Ich habe mir vorgenommen, heute mal ausnahmsweise ausgewogen zu sein. Das heißt es kriegen nicht nur meine üblichen Prügelknaben - die "Audiophilen" - ihr Fett weg, sondern auch die "normale" Audiobranche.
Strom sparen ist "in". Außer bei Audiophilen. Denen geht's ausschließlich um den optimalen Klang, und dazu muß man bekanntlich seine Geräte, Kabel und Sicherungen "einbrennen". Hunderte von Stunden werden da gelegentlich empfohlen. Das bedeutet natürlich einen entsprechenden Stromverbrauch, da währenddessen die Anlage läuft. Man könnte die Übung zwar dahingehend optimieren, daß man alle Anlagenkomponenten zugleich einbrennt, und mit etwas Bereitschaft zum Leiden kann der Audiophile während des Einbrennens zuhören, auch wenn dabei noch nicht der volle Hörgenuß entstehen mag. Man wird dadurch wenigstens durch das gute Gefühl belohnt, den Strom nicht gänzlich verheizt zu haben. Leider scheiden bei diesem Vorgehen aber die besonderen Einbrenn-CDs aus, die durch ihre spezifischen Signale das Einbrennen wirkungsvoller machen, aber für den Zuhörer eine Zumutung sind.
Aber welcher Audiophile brennt alle Komponenten zugleich ein? Normal dürfte eher sein daß man jede Komponente getrennt einbrennt, denn man will ja den Erfolg bei jeder Komponente mit eigenen Ohren überprüfen können. Und man riskiert bei seinen wertvollen Komponenten auch ungern einen suboptimalen Einbrennvorgang, und so investiert man eben nicht nur in besagte Spezial-CDs, sondern auch in ein paar Kilowattstunden Einbrennstrom.
Aber auch in eingebranntem Zustand rauschen bei einem echten Audiophilen die Kilowattstunden durch den Zähler. Grundsätzlich kann man sagen daß ein Gerät, das nicht schon im Ruhezustand anständig warm wird, nicht vernünftig klingen kann. Das muß nicht unbedingt auf Röhren zurückzuführen zu sein. Auch transistorisierte Klasse-A Verstärker sind ja bekanntlich schon im Ruhezustand richtige Heizungen, und wie jeder weiß winkt nur so der beste Klang. Außerdem empfiehlt es sich, diese Geräte durchlaufen zu lassen, denn für optimalen Klang muß sich ein delikates thermisches Gleichgewicht einstellen, was selbstverständlich bei den beteiligten Materialmassen nicht in ein paar Minuten geschieht.
Der Audiophile steht daher den Stromsparbemühungen mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Wie leicht kann diese in der Theorie so gutmenschlich daher kommende Initiative in eine lustfeindliche Reglementierung umschlagen, die einem das audiophile Leben versauern kann. Dabei sollte doch klar sein daß es sich hier um absolut unbedeutende Strommengen dreht, schon weil wahre Audiophile so selten sind. Das spielt unter dem Strich noch weniger Rolle als die paar Bonuszahlungen an Bankmanager in der Gesamtbilanz des Bankenhilfsfonds. Wer wollte da päpstlicher sein als der Papst?
Notfalls würde der Audiophile auch ein neues Kernkraftwerk in seiner Nähe befürworten, denn das ist ja sauberer Strom, und durch die Nähe zum Kraftwerk bleibt er auch sauberer, was wiederum dem Klang gut tut.
Bisher richten sich die Augen der Stromsparer ja noch auf den Stromverbrauch von Glühbirnen, doch nachdem das Thema jetzt final beschlossen worden zu sein scheint, ist das nächste Thema der Standby-Verbrauch von Haushaltsgeräten, also insbesondere von der Glotze und der Hifi-Anlage. Wenn man bedenkt, daß gerade mal 10 bis 20 Fernseher statt auf Standby auf Aus geschaltet werden müssen, und schon ist mehr Strom gespart als wenn man dem Audiophilen seinen Klasse-A-Verstärker abspenstig macht, dann wird klar daß bei den Fernsehern und bei den gewöhnlichen Hifi-Anlagen das viel größere Potenzial liegt.
Aber das Stromsparen ist bei diesen Geräten so eine Sache mit Untiefen. Stromsparende und effiziente Technologien, z.B. bei Netzteilen, sind nicht automatisch auch im Standby effizient.
So z.B. die angeblich so effizienten Digitalverstärker (bzw. Klasse-D Verstärker). Die sind fraglos sinnvoll, wenn man ihnen eine Ausgangsleistung abverlangt, die nahe an ihrer Nennleistung liegt. Also wenn man's sich volle Kanne gibt, knapp an der Schmerzgrenze (für den Verstärker und den Lautsprecher, wohlgemerkt). Dann sparen solche Verstärker spürbar Strom.
Aber die normalen Betriebsbedingungen sehen wohl anders aus. Die meisten Leute haben Nachbarn und wollen halbwegs auskömmliche Beziehungen zu ihnen haben. Das wird in den meisten Fällen heißen daß zu 90% die Ausgangsleistung so in der Gegend von 1 Watt liegt oder gar darunter. Das heißt aber daß der Stromverbrauch kaum vom Ruheverbrauch zu unterscheiden ist. Denn in Sachen Ruheverbrauch hat ein Klasse-D Verstärker keinen prinzipiellen Vorteil gegenüber einem gewöhnlichen Klasse-B Verstärker, so uncool letzterer auch sein mag (über Klasse-A Verstärker schweigen wir besser mal).
Wieso baut man dann Klasse-D Verstärker? Was ist daran dann so hip? Wie gesagt, der Verlust ist wesentlich geringer wenn man wirklich mal Leistung verlangt. Das hat in erster Linie Konsequenzen für die Größe des Kühlkörpers im Verstärker, so daß es letztlich auf eine Kalkulation hinausläuft "Kühlkörper gegen kompliziertere Schaltung". Beides kostet Geld, und der Kühlkörper kostet auch Platz. Den Kühlkörper muß man nämlich für den Extremfall auslegen, auch wenn der keine 1% der Zeit eintritt. Für den Hersteller kommt es inzwischen bei Klasse-D regelmäßig billiger heraus, und das ist Grund genug um es so zu machen. Und wenn man in der Werbung noch auf die größere Effizienz verweisen kann, umso besser, vielleicht glaubt's ja einer. Ob's in der Praxis Strom spart steht, wie wir gesehen haben, auf einem anderen Blatt.
Ähnlich sieht's auch bei Schaltnetzteilen aus. Die sind unter Last auch wesentlich effizienter als konventionelle Netzteile. Im Leerlauf (= Standby) sieht's aber wieder anders aus. Da sind die Vorteile dahin. Wer wirklich einen sparsamen Standby-Betrieb haben will, bei dem nur das unbedingt Nötige mit möglichst wenig Verlust versorgt wird, der kommt um ein separates (kleines) Standby-Netzteil kaum herum. Das kostet aber mehr als man als Hersteller für gewöhnlich zu spendieren bereit ist, zumal das die Kundschaft kaum goutiert, so lange man ihr auch so erfolgreich weis machen kann man habe das bessere Gerät. In nicht wenigen Geräten wird ja sogar der Netzschalter gespart, und im Zweifel lieber auf der Sekundärseite des Trafos geschaltet, wo das Schalten billiger ist.
Man schätzt daß an die 10% des Stromverbrauchs einen Haushalts auf das Konto von Standby geht. Entsprechend hat schon vor Jahren z.B. die EU reagiert und versucht regulierend einzugreifen. Letzten Dezember wurde eine Direktive erlassen, die den Standby-Verbrauch pro Gerät auf 2 Watt, und in 4 Jahren dann auf 1 Watt begrenzt. Dazu muß das Gerät aber in den Standby-Modus geschaltet sein. Ein Verstärker, der bei Zimmerlautstärke oder weniger vor sich hindudelt, ist nicht im Standby-Modus und darf verbrauchen was er will, auch wenn davon nur 1 Watt am Lautsprecher ankommt. Und die Regel gilt für jedes Gerät getrennt. Die Kombination aus Verstärker, Tuner, CD-Spieler und Fernseher darf schon 4 Watt im Standby verbrauchen. Wären sie untereinander so verbunden daß nur ein Gerät im Standby zu sein braucht, und die anderen Geräte von ihm bei Bedarf aktiviert werden, dann könnte man davon ¾ einsparen. Aber dafür gibt's weder EU-Direktive noch Norm, und ich sehe auch keine Begeisterung bei der "Industrie", sich eine zu erarbeiten...
3 Kommentare :
Lustig, wie viele "High-End-Doofköppe" ihre SMD-Platinen "einbrennen" lassen. Bis die Höhen flutschen und VATTENFALL-Manager übers VW-Reisebüro Brasilien buchen.
"Einbrennen" - das macht selbst die NASA mit ihrem SMD-Zeugs im Spaceshuttle nur unfreiwillig, beim Eintritt in die Atmosphäre.
MfG
Martin Gelte
so ist nun mal das Leben...
ein richtiger Hai-Ender kann aus einem Fliegen-Pups auf die Erderwärmung schließen...
Alex8529
Ne tolle Standby- Lösung könnte man über Kondensatoren oder Akkus regeln, mit 0W Standby. Wenn man nen Taster oder nen IR- Empfänger überwacht, sollte man mit einem 1 Farad- Kondensator einige Zeit hinkommen, und nach dem Urlaub kann man ja mal einen Schalter umlegen...
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