Klängen als Erster zu lauschen. Würde das Werk gelungen sein?
Man verband den neuen Lautsprecher mit dem besten Verstärker der weit und breit zu finden war. Stark wie ein Stier war er, und zugleich geschmeidig und unbekümmert wie ein Eichhörnchen spielte er auf. Es war der ideale Partner für den neuen Lautsprecher. Jeder war auf das Ergebnis gespannt.
Der audiophile Hersteller bat um Ruhe, wählte seine Musik, lauschte den ersten Klängen seiner Schöpfung, und hörte daß es gut war. Ganz versenkte er sich in die Darbietung, und er fühlte sich sogleich mitten in das Geschehen versetzt und vergaß alles rundherum.
Doch als er eben anfing in der Musik zu leben, hielt ihn etwas zurück. Warum wollte sein Fuß nicht wippen? Wo blieb die Lust, Luftgitarre zu spielen? Was hielt die Handbremse gezogen? Etwas stimmte noch nicht.
Der audiophile Hersteller war beunruhigt, lauschte in sich hinein, aus sich heraus, am Lautsprecher hoch und runter und dem Hörerlebnis zu, und schließlich, als seine Mitarbeiter schon angefangen hatten, sich zu sorgen, ballten sich die Wolken der Erkenntnis zusammen und die Lösung regnete herab wie ein erfrischender Sommerschauer.
Am nächsten Morgen waren alle rechtzeitig zur Stelle, um dabeizusein wie der audiophile Hersteller den neuen Draht vom Metallbauer in Empfang nahm, und sogleich daran ging, mit ihm die Weiche und den Hochtöner zu verbinden. Der erfahrene audiophile Hersteller brauchte dafür nur wenige Handgriffe, und die Mitarbeiter staunten über die Fertigkeit ihres Meisters.
Wieder ward der Lautsprecher mit dem Verstärker verbunden, und die Prozedur vom vorigen Nachmittag ereignete sich erneut. Konnte der Lautsprecher diesmal überzeugen? Alles schien stillzustehen während die Mitarbeiter auf das Ergebnis harrten. Doch groß war der Jubel und die Freude als die Füße des Meisters zu wippen anfingen und er zur Luftgitarre griff.
Das Werk war gelungen. Diese Schöpfung würde die Welt im Sturm erobern.