Sonntag, 22. März 2009

Kopfhörer und technische Daten - ein Elend

Oft frage ich mich warum ein Hersteller für sein Produkt technische Daten angibt, wenn man damit sowieso nichts anfangen kann. Der Laie kann damit nichts anfangen weil er eben ein Laie ist, und der Fachmann kann nichts damit anfangen weil die Angaben zu undetailliert, oder zu vage sind.

Gerade ärgere ich mich zum Beispiel mal wieder über die Situation bei Kopfhörern und den zugehörigen Kopfhörerverstärkern. Im Speziellen geht's mir hier mal um die Situation bei den Impedanzen.

Zuerst einmal zum Problem, warum die Impedanzen überhaupt interessieren.

Die Impedanz des Kopfhörers bildet mit der Quellimpedanz des Verstärkers einen Spannungsteiler. Wäre das Teilerverhältnis über die Frequenz immer gleich, dann würde das keine Rolle spielen, denn es hätte keine Auswirkungen auf den Frequenzgang des Kopfhörers. Davon kann man aber leider nicht ausgehen, denn die Impedanz eines Kopfhörers ist über die Frequenz meist nicht konstant. Die Quellimpedanz des Verstärkers dagegen ist das weitgehend schon. Das Ergebnis ist ein Frequenzgang des Kopfhörers, der je nach Quellimpedanz des Verstärkers variiert. Der Klang des Kopfhörers ist also in gewissen Grenzen davon abhängig welchen Verstärker man benutzt. Kopfhörerverstärker haben unterschiedliche Quellimpedanzen, und Die richtige Quellimpedanz existiert nicht.

Nun gut, die Audiophilen wußten das schon lange, bloß wissen viele davon nicht daß das an einem Bauteil im Ausgang des Verstärkers liegen kann, das wenige Cent wert ist. Stattdessen vermutet man lieber Silberdrähte, Kondensatoren, resonanzarme Gehäuse oder hölzerne Volume-Knöpfe als Ursache.

Aber Audiophilie beiseite, was aus dieser Situation folgt ist mehrerlei:
  • Durch einen einzelnen Zahlenwert wie die "Nennimpedanz" ist der Kopfhörer nicht ausreichend beschrieben. Man bräuchte die Impedanzkurve über die Frequenz. Leider ist es nicht allgemein üblich die in den technischen Daten anzugeben, obwohl sie für die Hersteller einfach zu messen wäre.
  • Die Quellimpedanz eines Kopfhörerverstärkers ist eine wichtige Information und sollte in den technischen Daten stehen.
  • Klangbeschreibungen eines Kopfhörers sagen nicht viel aus wenn man nicht weiß bei welcher Quellimpedanz sie zustande kamen. Na gut, Klangbeschreibungen sagen oft sowieso sehr wenig aus, dann kommt's darauf vielleicht auch nicht mehr an...
  • Der Hersteller eines Kopfhörers müßte eigentlich dazu schreiben welche Quellimpedanz er empfiehlt, und insbesondere bei welcher Quellimpedanz er seine Messungen gemacht hat.
Es gibt Normen dafür. Die IEC 60268-15 (früher IEC 268-15) nennt zum Beispiel eine Quellimpedanz von 120 Ω, und IEC 60268-7 merkt dazu an:
"The performance of most types of headphones depends very little on the source impedance. However, in order to allow headphones of widely different impedances to be reasonably well-matched, in terms of the sound pressure level produced, to a single headphone output on other equipment, IEC 60268-15 at present specifies a source impedance of 120 Ω, intermediate between the lowest and highest likely impedances of available headphones. It is thus important for the manufacturer to specify the rated source impedance, particularly if, for some reason, it is not 120 Ω."
Womit sie recht haben ist daß man die Quellimpedanz angeben sollte, zumindest wenn sie nicht 120 Ω beträgt. Wie man aber auf die Idee kommen kann das spiele kaum eine Rolle, das ist mir schleierhaft. Es gibt auf dem Markt viele Kopfhörer, deren Impedanz über die Frequenz so stark schwankt daß unterschiedliche Quellimpedanzen etliche dB an Einfluß auf den Frequenzgang hat, und der Effekt kann deutlich hörbar sein.

Immerhin, es wird eine Norm-Quellimpedanz von 120 Ω angegeben, und das ist ja schon etwas woran man sich halten kann. Falls man nichts Näheres liest, müßte man also davon ausgehen daß das die Quellimpedanz ist bei der die Hersteller ihre Messungen gemacht haben. Und bei eben dieser Quellimpedanz müßten in Ermangelung expliziter Angaben auch die Messungen anderer Leute, wie z.B. der Produkt-Tester von Zeitschriften, gemacht werden.

Auf der Webseite von HeadRoom kann man zum Beispiel etliche Frequenzgänge und Impedanzkurven ansehen, und sie beschreiben auch wie sie messen. Bloß was erfährt man nicht? Genau: Die Quellimpedanz. Lediglich angegeben wird das Verstärkermodell das sie verwenden, wenn man aber nachforscht was der wohl für eine Impedanz hat, dann findet man eine alte Bedienungsanleitung in der gar keine technischen Daten stehen. Vielleicht kann hier ja ein Leser aushelfen. Man müßte in dieser Situation eigentlich annehmen, daß es sich bei der Quellimpedanz um 120 Ω handelt, aber ich habe den leisen Verdacht daß es sich um einen sehr niederohmigen Verstärker handeln könnte, wie es unter "High-End"-Verstärkern öfter der Fall ist.

Wir können ja mal an einem Beispiel durchspielen was das für Auswirkungen hat. Die erwähnte Webseite zeigt für den AKG K240 diesen Impedanzschrieb, aus dem hervorgeht daß über weite Strecken die Impedanz um die 55 Ω beträgt, bei 100 Hz ist aber eine Resonanzstelle bei der sie auf 150 Ω ansteigt. Wenn nun hypothetischerweise der Frequenzgang bei 0 Ω Quellimpedanz schnurgerade wäre, dann hätte man bei 120 Ω Quellimpedanz einen Buckel bei 100 Hz von ca. 5 dB. Der Kopfhörer hätte also bei größerer Quellimpedanz deutlich mehr Tiefbass.

Natürlich macht eine höhere Quellimpedanz den Kopfhörer auch leiser, aber das kann man mit dem Lautstärkeknopf leicht ausgleichen. Angesichts der geringen benötigten Leistungen ist auch der Verlust im 120 Ω Widerstand im Verstärker unbedeutend.

Wenn eine Quellimpedanz solche Einflusse hat, warum macht man dann nicht alle Kopfhörer-Verstärker und die Normen gleich so daß man bei 0 Ω Quellimpedanz arbeitet, wie bei Lautsprechern auch? Immerhin fällt so eine Variable weg. Abgesehen von den "historischen Gründen", die man hier immer wieder anführen kann, ist mein Verdacht daß man dabei vor allem denjenigen Herstellern entgegen kommt, die den Kopfhörerausgang an einem Verstärker einfach durch Vorwiderstand vom normalen Verstärkerausgang abzweigen, statt für den Kopfhörer eine eigene Verstärkerstufe zu spendieren.

Eigentlich ist das aber Quark, und in Zeiten wie heute wo viele Kopfhörer eher niedrige Impedanzen haben, damit sie auch von niedrigen Spannungen noch laut genug getrieben werden können, wie man es bei MP3-Spielern und anderem tragbaren Zeug findet, ist eine Quellimpedanz von 120 Ω eigentlich ein Anachronismus. Wenn man einen niederohmigen Kopfhörer bei einer so hohen Quellimpedanz mißt, dann sind die elektrischen Verhältnisse bei der Messung drastisch anders als im normalen Betrieb, und die Meßergebnisse werden eine sehr fragliche Relevanz haben. Speziell die aufgenommene Frequenzgangkurve wird also unter Umständen ganz anders aussehen als im Normalbetrieb.

Für die Beteiligten am Markt entsteht dadurch eine eigentlich unmögliche Situation. Wenn der Hersteller des Kopfhörers den Frequenzgang so auslegt daß er bei 120 Ohm Quellimpedanz am ehesten "paßt", dann wird es an "Kleingeräten" oder vielen Kopfhörerverstärkern tendenziell falsch klingen, wo die Impedanzen viel kleiner sind. Dem könnte er entgegen wirken indem er versucht die Impedanzkurve möglichst linear zu machen, aber das erfordert entweder Zusatzaufwand in Form eines Zusatznetzwerks (wo bringt man die Bauteile unter?), oder es schränkt einen bei der Konstruktion des Systems zu stark ein.

Orientiert sich der Hersteller eher an niedrigen Quellimpedanzen, dann wird ein unter Normbedingungen aufgenommener Frequenzschrieb einen falschen Eindruck erzeugen. Außerdem klingt's dann am Kopfhörerausgang eines normalen Verstärkers womöglich falsch.

Und wie soll man dann Kopfhörer testen? Welche Quellimpedanz legt man zugrunde? Und egal welche man zugrunde legt, das Ergebnis wird nicht für alle Leser und Kunden nachvollziehbar sein, denn nicht alle werden die gleiche Quellimpedanz in ihrem Gerät haben.

Bisher kommt es mir so vor als ob das Problem von allen Beteiligten ignoriert wird. Nachvollziehbare und aussagekräftige Informationen will man offenbar gar nicht verbreiten, lieber produziert man sinnloses und inhaltsleeres Klanggeschwafel, mit dem niemand etwas anfangen kann.

Nachtrag: Ich bin noch auf eine Untersuchung aufmerksam geworden, die bei Sennheiser gemacht wurde, einschließlich damit verbundener Hörtests. Auf der Tonmeistertagung 1990 haben zwei Mitarbeiter darüber berichtet. Der Beitrag ist im Tagungsband enthalten (Dellbrügge, Sander-Röttcher: "Einfluß des Verstärker-Innenwiderstandes auf die Klangeigenschaften von Kopfhörern"). Hier ihre Zusammenfassung:
"Die vorliegende Untersuchung zeigt, daß der Innenwiderstand des Kopfhörerverstärkers bei Audioverstärkern einen nicht vernachlässigbaren Einfluß auf die klanglichen Eigenschaften eines Kopfhörers hat. Entscheidend dafür ist der Impedanzverlauf des Hörers.Bei Kopfhörern mit glattem Impedanzverlauf war auch bei großem Innenwiderstand keine Klangveränderung hörbar, bei Hörern, deren Impedanzverläufe deutliche Überhöhungen aufwiesen, machte sich dies durch Höhen- oder Tiefenanhebung bei Veränderungen des Innenwiderstandes bemerkbar. Die Ergebnisse der Hörversuche werden durch die gemessenen Frequenzgänge bestätigt, bleiben die Pegeldifferenzen unterhalb von 0,5 dB, so ist dieses mit dem Ohr nicht mehr wahrnehmbar. Bei der Messung der Impulsantworten stellte sich heraus, daß die Unterschiede in Frequenzbereich wesentlich deutlicher zu erkennen waren als in den Zeitsignalen."
Also ein alter Hut. Ich bin 20 Jahre zu spät dran. Bloß geändert hat sich absolut nichts, das Problem ist heute das Gleiche wie damals.

11 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Hat Pelmazo wirklich einen KH mit einem speziell designten KHF gehört?
Entspricht alles nur alter und grauer Theorie eines alten und verstockten Mannes?
Wieviel Zeit hat dieser alte Mann, um immer am Samstag/Sonntag soviel zu schreiben.
Hat er eine Frau-Mann-Tier als Partner oder lebt er traurig alleine?

Anonym hat gesagt…

Wieder einmal ein
sehr guter und fachlich fundierter Artikel von Pelmazo über ein weithin ignoriertes Problem.
Danke!

Anonym hat gesagt…

Zitat:
"über ein weithin ignoriertes Problem"

Das Problem wäre?

Zitat:
"Hat Pelmazo wirklich einen KH mit einem speziell designten KHF gehört?"

KHF - KHV

Limopard hat gesagt…

Recht hat er ja schon. Aber Kopfhörer sind eine Sache, die weit mehr als jede andere Komponente dem persönlichen Geschmack unterworfen sind - entweder es passt oder es passt eben nicht. Kein Wunder, da keine anderes HiFi-Teil dem Nutzer so stark auf die Pelle rückt.

Ach ja, ein bisschen neue Rechtschreibung (insbesondere zu ß/ss) wäre nicht schlecht. Habe mich dran gewöhnt. "daß" siehr für mich einfach nur noch falsch aus...

Anonym hat gesagt…

Ich wüsste zwei Stellen im HiFi-Forum, wo dieser Artikel sehr gut aufgehoben wäre ;-) .

kyote hat gesagt…

Zitat:
"Hat Pelmazo wirklich einen KH mit einem speziell designten KHF gehört?"

Was genau hat das bitte mit der beschriebenen Problematik zu tun?

eddie78 hat gesagt…

Der Headromm Max KHV, mit dem bei Headphone.com gemessen wird, hat überigens eine Ausgangsimpedanz von ca. 0,5 Ohm (nahezu stabil über en ganzen Frequenzbereich).
Gruss,
Sven

Anonym hat gesagt…

Sehr schöner Artikel. An einem Sennheiser HD590 (Nennimpedanz 100 Ohm, maximal aber bestimmt 250+) kann ich ohne weiteres 47 Ohm Ausgangswiderstand hören. Laut Baßbuckel-Rechner etwa 5 dB Überhöhung, IIRC.

Problem bei Kopfhörern: Die Biester sind nur mäßig gut objektiv zu bewerten, schon weil immer noch das Ohr das Hörers mit reinspielt. Bei offenen ohrumschließenden Hörern sind Höreindrücke meistens noch recht gut übertragbar (und Messungen mit In-Ear-Mikrofonen zumindest bis etwa 10 kHz durchaus aufschlußreich), aber wenn mehr und mehr von der HRTF wegfällt, wird es etwas haarig - Extremfall In-Ears, wo zusätzlich noch die Aufsätze mit reinkommen. Irgendwann reicht es dann nur noch für statistische Aussagen.
Im KH-Bereich hat man es sich ohnehin angewöhnt, nur Messungen desselben Setups untereinander zu vergleichen - alles andere ist Obstsalat.

BTW: Mich würde mal interessieren, ob (bzw. wie) man es meßtechnisch nachweisen kann, wenn man an einem offenen Hörer die Gitter zuhält. Hörbar ist das nämlich recht gut (z.B. HD580/600, HD590; in der Anleitung zum 580er heißt es auch explizit "Finger weg"), sollte also gehen. Einfache Kunstkopf-Frequenzschriebe scheinen in der Hinsicht aber ziemlich unempfindlich. Smoothen sollte man sie schon mal gar nicht, denke ich...

Stephan

PS: Neue Rechtschreibung? Nö danke.

pelmazo hat gesagt…

Danke für die freundlichen Worte.

Es gibt Leute die beim Messen dazu übergegangen sind, mit kleinen Mikrofonen zu arbeiten die man im Ohrkanal bis knapp vor's Trommelfell bringen kann. Scheint etwas unangenehm zu sein bis man sich dran gewöhnt, aber man kriegt so anscheinend am ehesten die "tatsächliche" Situation auf den Meßschrieb.

Ich bin nicht auf dem Laufenden was die so gewonnenen Erkenntnisse bei Kopfhörern betrifft, vielleicht weiß ja ein anderer Leser dazu mehr.

Unknown hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
pelmazo hat gesagt…

Ich habe den Kommentar oben gelöscht, weil ich den Kommentar als kaum verhohlenen Versuch sehe, für eine kommerzielle Seite Klicks zu ernten. Das Thema meines Blogartikels wurde sowohl im Kommentar als auch auf der verlinkten Seite völlig ignoriert.