Donnerstag, 15. Mai 2014

Netzwerkisolatoren

Erinnert Ihr Euch noch an meinen Artikel aus dem Jahr 2011 über Netzwerkkabel? Mir scheint da ist inzwischen eine neue Voodoo-Industrie draus erwachsen. Es werden inzwischen Netzwerk-Isolatoren als audiophiles Zubehör verkauft, die genau das machen was man auch mit einem ungeschirmten Netzwerkkabel haben könnte.

Beispiel GISO, eine "Entwicklung" von Acousence-Chef-Bullshitter Ralf Koschnicke. Ich habe keine Innenaufnahmen gefunden, aber jede Wette daß da nichts drin ist außer ein handelsüblicher Ethernet-Übertrager für zwei Euro, wie man ihn in allen Ethernet-Geräten sowieso findet, weil das nämlich Pflicht ist? Nur daß das in der audiophilen Form eines extra Kästchens natürlich auch einen audiophilen Preis kosten muß - hier um die 250 Euro.

Aber selbst der Übertrager wäre überflüssig, denn er trennt nur zum dritten mal galvanisch, was in  beiden angeschlossenen Geräten ohnehin schon jeweils einmal getrennt wurde. Wie in meinem oben erwähnten alten Artikel schon geschrieben, ist der springende Punkt die Auftrennung der Masseverbindung, also derjenigen Verbindung, die durch die Schirmung geht, und nicht durch die Signalleiter. Diese Masseverbindung ist bei geschirmten Patchkabeln gegeben, und bei ungeschirmten eben nicht. Es würde also für die angestrebte Wirkung reichen, wenn man ein ungeschirmtes Netzwerkkabel zwischen Switch und Endgerät nimmt, also genau das was ich damals schon empfohlen habe.

Aber es ist ja offensichtlich, daß eine derart einfache Lösung nicht audiophil sein kann, denn audiophil erfordert bekanntlich, daß man viel Geld in sinnloses Zubehör investiert, sich dann online darüber was zusammenschwurbelt, und schließlich den audiophilen Orgasmus über verständnisbefreite technische Diskussionen mit dem "Erfinder" herbeiführt: "Danke, Ralf, das ist wieder so ein kleines nettes Mosaiksteinchen, das in unserem Hobby Spaß macht."

Übrigens: Daß es für die Medizintechnik (und manche Anwendungen in der Industrie) Netzwerkisolatoren zu kaufen gibt, ist weder ein Gegenargument gegen meine Ansichten, noch Voodoo in der Medizin. In der Medizin gelten schlicht schärfere Vorschriften für die galvanische Trennung, insbesondere höhere Prüfspannungen, die nicht von den normalen Ethernet-Übertragern erfüllt werden. In der HiFi-Technik sollten aber die 500V, die jeder normale Ethernet-Übertrager schafft, mehr als genug sein.

Audionet hat sich desselben "Problems" gewidmet, und bietet ("optional", wie man hier lesen kann) eine galvanisch getrennte Version ihres Ethernet-Kabels an. Man kann vermuten, daß man da unter dem "runden Zylinder" einfach die Schirmung aufgetrennt hat. Ich weiß nicht welchen Preis sie dafür aufrufen.

Falls nun jemand einwendet, die ungeschirmten Kabel würden zu viel Störung abstrahlen:
  1. Die Störungen sind bloß in unmittelbarer Nähe des Kabels deutlich größer. Schon bei 10 cm Distanz zum Kabel mittelt sich das aber wegen der symmetrischen Datenübertragung, und dem bei Ethernet benutzten Daten-Scrambling, so weit aus daß kaum mehr was zu messen ist. Schirmung ist bloß wichtig, wenn in einem Kabelkanal ganze Bündel von Kabeln beieinander liegen, über größere Entfernungen hinweg. Die einzelne freiliegende Patchleitung vom Switch zum Endgerät ist harmlos und kann ohne Probleme ungeschirmt sein.
  2. Wer aus Gewissensgründen unbedingt Schirmung haben will, der kann die Auftrennung der Schirmverbindung auch über eine handelsübliche, billige, ungeschirmte Doppelkupplung machen, oder noch billiger indem man die Blechschirmung an einem Stecker des Patchkabels mit Tesafilm abklebt.
Vielleicht sollte ich ja eine "Pelmazo-Kasse" einrichten, in die jeder "Nicht-Audiophile", der sich durch meine Hinweise eine unsinnige Investition erspart hat, nur 10% der Summe einzahlt, die er sonst verplempert hätte...

Mittwoch, 7. Mai 2014

Trollkrieg

Wer seit vielen Wochen die Kommentarbereiche der Online-Zeitungen liest, und zwar was da zum Thema Ukraine so kommentiert wird, der kann sich kaum des Eindruck erwehren, daß da eine ganze Armee von Trollen prorussischen Dünnpfiff posten, anscheinend mit dem Ziel, jeden Ansatz vernünftiger Diskussion unter einer Flut von stereotyper Propaganda zu begraben. Man fragt sich, ob es wirklich so viele Leute gibt, die das freiwillig und aus bloßem Mitteilungsbedürfnis tun, oder ob da ein dunkler Plan dahinter steckt.

Jetzt hat sich der britische Guardian in einem Artikel dazu geäußert, und ist sich einigermaßen sicher, daß das eine bezahlte und vom Kreml orchestrierte Kampagne ist. Es liegt in der Natur der Sache, daß so etwas schwer zu beweisen ist, aber die Indizien wiegen schwer, und die Sache ist offenbar auch nicht erst im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise aufgekommen. Es ist auch nicht überraschend, daß so etwas passiert. Regierungen haben ja schon lange versucht, Einfluß und Kontrolle über die Medien auszuüben, und je totalitärer die Machthaber sind, desto enger werden die Spielräume für die Medien und für die freie Meinungsäußerung. Bloß hat das bis vor relativ wenigen Jahren hauptsächlich die Zeitungen und die Radio- und Fernsehsender betroffen. Das passiert auch nach wie vor, wie man z.B. eben in der Ukraine und in Russland sehen kann. Wer in der Ostukraine gerade am Hebel sitzt, sorgt auch sofort dafür, daß die lokalen Medien nur noch in seinem Sinn senden. Die Propaganda in den Medien ist zentraler Bestandteil des Konflikts, ohne massive Zensur und planmäßige Desinformation ist der ganze Konflikt nicht zu verstehen.

Aber das Internet hat seit ein paar Jahren bewiesen, welche zentrale Rolle es inzwischen bei der Willensbildung und bei der Organisation von Opposition spielt, und die meisten Machthaber dieser Welt haben es begriffen. Was wir eben sehen, ist der Versuch, diesen Teil der Macht zurückzuholen, und zurückzuschlagen, und die Möglichkeiten des Internets für die eigenen Machtinteressen zu nutzen. Weil das Internet global organisiert ist, globalisiert sich damit auch der Informationskrieg, der Machtkämpfe unweigerlich begleitet. Welche Zeitungen in Odessa gelesen werden, und welche Fernsehsender dort gesehen werden, dringt kaum bis zu uns nach Westeuropa durch. Das sind regionale Phänomene. Aber im Internet ist die Welt kleiner, und es ist relativ einfach für eine bezahlte Gruppe von Trollen in St. Petersburg, die Kommentare unter einem Guardian-Artikel zu dominieren.

Ich komme allerdings auch nicht um die Erkenntnis herum, daß diese organisierten Troll-Aktionen ziemlich dümmlich daher kommen. Ich kann nicht wirklich erkennen, daß sie die öffentliche Meinung signifikant beeinflussen. Was mich aber schon nachdenklich macht ist, daß wir hier wohl noch am Anfang einer Entwicklung stehen, in deren Verlauf sich diese "Trolle" stark professionalisieren werden, und damit zugleich wirkungsvoller und weniger auffällig werden.

Wenn man mal gedanklich einen Schritt zurück geht, und den Blick nicht auf die Ukraine-Krise allein richtet, sondern auf den herrschaftlichen Umgang mit dem Internet allgemein in der Welt, dann kann man durchaus Unterschiede feststellen. Die plumpen Eingriffe in die Freiheit des Internets sind immer noch die in der Öffentlichkeit besser bekannten. Wenn z.B. in der Türkei der Premier Erdogan ein soziales Netzwerk sperren läßt, weil dort seine Gegner kommunizieren, und Stunden später haben die meisten Netzbenutzer herausgefunden, wie man die Sperre umgeht, dann kann man darüber mit Recht schmunzeln ob seiner Unbeholfenheit. Von solchen Leuten droht dem Internet nicht wirklich eine Gefahr. Im Gegenteil, Erdogan erreicht damit das Gegenteil dessen was er will.

Andere Länder sind da weiter und auch konsequenter. Es wäre auch naïv, zu glauben es ginge hier lediglich um demokratiefeindliche Regierungen "im Osten". Im Februar ging angesichts der dramatischen Entwicklung in der Ukraine eine andere Nachricht fast unter, die zum Themenkomplex "NSA-Affäre" gehört. Es lohnt sich aber, das im Zusammenhang bzw. im Vergleich zu sehen.

Glen Greenwald berichtet da über ein Dokument aus dem Snowden-Fundus, das vorstellt, mit welchen Mitteln der britische Geheimdienst GCHQ arbeitet, um Gegner zu bekämpfen. Es wird deutlich, daß es dabei nicht so sehr um Terroristen geht, wie man in der Öffentlichkeit gern glauben macht, sondern um Gruppierungen, die sich online finden und koordinieren, und um die Meinungsbildung und Diskussionskultur im Internet generell. Man muß da eher an Protestbewegungen denken, wie z.B. Anonymous, die Occupy-Bewegung, Greenpeace, etc., also durchaus auch völlig legale und demokratisch motivierte Gruppierungen.

Es geht da ganz konkret darum, daß der GCHQ Hunderte von Leuten in Techniken trainiert, mit deren Hilfe sie Online-Diskussionen manipulieren, steuern und torpedieren können, um damit auf die Meinungsbildung Einfluß auszuüben. Das Täuschen, Verwirren, Verbergen und Verzerren gehört da als Mittel ausdrücklich dazu. Methoden, die früher einmal zum Repertoire der Geheimdienste gegen das gegnerische Militär und gegnerische Politiker und Dienste gehörten, werden nun gegen das allgemeine Volk eingesetzt.

Die Tatsache, daß hier ein professionelles Training erfolgt, läßt erwarten, daß sich diese Leute wesentlich intelligenter und effektiver, und zugleich unauffälliger, verhalten werden, als es die Troll-Horde aus Russland im Moment tut, von der man den Eindruck hat, daß da kaum Training betrieben wurde. Das wird nicht so bleiben. Die Russen werden schnell dazu lernen.

Wenn allein schon die Briten inzwischen über 1000 Leute dieser Sorte beschäftigen dürften, dann kann man sich ausrechnen, daß andere Geheimdienste ähnliche Maßnahmen am Laufen haben, so daß man leicht auf Zigtausende oder vielleicht sogar über Hunderttausend professionelle Polit-Trolle im Internet kommen kann, deren Aufgabe es ist, Diskussionen im Internet zu beeinflussen, und dafür zu sorgen daß man sich dort nicht mehr halbwegs neutral eine Meinung bilden kann. Das Training dieser Leute basiert offenbar auf der Prämisse, daß alles erlaubt ist, was dem angestrebten Ziel dient, Rufmord und das Ruinieren von Firmen ausdrücklich eingeschlossen. Das wird noch dadurch erleichtert, daß man als Geheimdienstmitarbeiter keinerlei Strafverfolgung befürchten muß, ganz egal was man tut. Das GCHQ-Dokument, auf das sich Greenwald bezieht, spricht diesbezüglich eine klare Sprache, und zeigt daß man bereit ist, alle technischen und psychologischen Erkenntnisse, deren man habhaft werden kann, für die eigenen Zwecke einzusetzen, ohne daß anscheinend auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht würde, ob das "verhältnismäßig" ist, oder ethisch vertretbar.

Die Ukraine-Krise zeigt, wie manipulierbar Leute sind, wenn sie einem Informationsmonopol ausgesetzt sind. Die westukrainischen und generell "westlichen" Medien mögen auch nicht über aller Kritik stehen, aber was man über die Desinformation in den pro-russischen Medien in der Ost-Ukraine, und in den russischen Medien in Russland, so erfährt, ist derart krass, daß man sich hierzulande schwer tut, zu verstehen, wie jemand so etwas ernst nehmen kann. Und doch scheinen sehr viele Leute daran zu glauben. Wenn ein gut geschmierter Propagandaapparat über Wochen und Monate hinweg behauptet, die ukrainische Interims-Regierung seien Nazis und Faschisten, dann wird das für viele Leute offensichtlich zur Wahrheit.

Wir müssen wohl oder übel lernen, aus der Propaganda-Kakophonie aller Seiten in solchen Konflikten das herauszudestillieren, was der Wahrheit wenigstens nahe kommt. Wenn uns das nicht gelingt, dann funktioniert man uns zu Helfershelfern in dieser Propagandaschlacht um.

Regelmäßige Leser dieses Blogs werden sich an die Kakophonie erinnern, die vor einigen Jahren hier in den Kommentaren ablief, wo ebenfalls mit allen Mitteln eine vernünftige Diskussion torpediert werden sollte. Das war lediglich persönlichen Befindlichkeiten geschuldet, ich gehe nicht davon aus daß da Geheimdienste im Spiel waren. Zudem waren wohl die meisten Diskussionsteilnehmer psychologische Laien. Höchst nervig und stressig war's trotzdem. Was uns da im politischen Bereich droht ist aber noch wesentlich übler. Da werden wir's zunehmend mit Profis zu tun kriegen. Nicht nur wenn's um Krieg geht, sondern immer dann wenn staatliche Interessen betroffen sind. Auch bei uns im Westen, wie das Beispiel GCHQ zeigt. Was zugleich heißt, daß uns der Staat nicht schützen wird. Wir werden unsere Freiheit schon selbst verteidigen müssen.