Donnerstag, 21. Februar 2013

FAQ Verstärkerklang

Im Hifi-Forum gibt es einen Thread-Dauerbrenner über Verstärkerklang, der sein fünftes Jahr schon hinter sich hat, und es schon auf mehr als 15000 Beiträge gebracht hat. Das ist zwar noch gar nichts gegen den Durchzählthread, aber wenn man die Menge an Text berücksichtigt, die in den Threads produziert wurde, dürfte der Verstärkerklang-Thread die Nase vorn haben.

Da schon x-mal bemerkt wurde, wie die Diskussion dort im Kreis läuft, ohne ein Ergebnis zu produzieren, vor allem auch deswegen, weil immer wieder Neueinsteiger auftauchen, die ohne Rücksicht oder Kenntnis der bisherigen Diskussion immer wieder mit den gleichen Fragen oder Behauptungen daher kommen, und damit eine neue Runde in der ewigen Diskussion einläuten, kam die Idee einer FAQ-Liste auf, deren Lektüre man den Neueinsteigern empfehlen kann, bevor sie sich in die Diskussion einschalten. Dies natürlich in der Hoffnung, daß sich dadurch erneute sinnlose Runden sparen lassen.

Ob das etwas hilft, ist genauso umstritten, wie das Threadthema selbst. Nicht ohne Grund wird darauf verwiesen, daß jemand, der sich keine Mühe macht, frühere Threadbeiträge zu lesen, um sich über den Stand der Diskussion zu informieren, sich auch nicht den Aufwand machen wird, die FAQ-Liste zu lesen, zumal nicht klar ist wie man sicherstellen will, daß er überhaupt mitkriegt, daß und wo es eine gibt. Und man kann vermuten, daß es etliche Leute geben wird, deren Ziel gerade die endlose Diskussion ist, und die deshalb absichtlich immer wieder sinnlose Diskussionsrunden anstoßen. Trolle also. Die würden eine FAQ-Liste auch dann nicht lesen, wenn sie darüber Bescheid wüßten.

Aber man kann ja mal den Versuch machen, was ich hier mal tun will. Wobei ich gleich zugebe, daß ich zwar versuchen werde, das nach DamonDiG's Wunsch faktenbasiert zu gestalten, ich aber bzgl. Spitzenfreiheit und Ideologiefreiheit keine Versprechungen mache. ;-)

Nach dieser Vorrede gehe ich direkt zu DamonDiG's Fragenkatalog über:

1.Grundlagen und Definitionen

a) Was ist mit dem in der Threadfrage angesprochenen Verstärkerklang gemeint?


Ein Eigenklang eines Verstärkers, der dem zu verstärkenden Audiosignal einen für den Verstärker typischen Charakter aufprägt. Im Gegensatz zu der Auffassung vom Verstärker als "Draht mit Verstärkung", der keine eigenen Klangeffekte erzeugt, sondern das Audiosignal klangneutral verstärkt.

b) Was ist in der Threadfrage mit „in welchem Maße“ gemeint?

Es geht speziell um die Frage, ob eventuelle Effekte so stark sind, daß der klangliche Einfluß hörbar wird. Mit anderen Worten, es geht um die Frage ob verschiedene Verstärker auch wahrnehmbar verschieden klingen.

c) Was ist in der Threadfrage mit „in welchem Maße“ nicht gemeint?

Es ist klar, daß Verstärker unterschiedlich klingen können, wenn sie unterschiedlich laut eingestellt sind, oder außerhalb ihrer Möglichkeiten betrieben werden. Für einen fairen Vergleich ist es wichtig, daß solche Umstände vermieden werden.

Werden zum Beispiel zwei Verstärker verglichen, deren Leistung stark unterschiedlich ist, dann wird der schwächere Verstärker bei genügend lauter Wiedergabe früher übersteuern als der stärkere Verstärker. Ein fairer Vergleich würde die Lautstärke auf ein Maß begrenzen, bei dem keiner der Verstärker übersteuert.

Das heißt natürlich, daß manche Verstärker zu schwach sind für eine bestimmte Anwendungssituation. Dann sind sie dafür eben ungeeignet, aber es wäre ungerechtfertigt, wegen eventueller Übersteuerung von Verstärkerklang zu reden.

Eine Diskussion über Verstärkerleistung ist damit off-topic, es sei denn es geht um (angebliche) Klangeffekte, die von der Verstärkerleistung abhängen, ohne daß das mit einer Übersteuerung zu tun hätte. Solche Behauptungen werden manchmal im Zusammenhang mit der "Stromlieferfähigkeit" gemacht, aber da gibt es keinen eindeutigen Zusammenhang mit der Verstärkerleistung.

Was die Frage ebensowenig meint ist, ob jemand den Eindruck unterschiedlichen Klangs bei Verstärkern hat. Es ist bekannt, daß der Eindruck von Unterschieden schnell entstehen kann, auch wenn es solche Unterschiede in Wirklichkeit nicht gegeben hat. Schilderungen von Klangeindrücken sind daher in aller Regel nicht zielführend und off-topic, so lange keine Anstalten gemacht werden, zu zeigen, daß die Eindrücke auf wirkliche Unterschiede zurückgehen. Auch die auftrumpfende Versicherung, der Effekt sei so deutlich gewesen, daß man sich unmöglich geirrt haben könne, hilft da nicht weiter.

d) Sind alle Verstärker gemeint oder gibt es begründete (definitionsbedingte) Ausnahmen?

Es gibt Ausnahmen. Wenn Verstärker mit dem ausdrücklichen Ziel gebaut werden, den Klang zu verändern, dann wäre es natürlich unsinnig, zu behaupten, daß sie das nicht tun. Zu dieser Kategorie gehören zum Beispiel Instrumentenverstärker, hauptsächlich für Gitarren und Baßgitarren. Die muß man eigentlich eher zum Instrument hinzurechnen, und das ganze Ensemble von Gitarre, Verstärker und Lautsprecher zusammengenommen dient der Erzeugung von gezielt manipulierbaren Klängen.

Bei unserem Thema geht es dagegen um Verstärker auf der Wiedergabeseite, und nicht auf der Seite wo der Klang erst erzeugt wird. Genauer gesagt geht es um Verstärker, die für die Wiedergabe zuhause von Audiomaterial aus Klangkonserven gedacht sind, also um HiFi-Verstärker. HiFi steht ja für hohe Klangtreue, das heißt es geht um Verstärker, die diese hohe Klangtreue auch erfüllen sollen und wollen. Wenn ein Verstärker nicht entwickelt wurde, um dieses Ziel zu verfolgen, dann ist es kein Wunder wenn er klangliche Veränderungen bewirkt.

Ebensowenig relevant für das Thema sind defekte Verstärker, oder solche bei denen etwas falsch justiert oder durch Alterung aus dem Ruder gelaufen ist.

Der Thread dreht sich also nicht um die Frage, ob ein Verstärker Klangveränderungen bewirken kann, wenn das bei dessen Konstruktion so gewollt war, oder wenn etwas faul ist. Diese Frage würde sich von selbst beantworten. Es geht vielmehr darum, ob ein intakter Verstärker merkliche Klangveränderungen verursacht, obwohl er als HiFi-Verstärker entwickelt wurde.

Anders formuliert geht es darum, ob Verstärker zwangsläufig unterschiedlich klingen, schon weil sie sich konstruktiv unterscheiden, oder ob solche konstruktiven Unterschiede auf den Klang keinen Einfluß haben, es sei denn das wäre so gewollt. Oder einfacher: Was ist der Normalfall: Daß Verstärker gleich klingen, oder daß sie unterschiedlich klingen?

2.Akustische Grundlagen

a) In welchen definierten Eigenschaften des Schalls können sich hörbare Unterschiede zwischen Verstärkern zeigen (Frequenzgang, Klirr, Rauschabstand…)?

Alle drei genannten Faktoren können hörbare Unterschiede bewirken, wenn die Unterschiede in den Meßwerten über den Hörschwellen liegen. Es gibt auch noch ein paar weitere Einflußfaktoren, wie z.B. die Ausgangsimpedanz, oder Empfindlichkeiten für Störeinflüsse aller Art.

Ich will hier nicht alle möglichen Faktoren auflisten, das würde zu weit führen. Bei den Störeinflüssen ist es aber so, daß diese zwar Einfluß auf den Klang haben können, aber für eine Diskussion von Verstärkerklang schwerlich relevant sein können, weil sie sehr stark von den äußeren Umständen abhängen, und nicht bloß vom Verstärker selbst. Es macht daher nicht wirklich Sinn, von Verstärkerklang zu reden, bloß weil zwei Verstärker eine unterschiedliche Empfindlichkeit für eine Störung haben, die an einem Ort und zu einer Zeit vielleicht auftritt, an anderen Orten und Zeiten aber nicht. Die beiden Verstärker mögen dann unterschiedlich praxistauglich sein, sie sind aber kein Beispiel für Verstärkerklang.

Das Beispiel der Ausgangsimpedanz verdient noch eine besondere Anmerkung. Die Ausgangsimpedanz eines Verstärkers bildet zusammen mit der Impedanz des angeschlossenen Lautsprechers einen Spannungsteiler, der in aller Regel eine mit der Frequenz variierende Charakteristik hat. Eine relativ hohe Ausgangsimpedanz eines Verstärkers führt daher in Verbindung mit einem Lautsprecher mit schwankender Impedanzkurve zu einem möglicherweise hörbaren Einfluß auf den Frequenzgang. Das ist ein altbekannter Effekt, der sich auch einfach ausrechnen läßt, wenn man die Impedanzkurven von Verstärker und Lautsprecher kennt. Dieses Verhalten wurde meist als unerwünscht betrachtet, weshalb die meisten Verstärker eine so niedrige Ausgangsimpedanz haben, daß der Einfluß auf den Frequenzgang unter der Hörbarkeitsgrenze liegt. Diese Überlegung wird meist mit dem Begriff des "Dämpfungsfaktors" verbunden, der das Verhältnis der beiden Impedanzen ausdrückt, und der steigt wenn die Ausgangsimpedanz des Verstärkers sinkt. Ein Dämpfungsfaktor von über 10 wird üblicherweise als ausreichend betrachtet, um hörbare Frequenzgangänderungen zu vermeiden.

Daraus folgt natürlich, daß bei einem niedrigeren Dämpfungsfaktor möglicherweise Unterschiede zwischen Verstärkern hörbar werden können. Es ist wichtig, sich klar zu machen, daß das kein Verstärkerklang ist, sondern ein Phänomen, das im Zusammenwirken von Verstärker und Lautsprecher entsteht, und daher nur für eine bestimmte Kombination der beiden gilt. Falls ein Verstärker einen zu geringen Dämpfungsfaktor hat (was besonders oft bei Röhrenverstärkern der Fall ist), dann kann man Klangveränderungen dadurch vermeiden, daß man impedanzlinearisierte Lautsprecher benutzt.

b) Welche Hörschwellen werden für Abweichungen in den einzelnen Eigenschaften angenommen?

Die Eigenschaften des Gehörs sind zwar recht gut erforscht, aber auch ziemlich komplex. Um sich das Leben einfacher zu machen, benutzt man daher im Zusammenhang mit Verstärkern meist Grenzwerte, mit denen man davon ausgeht, auf der sicheren Seite zu sein. Das bedeutet, daß ein Effekt nicht schon allein deswegen hörbar wird, weil er über einer solchen Grenze liegt. Es wäre daher ein großer Fehler, wenn man aus der Angabe einer solchen Grenze schließen würde, daß bei überschreiten der Grenze ein hörbarer Effekt vorliegt. Im Gegenteil ist es völlig normal, wenn ein Effekt selbst dann noch unhörbar bleibt, wenn er die Grenze beträchtlich überschreitet.

Ein wichtiger Grund dafür sind Maskierungseffekte im Gehör, die es stark von den genauen Umständen abhängig machen, ob ein Effekt hörbar wird oder nicht. Solche Eigenschaften des Gehörs werden manchmal genutzt, wie z.B. bei der MP3-Codierung, aber bei der Beurteilung von Verstärkern macht man es sich meist vergleichsweise einfach, und vernachlässigt solche Maskierungseffekte, indem man Grenzen angibt, die eine Unhörbarkeit auch dann noch gewährleisten würden, wenn es keine Maskierung gäbe. Das führt dann dazu, daß oft auch Verstärker, bei denen man meßtechnisch schon "rot sehen" würde, Musik noch ohne merkliche Klangverfälschung wiedergeben können. Gerade Musik produziert als komplexes Material auch besonders viele Maskierungen, so daß für einige typischen "Probleme", die Verstärker haben können, künstliche und scheinbar "einfache" Testsignale eine wesentlich bessere Erkennungsmöglichkeit bieten.

Das steht im Gegensatz zur weit verbreiteten, aber unbelegten Ansicht, die Komplexität von echter Musik würde einen Verstärker mehr fordern, als ein einfaches Sinussignal, und Musik würde daher als Testsignal für die Entdeckung und Beurteilung von Klangunterschieden geeigneter sein als künstliche Testsignale.

Einen ersten Überblick über die Hörschwellen, die für hochqualitative Signalverarbeitung angesetzt werden, kann die ITU-Norm BS.644-1 geben. Diese betreffen eine komplette Signalkette, man wird daher anstreben, die Werte für einen Verstärker signifikant besser zu machen, damit die Schwellen auch bei einer längeren Kette von Geräten noch gehalten werden können.

c) Welche Eigenschaften des Schalls können messtechnisch quantifiziert werden

Alle diejenigen, die eine physikalische Grundlage haben. Emotionale Charakterisierungen müßten zuerst an physikalischen Unterschieden festgemacht werden, bevor sie einer Messung zugänglich sind.

d) Wie groß ist bei der messtechnischen Erfassung des Phänomens Schall in seinen einzelnen Eigenschaften die Genauigkeit im Vergleich zum menschlichen Hörsinn?

So lange es sich noch um ein "eindimensionales" elektrisches Signal handelt (also um das womit der Verstärker arbeitet), ist die Grenze der Genauigkeit durch die Physik gegeben, also durch Rauschgrenzen, Bandbreiten, und dergleichen. Da der menschliche Hörsinn durch die gleiche Physik begrenzt ist, hat die Meßtechnik zumindest mal keinen Nachteil.

Anders aber als beim Hörsinn hat man bei der Meßtechnik wesentlich mehr Möglichkeiten, mit den Parametern zu "spielen". Die Frequenzauflösung und der Frequenzbereich einer FFT-Messung ist z.B. beliebig änderbar, während das Gehör durch die Konstruktion des Innenohrs festgelegt ist. Das erlaubt es, die Möglichkeiten des Gehörs bei einer Messung teilweise um etliche Zehnerpotenzen zu übertreffen.

Beschäftigt man sich mit dem Schall selbst, dann hat man es mit der Schwierigkeit zu tun, daß das ein Welleneffekt im dreidimensionalen Raum ist, und nicht mehr ein eindimensionales Signal. Die Sache sieht also an unterschiedlichen Orten im Raum unterschiedlich aus, und zusätzlich noch beeinflußt ein Körper (ob das ein Mikrofon ist oder ein Mensch) den Schall durch seine Anwesenheit im Raum. Es ist daher nicht ganz einfach, eine Messung so zu machen, daß sie repräsentativ ist für das, was der Mensch hört. In manchen Fällen wird man so weit gehen, kleine Mikrofone in die menschlichen Gehörgänge einzuführen, um möglichst nahe an das Trommelfell heran zu kommen, und so den gleichen Schall aufnehmen kann, den auch der Mensch aufnimmt. Das ist technisch möglich und wird auch gemacht, ist aber ungewohnt und kann unangenehm sein, abgesehen davon daß der Aufwand nicht unbeträchtlich ist.

Zum Glück ist das für eine Beurteilung von Verstärkern unnötig, denn wie geschrieben hat der es gar nicht mit Schall zu tun, sondern mit einem elektrischen Signal am Eingang wie am Ausgang. Das ist eine ungleich übersichtlichere Situation.

3.Technische Grundlagen

a) Welche unterschiedlichen Verstärkertechniken gibt es und was sind ihre jeweiligen Besonderheiten?

Vor der Beantwortung dieser Frage sollte man erwähnen, was immer gleich ist: Ein Verstärker, egal wie er arbeitet, ist dazu da, eine "Kopie" des Eingangssignals an seinem Ausgang zu erzeugen, die in irgend einem Sinn "stärker" ist, als das "Original" an seinem Eingang. Das bietet eine einfache Möglichkeit, einen Verstärker zu beurteilen: Man vergleicht bloß Eingangssignal und Ausgangssignal miteinander. Wenn man das Ausgangssignal durch einen "Abschwächer" führt, der die Verstärkung rückgängig macht, dann kann man sogar unmittelbar vergleichen, und z.B. sich mittels Differenzbildung ansehen, welche "Fehler" der Verstärker macht. Das sind fast ideale Umstände für eine meßtechnische Bewertung eines Verstärkers bis in höchste Qualitätsmaßstäbe hinauf. Die damit erreichbare Präzision schlägt alles das, was man per Gehör fertig bringen kann, um Längen. Das ist ein Luxus, den man in anderen Situationen, z.B. bei Lautsprechern, nicht hat.

Das kann man nicht nur bei der Messung, sondern bei der Konstruktion von Verstärkern ausnutzen, und es wird routinemäßig ausgenutzt, nämlich durch die Gegenkopplung. Der Verstärker vergleicht selbst im laufenden Betrieb kontinuierlich sein Ausgangssignal mit dem Eingangssignal, und gleicht etwaige Unterschiede aus. Das kann extrem wirkungsvoll sein, und erlaubt es, die Fehlergröße auf weniger als ein Hundertstel dessen zu senken, was man unter günstigsten Bedingungen gerade noch wahrnehmen kann.

Ein wesentliches Merkmal von Verstärkerkonstruktionen ist also, ob und in welchem Ausmaß sie mit Gegenkopplung arbeiten. Ohne Gegenkopplung ist ein Verstärker für seine eigenen Fehler blind, und kann sie nicht korrigieren. Sie müssen also von vorn herein und in allen relevanten Situationen niedrig genug gehalten werden, was nicht einfach ist. Die Fehler, die ein nicht gegengekoppelter Verstärker macht, sind daher oftmals um Größenordnungen stärker als die von gegengekoppelten Verstärkern, und das kann stark genug sein um hörbar zu werden.

Andere Kriterien, nach denen man Verstärker klassifizieren kann, drehen sich um die verwendeten Verstärkerbauteile (Röhren, Übertrager, Bipolar-Transistoren, MOSFETs, ...), um die Schaltungstopologie (Eintakt, Gegentakt, gebrückt, ...), um die Arbeitsweise bzw. Klasse (A, AB, B, D, G, H, ...), und teils noch weitere Kriterien und Sonderformen.

b) Welche dieser Besonderheiten können Hörbare Klangverfälschungen (in welchem Ausmaß) verursachen?

Fehlende oder unzureichende Gegenkopplung dürfte Faktor #1 sein, wenn hörbare Klangverfälschungen auftreten (wenn man einmal von Fehlkonstruktionen und Defekten absieht). Oft geht das auch mit einer relativ hohen Ausgangsimpedanz einher, was ja weiter oben schon diskutiert wurde.

Die Gegenkopplung hat neben ihren positiven Eigenschaften auch das potenzielle Problem, daß Instabilitäten auftreten können, teils abhängig von der Art der Last am Ausgang des Verstärkers. Das muß nicht so weit gehen, daß der Verstärker zu schwingen anfängt. Es könnte auch unauffälligere klangliche Konsequenzen haben. So etwas kann man durch geeignete Frequenzkompensation des Verstärkers unterbinden, aber je nach Verstärkerkonstruktion kann das ein schwieriges Problem sein, und vielleicht rührt ein Teil der negativen Publicity um die Gegenkopplung auch daher, daß nicht alle Entwickler diesem Problem gewachsen waren bzw. sind.

Die anderen Kriterien haben darauf insofern einen Einfluß, als sich die Situation für die Gegenkopplung jeweils anders darstellen kann. So brauchen z.B. Röhrenverstärker meist einen Ausgangsübertrager, und dessen Phasengang über die Frequenz kann eine Gegenkopplung deutlich erschweren. Viele Röhrenverstärker haben daher nur wenig oder gar keine Gegenkopplung, die den Ausgangsübertrager mit einschließt, und können dessen Fehler nicht korrigieren. Die Folge ist verstärkter Klirr, besonders bei niedrigen Frequenzen, und eine höhere Ausgangsimpedanz.

Ein Verstärker, der in Klasse A arbeitet, vermeidet unter Inkaufnahme größerer Energieverluste die Übernahmeverzerrungen, die im Betrieb der Klasse B oder (weniger) AB prinzipbedingt auftreten, und durch Gegenkopplung korrigiert werden müssen. Bei Verstärkern ohne Gegenkopplung gibt es daher eine starke Tendenz in Richtung Klasse A, weil ansonsten der Klirr leicht zu groß werden kann. Das erkauft man sich durch stark erhöhten Stromverbrauch auch im Leerlauf.

Wenn Klirr aufgrund solcher Umstände in nennenswertem Ausmaß entsteht, dann kommt es ggf. auch zu unterschiedlichen Charaktern der klanglichen Veränderungen, denn dann hängt das Ergebnis von der Verteilung des Klirrs auf unterschiedliche Oberwellen ab.

Bleibt der Klirr dagegen im unbedenklichen Bereich, dann sollten sich die unterschiedlichen Klassen nicht unterscheiden.

c) Innerhalb welcher Grenzen ist es mit gängiger Verstärkertechnik möglich, die Unterschiede, die den verschiedenen Schalleigenschaften messtechnisch zugeordnet werden können, unterhalb der jeweiligen Hörschwelle zu halten?

Ein Verstärker kann relativ problemlos so gebaut werden, daß die Unterschiede unterhalb der Hörschwellen liegen, wenn es das ist was bezweckt wird. Die Verstärkertechnik bei Audio hat viele Jahrzehnte der Entwicklung und Verfeinerung hinter sich, und sowohl die Schaltungstechnik als auch die Bauteilqualität hat schon seit Längerem ein Niveau erreicht, das jenseits der Hörschwellen liegt. Das geht sogar mit vergleichsweise einfachen Schaltungen, wenn die Anforderungen an die Ausgangsleistung im üblichen Rahmen bleiben. Durch die weite Verbreitung leistungsfähiger Computer gibt es auch in der Hand von Hobbyisten alles, was man für eine Simulation und Berechnung der Schaltung braucht, bevor man zum physischen Aufbau der Schaltung schreitet, und die nötigen Bauteile sind problemlos und preiswert zu bekommen.

Noch einfacher ist die Sache, wenn man integrierte Schaltungen verwendet, die den Großteil der Schaltung für einen Verstärker bereits auf einem fertigen Chip vereinigt. Das erspart eigene Arbeit bei der Schaltungsauslegung und -optimierung, und liefert ein qualitatives Ergebnis, das auch bei eigener Schaltungsentwicklung nur schwer zu toppen ist. Zudem sind so aufgebaute Verstärker in der Regel robuster und zuverlässiger als viele "Eigenkonstruktionen".

Auch die nötige Meßtechnik für eine Erfolgskontrolle und Optimierung steht mittlerweile breit zur Verfügung. Für Firmen ist das ohnehin kein Problem, aber selbst Privatleute haben heute Möglichkeiten, die vor relativ kurzer Zeit noch eine Menge Geld gekostet hätten. Es fehlt lediglich manchmal an der Bereitschaft, sich eine gute Beherrschung der Grundlagen anzueignen, damit sinnvolle Messungen dabei heraus kommen.

d) Welche Technik wird jeweils angewendet?

Bei gängigen Verstärkern in Massenproduktion dominiert der Transistorverstärker in Klasse AB (Bipolar oder MOSFET), aber die Klasse D Verstärker holen auf.  Das liegt weniger an der Klangqualität, als an wirtschaftlichen Überlegungen. Ein Klasse D Verstärker erzeugt weniger Abwärme und braucht daher weniger Aufwand zur Kühlung. Diese Einsparung rechtfertigt einen etwas größeren Komplexitätsgrad bei der eigentlichen Schaltung, weil unter dem Strich immer noch eine Kostenerparnis steht, vor allem wenn dadurch das ganze Gerät kleiner werden kann.

Mit beiden Prinzipien kann man neutrale Verstärker bauen, die Entwicklung ist bei Klasse D aber schwieriger, vor allem weil es mehr Probleme mit der Gegenkopplung, und mit HF-Störungen gibt. Das haben nicht alle Hersteller gleich gut im Griff.

Die Klasse-AB ist demgegenüber besser beherrscht und problemloser zu bauen, was nicht bedeutet daß dort keine Fehler passieren.

e) Inwieweit können Bauteiletoleranzen zu Unterschieden in den unterschiedlichen Schalleigenschaften führen?

Das betrifft vor allem Bauteile außerhalb der Gegenkopplungs-Schleife. Die Gegenkopplung bewirkt eine Korrektur der Fehler, die irgendwelche Bauteile innterhalb der Schleife machen. Das bedeutet, daß ohne Gegenkopplung praktisch jedes Bauelement im Signalweg einen Einfluß haben kann, mit Gegenkopplung sind es nur wenige Bauteile. Da die Gegenkopplung nicht unendlich stark wirkt, ist das natürlich bloß eine Annäherung, aber sie beschreibt die Situation in erster Näherung gut genug.

f) Welche Techniken gibt es, die Folgen zu nivellieren?

1. Gegenkopplung
2. Gegenkopplung
3. Gegenkopplung

Spaß beiseite: Typischerweise sind die passiven Bauteile (Widerstände, Kondensatoren, etc.) in Sachen Toleranz wesentlich besser als Transistoren, Dioden, Röhren und dergleichen. Wenn man nicht speziell selektiert, dann können z.B. Transistoren des gleichen Typs schon mal um den Faktor 2 bei der Stromverstärkung differieren. Widerstände haben dagegen heute oft eine Toleranz von 1% ohne Aufpreis. Dazu kommen Temperaturabhängigkeiten, und speziell bei Röhren auch Alterungseffekte.

Man muß sich also als Schaltungsentwickler überlegen, wie man die Schaltung so auslegt, daß sich diese Toleranzen nicht negativ auswirken können. Man könnte sich zwar auf eine Selektion der Bauteile verlegen, aber was macht man mit dem Ausschuß? Zudem ist dadurch noch kein Temperatureffekt kompensiert.

Die in der Praxis wesentlich wirkungsvollere Methode baut auf die Gegenkopplung, denn die korrigiert den Effekt der Toleranzen zusammen mit den anderen Fehlern gleich mit. Es kommt dazu, daß man die Lösung quasi in die Schaltung hinein designen kann, und sich so das Selektieren und Justieren einzelner Bauteile und Geräte bei der Fertigung komplett spart, was einen gewaltigen finanziellen Nutzen haben kann.

4.Psychische / Psychoakustische / sensorisch perzeptive Grundlagen?

a) Warum / unter welchen Bedingungen kann man Unterschiede zwischen Verstärkern hören, obwohl sie messtechnisch nicht erfasst oder nicht oberhalb der bekannten Hörschwellen eingeordnet werden können? 

Zuerst stellt sich die Frage, ob gewährleistet ist daß die Unterschiede tatsächlich vorhanden sind, und nicht etwa ein Wahrnehmungsirrtum vorliegt. Etwas, das nicht vorhanden ist, kann man selbstverständlich auch nicht meßtechnisch erfassen. Jeder Versuch gliche einer Suche nach einem Phantom.

Dann stellt sich die Frage, ob man das Richtige gemessen hat, oder bei der Messung etwas übersehen hat. Das kann auch ein Unterschied zwischen der Meßsituation und der Hörsituation sein. Oben war z.B. schon mal von Störeffekten die Rede. Wenn ein störender Einfluß auf dem Meßtisch nicht vorhanden war, am Hörplatz aber schon, dann drückt die Messung nicht die Situation am Hörplatz aus, und der gehörte Unterschied hat eine nachvollziehbare Erklärung. Es könnte also nötig werden, daß man die Messung durchführt, ohne das Setup zu verändern, das zum Hören benutzt wurde.

b) Wie muss ein Hörtest aussehen, wenn ich herausfinden will, ob evtl. von mir wahrgenommene Klangunterschiede den technischen Eigenschaften des Verstärkers zuzuordnen sind?

Es muß dafür gesorgt werden, daß Fremdeinflüsse, die mit dem Verstärker nichts zu tun haben, das Ergebnis des Hörtests nicht verfälschen können, denn sonst könnte man nicht mehr mit ausreichender Sicherheit sagen, worin die Ursache der gehörten Unterschiede liegt, speziell ob es am Verstärker liegt oder nicht.

Generell kann man nur solche Fremdeinflüsse ausschließen, mit denen man rechnet. Die Möglichkeit bleibt damit immer bestehen, daß man etwas übersehen hat, was das Testergebnis unbrauchbar macht.

Das macht zum einen Gewissenhaftigkeit nötig, und Umsichtigkeit. Dem kann man auf die Sprünge helfen, indem man sich mit der Methodik solcher Tests beschäftigt, also nicht dem Irrtum verfällt, man sei mit genug Wissen über solche Hörtests schon auf die Welt gekommen, und brauche sich nur vor die Anlage zu setzen und die Ohren aufzusperren. Über Hörtests ist schon viel geforscht und geschrieben worden, und die Vorstellung davon, wie so etwas aussieht, hat oft genug sehr wenig mit der Realität zu tun. Wer es wirklich ernst meint, der kann sich mit Büchern wie z.B. Bech/Zacharov "Perceptual Audio Evaluation" einen Überblick verschaffen (Englischkenntnisse vorausgesetzt). So viel Hingabe wird aber vermutlich kaum jemand aufbringen.

Zum anderen macht das die Bereitschaft nötig, ein Testergebnis auch mal aufzugeben, wenn genügend starke Hinweise auftauchen, daß es Fremdeinflüsse gegeben haben kann, die das Ergebnis invalidieren. Das fällt angesichts des manchmal getriebenen Aufwandes auch nicht ganz leicht.

Angesichts dessen wird man sich vorher überlegen, wie genau man's eigentlich wissen will, wozu man es wissen will, und ob das den Aufwand rechtfertigt. Und man tut gut daran, die zu klärende Frage etwas konkreter zu formulieren, und sich zu überlegen welches Ergebnis die Frage mit ausreichender Sicherheit beantworten würde. Wo also die Latte zu liegen hat. Daran bemißt sich das Vorgehen beim Test, und daran sollte man auch festhalten, wenn man den Test nicht ad absurdum führen will.

Bei den auszuschließenden Fremdeinflüssen stehen ganz vorne die bewußten und unbewußten Voreinstellungen des Hörers gegenüber den zu testenden Geräten. Es gibt Leute, die glauben sie könnten sich davon frei machen, und neutral hören und entscheiden, obwohl sie wissen, welches Gerät sie gerade hören. Ich würde mir das noch nicht einmal selbst abkaufen, und einem Dritten schon gar nicht. Wer glaubt, das im Griff zu haben, macht sich etwas vor, das wurde auch immer wieder wissenschaftlich bestätigt.

Es mag sein, daß man für einen privaten Test diese Möglichkeit in Kauf nimmt, denn das Mittel dagegen ist mit einem gewissen Aufwand verbunden: Der Blindtest. Das hat nichts mit dem Schließen der Augen zu tun, sondern drückt im übertragenen Sinn aus, daß man als Hörer keine Information darüber hat, welchem Gerät man gerade zuhört, egal über welchen Weg man diese Information auch aufnehmen könnte. Es reicht schon wenn man an einem verräterischen Umschaltgeräusch erkennen kann, welches Gerät nun aktiv ist. Man will schließlich nicht wissen, ob man Umschaltgeräusche zuordnen kann, sondern es geht um den Klang der Audiosignale, die den Verstärker durchlaufen.

Den Test in dieser Hinsicht zu "verblinden" erfordert daher mehr als ein Tuch vor den Augen. Meist braucht es noch eine weitere Person als Handlanger, um nach einem zufälligen, dem Hörer nicht bekannten Plan zwischen den Verstärkern zu wechseln, und dabei alles zu vermeiden was einen Hinweis geben könnte. Es braucht auch eine Planung, wie viele Durchläufe man machen muß, und wieviele davon korrekt zugeordnet sein müssen, um mit ausreichender Sicherheit ein Zufallsergebnis auszuschließen. Das ist für sich gesehen schon schwieriger als man denkt, wenn man sich nicht in der Wahrscheinlichkeitsrechnung auskennt.

Wenn man aber auch Andere, zumal Skeptiker, überzeugen will, dann kommt man un diesen Aufwand nicht herum. Daß ein empörtes Aufstampfen mit den Worten "Aber ich hör's doch!" niemanden hinter dem Ofen hervor lockt, dafür hat es in der 5-jährigen Geschichte des Threads zahlreiche Beispiele gegeben.

Zur Vermeidung von Fremdeinflüssen gehört bei Verstärkern auch, daß man für Pegelgleichheit sorgt. Ob sich Verstärker unterschiedlich anhören, weil sie unterschiedlich laut sind, interessiert niemanden. Auch die Beteuerung, man könne ja wohl Klangunterschiede von Lautstärkeunterschieden unterscheiden, verfängt nicht. Zum Einen gehört das zu den Dingen, bei denen man sich sehr leicht täuscht; gerade geringe Lautstärkeunterschiede werden oft als Klangunterschied fehlinterpretiert. Zum Anderen macht das die Verblindung zunichte, weil es wieder einen Hinweis gibt, der mit dem Klang nichts zu tun hat.

Aus dem Gesagten ergibt sich auch schon, daß ein Pegelausgleich per Gehör normalerweise nicht reicht. Für eine Gleichheit innerhalb von 0,1 dB (so genau muß es sein um auszuschließen, daß die Pegelunterschiede das Hörergebnis verfälschen) braucht es Meßgeräte. Das kann etwas Einfaches wie ein Handmultimeter sein, wenn es nicht zu schlecht ist und man weiß wie man damit umzugehen hat. Zudem muß die Anlage erlauben, den Pegelausgleich so genau zu machen. Wenn man den Pegel nur in Stufen von 0,5 dB oder gar 1 dB verstellen kann, dann hat man bereits ein Problem.

Außerdem tut man gut daran, wenn man dafür sorgt daß die Umschaltung zwischen den Geräten möglichst zeitnah erfogen kann, und vom Hörenden selbst während des Tests gemacht werden kann (siehe dazu z.B. die ABX-Testmethode). Je länger die Pause dazwischen ist, desto schlechter werden erfahrungsgemäß die Fähigkeiten werden, Unterschiede zu erkennen. Und wer nicht selbst umschaltet, der kann auch Zeitpunkt und Häufigkeit der Umschaltung nicht frei nach eigenem Gusto wählen. Auch das wirkt sich eher negativ als positiv aus. Das bedeutet aber, daß man im Idealfall eine Kiste braucht, mit der man ferngesteuert vom Hörplatz aus umschalten kann, und die trotzdem die Verblindung aufrecht erhält. Das hat man nicht einfach so daheim, und es ist auch nicht in einer halben Stunde zusammengefrickelt. Hat man so etwas nicht zur Verfügung, macht das den Test nicht unmöglich, aber es macht ihn schwieriger. Das gilt es im Blick zu behalten.

Aber nichtsdestotrotz sollte jeder Interessierte im Rahmen seiner Möglichkeiten mal so etwas machen, denn das ist ein Augenöffner. Diejenigen, die so etwas schon gemacht haben, teilen sich danach auf in eine Fraktion, die ihre eigenen Ansichten grundsätzlich auf den Prüfstand stellt, und eine andere Fraktion, die Gründe dafür sucht, wie sie das Ergebnis für sich für irrelevant oder ungültig hinstellen können.



So weit die von DamonDiG präsentierte Fragenliste. Die kann auch erweitert werden, dann füge ich das hier dazu, so weit Zeit, Lust und Einsicht bei mir reichen. Kommentare können diesmal auch im Verstärkerklangthread abgegeben werden, als Alternative zum üblichen Thread.