Montag, 22. September 2008

Lob der Passivbox

In der professionellen Tontechnik hat sich in der letzten Zeit ein besorgniserregender Trend breit gemacht, dem sich die audiophile Szene und der Hifi-Markt bisher wohlweislich entgegen gestemmt hat: Die Aktivbox. Also die Unsitte, in eine Lautsprecherbox den Endverstärker gleich mit einzubauen. Es gibt aber leider immer wieder und in letzter Zeit auch vermehrt Aktiv-Missionare, die ihre Irrlehre offen auch im Heim-Hifi und High-End Sektor zu verbreiten versuchen, und dabei zwar wenig, aber doch stellenweise spürbaren Erfolg haben. Wehret den Anfängen, heißt es ja bekanntlich. Darum will ich hier die Herausforderung annehmen und die Sache vom Kopf wieder auf die Füße stellen, damit der vielleicht weniger Sattelfeste nicht unversehens in sein Unglück gestürzt wird.

Viele der von den Aktiv-Missionaren vorgebrachten angeblichen Vorteile von Aktivboxen sind nämlich bei Licht betrachtet Nachteile, wie im Folgenden noch klar sichtbar werden wird.

Aktivboxen sind unflexibel

Das ist leicht gezeigt: Angenommen es gibt 1000 verschiedene Passivboxen und 1000 verschiedene Verstärker. Das dürfte eine deutlich untertriebene Schätzung sein, aber es geht hier ja um's Prinzip. Das ergibt eine Million verschiedener Kombinationsmöglichkeiten, die alle ihren charakteristischen Klang ergeben. Wenn man jetzt noch 1000 verschiedene Lautsprecherkabel annimmt (auch das vorsichtig geschätzt), dann sind wir schon bei einer Milliarde. Weitere Variationsmöglichkeiten ergeben sich für den ernsthaften Audiophilen wenn man solche Alternativen wie Biwiring und Biamping betrachtet, wenn man Tuningmöglichkeiten wie z.B. spezielle Lautsprecherterminals oder Blechbrücken berücksichtigt, und wenn man das Selbstkonfigurieren der Kabel mit Kabelschuhen, Pins, Bananensteckern oder ähnlichem Zubehör mit einschließt. Auch wenn nicht alle theoretischen Kombinationsmöglichkeiten einen Sinn ergeben ist man damit doch bequem über der Zahl lebender Menschen, was bedeutet daß Jeder seine für ihn am besten passende Kombination wählen kann, ohne damit seine Individualität zu gefährden.

Wenn es stattdessen nur 1000 verschiedene Aktivboxen gäbe, dann wäre ja zu befürchten daß schon im gleichen Dorf jemand das gleiche Setup hat. Welche Chance hat man da noch auf Individualität?

Aktivboxen sind eine Bevormundung

Jeder weiß daß nur das kritische und unbestechliche Ohr des Audiophilen selbst entscheiden kann welcher Verstärker am besten zu einem Lautsprecher paßt. Bei der Aktivbox maßt sich der Hersteller selbst diese Entscheidung an. Woher soll er das aber wissen?

Mehr noch: Man muß beim Hersteller sogar befürchten, daß er diese Entscheidung auf der Basis irgendwelcher Meßwerte trifft, oder sonstiger zweifelhafter Kriterien die oft genug im Dunkeln bleiben. Der Kunde bekommt dann das resultierende Schlamassel nach dem Motto vorgesetzt: Friß oder stirb!

Wer eine solche fertige Aktivbox mal aufgemacht hat, um sein Inneres zu begutachten, wird zudem in den meisten Fällen zu seinem Entsetzen feststellen müssen, daß die Verkabelung aus schlichtestem Kupferdraht besteht, womöglich noch nicht einmal sauerstoffrei. Man denkt da offenbar, was der Audiophile nicht sieht, das hört er auch nicht!

Aktivboxen machen keinen Spaß

Gibt es etwas langweiligeres als ein Gerät, das man einfach einsteckt und dann geht's? Mal ehrlich, ein Lautsprecher ist doch nicht wie ein Wasserkocher! Da muß man doch noch ein Mysterium drin lassen! Man muß doch ausprobieren dürfen wieviel kapazitive Last durch ein extremes Kabel oder einen extremen Impedanzverlauf des Lautsprechers ein Verstärker noch verkraftet! Es ist doch spannend zu sehen welchen Einfluß ein Lautsprecher auf den Frequenzgang eines Röhrenverstärkers hat!

Die Stories von verstärkerkillenden Lautsprechern sind doch geradezu legendär, wollte man sich das alles verbieten lassen? Und umgekehrt hat ja auch schon so mancher Verstärker einen Lautsprecher abgeschossen. Das sind doch alles prima Stories, die man seinen Enkelkindern noch erzählt!

Dagegen bauen die Hersteller von Aktivboxen ja sogar noch extra Schutzschaltungen ein, was da ja auch nicht so schwer ist, besonders wenn man für jedes Chassis einen eigenen Verstärker hat und keine Passivweiche dazwischen ist. Das ist etwa so witzig wie Umsteigen vom Autoscooter auf Kinderkarussell.

Aktivboxen haben zu wenig Leistung

Ohne Watt läuft nix bei Lautsprechern, wie man weiß. Was soll man also von Aktivboxen halten die entweder die Watt gar nicht mehr angeben oder mit mickrigen Werten wie 70 Watt oder so daher kommen. Wen kann man denn damit beeindrucken?

Es liegt natürlich auch mit an der unseligen Entscheidung, die Passivweichen rauszuschmeißen, die sonst immer einen Teil der Watts brauchen. Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht schlecht: Erstens landen alle Watt aus dem Verstärker direkt im entsprechenden Chassis, was zur angesprochenen Wattarmut führt (und eine geradezu unheimliche Kontrolle der Chassis ergibt), zweitens fehlen so die klangfördernden Weichenteile (was sollen dann bitte Hersteller wie Mundorf noch machen? Einpacken?), und drittens braucht man dann vor den Endverstärkern noch Aktivweichen.

Um das gleich noch mal im Detail aufzudröseln:

1. Die direkte Verbindung der Chassis. Hier setzen die Hersteller dem ganzen manchmal die Krone auf indem sie ernsthaft anfangen, Spulenströme zu messen um Leistungsentwicklung und Verzerrungen bestimmen zu können, sie messen Schwingspulentemperaturen für einen besseren Überlastschutz, und sie fangen an die Verstärkerimpedanz und weitere seiner Parameter auf das Chassis anzupassen. Das steht im direkten Gegensatz zum bewährten Purismus des Audiophilen, der möglichst wenige Manipulationen am Audiosignal duldet. Wenn man darüber nachdenkt was da alles noch auf einen zukommen könnte wird einem ganz schwindlig.

2. Die Passivweiche. Wo, bitteschön, kann man denn noch so schön rumtüfteln wie an einer Passivweiche? Hier tummeln sich nicht umsonst eine Reihe von Herstellern von Spezialbauteilen, von denen ich schon einen genannt habe. Will man das alles abschaffen? Das wäre unverantwortlich, und auch wieder eine Bevormundung des tuningwilligen Audiophilen. Und wenn man die Verstärkerleistung nicht zum Teil in der Weiche verbraten darf müssen die Chassis mehr Leistung verdauen können, oder man spart am Verstärker. Und wie kommt man dann auf die nötigen großen Wattzahlen? Soll man dann ernsthaft anfangen auf den PMPO-Zug aufzuspringen? Da macht man sich ja lächerlich!

3. Aktivweichen. Das ist ja schon deswegen Teufelszeug weil da unweigerlich Operationsverstärker drin auftauchen, und nicht zu knapp. Oder es wird sogar mit Digitaltechnik gearbeitet. Muß ich schreiben warum das Murks ist?

Und an die Angabe von technischen Daten kann man sich auch kaum gewöhnen. Bei Lautsprechern interessieren Watt und Ohm. Bei Aktivboxen muß man sich stattdessen mit maximalen Schalldrücken und so abstraktem Zeug herumschlagen. Wer kann denn damit was anfangen?

Aktivboxen brauchen blöde Verkabelung

Da hat man als Audiophiler gerade extra wegen seiner Anlage einen eigenen Stromkreis vom Sicherungskasten bis zur Anlage gelegt und noch speziell mit Klangmodul abgesichert, und jetzt stellt man fest daß man zu den Boxen auch noch Steckdosen hätte legen sollen. Mal im Ernst: Wer macht das? Das wäre ja so wie wenn man Monoblöcke zu den Boxen stellt. Es ist doch so: Lautsprecherkabel müssen lang, Netzkabel dagegen kurz sein. Die möglichst reine Stromversorgung hat schließlich höchste Priorität! Oder etwa nicht?

Zudem brauchen die meisten Aktivboxen symmetrische Verkabelung damit's keine Brummschleifen gibt. Dabei weiß man doch daß die einzig vernünftige Verkabelung das Cinch-System ist. Nirgendwo sonst gibt's eine solche Vielfalt von innovativen und audiophilen Steckerkonstruktionen wie hier. Bei der symmetrischen Technik gibt's Neutrik. Und sonst?

Aktivboxen verstecken den Verstärker

Der Verstärker ist das Herz und Schmuckstück einer Anlage. Ausgerechnet der soll aus dem Blickfeld verschwinden? Das kann ja wohl nicht angehen! Mal abgesehen davon daß das der Tod für fast alle Röhrenverstärker wäre, was bitte stellt man denn sonst da hin wo er hätte stehen sollen? Ein dicker Volume-Knopf an einem mickrigen Gehäuse kann's ja wohl nicht sein. Ein wichtig aussehendes Gehäuse in dem so gut wie nichts drin ist kommt auch nicht in Frage. Nicht umsonst zählen Vorverstärker zu den Exoten im Hifi-Markt. Womöglich werden die sogar mit Kopfhörerverstärkern verwechselt.

Aktivboxen sind häßlich

Naja, eigentlich sollte es darauf ja nicht ankommen, und Passivboxen sind ja oft auch keine Schönheiten. Aber welche wirklich schöne Box ist denn heutzutage aktiv? Oder welche spektakulär und exotisch aussehende? Aktivboxen sehen meist so aus als hätte man bei ihrer Entwicklung bei der Akustik angefangen, und die Optik beiseite gelassen. Da kann einfach kein Feeling aufkommen. Man müßte ja geradezu beim Musikhören die Augen zu machen, und selbst dann kann sich nicht Jeder vom Gedanken an die Box lösen.

Der ernsthafte Audiophile orientiert sich zwar ausschließlich am Klang, aber eine Geithain ansehen müssen...?!?

Lob der Passivbox

Wie inzwischen klar geworden sein dürfte ist die Passivbox eindeutig die bessere Lösung, von der man sich auch nicht leichtfertig abbringen lassen sollte. Die schiere Anzahl an Freiheitsgraden für den Kunden, durch deren konsequente Nutzung man die spannendsten Effekte erzielen kann, und die dazu im Vergleich langweilige technische Perfektion der Aktivboxen, sollten einem jeden Audiophilen die Entscheidung einfach machen. Wenn es nicht auch bei Aktivboxen noch das Problem der Aufstellung und Raumakustik gäbe, man könnte den Klang gleich normieren lassen. Das kann in niemandes Interesse sein. Bleiben wir also beim Bewährten!

Mittwoch, 10. September 2008

High-Ender Highlight

Wow!

Auch wenn man die High-Ender schon jahrelang zu kennen meint und glaubt, jede Spielart des Schwachsinns schon erlebt zu haben, passieren einem doch noch ganz unerwartete Highlights. Fast zu schön um wahr zu sein. Man ist geneigt sich zu kneifen um sicher zu sein daß man wach ist.

Wie oft kriegt man ein derartig reinrassiges Exemplar eines High-Enders vor die Flinte wie hier? Quasi ein audiophiler 22-Ender. Mit allen nur denkbaren Klischees so randvoll gestopft daß ein normaler vernünftiger Gedanke noch nichtmal mit Gewalt dazwischen passen würde.

Da paart sich auf's Schönste technischer Unverstand mit Größenwahn, Aufschneiderei mit Ignoranz, Ressentiments gegenüber der Technik mit völlig kritikloser Verherrlichung der eigenen Wahrnehmung. Ich gebe zu, ich habe einen neuen Favoriten. Der lange Zeit führende joerchi ist auf den zweiten Platz zurück gefallen.