Samstag, 29. Mai 2010

Wahrheit, ganze Wahrheit, nichts als Wahrheit

Es ist kein Zufall daß man beim Schwören vor Gericht in Großbritannien nicht bloß versprechen muß, die Wahrheit zu sagen, sondern auch die ganze Wahrheit, und nichts als die Wahrheit. Mit anderen Worten, man muß nicht bloß etwas Wahres sagen, sondern alles was man sagt muß wahr sein, und man darf auch nichts Wichtiges weglassen. The truth, the whole truth, and nothing but the truth.

Dem entspricht die Binsenweisheit daß man auch durch gezieltes Weglassen von Teilen der Wahrheit einen völlig falschen Eindruck erwecken kann. Man kann also Leute in die Irre führen ohne daß man im strengeren Sinne lügen würde. Und wenn man zwischen wahren Aussagen die eine oder andere Lüge einstreut, dann wird sie eher für wahr gehalten. So kann es passieren daß man aus einer Darstellung die völlig falschen Eindrücke und Schlußfolgerungen mitnimmt, obwohl dort nur sehr wenig Unwahres gesagt wurde.

Daran mußte ich Anfang des Monats denken als ich (dieses Jahr zum ersten Mal) die Münchner High-End besucht habe und in einem Vortrag von HMS-Chef Strassner saß. Was er da über eine ganze Stunde dargestellt hat stimmt in weiten Teilen, und doch kommt der unbedarfte Zuhörer fast zwangsläufig zu völlig falschen Schlüssen über die tatsächlichen Verhältnisse. Der Vortrag ist als Tonaufzeichnung mittlerweile online, aber man hätte sich gewünscht daß man dazu auch seine Flipchart-Zeichnungen sehen kann, das hätte das Verständnis wesentlich erleichtert.

Nun ist klar daß Strassner die Interessen seiner Firma vertritt, und die verdient ihr Geld mit dem Verkauf von überteuertem und unnötigem Zubehör, wie Netzkabel, Steckdosenleisten und dergleichen. Daß er die Sache zu seinen Gunsten darstellen würde war also zu erwarten. Die Gratwanderung bei einem solchen Vortrag liegt darin, die Werbung in eine Form zu verpacken, die so aussieht als hätte man es hier mit sachlich einwandfrei begründeten Tatsachen und Zusammenhängen zu tun. Als gehe es nicht darum, einem Kunden mit unlauteren Mitteln die Kröten aus der Tasche zu ziehen, sondern darum, ihm technische Zusammenhänge zu vermitteln, die ihn in die Lage versetzen sollen, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

Strassner beherrscht das perfekt. Man merkt daß er das schon eine ganze Weile praktiziert. Seine Art mit der Wahrheit zu lügen fand ich interessant genug für einen Artikel hier im Blog. Strassner's Webseite gibt leider nichts dazu her. Nachdem Strassner im Anschluß an den Vortrag ein Papier ausgeteilt hat in dem das Thema recht ausführlich dargestellt wird, sehe ich nicht so recht warum er das nicht einfach auf der Webseite verfügbar macht. Der Link zum Papier geht zu einer ganz anderen Webseite, keine Ahnung wie die dazu gekommen sind. Ich habe irgendwie den Eindruck als stünde Strassner mit dem Internet auf Kriegsfuß. Nun ja, mein Artikel hier wird ihn davon sicher nicht abbringen...

Das Papier ist zehn Seiten lang und der Vortrag dauerte eine Stunde. Ich kann und will hier nicht auf jede Einzelheit daraus eingehen. Es geht mir mehr darum, die Methode darzustellen mit der er seine Zuhörer bzw. Leser um den Finger wickelt. Ich werde also seinen Aussagen das hinzufügen was er - ganz bestimmt absichtlich, schließlich ist er Physiker - wegläßt, zu seinem Nutzen und zum Schaden derer die darauf hereinfallen.

Er greift zu Beginn die durchaus vernünftige Frage auf, die einem angesichts überteuerter Spezial-Netzkabel für Hifi-Geräte eigentlich unmittelbar auf der Zunge liegen müßte: "Wie kann es sein, dass das letzte 1,5m Netzkabelstück den Klang meiner Anlage verbessern soll, wenn doch x-lange Meter einer Standard-1,5qmm Netzleitung in der Wand vorgeschaltet bleiben?" Seine Erklärung fußt darauf, daß die Leitung in der Wand ja für alle Hifi-Komponenten gemeinsam ist, daß es aber auf die Differenzspannung zwischen den Geräten ankomme, und für diese Differenz spielt nur eine Rolle was nach der Steckerleiste kommt, an der sich die Leitungen für die Komponenten aufteilen.

Einiges von dem was er dazu darstellt stimmt tatsächlich:
  • Wenn es wirklich Differenzspannungen zwischen den Geräten geben sollte, dann hätten die wegen der unsymmetrischen Cinch-Verbindungen auch eine Auswirkung auf das Audiosignal, das zwischen den Geräten übertragen wird.
  • Spannungsschwankungen als solche sind normal und harmlos, sie werden von den Geräten ausgeregelt.
  • Netzstörungen, besondern die niederfrequenten, dazu gehören auch Verzerrungen des Netzsinus, sind ebenfalls meist harmlos.
Der springende Punkt ist aber woher die Differenzspannung kommen soll und inwiefern das etwas mit der Stromaufnahme der Geräte zu tun hat. Mit seiner Abbildung 2 im Papier bietet er eine einfachst-mögliche Konstellation aus bloß zwei Geräten, und da geht die Irreführung schon los. Die Netzkabel bestehen je nachdem ob es schutzisolierte Geräte sind oder nicht aus zwei oder drei getrennten Adern. Deren Rolle muß man bei einer solchen Diskussion getrennt betrachten, man kann nicht so tun als handle es sich um eine einzige Leitung.

Wenn die von Strassner betrachtete Differenzspannung ∆U auf die Cinch-Verbindung wirken sollte, dann handelt es sich um eine Differenzspannung zwischen den Signalmassen beider Geräte. In keinem Fall ist diese Masse mit denjenigen Leitungen im Netzkabel verbunden, durch die der Betriebsstrom fließt (also dem Außenleiter oder dem Neutralleiter). Nur im Falle einer über Schutzleiter geerdeten Komponente besteht eine Verbindung über den Schutzleiter, aber durch den fließt kein Betriebsstrom (andernfalls liegt ein Fehler vor).

So wie Strassner die Zeichnung gestaltet suggeriert sie daß die Stromaufnahme des Gerätes wie selbstverständlich eine solche Differenzspannung hervorrufen muß, deren Höhe mit der Impedanz der Netzleitung zusammenhängt. Und genau diesen Eindruck will er auch erzeugen. Würde die Zeichnung mit den einzelnen Leitungen aus dem Netzkabel gezeichnet, dann würde sichtbar daß es diesen Zusammenhang in dieser Form nicht gibt, denn es handelt sich nicht um denselben Stromkreis.

Strassner lügt, nicht indem er offen die Unwahrheit sagt, sondern indem er einen entscheidenden Aspekt der Wahrheit verschleiert. Einen Aspekt, der ihm wohlbekannt sein muß, schließlich stellt er im weiteren Verlauf der Darstellung die Situation innerhalb der Geräte wiederum weitgehend korrekt dar. Im Grunde müßte man nur 1 und 1 zusammen zählen und die unverbunden nebeneinander stehenden Fakten passend zusammen führen, und man würde sehen daß da etwas nicht stimmen kann.

In Abbildung 3 ist nämlich die Situation eines Netzteils in einem Hifi-Gerät dargestellt. Das könnte man mit Abbildung 2 kombinieren, und bei jedem der Geräte in Abbildung 2 diese Innereien mitsamt der im Detail dargestellten Netzleitung zeigen. Im Ergebnis würde man deutlich sehen können daß der Stromkreis über den die Geräte mit Strom versorgt werden, und der Stromkreis in dem ggf. die fragliche Differenzspannung entsteht, nicht die gleichen sind.

Die Kopplung zwischen diesen Stromkreisen führt - wenn überhaupt - über parasitäre Schaltungselemente, wie z.B. die Windungskapazitäten im Netztrafo. Wenn man deren Einfluß betrachtet kommt man zum Schluß daß die Einflüsse der Leitungswiderstände im Netzkabel geradezu absurd gering sind. Die ganze Sache ist ein "roter Hering". Das eigentliche Problem hat wieder (mein altes Thema) mit der Masse zu tun, und nicht mit dem Netzkabel. Wenn das Netzkabel daran überhaupt beteiligt ist, dann über den Schutzleiter, und dazu muß das beteiligte Gerät geerdet sein, was direkte Brummschleifen-Gefahr birgt. Die Leitungswiderstände der Netzleitung sind in so einem Fall nebensächlich.

Es ist auch kein Problem, das auszuprobieren. Wenn etwas einen subtilen Effekt haben soll, dann müßte man den Effekt deutlicher machen können wenn man die Ursache verstärkt. Wer also meint, der Widerstand seiner Netzleitung hätte einen negativen Einfluß, der kann den Widerstand künstlich erhöhen und müßte dadurch das Problem verstärken. Ein Widerstand von einem Ohm ist weitaus größer als der Widerstand von jedem realen Netzkabel, und wer genug von der Sache versteht um sich der Gefahren bei einem solchen Versuch bewußt zu sein (gefährliche Netzspannung!), der kann so einen Widerstand leicht in den Stromkreis einschleifen und den Effekt beobachten. Die Chancen stehen sehr gut daß sich dadurch gar nichts verändert, und dann sollte klar sein daß sich durch ein paar Milliohm Unterschied zwischen verschiedenen Netzkabeln erst recht nichts tun wird.

Strassner berichtet von nichts dergleichen, und er untermauert seine Darstellung auch nicht mit konkreten Meßwerten aus einem praktischen Beispiel. Er hätte ja durchaus sein Beispiel mit den lediglich zwei Geräten ja einmal hinstellen können und die Differenzspannung messen können. Wenn das für den Vortrag zu kompliziert ist, dann kann man es als Video vorführen, und zwar so daß klar wird was er da eigentlich mißt. Es bleibt aber bei der suggestiven Darstellung.

Wo er tatsächlich Meßwerte anführt, bleibt es bei einem Vergleich von Widerständen und Induktivitäten, aber ohne Bezug zu den daraus resultierenden angeblichen Differenzspannungen und erst recht ohne Bezug zum angeblichen Einfluß auf das Audiosignal. Diese Schlüsse werden dem Leser überlassen, nachdem man ihn dazu gebracht hat das alles für wichtig zu halten. Unter den Zuhörern beim Vortrag in München habe ich Leute beobachtet, deren süffisantes Nicken auf mich so gewirkt hat als wollten sie sagen: Da könnten sich die ewigen Abstreiter mal eine Scheibe abschneiden! Alles Physik, und keineswegs Voodoo!

Die ganze Wahrheit ist das nicht, was Strassner da verbreitet. Es ist genau der Teil der Wahrheit aus dem er ein Kaufargument für seine Produkte machen kann. Alles andere, auch das absolut Essentielle, wird unterschlagen. Es ist durchaus alles Physik, aber man muß schon auch alle wichtigen Aspekte berücksichtigen, und nicht bloß die, die einem in den Kram passen.

Mittwoch, 12. Mai 2010

FAQ Symmetrie

Über die symmetrische Signalübertragung und die symmetrische Signalverarbeitung kursieren (besonders unter Audiophilen) eine Menge falsche Ansichten, die sich für viele Leute ganz vernünftig anhören, aber nichtsdestoweniger von den wirklichen Verhältnissen weit entfernt sind. Dabei kann's genauso gut vorkommen daß jemand aus den falschen Gründen für Symmetrie plädiert wie dagegen. Ich bilde mir zwar nicht ein daß ich mit einem Beitrag wie diesem hier die Irrtümer aus der Welt schaffen kann, schließlich kenne ich die Fähigkeiten der Audiophilen, was das Ignorieren der Realität angeht, aber es gibt hoffentlich immer noch genügend unverbohrte Leser die man mit Argumenten erreichen und vielleicht überzeugen kann.

Deshalb will ich die wichtigsten und am weitesten verbreiteten Fehler hier mal als FAQ (= Fix Abgehandelter Quatsch) zusammenfassen. Ich dachte auch kurz daran, das im Sinn von "Fix Abgekanzelte Quacksalber" zu interpretieren, aber dann wird mir bestimmt wieder vorgeworfen ich würde persönlich. Ich versuch's also lieber inhaltlich. Soll aber nicht heißen daß es keine Quacksalber zum Abkanzeln gäbe. Im Gegenteil.

1. Symmetrische Übertragung ist wenn man auf einem Draht das Signal, und auf dem anderen Draht das invertierte Signal überträgt. Die Signale müssen also gleich groß aber zueinander entgegengesetzt sein.

Falsch. Bei der Übertragung wird ja ein Spannungssignal übertragen, und da ist die Frage welchen Bezugspunkt man für diese Spannung wählt. Die Masse des Senders? Die des Empfängers? Der Mittelwert der beiden Drähte?

Im letzten Fall ist das Ganze natürlich per Definition symmetrisch, aber das ist wohl kaum gemeint. Der Empfänger bildet aber die Differenz zwischen den beiden Signaldrähten, da kommt die Masse gar nicht vor. Also gleich groß bezogen auf was?

In Wirklichkeit hängt die Symmetrie nicht an den Spannungen, sondern an den Impedanzen. Eine Verbindung ist auch dann symmetrisch wenn das Signal (bezogen auf Masse) ausschließlich auf einem Draht vorhanden ist, und der andere Draht bloß am Sender impedanzrichtig an Masse angeschlossen ist. Der ganze störunterdrückende Effekt ist so genau der Gleiche wie wenn auf beiden Drähten symmetrische Spannungen anliegen würden.

Das kann man sich auch so klar machen: Die Störunempfindlichkeit braucht man ja auch dann wenn man gar kein Signal überträgt, also bei Stille. Da ist es sogar besonders wichtig weil jede Störung mehr auffallen würde und von keinem Nutzsignal überdeckt würde. Wenn kein Signal anliegt, dann kann man aber nicht unterscheiden zwischen "einseitiger" Signalübertragung, und "beidseitiger" Signalübertragung. Es liegt ja keine Spannung an. Die Impedanzen sind aber immer noch da. Und die sind hier das Wesentliche.

Das heißt auch daß eine symmetrische Übertragung an einem Sender sehr billig bewerkstelligt werden kann, man muß bloß den zweiten Draht über einen passenden Widerstand an Masse anschließen. Man braucht nicht mehr Aktivelektronik als bei der unsymmetrischen Technik. Beim Empfänger braucht man einen Differenzverstärker, aber auch das muß nicht immer zu mehr Aktivelektronik führen, denn in vielen Fällen kann man eine bestehende Eingangsstufe auch so umgestalten daß sie Differenzverstärker wird. Nicht daß es eine Rolle spielen würde, aber viele Leute haben ja (unberechtigterweise) Angst vor klangverschlechternden Effekten zusätzlicher Verstärkerstufen.

Die symmetrische Variante wo das ganze Signal nur auf einem Draht anliegt, wird impedanzsymmetrische Übertragung genannt. Sie ist wie gesagt was Störsicherheit angeht um keinen Deut schlechter. Lediglich was die andere Richtung angeht, die Aussendung von Störungen an benachbarte Leitungen (Übersprechen), ist sie etwas ungünstiger. Das spielt aber eigentlich bloß in solchen Fällen eine Rolle wo mehrere Leitungen auf engem Raum und über längere Strecken nebeneinander verlegt sind. Einige zig Meter Kabelkanal zum Beispiel, oder ein Multicore-Kabel in der Veranstaltungstechnik.

Gerade bei Hifi kommt es aber noch immer vor daß die angeblich symmetrischen Verbindungen alles andere als symmetrische Impedanzen haben. Wer mißt das schon nach?

2. Eine unsymmetrische Übertragung kann man durch Verdrillen zweier gleicher Drähte symmetrisch machen.

Diese "pseudosymmetrische" Technik findet man öfter bei Cinch-Verbindungskabeln. Manche davon sind noch nicht einmal verdrillt, sondern flache Stegleitungen. So etwas ist aber nicht einmal pseudosymmetrisch, es ist genauso unsymmetrisch wie zuvor. Relevant sind ja die Impedanzen, daran ändert eine optisch symmetrisch aussehende Kabelgeometrie überhaupt nichts. Entsprechend kann man davon auch keine störunterdrückende Wirkung erwarten.

Solche pseudosymmetrische Verbindungen sind Augenwischerei.

3. Symmetrische Übertragung bringt nichts wenn nicht auch die Geräte selbst innen vollsymmetrisch aufgebaut sind.

Das ist nicht bloß falsch sondern sogar gefährlich falsch. Es läßt einen glauben daß die getrennt am Stecker ankommenden positiven und negativen Signale auch im Gerät getrennt weiterverarbeitet werden müßten. Daß man also in diesem Fall besser auf die Differenzbildung am Eingang verzichtet.

Das ist deswegen völlig kontraproduktiv, weil die Störunterdrückung an der möglichst genauen Differenzbildung hängt. Je ungenauer die ist, desto mehr Störung bleibt übrig. Genaue Differenzbildung läßt sich durch entsprechenden Abgleich noch recht einfach hinkriegen wenn man es nur mit einer Verstärkerstufe zu tun hat, nämlich dem Differenzverstärker am Eingang. Verarbeitet man dagegen die Zweige durch das ganze Gerät hindurch getrennt, dann müßte man die komplette Schaltung auf präzise Übereinstimmung beider Seiten abgleichen. Das ist in vielen Fällen so gut wie aussichtslos, besonders über wechselnde Temperaturen und die Alterung der Geräte hinweg. Viel zu viele Bauelemente müßten dazu exakt aufeinander abgeglichen werden.

In der Praxis ist die sofortige Differenzbildung am Eingang die mit weitem Abstand beste Lösung, weil man so die Störung am gründlichsten herauskompensiert bekommt. Ob es danach im weiteren Verlauf im Gerät symmetrisch oder unsymmetrisch weiter geht spielt dann in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr. Das maßgebliche Kriterium ist dabei die Gleichtaktunterdrückung am Eingang.

4. Der Vorteil der symmetrischen Übertragung beruht darauf daß eine Störung gleich auf beide Drähte wirkt.

Fast richtig. Es ist ein Vorteil, aber nicht der Einzige, und im Fall von Hifi mit relativ kurzen Kabeln noch nicht einmal der Wichtigste.

Bei der Übertragung von Audio über Kabel gibt's im Grunde 4 verschiedene Mechanismen, über die ein Störsignal ins Audiosignal einkoppeln kann. Welcher Mechanismus im konkreten Fall der dominierende ist, das hängt von der Situation ab.
  • Das Kabel wirkt als Antenne für elektromagnetische Wellen (Radiosignale)
  • Die Störung koppelt über ein elektrisches Feld ein (kapazitive Kopplung)
  • Die Störung koppelt über ein Magnetfeld ein (induktive Kopplung)
  • Die Störung koppelt über eine gemeinsame Impedanz zwischen zwei Stromkreisen ein.
Gegen diese verschiedenen Mechanismen wirken verschiedene Maßnahmen, und im Hifi-Umfeld sind die auch verschieden wichtig. In der wahrscheinlich großen Mehrheit der Fälle bei Hifi ist der letzte der vier Mechanismen der dominierende, und der hat wenig mit der Symmetrie zu tun, dafür aber sehr viel mit der Massefreiheit, die letztlich bloß ein Nebeneffekt der symmetrischen Übertragung ist. Die Massefreiheit bewirkt nicht etwa eine Vermeidung von Brummschleifen, wie man oft hört, sondern eine Trennung des Strompfades einer Brummschleife von den Signalstromkreisen. Der Brummstrom läuft in der Schleife also noch immer um, aber die Kopplung ins Audiosignal wird unterbunden.

Gegen den ersten Mechanismus hilft eine gute Schirmung, und insbesondere die direkte Verbindung des Schirms mit dem Gerätegehäuse ohne Umwege. Das gilt gleichermaßen für symmetrische und für unsymmetrische Verbindungen. Beispiel ist hier das Handy neben dem Kabel.

Auch gegen kapazitive Kopplung ist die Schirmung das wichtigste Mittel. Das Prinzip ist hier der Faraday'sche Käfig.

Die Verdrillung der Drähte und die Impedanzsymmetrie ist die Hauptmaßnahme gegen die induktive Kopplung. Gegen niederfrequente Magnetfelder, wie sie von der elektrischen Verkabelung im Haus, von Trafos, oder von Hochspannungsleitungen kommen, hilft eine Schirmung nicht gut. Das ist der Grund warum man die Drähte verdrillt, und warum die Impedanzsymmetrie hilft.

Bloß: Bei Hifi ist magnetische Kopplung eher weniger das Problem. Und wenn es ein Problem ist, dann entsteht es meist schon innerhalb eines Gerätes, und externe Kabel haben damit nichts zu tun. Das Gerät, speziell der Netztrafo darin, ist die Störquelle, und sie wirkt innerhalb des Geräts auf die benachbarte Schaltung.

Für Hifi mit den kurzen Kabeln wäre es also in den meisten Fällen schon genug wenn die Verbindungen massefrei wären. Symmetrie im engeren Sinn ist gar nicht so wichtig. Cinch-Verbindungen sind aber nur selten massefrei, und das ist ihr Hauptnachteil. Nur finde ich daß wenn man der traditionellen Cinch-Verbindung den Tritt gibt, den diese überkommene Technik verdient hat, dann sollte man es gleich richtig tun. Also nicht nur massefrei, sondern auch korrekt symmetrisch. Dann hat man sämtliche Störmechanismen im Griff, auch das Handy. Daß das dann im Zweifel auch über 100 Meter Distanz funktioniert, gibt auch dann noch ein gutes Gefühl wenn man es nicht wirklich braucht.

5. Bei der symmetrischen Verbindung schließt man den Schirm an die Masse an.

Jein. Nicht alle Massen sind gleich. Man trifft immer noch zu oft den Fehler an, daß der Masseanschluß einer symmetrischen Verbindung mit der Signalmasse des Gerätes verbunden wird. Richtig wäre, die Gehäusemasse zu verwenden. Also den Massekontakt im Stecker direkt mit dem Gehäuse verbinden. Die Signalmasse hat am Stecker eigentlich nichts zu suchen, denn wegen der Differenzbildung wird sie als Referenz gar nicht gebraucht.

Das Problem dabei ist daß eine Verbindung mit der Signalmasse oft die im Schirm laufenden Störungen über die Signalmasse ins Innere eines Gerätes und in die Elektronik geleitet werden. Dort finden sie dann irgendwie ins Audiosignal. Außerdem kommen so die aus dem Antenneneffekt resultierenden Störungen ins Gerät. Zwei von vier Störmechanismen werden auf diese Weise immer noch zugelassen, darunter auch der wichtigste.

Es kommt also darauf an, mit welcher Masse der Schirm verbunden wird, oder anders gesagt auf welchem Weg diese Verbindung geschieht. Nur wenn das alles korrekt gemacht ist besteht Immunität gegenüber allen vier beschriebenen Mechanismen.

In Härtefällen ist es sogar sinnvoll, die Masseverbindung über einen Kondensator zu machen, um Gleichstrom und niederfrequente Wechselströme in Schach zu halten. Für Hifi sehr selten ein Problem, können solche Ströme bei größeren Distanzen ein Problem werden. Es gibt Fälle wo bei einer Kabelverbindung zwischen getrennten Gebäuden so große Ströme im Schirm fließen daß das Kabel merklich warm wird. In solchen Fällen braucht's aber einen Fachmann der die beste Lösung ermitteln kann.

6. Symmetrische Verbindungen haben bessere Rauschabstände

Das kann man nicht so allgemein sagen. Wenn man eine vollsymmetrische Verbindung mit einer asymmetrischen Verbindung vergleicht, wenn alle anderen Bedingungen (wie z.B. Pegel) gleich sind, dann ist auch der Rauschabstand gleich. Man kann allerdings bei gleicher Betriebsspannung mit vollsymmetrischen Verbindungen den doppelten Pegel erreichen.

Eine vollsymmetrische Verbindung braucht aber zwei Verstärker, einen für das normale Signal und eines für das invertierte. Doppelter Aufwand. Alternativ könnte man auch eine asymmetrische oder impedanzsymmetrische Verbindung mit der doppelten Betriebsspannung betreiben. Dann braucht man nur einen Verstärker, aber der muß die doppelte Betriebsspannung aushalten. Kann sein daß das günstiger ist, oder auch nicht, je nach Situation. Ein eindeutiger Vorteil für die eine oder andere Lösung ergibt sich nicht.

Für den Laien heißt das, daß man ohne genauere Kenntnis der Details nicht beurteilen kann, welche Konstellation die besten Rauschabstände bietet. Für Hifi-Situationen sind die erreichbaren Rauschabstände bei beiden Varianten locker ausreichend, um im Zweifel andere Probleme dominant erscheinen zu lassen. Die Diskussion um die Rauschabstände ist hier also verfehlt.

Schluß

Symmetrische Übertragung ist überlegen, aber nur wenn sie auch korrekt und konsequent implementiert ist. Das ist eine ziemlich alte Weisheit, aber nicht jeder hat ein Interesse daß sie allgemein bekannt wird. Symmetrische Übertragung hat auch im Hifi-Bereich Sinn, aber aus anderen Gründen als viele zu glauben scheinen.

Samstag, 1. Mai 2010

Wie gewinnt man öffentliche Debatten?

Zyniker wissen schon lange daß in öffentlichen Debatten nicht derjenige mit den besten Argumenten gewinnt, oder der mit dem anständigsten Diskussionsverhalten. Die Frage ist daher nicht ganz unbedeutend, wie man es am besten anstellt um sich in solchen Debatten durchzusetzen. Zu dieser Frage ist jetzt ganz frisch ein Papier über eine Forschungsarbeit in Frankreich erschienen, wo man sich dieser Frage mittels modellgetriebener Simulationen genähert hat. Drei Fälle öffentlicher Debatten aus der jüngeren Zeit wurden darin exemplarisch untersucht:
  1. Die Debatte zwischen Verfechtern von Evolution und Kreationismus
  2. Die Debatte um die Ursachen der globalen Erwärmung
  3. Die Debatte um die Schweinegrippe
Ein audiophiles Thema war nicht dabei, das wäre im Vergleich auch zu nebensächlich gewesen, aber ich sehe da durchaus einige interessante Parallelen, so daß sich ein Blick darauf auch hier im Blog lohnt.

Bei Simulationen gilt natürlich immer die Einschränkung daß die Simulation bloß so gut sein kann wie die Modelle auf denen sie basiert. Von daher versucht man auch die Ergebnisse der Simulation mit der tatsächlichen Situation zu vergleichen, und daraus seine Schlüsse über die Qualität der Modelle zu ziehen. Man sollte daher die Studie mit einem Körnchen Salz konsumieren, was sie aber in meinen Augen nicht weniger interessant macht.

Wenn man das Ergebnis in einem Satz zusammendampfen müßte, dann würde er wohl ungefähr so lauten:

"Wer sich eine vorsichtige, ausgewogene Haltung zulegt, die auf klaren wissenschaftlichen Fakten basiert ohne daß diese eine eindeutige Schlußfolgerung zulassen würden, der hat sich für die Verliererstraße entschieden."

Andersrum gesagt: Wer gewinnen will darf sich nicht mit kleinlichen Abers, Wenns und Vielleichts aufhalten. Auch wenn man dabei die verfügbaren wissenschaftlichen Daten überstrapaziert, ist es besser wenn man knapp und eindeutig Stellung bezieht.

Das kann man zynisch finden, aber es entspricht meiner Erfahrung in der audiophilen Debatte. Ich hab's ausprobiert. Eine ausgewogene Argumentation, bei der man versucht alle Aspekte zu berücksichtigen und vernünftig zu gewichten, bringt nichts. Kaum einer macht sich die Mühe der Argumentation zu folgen, die Mehrheit der Zuschauer scheint im Gegenteil bei dieser Art der Argumentation den Eindruck mitzunehmen, es würde Grund zum Zweifel geben, man sei sich also nicht ganz sicher. Und wenn man einen halbwegs diskussionserprobten Kontrahenden in der Diskussion hat, dann treibt er einen durch alle Kleinigkeiten und walzt diese so breit wie möglich aus, so daß der Überblick darüber welchen Stellenwert diese im Gesamtzusammenhang haben komplett verloren geht.

Ausgewogene Argumentation ist etwas für die kleine Runde, wo die Beteiligten ein ehrliches Interesse daran haben, gemeinsam weiter zu kommen. In öffentlichen Debatten kann man das vergessen. Da ist es weitaus besser mit dem breiten Pinsel zu malen. Das wird besser verstanden, und es provoziert mehr Getöse in der Debatte, was wiederum gut ist um Zuschauer anzulocken, und dadurch mehr Verbreitung zu finden.

Beispiel Kabelklang:

Vor 5 Jahren, als ich noch relativ "frisch" im Hifi-Forum war, habe ich noch verstärkt versucht, differenzierte Diskussionen zu führen, und Umstände auszuloten in denen ich selbst für möglich halte, daß Kabel einen Einfluß auf den gehörten Klang haben. Siehe dazu z.B. diesen alten Thread. Aber so eine ausführliche Argumentation schreckt eher ab. So genau wollen's die meisten dann auch nicht wissen. Und wenn's nicht einfach ignoriert wird, dann wird's mißverstanden oder mißbraucht, so ist z.B. unser bekannter Charly über längere Zeit damit hausieren gegangen, ich hätte damit quasi Kabelklang nachgewiesen. Man muß also mit ansehen wie man vor den Karren genau derjenigen Sache gespannt wird, die man eigentlich damit bekämpfen wollte.

Also ist Kabelklang eben Unfug. Das ist eine klare, knappe und leicht verständliche Position, die nicht den Nachteil hat daß irgendein Schimmer von Unsicherheit und Relativierung darin aufscheint. Wenn sich dann wirklich jemand findet, der sich für die Details interessiert, dann kann er gerne auch das Für und Wider besprochen haben, aber für die breite Masse ist das nichts.

Man braucht bei dieser Taktik auch nicht das geringste schlechte Gewissen zu haben. Kabelklang ist Unfug, jedenfalls in der Form in der er typischerweise diskutiert wird. Was da an Argumenten von Herstellern, Händlern und Audiophilen kommt ist zu 90% völliger Mist, und mit dem Rest kann man sich beschäftigen wenn man in einer Runde gelandet ist, die willens und fähig ist das auch differenziert zu sehen. Also muß die Aussage Nummer 1 die sein die auch zuerst rüber kommt. Wer nur drei Worte aufnehmen kann oder will, bei dem muß man dafür sorgen daß die ersten drei Worte die richtigen sind. Wer die Differenzierungen voran stellt spannt den Karren vor's Pferd, und wundert sich dann warum er damit nicht voran kommt.

Also: Kabelklang ist Unfug.

Differenziertere Argumente kommen dann, wenn man es mit einem Publikum zu tun hat welches damit auch etwas anfangen kann. Bei den Anderen ist es besser wenn man sie mit den einfachen Wahrheiten aus der Arena prügelt.

Es stimmt: Es ist zynisch, und es ist schade. Eine Diskussion auf hohem Niveau wäre erheblich interessanter. Aber mir zumindest ist letztlich wichtiger was hinten raus kommt. Und da kriegt eben jeder das was er verdient.