Samstag, 22. November 2008

Das Normale

Bei der kürzlichen Diskussion über Mehdorn's Prämien für den Bahn-Börsengang wurde es wieder einmal deutlich: Wenn etwas üblich ist, braucht man es nicht weiter zu rechtfertigen. Wie oft wurden wir schon Zeugen davon wie sich jemand in die eigene Tasche gewirtschaftet hat mit dem Hinweis, das sei doch überall so, branchenüblich, folglich normal?

Klasse Argument, nicht? Es erspart einem jeden zusätzlichen Rechtfertigungsaufwand. Es ist üblich, folglich muß es ja wohl in Ordnung sein. Im Rechtfertigungszwang ist damit der Kritiker, der jetzt im Verdacht steht, das Selbstverständliche zu bekämpfen, was nur Spinner tun.

Doch jede Normalität hat ihre Verlierer, und je selbstverständlicher sie ist, desto weniger wird sie hinterfragt, und desto weniger Chancen haben die Verlierer, daran etwas zu ändern. Für die Gewinner ist dagegen das Postulieren und Verteidigen einer Normalität ein gutes Mittel, um sich einen Vorteil zu sichern. Das geht am besten in der Herde. Allein kann man nicht normal sein. In einer Gruppe kann man sich dagegen normal fühlen, obwohl sich die ganze Gruppe auf dem Holzweg befindet, in einem kollektiven Wahn, auf dem Kurs in den Abgrund. Der Irrsinn als Normalität.

Bei der aktuellen Finanzkrise und dem Verhalten der Banken und Spekulanten drängt sich mir genau dieses Bild auf. Obwohl es an Warnungen seit Jahren nicht gefehlt hat, ist dieser kollektive Wahn anscheinend nicht aufzuhalten gewesen. Von den beteiligten "Mitspielern", von denen die meisten davon profitiert haben dürften so lange es gut ging, hat sich der größte Teil in der Normalität anscheinend sicher genug gefühlt daß man mitgelaufen ist, bis zum großen Crash.

Typisch für diese Situation: Die Warner waren noch Wochen vor dem Crash die Außenseiter. Man hat sie - wenn überhaupt - zur Kenntnis genommen und ist zur Tagesordnung übergegangen. Keiner will aus einem Spiel zu früh aussteigen, so lange es gut läuft. Daß es immer mehr Verlierer gegeben hat wird verdrängt. Und es hat Verlierer gegeben, schon lange.

Schon lange vor dem Finanzcrash waren mir Rechtfertigungen mit Hinweis auf die Normalität suspekt. Wer meint es reiche wenn man seine eigenen Ansichten und Taten mit Hinweis auf die üblichen Gepflogenheiten rechtfertigt, der hat üblicherweise etwas zu verbergen. Auch wenn etwas normal sein sollte, braucht es dennoch einen guten Grund, denn ohne guten Grund kann auch das Normale falsch sein. Und wenn etwas einen guten Grund hat, wozu braucht es dann den Hinweis auf das Normale?

Man braucht nicht die großen Katastrophen bemühen um das zu illustrieren, das Prinzip wirkt auch im Kleinen. Mit dem Hinweis auf das Normale rechtfertigen die meisten Leute nicht nur ihre eigenen Ansichten gegenüber ihrer Umgebung, sondern insbesondere auch gegenüber sich selbst, gegenüber ihrem eigenen Gewissen. Man redet sich ein, es sei etwas in Ordnung weil's ja Alle so machen. Mit Hilfe des Normalen überleben Lebenslügen. Das Normale verklebt die Augen für die Sicht auf die Verlierer und auf die Widersprüche.

Doch wie wird etwas normal? Indem man sich in der Gruppe darauf einigt, was auch stillschweigend und langfristig geschehen kann. Oft genug ist das ansonsten völlig willkürlich. Für Kannibalen ist der Kannibalismus normal. Für die Taliban die Behandlung der Frauen als Eigentum. Für jede Religion daß sie die beste, wahrste, einzig richtige ist. Man erkennt leicht wie willkürlich das Normale der Anderen ist. Bei den eigenen Ansichten fällt einem nicht so leicht auf wenn sie ebenso willkürlich sind.

Es ist eine interessante Übung sich eine Gruppe vorzunehmen und sich zu überlegen was die normal finden, wer von dieser Normalität profitiert und sie bewahren will, wer davon benachteiligt ist und sie ändern will, und welche guten Gründe für diese Normalität sprechen. Und wie ist das mit der eigenen Gruppe?

3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ausgezeichnet! "Das Normale" könnte man auch die "ewige Wiederkehr des Gleichen" nennen.

Denn wenn wir unseren Blick mal nach Süden wenden: In Wien steppt mal wieder der Baer im Dreivierteltakt. Der Foren- und Gewerbetreibende schaut zu und überlegt einen Knetgummifetischisten und Silbersandler WIEDER als Co-Admin zu installieren, nachdem dieser über Wochen drohte ihn zu verklagen.

Diese Hinwendung zur NORMALEN verkaufsorientierten Demenz konnte natürlich nur nach Deportation aller technisch interessierten User gelingen.

Business as usual!

@ LARS: Melde Dich, wenn Dein Forum steht!

Anonym hat gesagt…

wahre Gruppendynamik ist der Auszug der Alpen-Gang um wieder mal ein Forum zu entern und es dann mit geistigem Dünnschiss voll zu müllen....

alex8529

Anonym hat gesagt…

So viel Arbeit, so wenig Zeit. Pelmazo meine herzlichen Grüße. Das Forum braucht noch eine Weile. David, kannst Du mir dein Setup für dein Forum zumailen? Dann spare ich mir die ganze Arbeit.

Grüße

Lars