Sonntag, 26. April 2009

Was ist HiFi?

HiFi gehört zu den Dingen von denen man zuerst intuitiv glaubt zu wissen was sie bedeuten, aber wenn man genauer nachdenkt wird der Fall immer unklarer.

Wenn man sich über die Bedeutung eines Begriffes nicht so recht klar wird kann man ein Lexikon konsultieren. Was steht also z.B. im deutschen Wikipedia? "Hi-Fi ist ein Qualitätsstandard für Audio-Wiedergabegeräte". Im englischen Wikipedia steht dagegen: "hi-fi reproduction is a term used by home stereo listeners and home audio enthusiasts (audiophiles) to refer to high-quality reproduction of sound or images that are very faithful to the original performance."

Das ist ein ziemlicher Unterschied, ob man von einem Standard redet oder von einem Begriff, den Enthusiasten benutzen. Entweder es gibt eine ziemliche kulturelle Differenz zwischen der deutschsprachigen und der englischsprachigen Welt, oder es ist schlicht unklar was der Begriff eigentlich bedeutet.

Die wörtliche Bedeutung ist natürlich "hohe Wiedergabetreue", so weit ist es noch einigermaßen klar. Aber was bedeutet das? Was ist Wiedergabetreue, und ab wann kann man sagen daß sie hoch ist? Oder hoch genug?

In Deutschland hatten wir's mal einfach. Wir hatten eine DIN-Norm dafür, die immer noch einigermaßen bekannte DIN45500. Da standen Mindestanforderungen drin, die ein Gerät erfüllen mußte um sich HiFi nennen zu dürfen. Die gilt inzwischen nicht mehr, zum Teil weil sie in verwässerter Form in eine internationale Norm eingegangen ist, und zum Teil weil sie mißverstanden, bekämpft, ignoriert und mißbraucht wurde, aber auch weil sie ihre Probleme und Unzulänglichkeiten hatte. Letztlich ist sie auch ein Opfer der Globalisierung, denn in anderen Weltgegenden hatte sie sich ohnehin kaum durchgesetzt, und als der Markt der braunen Ware auf der nationalen Ebene zu klein geworden war, und die fernöstliche Produktion die Norm wurde, war für die DIN45500 das Totenglöckchen geläutet.

Letzteres hat übrigens wenig mit Wiedergabequalität zu tun. Ich will damit jedenfalls nicht unterstellen die fernöstlichen Produkte seien HiFi-mäßig unterlegen. Eher schon geht es darum welche Stecker man verwendet und welchen elektrischen Schnittstellendefinitionen man den Vorzug gibt. Die DIN45500 ist eben auch die Norm mit den DIN-Steckern (bzw. Diodensteckern). Die sind mit der DIN45500 verschwunden, und zwar zugunsten des Cinch-Steckers (in anderen Ländern auch Phono-Stecker oder RCA-Stecker genannt).

Manche Audiophile haben allerdings die DIN45500 als Feindbild aufgebaut, und zum Teil findet man noch heute, über 10 Jahre nachdem die Norm ausgelaufen ist, regelrechte Tiraden gegen die nicht mehr geltende Norm, so als wäre sie ein klangfeindliches Machwerk, ein Hindernis für echtes HiFi gewesen.

Das ist natürlich Unsinn. Auch als sie in Kraft war hat die Norm ja nicht verhindert daß man besser war als gefordert. Wer der Meinung war daß die Norm zu lasch war durfte ja besser sein ohne das Recht auf den Begriff HiFi zu verlieren. Ohnehin gab es keine Instanz die hätte verhindern können daß jemand den Begriff HiFi benutzt ohne sich um die Norm zu kümmern. Problematisch wurde es noch nicht einmal für solche Hersteller, die der Meinung waren, ihre Produkte könnten den Begriff "HiFi" beanspruchen, ohne die entsprechenden Anforderungen zu erfüllen. Die Norm wurde also beschuldigt, zugleich zu lasch und zu eng zu sein. Was die Normerfüllung behauptete klang nicht automatisch gut, und was gut klang war nicht automatisch normkonform.

In Wirklichkeit war und ist das ein Mißverständnis darüber was der Sinn einer Norm ist. "Gut klingen" ist ein subjektives Kriterium und kann schon deswegen nicht genormt werden. Sinn einer Norm ist, zu erreichen daß die Dinge zusammenpassen. Genauer gesagt geht es darum daß man mehrere Geräte zusammenstecken kann, und darauf vertrauen kann daß das Ergebnis eine einwandfrei funktionierende und qualitativ vorhersehbare Anlage ist. Das ist nicht selbstverständlich, und für technische Laien ein extrem wichtiger Faktor.

Wenn also in der Norm z.B. bestimmte Klirrwerte für Elektronik-Komponenten gefordert werden, dann war der Zweck nicht der, das klangliche Optimum festzulegen, sondern dafür zu sorgen daß nicht ein einzelnes Gerät das Gesamtergebnis deutlich ruinieren kann.

Von audiophiler Seite wurde aber so getan als würde die Norm die entwicklerische Freiheit knebeln, als würde dadurch das Mittelmaß erzwungen, als würden die in der Norm geforderten Mindestwerte als für alle Fälle ausreichend festgelegt. Als würde man nicht besser sein dürfen.

Was guter Klang ist kann man tatsächlich nicht normen, das ist dafür zu sehr Geschmackssache. Hifi ist aber etwas Anderes: Da geht es darum wie nahe am Original die Wiedergabe ist. Das kann eben von Fall zu Fall auch heißen daß der Klang schlecht ist, nämlich wenn das Original ebenso schlecht ist. Wie nahe ein wiedergegebenes Schallereignis am Original ist kann aber durchaus objektiv festgestellt werden und somit auch genormt werden. Dazu braucht man nämlich bloß den Unterschied zwischen Original und Wiedergabe zu untersuchen und dafür eine Obergrenze festzulegen.

Dazu gibt's allerdings Mehreres anzumerken.

Zuerst einmal: Was ist eigentlich das Original? Man denkt gern es sei das Konzert oder die Performance der Künstler, deren Darbietung man anhört. Stimmt nicht. Es ist die Aufzeichnung, also der Inhalt des Mediums das man abspielt. Die CD beispielsweise. Wenn das gleiche Konzert einmal auf CD und einmal auf LP veröffentlicht wird dann sind das verschiedene Originale, die sich bei originalgetreuer (HiFi-mäßiger) Wiedergabe auch in aller Regel verschieden anhören werden, selbst wenn sie von den gleichen Masterbändern stammen. Das ist dann kein Fehler der Wiedergabeanlage.

Nächstens, und weitaus interessanter: Wie bewertet man den Unterschied zwischen Original und Wiedergabe, und damit die Wiedergabetreue? Da gibt's mehrere Herangehensweisen:
  1. Man kann technisch an die Sache herangehen und Meßverfahren festlegen, und auf deren Grundlage dann Grenzwerte für die gemessenen Unterschiede erarbeiten, bei deren Einhaltung man dann mit ausreichender Sicherheit davon ausgehen kann daß die Unterschiede nicht mehr relevant sind.
  2. Man kann statistisch arbeiten und untersuchen welche Unterschiede von den Leuten noch als unbedeutend bewertet werden, und dann Grenzwerte auf der Basis von statistischer Relevanz festlegen. Die Relevanz macht sich dann daran fest welcher Prozentsatz der Leute den Unterschied wie stark bemerken.
  3. Man kann sich an individueller Präferenz orientieren, was letztlich eine allgemeine Bewertung verneint. Wenn's dem Einzelnen paßt, ok - wenn nicht, dann Pech.
Die erste Methode war für die DIN45500 typisch. Die Meßverfahren drehten sich hauptsächlich um Verzerrungswerte, aber auch um Rauschabstände und Ähnliches. Die Motivation dahinter war die Erkenntnis daß der Mensch und sein Gehör nur beschränkte Fähigkeiten hat solche Fehler zu hören, und wenn man die Fehlergrenzen nur niedrig genug legt würde man "auf der sicheren Seite sein".

Die Geräte und Anlagen, die aus dieser Methode resultierten waren zwar einesteils besser als die Geräte zuvor, und der Ansatz somit ein Erfolg. Man braucht sich dazu nur anzusehen wie die Lage vor Einführung der DIN45500 in den 70er Jahren war. Andererseits waren sie aber zugleich zu gut und zu schlecht. Zu schlecht weil durch bloße Einhaltung der Norm noch nicht garantiert war daß das Gerät in allen Fällen gut klang. Zu gut weil in bestimmtem Sinn es auch noch weit schlechter gegangen wäre ohne daß das hörbar gewesen wäre. Beides ist letztlich ein Zeichen dafür daß die angewendeten Meßverfahren nicht ganz mit den Eigenschaften des Gehörs korreliert haben.

Das wird seit den 80er Jahren mehr und mehr konkret eingesetzt, und ist letztlich auch der Tod von HiFi gewesen.

Auf der einen Seite entstand die High-End-Bewegung, für die die eigene Wahrnehmung über jeder Meßtechnik steht, nach dem Motto: HiFi ist was mir gefällt. Nach dieser Philosophie sieht man durch die rosa Brille klarer als durch die ungetönte Brille, wenn das der persönliche Eindruck ist.

Auf der anderen Seite entstand die psychoakustische Audiotechnik, für die anstelle der Meßtechnik die Eigenheiten der Wahrnehmung die wichtigste Rolle spielen. Das fängt an mit Dolby und ihren Rauschunterdrückungsverfahren, geht weiter über MP3 und die Verwandten, und macht noch nicht Halt bei Baß-Boost und Raumsimulationen. Je mehr Psychoakustik desto übler werden in der Regel die konventionellen Meßwerte, und doch ist die gehörmäßige Beeinträchtigung gering.

Die beiden Seiten begegnen sich typischerweise mit einem gehörigen Mißtrauen, um nicht zu sagen einer gepflegten Feindschaft, und doch sind sie sich ironischerweise näher als sie realisieren, denn beide Seiten legen den Schwerpunkt auf die Wahrnehmung, im Gegensatz zu den objektiven Meßwerten. Der Unterschied ist daß die Einen die Wahrnehmung glorifizieren, während sie die Anderen nutzen.

Und damit sind wir wieder bei der Bedeutung des Begriffes HiFi: Wenn es auf die Wahrnehmung ankommt, egal ob es der individualistische Blickwinkel des Audiophilen oder der psychoakustische Blickwinkel des Dolby- oder Bose-Ingenieurs ist, dann bedeutet es wie gut der Konsument das Ergebnis findet, und die Grenzwerte alter Normen spielen dabei keinerlei Rolle.

1 Kommentar :

Anonym hat gesagt…

Alle lieben den Verrat, keiner liebt den Verräter

Pelmazo ist…

Wer aber, aus rechtlich relevanten Gründen wissen möchte oder muss, wer sich hinter dem Pseudonym "Pelmazo" verbirgt, bitte eine E-Mail an: s.h.i.m.leser@googlemail.com

Nach Überprüfung der Sachlage, gibt es den vollständigen Namen, die E-Mail, Namen der Arbeitgeber und für wen er so gearbeitet hat und sogar ein hübsches Bild.

Der anonyme, Anonymus :L

http://img10.abload.de/img/pelmazorgji.jpg