Donnerstag, 5. Dezember 2019

Symmetrische Kopfhörer

Irgendwie hatte ich heute mal wieder Lust, einen Blogartikel zu schreiben. Immerhin bleibt so nach länglicher Pause das Jahr 2019 nicht gänzlich leer.

Das Thema ist allerdings nicht gerade taufrisch, im Gegenteil scheint es ungefähr 20 Jahre alt zu sein, denn HeadRoom Audio rühmt sich, vor 20 Jahren den Trend mit ihrem Verstärker BlockHead ausgelöst zu haben. Die Firma scheint verblichen zu sein, und der Verstärker war erlesen häßlich. Zudem noch unpraktisch, denn man mußte den Kopfhörer mittels zweier 3-pol XLR Stecker anschließen. Kein Wunder also daß der Tester von Stereophile damals begeistert war. War bei einem Preis von fast $4000 auch zu erwarten.

Inzwischen haben sich diverse Firmen dieses Themas angenommen, und bieten Geräte und Kopfhörer für symmetrischen Anschluß an. Immerhin hat man sich inzwischen auf einen einheitlichen Stecker geeinigt, nämlich einen 4-pol XLR, so daß man wenigstens nicht mit zwei Steckern pro Kopfhörer rummachen muß. In jüngster Zeit ist schließlich mit dem "Pentaconn" ein 5-pol Klinkenstecker aus Japan für den gleichen Zweck auf uns gekommen, der wegen seines anderen Durchmessers von 4,4 mm nicht mit den bekannten Klinkensteckern kompatibel ist.

Ich finde es geradezu ironisch, daß man sich ausgerechnet bei Kopfhörern um Symmetrierung bemüht, wo das am wenigsten bringt. Ebenfalls ironisch ist, daß der in Deutschland normierte und weithin verwendete Kopfhörerstecker der 70-er Jahre, der sog. "Würfelstecker", schon symmetrisch war. Es hätte überhaupt keinen Grund gegeben, sich nach einem neuen Stecker umzusehen, man hätte einfach den alten Würfelstecker wieder herauskramen können. Schließlich, noch eine Ironie, ist ein Kopfhörer, genauer gesagt der Schallwandler an jedem Ohr, eigentlich ohnehin grundsätzlich symmetrisch.

Der einzige Unterschied zum heutigen System auf Klinkenstecker-Basis ist daher, ob man für einen der zwei Anschlüsse jedes Schallwandlers einen gemeinsamen Kontakt im Stecker nimmt, oder zwei getrennte. Natürlicherweise hat nämlich ein Kopfhörer 4 Anschlüsse, für jede Seite zwei, denn Strom fließt bekanntlich im Kreis, weswegen man von Stromkreis spricht, und Stromkreise hat man bei Stereo nun einmal zwei. Damit der Strom hin und auch wieder zurück fließen kann, braucht es für jeden Stromkreis eben zwei Anschlüsse. Macht zusammen vier.

Ein Schallwandler ist als Bauteil mit 2 Anschlüssen für sich genommen automatisch symmetrisch, genauso wie ein Lautsprecher, ein Tonabnehmer oder ein dynamisches Mikrofon. Wenn man die Anschlüsse vertauscht ändert sich nichts außer die "Phase", also die Polarität des Signals. Im Prinzip kann man daher jeden Kopfhörer symmetrisch anschließen, es ist bloß eine Frage der Verdrahtung.

Die konventionelle Verdrahtung nimmt einen der beiden Anschlüsse jeder Seite zu einem gemeinsamen Anschluß zusammen, um einen Steckerkontakt zu sparen. Der gemeinsame Kontakt wird meist als "Masse" bezeichnet, es gibt aber keinen zwingenden Grund warum er mit der Masse irgendeines Gerätes verbunden sein müßte, denn der Kopfhörer ist "massefrei". Dieses Zusammenlegen zweier Kontakte ist der einzige Grund warum man davon spricht, der Kopfhörer sei "unsymmetrisch".

Das bringt mich zur Kernfrage: Welches Problem wird mit symmetrischen Kopfhörern überhaupt gelöst? Was ist an symmetrischen Anschlüssen besser als an den bekannten Klinkensteckern?

Die Befürworter verweisen oft auf die bessere Kanaltrennung, bzw. das geringere Übersprechen. Das ist in zweierlei Hinsicht irreführend, obwohl das Argument einen wahren Kern hat.

Der wahre Kern besteht in einem Übersprechmechanismus, der "Kopplung durch eine gemeinsame Impedanz" heißt. Wenn zwei Stromkreise eine gemeinsame Impedanz haben, also eine Strecke gemeinsamen Weges für die Ströme in beiden Stromkreisen, dann führt das dazu, daß die Signale beider Stromkreise sich gegenseitig stören. Wie groß die Störung ist, hängt von den Einzelheiten ab, vor allem von der Größe der gemeinsamen Impedanz im Vergleich zur Impedanz des ganzen Stromkreises.

Ich rede von Impedanz anstelle von Widerstand, weil wir es hier mit Wechselströmen zu tun haben, und da ist der korrekte Begriff eben "Impedanz". Für den Hausgebrauch kann man es aber der Einfachheit halber auch mit dem Widerstand gleichsetzen. Für beide gilt jedenfalls das Ohmsche Gesetz aus der Schule.

Wenn man beim Kopfhörer einen der beiden Anschlüsse jeder Seite im Kabel auf einen gemeinsamen Draht legt, der zum Stecker führt, dann ist die Impedanz dieses gemeinsamen Drahtes die gemeinsame Impedanz, über die das Signal von einer Seite auf die andere koppelt. Das ist unser wahrer Kern.

Die eine Hinsicht, in der das irreführend ist, hat mit der Psychoakustik zu tun. Über einen Kopfhörer hört man Stereo, und da ist in der Praxis nicht viel Kanaltrennung nötig. Wenn ein kleines bißchen Signal von links nach rechts überspricht, oder umgekehrt, dann geht das wahrnehmungsmäßig unter, es sei denn das Übersprechen ist ausgesprochen stark. Wir reden hier von Übersprechen, das selbst in ungünstigen Situationen wohl kaum 1% erreicht, und das müßte nach allem was man weiß psychoakustisch unbedenklich sein.

Die andere Hinsicht, in der es irreführend ist, liegt in der Größe der gemeinsamen Impedanz, bzw. wie man sie minimieren kann. Es ist Euch vielleicht aufgefallen, daß ich oben von einer Strecke geschrieben habe, durch die die Impedanz zustande kommt. Nun, diese Strecke kann man auch dadurch minimieren, daß man die Leitungen bis in den Stecker hinein getrennt hält, und erst dort zusammen führt. Die gemeinsame Strecke beschränkt sich dann auf einen oder zwei Zentimeter im Stecker bzw. in der Buchse. Die gemeinsame Impedanz wird dann auch ohne völlige Trennung ziemlich klein. Viele Kopfhörer machen das ohnehin schon lange, weil man zum linken und rechten Schallwandler getrennte Leitungen legt, die nur mechanisch aneinander haften, aber keinen elektrischen Kontakt bewirken. Verbunden werden die beiden Seiten nur im Stecker.

Durch eine völlige Trennung der beiden Seiten mittels eines 4-pol Steckers eliminiert man also nur noch einen sehr kleinen Rest an gemeinsamer Impedanz, wie sie durch den Stecker und die Buchse zustande kommen. Genauer gesagt durch den "Massekontakt" in diesem Stecker/Buchse-System.

Aber gut, man kann das Ganze auch von der anderen Seite her sehen, und sagen, der symmetrische Anschluß sei der "natürliche" Weg, einen Kopfhörer anzuschließen, denn er ist nun einmal für sich gesehen vierpolig, zwei pro Seite. Egal ob das nun einen merklichen Unterschied macht oder nicht. Man muß so auch nicht eine technische Kompromißentscheidung über eine quantitative Betrachtung rechtfertigen - man hat die Verbindung auf technisch optimale Weise vollzogen.

Das heißt man hätte beim Würfelstecker bleiben können, denn der war in dieser Hinsicht schon optimal. Daß solche DIN-Stecker nicht gar so billig und beschissen sein müssen als sie aus Kostengründen oft waren, kann man an der Verwendung robusterer Varianten in der Industrie noch heute sehen. Ein dem XLR-Stecker vergleichbares Qualitätsniveau ist jedenfalls damit kein Problem.

Daß man beim Würfelstecker nicht geblieben ist, und stattdessen in den 80-er Jahren auf den Klinkenstecker ungestiegen ist, muß aber seine Gründe gehabt haben, die seither bestimmt nicht einfach verschwunden sind. Es muß einen Grund geben, warum der Klinkenstecker besser ist, obwohl er "einen Kontakt zu wenig" hat. Und der ist leicht zu sehen: Einen Klinkenstecker kann man "blind" stecken, während man Würfelstecker oder XLR-Stecker in die richtige Position drehen muß. Für Verbindungen, die oft gesteckt werden, ist damit der Klinkenstecker die bessere weil bequemere Wahl.

Beim Würfelstecker wollte man wohl zu clever sein, denn damals fand man es nützlich, wenn man den Stecker in 2 unterschiedlichen Orientierungen in die Buchse stecken konnte, denn durch einen in der Buchse eingebauten Schalter konnte das Gerät die Orientierung "erfühlen", und das dazu verwenden, wahlweise den Lautsprecher ein- oder auszuschalten wenn ein Kopfhörer eingesteckt war. Im Grunde hat man damit nur einen getrennten Schalter eingespart, den man unabhängig betätigen kann. In meinen Augen eine gut gemeinte Schnapsidee, denn eigentlich will man den Lautsprecher ein- oder ausschalten können, ohne den Kopfhörer umstecken zu müssen.

Die beiden Orientierungen führten auch dazu, daß die Phase der beiden Schallwandler gedreht wurde, was man (mit einigem Recht) für gleichgültig hielt. Aber man hätte eine der beiden Orientierungen auch blockieren können, wenn man das gewollt hätte. Dann hätte es auch kein Problem mit der Phase gegeben. Es gab sogar einen fünften Kontakt, den in der Mitte, der auf Masse lag, so daß man daran einen Schirm fürs Kabel hätte anschließen können. Was aber im Grunde unnötig ist.

Sennheiser hatte sogar mal eine Zeit lang einen stapelbaren Würfelstecker gebaut. Der hatte eine Buchse, in die man einen weiteren Kopfhörer einstecken konnte, so daß mehrere Leute das gleiche Signal hören konnten. Bei Klinkensteckern braucht so etwas einen Y-Adapter. Aber da man die Lautstärke nicht getrennt regeln kann, ist das auch nicht besonders nützlich. Wann will man schon mal zu zweit oder mehreren das gleiche Stück gleich laut mit Kopfhörer hören?

Ich bin daher nicht so überzeugt daß der 4-pol XLR für Kopfhörer der Bringer ist, leidet er doch unter ganz ähnlichen Nachteilen wie weiland der Würfelstecker. Vielleicht ist da dem Pentaconn mehr Erfolg beschert, denn es ist ein Klinkenstecker. Weil er außerdem wesentlich kleiner ist, passt er auch besser zu tragbaren Geräten.

Die Motivation für einen symmetrischen Kopfhörerstecker bei tragbaren Geräten hat mit dem Übersprechen übrigens recht wenig zu tun, egal was einem das Marketing auch weiszumachen versucht. Sony verbreitet zwar gerne audiophilen Bullshit, aber hinter dem Pentaconn steckt der Trend zu immer kleineren Betriebsspannungen in tragbaren Geräten. Wenn man da auf dem Kopfhörer noch einen anständigen Pegel erreichen will, dann kommt man darauf, daß man gerne "gebrückte" Verstärker einsetzen würde, denn damit kann man bei gleicher Betriebsspannung und gleicher Kopfhörerimpedanz die vierfache Leistung an den Kopfhörer abgeben. Für den gleichen Effekt müßte man einen normalen Verstärker mit der doppelten Betriebsspannung versorgen.

Gebrückte Verstärker gibt es bei Lautsprechern schon sehr lange, besonders im Auto sind sie sehr verbreitet. Dabei nimmt man zwei Verstärker für einen Lautsprecher, die in Gegenphase arbeiten, und jeder einen Anschluß des Lautsprechers antreibt. Das ist also ebenfalls "symmetrisch", wobei man das nicht wegen der Störunempfindlichkeit macht, sondern wegen der größeren Leistung bei gegebener Betriebsspannung. Lohnen tut sich das immer dann, wenn man für das Bereitstellen einer höheren Betriebsspannung mehr Aufwand treiben müßte, als es der zusätzliche Verstärker darstellt. Bei batterieversorgten Geräten kann das leicht vorkommen.

Die "unsymmetrischen" Kopfhöreranschlüsse mit klassischem Klinkenstecker stehen dieser gebrückten Betriebsart aber im Weg, denn dafür braucht man getrennte Anschlüsse für beide Schallwandler. Die Motivation für den Pentaconn ist also recht pragmatisch, wenngleich sich das Marketing vermutlich gedacht hat, daß man mit dem audiophilen Märchen wohl weiter kommt.

Für den Pentaconn als Kopfhörerstecker kann ich mich folglich durchaus erwärmen, vielleicht verschwindet der 4-pol XLR dadurch allmählich wieder in der Versenkung, was nicht das Schlechteste wäre. Daß er in seiner Größe zwischen dem 3,5 mm Klinkenstecker und dem 6,35 mm Klinkenstecker liegt finde ich durchaus nicht schlecht, denn das macht ihn meiner Ansicht nach robust genug auch für "ernsthafte" Anwendungen.

Wenn nur die unsinnigen audiophilen Begründungen nicht wären...

Noch ein Nachtrag:

Um den Punkt mit der gebrückten Verstärkertechnik noch etwas zu vertiefen, und meine Präferenz für den Pentacomm noch zu unterstreichen, rate ich dazu, sich mal zu überlegen wie wohl Adapter aussehen müssen, die zwischen der symmetrischen und der unsymmetrischen Anschlußtechnik vermitteln. Da gibt es zwei Fälle:

1. Ein symmetrischer Kopfhörer soll an einem Gerät betrieben werden, das konventionelle Kopfhörerausgänge hat. Das ist der einfache Fall. Man verbindet einfach beide Rückleitungen (oft auch mit L- und R- bezeichnet) des Kopfhörers mit dem Masseanschluß des TRS-Klinkensteckers.

2. Ein unsymmetrischer Kopfhörer mit TRS-Klinkenstecker soll an einem symmetrischen Ausgang des Gerätes betrieben werden. Das ist der spannende Fall. Wenn man es genauso verdrahtet wie im obigen Fall, dann verbindet man zwei Ausgangssignale miteinander. Wenn das Gerät einen gebrückten Ausgang hat, was wie oben erklärt der einzige wirklich relevante Grund für die symmetrische Anschlußtechnik ist, dann werden durch so eine Adapterverdrahtung zwei Ausgänge gegeneinander arbeiten. Auch wenn sie davon nicht kaputt gehen, ist das doch nicht gut, und kann z.B. schnell die Batterie leersaugen.

Solche Adapter für den zweiten Fall gibt es schon, und das ist schon nahe an der Irreführung von Käufern, denn die funktionieren nur zufriedenstellend, wenn die gebrückte Verstärkertechnik eben nicht benutzt wird. In diesem Fall braucht man aber die ganze symmetrische Anschlußtechnik nicht.

Der Pentaconn ist für diese Situation gerüstet, denn der zusätzliche Massekontakt macht es überflüssig, die L- und R- Anschlüsse zu benutzen, wenn man auf unsymmetrische Anschlußtechnik umsteigen will. Man verliert dabei zwar die halbe Ausgangsspannung, kann also nicht ganz so laut hören wie bei symmetrisch angeschlossenen Hörern, aber es passiert ansonsten nichts Problematisches.

Das ist eines des typischen Probleme in der Audiotechnik: Gerade kleinere Firmen machen sich bei der Einführung ihrer neuesten "guten Idee" selten genug Gedanken, wie das zusammen passt mit dem was schon auf dem Markt ist. Besonders gut sichtbar ist das bei den Firmen, die für den symmetrischen Anschluß einfach den 4-pol 3,5 mm Klinkenstecker benutzen, ohne sich darum zu kümmern wie man dem Kunden erklärt was nun zusammen passt und was nicht. Oder auch der "Pionier" HeadRoom Audio, der einfach den weiblichen 3-pol XLR als Ausgang betreibt, wo doch bei XLR allgemein üblich ist, den männlichen als Ausgang und den weiblichen als Eingang zu benutzen. So etwas kann nur Verwirrung stiften. Ich finde das verantwortungslos.

Da der Pentaconn recht spät auf der Bildfläche erschienen ist, gibt es Leute die sich fragen, ob es wirklich noch einen weiteren Stecker für symmetrische Kopfhörer gebraucht hat. Ich denke ja. Der Pentaconn ist die beste Lösung für diese Anwendung. Die Vorgänger haben nicht weit genug gedacht.

Aber wie es bei Audiophilen so ist, würde mich nicht wundern wenn der Stecker gerade deswegen durchfällt. Wer will da schon eine gut durchdachte Lösung?