Sonntag, 4. September 2011

Meßversager

Ah, diese Meßfuzzis von den Hifi-Zeitschriften! Kann es sein daß in deren Labors die letzte Garde der Ingenieure endet, mit denen man anderswo nichts anfangen kann?

Diese Vermutung drängt sich geradezu auf wenn man Artikel liest wie diesen hier von Michael Voigt von der Hifi Test TV Video 5/2011. Wer so einen Schwachsinn fabriziert, und das mit seinem Namen unterzeichnet, der muß mit dem Ingenieursdasein abgeschlossen haben, denn er zeigt damit, daß von dem, was er als Ingenieur mal gelernt haben sollte, nicht mehr viel übrig sein kann. Wenn der Job bei der Zeitschrift mal flöten gehen sollte, wer würde so jemanden dann noch einstellen, wenn er offenkundig noch nicht mal die einfachsten Grundlagen im Griff hat? Sicher nicht auf einen Posten bei dem gemessen werden muß!

Es geht mal wieder um Feinsicherungen. Darüber habe ich hier schon voriges Jahr geschrieben, und wie man sieht geht's um die gleiche Firma Hifi-Tuning. Damals wurde ebenfalls "gemessen", allerdings von einem kommerziellen Meßlabor mit audiophilem Bazillus und auffälligem Mangel an Verantwortungsbewußtsein. Diesmal also eine Zeitschrift. Das Ergebnis ist der gleiche Unfug.

Wie man sieht, fängt der Bericht mit der wundersamen Bekehrung des Redakteurs/Meßtechnikers an, wo die Sicherung das Herz des angeblich zuerst skeptischen Elektronikers im Sturm erobert ob ihrer Klangwunder. Das scheint ein audiophiles Lieblingsmotiv zu sein: Gefühlsarmer Meßknecht wagt es, über seinen Schatten zu springen und öffnet sein Skeptikerherz für die Wunder des Tunings. Es kommt wie es in Groschenromanen immer kommt: Die Mauerblume findet ihr Glück, erblüht, und entdeckt neue Dimensionen des Daseins.

Ein solches Erweckungserlebnis bräuchte eigentlich keine weitere Bestätigung, aber dennoch arbeitet das alte skeptische Leben im Geiste des Erweckten weiter, und nagt an der neuen Überzeugung mit kleinlichen Einwänden wie: „Ein 2 cm langes Stück Draht in der Sicherung – welchen Einfluss auf den Klang soll das haben?“

Ein echtes Problem, denn nun muß man eine Erklärung erfinden, die durch real aussehende Messungen, die bei genauerem Hinsehen unsinnig sind, den Eindruck erweckt als wäre hier die Meßtechnik und die Emotion im Einklang, wenn man nur richtig mißt. Und man muß sich darauf verlassen daß niemand genau hinsieht.

Tun wir also mal das Undenkbare und sehen genau hin was der Mann da eigentlich macht, Spielverderber wie wir sind.

Als erstes erfährt man von einer Messung des Dämpfungsfaktors. Der soll sich beim Denon PMA 1510 von vorher 350 durch Einbau der Wundersicherung auf 500 erhöht haben. Und das soll für "gefühlte 100% Klangsteigerung" verantwortlich sein.

Was natürlich kompletter Unfug ist. Es gibt kein vorstellbares Szenario in dem der Dämpfungsfaktor-Unterschied zwischen 350 und 500 klanglich relevant sein könnte. Beide Werte sind weit jenseits dessen was man bereits als problemlos ansehen kann. Selbst wenn die Werte nur ein Zehntel dessen wären was hier angegeben ist würde man immer noch keinen Unterschied hören. Voigt scheint dagegen dem Glauben zu erliegen, ein Unterschied zwischen 350 und 500 entspräche einem Unterschied von 100%! Da kann man fühlen wie man will, das ist einfach grotesk, egal welchen Schwurbelfaktor man da hineinrechnet.

Dazu kommt, daß ein solcher Unterschied beim Dämpfungsfaktor nicht zu erklären ist, wenn man dazu bloß die Netzsicherung auswechselt. Es wird zwar der unterschiedliche Widerstand der Sicherung als Grund angeführt, und dem Laien mag das auch plausibel erscheinen, es ist aber völlig abwegig. Der relativ hohe Dämpfungsfaktor des Verstärkers zeigt daß er - wie die meisten Verstärker - recht stark gegengekoppelt ist. Anders wäre ein solcher Dämpfungsfaktor realistischerweise nicht zu erreichen. Eben diese Gegenkopplung macht aber den Widerstand der Sicherung irrelevant, weil er ihre Einflüsse ausregelt, so wie sie eine Reihe anderer Störeffekte, die weitaus stärker sind, ebenfalls ausregelt.

Mit anderen Worten: Voigt muß bei der Messung des Dämpfungsfaktors geschlampt haben. Die Sicherung kann nicht dafür verantwortlich sein. Und seine Erklärung vernachlässigt den hier entscheidenden Einfluß der Gegenkopplung, was - falls er nicht absichtlich unterschlagen wurde - den völligen Unverstand des Autors über die Funktionsweise des Verstärkers bedeuten würde.

Das ist aber noch nicht alles. Er will "eine aufwendige neue Messanordnung erdacht" haben, mit der er die Sicherung vermessen hat, und einen Meßschrieb erzeugt hat, der im Artikel abgedruckt ist. Es stellt sich heraus, daß er letztlich die über die Sicherung abfallende Spannung in Abhängigkeit vom durch sie fließenden Strom gemessen hat. Das ist eine der einfachsten Meßaufgaben der Elektronik, die man sich denken kann. Dazu reicht schon ein Multimeter und ein Labornetzgerät mit Konstantstrom-Funktion. Wenn das für ihn schon "aufwendig" ist, dann ist er bei jeder ernsthaften Audio-Messung definitiv überfordert.

Was er dabei aber anscheinend übersieht, ist der Zeitfaktor. Der Schmelzdraht einer Sicherung ist in seinem Widerstand stark von der Temperatur abhängig, und weil der Strom bei der Messung den Draht aufheizt, was ein bißchen dauert, fällt die Kurve, die er gemessen hat, sehr unterschiedlich aus je nachdem wie schnell die Messungen erfolgen. Wenn man das Meß-Timing passend hinbiegt, dann könnte man unter Umständen sogar beide Kurven im Diagramm von der gleichen Sicherung bekommen.

Es versteht sich von selbst, daß durch diesen Umstand die gezeigten Kurven nur interpretiert werden können, wenn man mindestens mal weiß wie der Zeitverlauf der Messung war. Davon ist im Artikel aber nichts gesagt. Aus diesem Grund wird diese Art der Messung für Sicherungen auch gar nicht gemacht, denn sie hat keinen praktischen Aussagewert.

Schließlich übernimmt er gleich noch kritiklos diverse Behauptungen des Herstellers, die - wenn sie stimmen würden - Anlaß zu Besorgnis geben würden. Angeblich soll der Schmelzdraht aus einer Silber/Gold-Legierung bestehen, was edel klingt, aber für einen Sicherungsdraht kontraproduktiv wäre, weil da eine vernünftige Durchschmelzcharakteristik kaum hinzukriegen wäre. Daß der Draht auch noch von Schrumpfschlauch umgeben sein soll ist vollends Unfug, denn im Falle des Durchschmelzens würde das die Gefahr bieten, daß verkohlter Schrumpfschlauch den Stromfluß weiter aufrecht erhält, und den Zweck der Sicherung ad absurdum führt. Ich bin sicher daß man so etwas nicht zugelassen kriegen würde. Das scheint aber Voigt nicht zu kümmern.

Ich habe daher mal wieder meine eigene Theorie:

Ich glaube nicht an die ganzen Edelmetalle. Ich vermute, der Schmelzdraht und die restlichen Materialien der Sicherung sind die gleichen wie bei einer Standard-Sicherung für ein paar Cent. Der einzige Unterschied besteht aus der Lackierung und Bedruckung des Röhrchens. Das erspart die getrennte Zulassung mit dem zusammenhängenden Papierkrieg, und man riskiert keinen Ernstfall in dem man für irgendwelche Schäden haftet. Die ganzen Edelmetall-Kryo-wasweißich-Behauptungen sind im Bewußtsein gemacht daß das ohnehin keiner nachprüfen wird.

Und ich glaube nicht daran daß Voigt überhaupt etwas gemessen hat. Ich glaube er hat den Artikel "trocken" geschrieben, vermutlich nach einer Vorlage von Hifi-Tuning. Wozu selber messen, wenn die Messungen sowieso unsinnig sind? Da kann man das Ergebnis auch gleich am Computer malen. Hätte er tatsächlich gemessen, dann hätte er mindestens eine durchgebrannte Wundersicherung gehabt. Die hätte er natürlich auseinander nehmen können. Schon um den Schrumpfschlauch darin zu suchen. Hätte sich als Foto im Artikel gut gemacht!

Aber wer will das schon wissen...


Kommentare wie üblich in "meinem" Thread im Hifi-Forum.