Donnerstag, 30. Dezember 2010

Unsinnige Lösung eines nicht vorhandenen Problems

Wir kennen ja alle die audiophile Lust, sich in ein vorgestelltes technisches Problem hinein zu steigern, und zu dessen Lösung dann nur noch völlig abstruse technische Maßnahmen zu akzeptieren, die ohne Rücksicht auf praktische Aspekte den Eindruck erweckt, das Problem kompromißlos aus der Welt zu schaffen.

Früher hatte man dafür die Class-A Verstärker. Das vorgebliche Problem sind die Übernahmeverzerrungen bei Class-B, und die kompromißlose Lösung ist der völlige Verzicht auf Class-B. Daß dabei ein Vielfaches an Stromverbrauch und Wärmeentwicklung heraus kommt, was letztlich auch wesentlich mehr kostet, macht gerade den Charme der Kompromißlosigkeit aus. Gerade weil die Lösung in Form von Class-A so unwirtschaftlich ist muß es die richtige Lösung sein, alles andere wäre für Warmduscher.

Ob das vorgestellte Problem tatsächlich vorhanden ist entzieht sich der Kenntnis des Audiophilen. Es ist auch gar nicht wichtig, denn ein eingebildetes Problem ist genauso gut wie ein reales, schließlich kommt es ganz auf die Empfindung an. Wer einmal bei seinem Verstärker weiß daß er im Class-B Betrieb arbeitet, der empfindet beim Gedanken an die Übernahmeverzerrungen einen gewissen Mangel an Feinzeichnung und eine eingeschränkte Räumlichkeit. Die üblichen Symptome eines vorgestellten Problems eben.

Seit es digitale Audiotechnik gibt, gibt es ganz neue Möglichkeiten für vorgestellte Probleme. Besonders verdienstvoll bei der Erzeugung audiophiler Problem-Wollust ist der Jitter. Über den habe ich hier schon Einiges geschrieben, ich will das hier nicht wiederholen. Mir geht's um eine ganz bestimmte "Lösung", die man seit 15 Jahren in der einen oder anderen Form versucht den Audiphilen als kompromißlose High-End-Technik zu verkaufen, obwohl sie genauso billig wie unsinnig ist.

Ich meine die diversen Varianten der sogenannten I²S-Schnittstelle zwischen einem CD-Laufwerk und einem meist darauf abgestimmten D/A-Wandler.

Der Ursprung der Überlegungen kommt daher, daß die SPDIF-Schnittstelle, die man eigentlich für so eine Verbindung erfunden hat, anfällig ist für ein Phänomen das man als datenabhängigen Jitter bezeichnen kann. Anfang der 90er-Jahre war das ein großes Thema, und es gab Leute die deswegen der SPDIF-Schnittstelle ein prinzipielles Problem unterstellt haben.

Datenabhängiger Jitter kommt davon daß man die Daten und den Abtasttakt bei der SPDIF-Schnittstelle in ein einziges Signal kombiniert, damit man es auch über eine einzige Leitung übertragen kann. Die Verkabelung wird dadurch genauso einfach wie die für Videosignale, und man hat mit Absicht auch den gleichen Kabeltyp gewählt wie für Video, nämlich 75 Ohm Koaxleitungen.

Wenn man die Taktinformation aus den gleichen Zustandsänderungen des Signals extrahiert wie die Daten, dann führen ungleiche Flankensteilheiten und wandernde Schaltschwellen in der Tat dazu daß die Daten auf den Takt einen Einfluß haben, daß also die Daten den Takt in einem gewissen Ausmaß modulieren. Das Resultat ist eben der datenabhängige Jitter. Das Phänomen als solches ist also real. Ein Problem ist es aber noch lange nicht.

Es ist aber Anlaß genug für audiophile Besorgnis, und es würde einem Audiophilen etwas lahm erscheinen wenn man nicht eine Lösung anstreben würde die das Problem mit Stumpf und Stiel ausrottet, koste es was es wolle. Auftritt: Die I²S-Schnittstelle.

Die I²S-Schnittstelle wurde in den 80er-Jahren von Philips erfunden um innerhalb eines Gerätes einen D/A-Wandler mit dem Chip zu verbinden, der in einem CD-Spieler die Digitaldaten verarbeitet. Da es um Verbindungen innerhalb eines Gerätes ging machte man keine Anstrengungen, Leitungen zu sparen. Takt und Daten wurden getrennt geführt, ja es gibt sogar zwei getrennte Takte, einen für die Samples und einen für die Bits innerhalb eines Samples. Oft kommt sogar noch ein dritter Takt für den Betrieb des D/A-Wandlers hinzu, wenn der aufgrund seiner Funktionsweise eine noch höhere Taktfrequenz braucht. Die Trennung zwischen Takt und Datenleitungen macht diese Schnittstelle aber unempfindlich gegenüber datenabhängigem Jitter, und das hat in der Folge der Diskussion in den 90ern um die SPDIF-Schnittstelle einige High-End-Firmen dazu gebracht, zu überlegen wie man diese I²S-Schnittstelle auch für die Verbindung zwischen zwei Geräten einsetzen könnte, speziell zwischen CD-Laufwerk und D/A-Wandler.

Die Diskussion darüber ist also inzwischen bald 20 Jahre alt, und die Versuche rund um die I²S-Schnittstelle dauern in der einen oder anderen Form bis heute an, bloß daß immer wieder neue Spielarten, Steckverbinder und Kabeltypen dafür benutzt werden. Noch in den 90ern gab es Versionen von Audio Alchemy mit einem DIN-Stecker, und von Ultra Analog mit einem speziellen Stecker der für Computerbildschirme gedacht war. Es gab bzw. gibt auch Varianten mit mehreren getrennten BNC-Leitungen, und in jüngerer Zeit mit CAT-5 Kabeln und RJ45-Steckern (das Zeug was man von Computernetzwerken kennt), oder mit HDMI-Kabeln.

In allen diesen Fällen wird bloß das Steckerformat und der Kabeltyp zweckentfremdet, irgendeine Kompatibilität zu anderen Verbindungen besteht nicht. Es ist also schon deswegen eine blödsinnige Idee weil keine Einigkeit bezüglich der Steckverbindungen besteht, aber das kann man ja noch als von den Herstellern erwünscht verstehen, schließlich kann man dadurch Kunden an sich binden die auf den Trick hereingefallen sind. Es gibt aber noch eine Reihe von weiteren Argumenten warum es eine schwachsinnige Idee ist, bloß scheint sich das auch nach mehr als einem Dutzend Jahren noch nicht ganz herumgesprochen zu haben, denn die Technik ist noch immer nicht ausgestorben.
  1. Das Problem des datenabhängigen Jitters kann man auch einfacher lösen, ohne die SPDIF-Schnittstelle aufzugeben. Das Problem resultiert daraus daß Takt und Daten gleichzeitig in das Signal moduliert werden. Wenn man es zeitlich trennt kann man eine einzige Leitung beibehalten und trotzdem das Problem vermeiden. Wenn man sich das SPDIF-Datenformat genauer ansieht stellt man fest daß das bereits der Fall ist. Die Taktinformation, genauer der Wordclock, steckt in den sogenannten Präambeln, und die sind unabhängig von den Daten immer gleich. Neuere SPDIF-Empfänger rekonstruieren den Takt daher bloß aus den Präambeln, und ignorieren die Daten bei der Taktrekonstruktion. Der riesengroße Vorteil liegt darin daß nur der Empfänger geändert werden muß, das Datenformat selbst und damit der Sender ist bereits passend. An der SPDIF-Definition muß kein Jota geändert werden. SPDIF-Empfänger-Chips berücksichtigen das seit mindestens zehn Jahren, eigentlich müßte sich das Problem damit erledigt haben.

    Interessanterweise ist das die gleiche Situation wie bei den TV-Signalen. Dort werden auch Taktinformation und Daten über das gleiche Signal übertragen, und zwar schon seit Jahrzehnten vor der digitalen Audiotechnik. Der Takt ist für die Bildsynchronisation da, und die Daten für den Bildinhalt. Würde es zu Jitter kommen dann würde das Bild verwaschen werden oder in seiner Position vibrieren. Man mußte also schon damals eine Lösung dafür finden, und man hat genau das Gleiche gemacht: Man hat den Dateninhalt und die Synchronisationsinformation im Signal zeitlich getrennt; sie wechseln sich auf der Leitung ab. So kann das Eine das Andere nicht über Gebühr beeinflussen. Es ist nicht 100%ig, aber nichts ist 100%ig.

  2. Es gibt keinen guten Grund warum bei einer Verbindung von CD-Laufwerk und D/A-Wandler der Takt in die gleiche Richtung gehen müßte wie die Daten. Die bessere Lösung ist ohnehin wenn der Takterzeuger beim D/A-Wandler sitzt, und das Laufwerk darauf synchronisiert wird. In so einer Anordnung ist der Jitter auf dem Übertragungsweg praktisch egal; der Wandlertakt ist von dem Übertragungsweg unabhängig, schließlich wird er lokal erzeugt. Was man dafür braucht ist ein fremdsynchronisierbares CD-Laufwerk, also eines das einen Wordclock-Eingang hat. Der D/A-Wandler schickt dem Laufwerk seinen Wordclock, und das Laufwerk schickt dazu synchron seine Daten an den Wandler. Das sind zwar zwei getrennte Signale, aber man kann für die Datenverbindung beim SPDIF-Format bleiben, und damit kompatibel bleiben, und ein fremdsynchronisierbares CD-Laufwerk ist ein ohnehin wünschenswertes Feature, denn in größeren Anlagen (gerade auch im professionellen Bereich) sollten alle Geräte auf einen gemeinsamen Takt synchronisierbar sein.

    Beide Signale, der Wordclock und das SPDIF-Datensignal, sind quasi standardisiert, und man braucht keine neuen Schnittstellen zu erfinden. Zudem ist der Jitter in so einem Szenario nur noch ein lokales Problem innerhalb des D/A-Wandlers, und unterliegt keinem Einfluß aus dem SPDIF-Signal mehr. Das heißt daß diese Situation sogar noch besser ist (was den Jitter betrifft) als die I²S-Schnittstelle über welches Kabel auch immer.

  3. Man kann den Jitter auch durch eine zweistufige PLL eliminieren. Diese Technik ist mindestens ebenso alt wie das Problem selbst. Die SPDIF-Empfängechips haben eine eigene PLL mit dem sie den Takt aus dem Signal rekonstruieren, aber diese PLL ist für korrekte Datenextraktion optimiert und nicht unbedingt für jitterarmes Antreiben eines D/A-Wandlers. Um einen D/A-Wandler mit einem guten jitterarmen Takt zu versorgen kann es sein daß man eine weitere PLL braucht. Das war vielleicht mal eine konstruktive Herausforderung als die Sache neu war, aber inzwischen gibt's einfach einsetzbare Chips die dieses Problem für wenige Dollar erschlagen.

    Selbst ohne eine Wordclock-Leitung vom D/A-Wandler zum Laufwerk kann man das Jitterproblem also ohne große Probleme im Griff behalten, wenn man eine zweite PLL einsetzt.

  4. Eine weitere Alternative besteht in der Verwendung eines Abtastratenwandlers im D/A-Wandler. Dafür gibt's ebenfalls seit Jahren brauchbare Chips die ihrerseits den Jitter gut unterdrücken können. Statt einer zweiten PLL kann man auch auf diese Strategie setzen.

    Ein Abtastratenwandler im Laufwerk hat demgegenüber keinen Sinn, es sei denn er wäre fremdsynchronisierbar. Eine andere Abtastrate ändert am Jitter nämlich erstmal nichts.
Wenn es für den I²S-Trick überhaupt ein Argument gibt, dann ist es die konstruktive Einfachheit. Außer einem Leitungstreiber braucht man nämlich dafür gar nichts, man kann sogar auf die SPDIF-Sender und Empfänger verzichten. Es wäre damit eigentlich etwas für eine absolute Billiglösung bei der man den letzten Cent einsparen muß, außer daß heutzutage die Chips so billig sind daß man besser an den Steckern sparen kann als an der Elektronik. Stattdessen verkauft man das als eine High-End-Lösung, was recht eigentlich absurd ist.

Aber das ist High-End, nicht wahr: Wenn man die einfachste Lösung trotz ihrer Mängel als das Nonplusultra verkauft, das ein Problem löst welches gar nicht wirklich existiert, was aber trotzdem die Phantasie der Ahnungslosen beflügelt und ihre Geldbörsen öffnet.


Kommentare bitte im üblichen Thread.


(Nachtrag: Links hinzugefügt.)

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Unerwünschte Apostaten

Es gibt ja eine Menge von ehemaligen Audiophilen, die irgendwann gemerkt haben welche verlogene und selbstbezogene Szene das ist, und wie wenig deren Glaubenssätze mit der Realität zu tun haben. Ich habe bloß den Eindruck das da die Dunkelziffer ziemlich groß ist. Ich denke ich habe auch eine Erklärung dafür.

Wenn jemand von seinem Glauben abfällt und sich davon distanziert dann nennt man das Apostasie. Öffentliche Apostasie ist schon immer recht selten gewesen, denn man gibt dabei ja öffentlich zu daß man vorher völlig falsch gelegen hat. Schon dafür braucht es, wenn es um wichtige Dinge und nicht bloß eine Lappalie geht, ziemlich viel Charakter und Selbstsicherheit. In solchen wichtigen Dingen, die auch eine Bedeutung für die gesellschaftliche Umgebung haben, kommt aber oft noch ein ziemliches Ausmaß an sozialem Druck dazu. Dem muß man erst einmal zu trotzen wagen, zumal man ja wegen seines eingestandenen Irrtums recht verwundbar ist. Wer immer "recht" hatte und auf Kurs bleibt hat erst einmal die besseren Karten.

Bei den Religionen war das schon immer so, und man hat haufenweise Anschauungsmaterial wie das funktioniert. Die meisten Leute nehmen eher innerlich Abschied davon und hängen's nicht an die große Glocke, anstatt sich offen als Abtrünniger zu outen, und dabei Gefahr zu laufen, einen Teil seines sozialen Umfelds vor den Kopf zu stoßen. Es ist dabei immer mehr im Spiel als einfach eine prersönliche Ansicht oder Meinung. Und wenn man es selbst schon als eine bloße Meinungssache ansieht, so sorgt die Umgebung oftmals dafür daß der Einsatz höher wird.

Was die Religion angeht haben wir uns in Europa durch Humanismus und Aufklärung ein Ausmaß an Freiheit erobert das die Apostasie ohne sozialen Selbstmord ermöglicht. Das ist beileibe nicht selbstverständlich, auch heute noch nicht, und auch im christlichen Teil der Welt nicht. In anderen Teilen der Welt kann einem die Apostasie noch immer den Tod einbringen. Den realen, nicht bloß den sozialen.

Das ist natürlich weit entfernt von der Situation bei Hifi-Enthusiasten, aber auch da gibt es Apostaten, und ich finde es auffällig wie man mit ihnen umgeht. Ich denke viele Hifi-Apostaten können meine Beobachtungen bestätigen:

Zuerst verhält sich der Audiophile so als hätte er ein Wissen das der Abstreiter erst noch erwerben muß, und er scheint zu glauben daß es bloß die richtige Hörerfahrung mit einer anständigen Anlage bräuchte, und der Abstreiter wäre gewissermassen "geheilt". Mit anderen Worten, der Abstreiter "ist noch nicht so weit", und der Audiophile ist ihm um ein paar Schritte voraus. Entsprechend gönnerhaft treten manche auf, zählen Höranekdoten mit teuren Anlagen auf in der anscheinenden Hoffnung dem Betreffenden seinen Mangel vor Augen zu führen.

Man kann dann als Abstreiter durchblicken lassen daß man genau diese Phase schon vor zehn oder zwanzig Jahren durchlaufen hat und inzwischen nicht nur die entsprechenden Hörerfahrungen hinter sich hat, sondern auch die audiophile Überzeugung. Daß man eben nicht noch was nachzuholen hätte, sondern im Gegenteil schon ein paar Schritte weiter ist und seinen früheren Fehler begreift.

Aber das hilft nichts. Wer von Euch Abstreitern da draußen hat darauf schon einmal eine vernünftige Reaktion gekriegt? Ich nicht. In aller Regel reagiert man darauf überhaupt nicht. Es wird einfach nicht zur Kenntnis genommen.

Wenn man Glück hat und es kommt überhaupt eine Reaktion, dann kriegt man's mit Spekulationen zu tun daß man eben doch nicht die richtige Anlage gehört hat, oder daß man ein Problem mit dem Gehör hat, oder daß man nicht erlebnisfähig ist, oder dogmatisch verbohrt. Dabei wird völlig übersehen daß der Apostat ja mal selber ein Audiophiler war und darum zumindest mal geglaubt haben muß daß er die richtige Anlage und das passende Gehör hat um das alles zu hören was die Audiophilen hören.

Und genau da liegt auch ganz allgemein das Problem mit den Apostaten. Ein Apostat sagt sich ganz bewußt von etwas los, nicht weil er es nicht kennen würde, sondern im Gegenteil weil er es zu gut kennengelernt hat um noch dran glauben zu können. Dem Ungläubigen kann man mit Milde und Mitleid begegnen, denn er ist eben einfach noch nicht erleuchtet worden. Der Apostat dagegen weiß genau Bescheid, er kennt die inneren Widersprüche ganz genau die man so gern unter den Teppich kehrt. Der Ungläubige ist ein Ansporn, der Apostat ist eine Gefahr.

Aus dieser Sicht wird klar warum Apostaten zumindest unbeliebt sind, und nicht selten angefeindet werden. Ein Apostat demonstriert mit seinem Beispiel, daß es ein "Leben nach dem Glauben" gibt, daß man darüber hinweg kommen kann und der Glaube nicht etwa das Ende der Fahnenstange ist, sondern ein Phase die man hinter sich lassen kann und dann auch kein Bedürfnis mehr danach verspürt, dahin zurück zu kommen. Einsicht ist eine Einbahnstrasse. Man kann sie nicht rückgängig machen.

Es gibt höchstens faustische Zweifel an der gewonnenen Einsicht, manche Leute sehnen sich in die selige Einfalt zurück. Aber auch Faust hätte das nicht getan selbst wenn er gekonnt hätte.


Kommentare im üblichen Thread.

Freitag, 10. Dezember 2010

Fraktale Realität

Fraktale sind sich selbst ähnlich, die Strukturen im Kleinen sehen genauso aus wie die im Großen. Die Bilder hat wohl noch Jeder vor Augen, Apfelmännchen & Co.

Beim Verhalten scheint es auch nicht anders zu sein. Staaten scheinen sich genauso zu verhalten wie ein 16-Jähriger, und 16-Jährige wollen's mit Staaten aufnehmen. Und auf allen Ebenen wird geheuchelt, und man biegt sich seine Wahrheit zurecht, selbst wenn man sich dabei völlig absurd verhalten muß.

Es geht natürlich um Wikileaks. Kein audiophiles Thema, ok, aber irgendwie sehe ich da auch Parallelen. Die Art und Weise wie manche Leute sich ihre Weltbilder verteidigen, und das Ausmaß an Desinformation das dabei produziert wird, kommt mir irgendwie bekannt vor. Wie im Kleinen so im Großen.

Das Gute dabei ist daß Heuchelei, Lüge und Betrug im Angesicht der Wahrheit so deutlich sichtbar werden.

Beispiel US-Diplomatenkorrespondenz. Man behauptet, die Veröffentlichungen seien nicht wirklich etwas Neues, und übertrifft sich gleichzeitig darin, immer noch monströsere Anschuldigungen auszusprechen und Gefahren an die Wand zu malen. Der Widerspruch scheint manchen gar nicht aufzufallen.

Investigativer Journalismus ist nun wirklich nichts Neues, und zu seinen Geschäftsgrundlagen gehört es, vertrauliche oder geheime Quellen anzuzapfen und zu veröffentlichen. Wikileaks ist dabei wenig mehr als eine weitere Quelle, im Grunde gibt es nur zwei Unterschiede zur Situation vor der Zeit von Wikileaks:
  1. Informant und investigativer Journalist brauchen nicht direkt in Kontakt zu treten, Wikileaks fungiert als Zwischenstation, die letztlich den Informantenschutz verbessert.
  2. Die Quellen werden von Wikileaks der interessierten Öffentlichkeit direkt zugänglich gemacht. Auch wenn die meisten Leser die Informationen nach wie vor aus der Presse entnehmen werden, so können sie doch bei genügend Interesse die Quellen auch selbst studieren, und so letztlich auch die Journalisten bei ihrer Arbeit kontrollieren.
So groß scheinen die Unterschiede gar nicht zu sein, aber es wird ein Theater darum veranstaltet als seien staatliche Existenzen davon bedroht. Wikileaks wird unter Terrorismusverdacht gestellt, man behauptet die "Aktivisten" hätten Blut an den Händen, würden Leben auf's Spiel setzen, und erklärt die Leitfiguren zu Staatsfeinden. Dabei sind diejenigen die das Material wirklich unter die Leute bringen nach wie vor die Medien. Mit einigen Zeitungen und Zeitschriften hat Wikileaks sogar direkt und eng zusammengearbeitet, nicht zuletzt um das Material vor der Veröffentlichung zu sichten und eventuelle Gefahren von Individuen zu vermeiden indem man ihre Namen in den Dokumenten schwärzt. Diese Medien werden aber nocht nicht einmal annähernd so giftig angegriffen.

Unter diesen Medien ist auch die New York Times, eine traditionsreiche US-Tageszeitung. Während Wikileaks sich gefallen lassen muß daß man fordert, ihre Leitfiguren wie Terroristen zu behandeln, die man ohne rechtsstaatliches Verfahren einfach ausschalten kann, muß sich die New York Times gerade einmal "unpatriotisches Verhalten" vorhalten lassen. Dabei lesen weitaus mehr Leute die Botschaftsdokumete in der Zeitung als auf der Wikileaks-Webseite. Wenn also die Veröffentlichung dieser Dokumente so übel wäre, dann wären die Zeitungen weitaus "schuldiger" als Wikileaks.

Aber die Presse hat ja noch immer ihre "Pressefreiheit". Die scheint im Moment noch etabliert genug zu sein daß man sie nicht direkt und unverblümt in Frage stellen kann. Bei Wikileaks kann man aber so tun als wäre das etwas ganz anderes und hätte mit Pressefreiheit nichts zu tun. Dabei würde jede Zeitung die etwas von sich hält eine solche Dokumentensammlung wie die Botschaftsdokumente mit Handkuß annehmen und ausschlachten, auch wenn kein Wikileaks dazwischen wäre. Und wenn sie es nicht ausschlachten würden, dann hätten sie als "freie Presse" abgedankt und wären de facto überflüssig. Wie sonst wären die diversen älteren Skandale aufgedecht worden, die in die Geschichte eingegangen sind? Welcher dieser Skandale hätte aufgedeckt werden können ohne geheime Dokumente die an die Presse durchgestochen werden? Watergate? Parteispendenaffäre?

Der Umgang mit Wikileaks ist daher entlarvend: Bei den Angriffen auf Wikileaks könnte man auch die Presse dafür einsetzen. Wer Wikileaks offen angreift äußert damit das was er auch der Presse gegenüber denkt, aber sich nicht zu sagen traut, weil die Pressefreiheit Verfassungsrang hat. Die Heuchelei wird sichtbar, und die insgeheime Einstellung auch.

Was aber fast noch interessanter ist als das Verhalten der betroffenen Regierungsvertreter ist das Verhalten mancher Medien. Im Grunde müßten die Medien Wikileaks eigentlich als eine Chance begreifen , an Material bequemer und sicherer heranzukommen. An dem Material müßten sie natürlicherweise interessiert sein, denn daraus machen sie ihre Stories. Konkurrenz ist Wikileaks eher nicht, denn wer liest schon hunderttausende Dokumente im Wortlaut (und in der Originalsprache) um sich einen Überblick zu schaffen? Das veröffentlichte Material verlangt ja geradezu nach einer Bearbeitung und Bewertung durch die Medien, und genau darin liegt Chance und Aufgabe der Medien.

Etliche Blätter und Kanäle reagieren aber so als hätten sie mit Wikileaks ein Huhn zu rupfen. Das kommt in meinen Augen einer Selbstkastration gleich. Das wirkt auf mich so als wäre den entsprechenden Medien eine vorgefilterte Pressekonferenz des US-Militärs über Guantanamo Bay lieber als ein Insassenbericht. Ist ja auch bequemer, nicht wahr? Man will ja nicht wirklich die Wahrheit wissen, für die müßte man sich ja anstrengen, und würde sich womöglich noch Feinde machen. Nächstes Mal wird man womöglich vom US-Militär zur Pressekonferenz gar nicht mehr eingeladen...

Vielleicht ist's aber auch einfach Neid. Neid daß man nicht zu den handverlesenen paar Zeitungen gehört die von Wikileaks ins Vertrauen gezogen wurden. Da lamentiert man lang und breit darüber wie scheiße so eine Veröffentlichung doch ist, und welche Fehler der Wikileaks-Chef doch hat, und letzlich ist man bloß eingeschnappt weil man von ihm nicht ausgesucht worden ist. So kam's mir diese Woche z.B. bei der Süddeutschen Zeitung vor. Krasses Beispiel dafür war der Kommentar des Chef-Außenpolitikers der Zeitung Stefan Kornelius, in dem er unter partieller Ausblendung der Realität alles zusammengeklaubt hat was man Assange ans Bein binden kann. Ich habe mich drüber aufgeregt, bis mir klar geworden ist daß er sich damit wohl mehr entlarvt hat als er selber realisiert.

Er schreibt über Assange: "Seine Veröffentlichungen im Namen der Freiheit richten Schaden an. Sie zerstören Politik, gefährden Menschen, können Ökonomien beeinflussen." Für einen politischen Journalisten ist das in meinen Augen ein Offenbarungseid und eine geradezu peinliche Selbstentblößung. Von daher finde ich es direkt wertvoll, ich bewundere Wikileaks dafür wie solche Falschheiten ans Tageslicht befördert werden, gerade auch die die nicht direkt in den Dokumenten stehen, sondern die die sich an den Reaktionen ablesen lassen.

Welche Politik wird zerstört? Welche Menschen werden gefährdet? In welche Richtung werden Ökonomien beeinflußt? Welcher Schaden wird verursacht?

Ist das automatisch schlecht? Was ist mit dem potentiellen Nutzen?

Ich frage mich dagegen: Was ist ein Journalist wert der nicht Politik zerstören oder besser gesagt stören will*, wenn er die Möglichkeit dazu hat? Was ist ein Journalist wert dem die Wahrheit nicht wichtiger ist als ein Risiko? Welcher selbstbewußte Journalist wäre damit zufrieden, wenn er nichts beeinflussen kann?

Die Veröffentlichung der Wahrheit wäre sogar dann zu befürworten wenn manche Leute dadurch in Gefahr kommen, denn die Wahrheit zu verheimlichen gefährdet üblicherweise ebenfalls Leute. Wahrheit ist gefährlich, weil es so viele Lügner gibt. Als krasses Beispiel kann der Irak-Krieg herhalten: Der hat hunderttausenden Menschen das Leben gekostet, und er basiert auf einer Lüge. Ohne diese Lüge würden viele davon wahrscheinlich noch am Leben sein. Wir brauchen mehr Wahrheit, nicht Leute die uns erzählen daß Wahrheit für uns gar nicht gut ist, und schon gar nicht Journalisten die uns das erzählen.

Dabei stimmt es gar nicht daß die Dokumente auf verantwortungslose Art und Weise veröffentlicht worden wären. Im Gegenteil, genau deswegen hat ja Wikileaks die Zeitungen eingespannt. Wenn es ohne Rücksicht auf Verluste nur um die Veröffentlichung gegangen wäre, dann hätte man das ganze Material einfach unbearbeitet komplett ins Netz stellen können und sich den Aufwand mit den Zeitungen sparen können.

Ist es nicht verblüffend? Ein bißchen Wahrheit, und schon konkurrieren etliche Leute, und ganze Regierungen, darum wer die absurdeste Vorstellung gibt. Wer ein bißchen Grips hat braucht die veröffentlichten Dokumente gar nicht zu lesen. Die Reaktionen der Betroffenen sagen genug.


Kommentare im üblichen Thread.


* Was soll das überhaupt bedeuten, "Politik" zu zerstören? Welche verquere Vorstellung von Politik muß man haben wenn man glaubt daß sie zerstört werden kann indem man ein paar Dokumente veröffentlicht? Das Veröffentlichen von geheimen Dokumenten ist Bestandteil und Mittel von Politik, und beileibe nicht deren Ende.

Sonntag, 28. November 2010

Testblödsinn

Ich lese und schreibe jetzt seit über 6 Jahren im Hifi-Forum, und ich habe den Eindruck daß sich in dieser Zeit die Bereitschaft vieler Diskutanten von einem ohnehin niedrigen Level noch weiter verringert hat, sich bei einem Test zu überlegen wie man den möglichst zielführend zu gestalten. Es wird entweder von völlig sinnfreien Tests berichtet, oder es werden solche sinnfreien Tests gefordert oder vorgeschlagen. Sämtliche Hinweise darauf was es für einen fairen und aussagekräftigen Test zu beachten gilt werden offenbar komplett ignoriert. Was dabei heraus kommt spricht oft genug schon den einfachsten Regeln der Logik und des Verstandes Hohn.

Wohlgemerkt, ich rede von "aussagekräftig", und nicht von "Beweis" oder von "wissenschaftlich"! Wenn man die Latte zu hoch legt wird sie jeder reißen. Ein Test kann auch Sinn haben wenn man keinen Beweis daraus machen kann oder wenn seine Durchführung wissenschaftlichen Prinzipien nicht voll genügt. Das Hirn sollte man aber schon einschalten, und nicht einfach drauflos testen und dann auch noch erwarten daß ein Leser daraus abgeleitete hanebüchene Schlußfolgerungen auch noch akzeptiert oder gar "respektiert".

Ein Beispiel für das was ich meine würde der Test von Dr. Kaletha in Sachen CD-Rohlingsklang bieten, der schon den Anlaß geboten hat für die jüngste Auseinandersetzung um das "Galileo-Gambit". Ich will das aber gar nicht weiter vertiefen, sonst heißt es wieder ich wäre nur an persönlichen Angriffen auf den armen Mann interessiert. Es haben auch schon Andere reichlich argumentiert warum dieser Test völlig sinnlos war und ungeeignet die vorgebliche Frage zu beantworten.

Ich nehme daher ein anderes Beispiel (manche werden sagen ein anderes Opfer). Es ist sowieso kein Problem dafür Beispiele zu finden. Mein Aufhänger ist dieser Beitrag im Hifi-Forum, mit dem Janus525 in Form eines "Testvorschlags" das Thema Kabelklang in "meinen" Thread eingeführt hat als es dort gerade um etwas ganz Anderes ging.

Ein bißchen Background zu Janus525 is aber zuerst ganz hilfreich. Im Hifi-Forum ist er zuerst aufgetaucht mit diesem Beitrag vom März letzten Jahres, mit dem er einen fast 6 Jahre alten Thread wieder zum Leben erweckte. Wie man unschwer erkennt ist das ein Beitrag, der das "Guerilla-Marketing" zwischen allen Zeilen hervorschwitzt, und wie man am darauf folgenden Diskussionsverlauf erkennen kann war es auch nötig daß ihn die Moderation darauf aufmerksam machen mußte daß er sich als gewerblich kennzeichnet, was offenbar nicht ohne Widerwillen passierte. Wer sich seine Beiträge Revue passieren läßt wird recht viele finden in denen bestimmte Produkte mehr oder weniger unmotiviert "erwähnt" werden.

So auch in besagtem Testvorschlag von heute vormittag. Der Testvorschlag selbst ist derart unsinnig daß man schon fast gezwungen ist zu vermuten daß es sich um einen Vorwand für eine Produktplatzierung handelt. Weil aber auch ohne so einen Vorwand regelmäßig solche ähnlichen Tests diskutiert werden nehme ich das mal auseinander:
  • Janus525 impliziert mit seinem Vorschlag daß sein "Adressat" so einen ähnlichen Test noch nie gemacht hat. Das ist so üblich wie ignorant. Man kann so oft und deutlich zu erkennen geben wie man will daß man sich mit solchen Fragen auch schon mit eigenen Versuchen beschäftigt hat, es nutzt nichts. Die bloße Tatsache daß man nicht die gleichen Ansichten vertritt wie Janus 525 wertet er de facto als Nachweis daß man solche Versuche nicht gemacht haben kann. Oder wenigstens nicht "richtig" gemacht haben kann. Das ist geradezu lachhaft angesichts der Tatsache daß die ganze Testbeschreibung höchst vage beschrieben wird, mit der einzigen Ausnahme daß das zu verwendende Kabel benannt wird. Die Message ist: Nimm dieses Kabel, alles Andere ist beinahe egal. Wobei im Falle des Mißerfolgs die Hintertür bereits bereitgehalten wird. Vage Testbedingungen mit gleichzeitiger Hintertür von "unpassenden" Anlagen macht den Test schon im Ansatz völlig wertlos, denn sollte er scheitern wäre er leicht abzutun. Janus525 kann so nicht verlieren. Die Karten sind gezinkt. Ein fairer Test muß aber geeignet sein eine Behauptung zu bestätigen oder sie zu widerlegen. Beides muß je nach Ergebnis möglich sein.
  • Die beschriebenen Testmodalitäten sollten schon auch erkennen lassen wie dadurch die wohlbekannten Störfaktoren ausgeschlossen werden, die ein Ergebnis verfälschen können. Zu den wichtigsten Störfaktoren gehören die Voreingenommenheit der beteiligten Personen und weitere psychologisch bedingte Faktoren. Dann bekannte elektrische Wechselwirkungen, wie sie sich hier z.B. durch das Y-Kabel ergeben. Schließlich statistische Effekte die eine Signifikanz suggerieren können wo keine ist. Der Test soll schließlich eine bestimmte Frage klären helfen, und der Test hat keinen Sinn wenn unterschiedlichste Ursachen die gleiche Antwort produzieren können. Im vorliegenden Beispiel wird das so gut wie völlig ignoriert. Es wird suggeriert als wäre das einzig relevante Problem die Voreingenommenheit der Probanden, und als könnte man die in den Griff kriegen wenn man als Personen solche nimmt die nichts mit Hifi zu tun haben. Das ist mehr als naïv.
  • Es wird keinerlei Aussage gemacht wie das Ergebnis auszuwerten ist. Man soll die Reaktionen der Tester einfach veröffentlichen, und den Rest sozusagen der "Community" überlassen. Was nach aller Erfahrung nur dazu führen kann daß sich jeder nach eigenem Gutdünken seine Relevanzkriterien nachträglich zurechtbiegt. Geklärt ist danach überhaupt nichts. Ein sinnvoller Test legt vorher fest welches Ergebnis eine Bestätigung bedeutet, welches eine Widerlegung, und welches ein Unentschieden.
Was darüber hinaus besonders stört ist die anscheinend unvermeidliche vorsorgliche Schmähung wenn man sich auf diesen Blödsinn nicht einläßt. Man muß sich dann vorhalten lassen, man probiere nichts ernsthaft aus, sondern schreibe nur. Dabei ist es genau anders herum: Mit solchen wertlosen Tests ist nichts gewonnen, denn egal wie sie ausgehen würden könnte man das Ergebnis getrost ignorieren.

Es ist auch nicht zu erkennen warum dieser Testvorschlag nun ausgerechnet ein anderes Ergebnis bringen soll wie eine unübersehbare Flut ähnlich dümmlicher Tests, die schon gemacht wurden. Warum soll's dieses Kabel nun ausgerechnet bringen, warum die "Erfahrung" eines Janus525 auch nur einen Pfifferling mehr wert sein als die ähnliche Erfahrung von unzähligen Vorgängern die ihren Glauben auch nicht seriös substanziieren konnten?

Dazu kommt noch daß Janus525 schon seit Beginn seiner Teilnahme in Forumsdiskussionen Gelegenheit genug hatte sich über die Anforderungen an solche Tests zu informieren. Viele der Kriterien könnte er in Diskussionsbeiträgen finden die unmittelbar auf ihn antworten. Daß er daraus nichts gelernt zu haben scheint macht es noch überflüssiger sich mit so einem Testvorschlag zu beschäftigen, denn man hat es offensichtlich mit jemandem zu tun der keinerlei Interesse daran hat etwas über Tests zu lernen, oder auch nur den Standpunkt seiner Diskussionspartner zur Kenntnis zu nehmen.

Solche Tests, egal ob vorgeschlagen oder durchgeführt, sind letzlich reine Beschäftigungstherapien, die verhindern sollen daß sich ein vernünftiger Gedanke durchsetzen kann. Blinder und tauber Aktionismus als Gegengift gegen unerwünschte Einsichten.

"Wie gefällt Dir der Vorschlag...?" fragt Janus525. Meine Antwort wäre: "Schieb ihn Dir meinetwegen in den Hintern!". Hier kann ich's ja schreiben.


Kommentare wie immer in diesem Thread.

Samstag, 20. November 2010

Gastbeitrag

... von Dr. h.c. Christian Böckle

Hallo Mädels

In Anbetracht der ungeheuerlichen Vorgänge im Kommentarbereich von pelmazos Blog sowie im österreichischen Hififorum (die mir unerträglichste Kopfschmerzen bereitet haben) eröffne ich hiermit einen weiteren Thread aus der Reihe "Es ist (und bleibt) ein Elend".

Mein Urteil (nach genauestem (extrem schmerzhaftem) Studium der Sachlage):
Die Audio-Esoteriker sind ganz einfach "Total kaputt im Schädel".

Um es noch weiter "auf den Punkt" zu bringen:
Wenn Kant und Galileo noch am Leben wären, so würden sie sich (in astreiner "Pulp-Fiction-Manier) den guten Holger schnappen und ihn ausgiebig mit einer Kneifzange und einem Lötkolben bearbeiten.

Aber nichtsdestotrotz:
In meiner Eigenschaft als international anerkannter promovierter Gynäko-, äh Ornithologe möchte ich eingangs kurz vogeltechnisch Stellung beziehen.
Nun.
Ornithologisch betrachtet, sind in der esoterischen Audio-Szene folgende Vogelarten anzutreffen:
Der audiophile Kaputtschädelsittich
Der esoterische Hirnrißkakadu
Der Esoterik-Spruchbeutelschädler
Der geistige Alpensegler (Opus Milba, äh Apus melba)
Der Oberstübchen-Dachstuhlbrand-Birkenzeisig
Die Single-Malt-Blaumeise
Der trinaurale Dreizehenspecht
Der Gehirnerweichungs-Speichelhäher (Garrulus Grindarius Grausus) (gehört zur Familie der Eichelhäher (Garrulus glandarius)
Der Fichtenkreuzschnabelmongo
Der Gimpel oder Dummpfaff
Der Graus-Schnäpper (Musicapa stradivari) (stammt vom Grauschnäpper ap, äh ab (Muscicapa striata)
Die Hohltaube (gehört zur Familie der Audiophögel)
Die geistige Dumpfmeise (Parus abstrusis) (gehört zur Familie der Sumpfmeisen (Parus palustris)
Die audiophile Dünnpfiff-Reiherente (Aythya fulligülla, äh fuligula)
Der gemeine Nervensäger, auch Kammerklängler genannt (gehört zur Familie der Hirnrißler und stammt vom geistigen Dünnpfeifer ab)
Der Holger-Sittich (auch Dummvogel genannt)
usw.


In aufrichtiger Trauer möchte ich den Tod des gesunden Menschenverstandes bekanntgeben.
Die Grabstätte befindet sich hier:
http://www.hififorum.at/forum/showthread.php?t=5541
und natürlich (großflächig) hier:
http://www.open-end-music.de/


Da muß man sich doch (auch ob des "Finest geistigen Desastering") voll an`s Hirn greifen.
Das EIGENTLICHE Problem in pelmazos blog beruht ALLEINIG auf dem EXTREM schrägen Denkmuster diverser, IMMENS geschwätziger KLEINER Esoterikerkreise, die im Schutze ihrer Anonymität Unmengen an geistigem Unflat im Kommentarbereich von pelmazos Blog abgesondert haben.
Es ist zum "Haare raufen".
Zuerst wird also beispielsweise von einer Handvoll hirnrissiger "Esos" im Kommentarbereich EINES EINZIGEN (von pelmazo seriös und präzise formlierten) Leitartikels von diversen Vollkoffern geistiger Sondermüll in Form EINIGER HUNDERT(!!!) "Kommentare" abgeworfen.

Und DANN wird DIESER Müll zu allem Übel auch noch pelmazo SELBST angelastet, geradeso, also ob ER diesen ganzen Müll SELBST geschrieben hätte!
Nun.
Dieser banale Vorgang inklusive Schuldzuweisung ist typisch für die "beklemmende Logik diverser überaus geschwätziger "Esoterikerkreise".

Ergo:
Das Grauen hat also einen Namen:
Nämlich:
Audio-Esoteriker.

Und das Bemerkenswerte:
Um ein Esoterikerforum "am Laufen" zu halten, bedarf es NICHT (wie bei einem "herkömmlichen" Forum) 1000er Mitglieder.
Hier genügen beispielsweise im Durchschnitt gerade mal` zehn "aktive" Mitglieder mit durchschnittlichem (esoerikertypischem) "Mitteilungsbedarf".
SO ETWAS funktioniert (beitragshochfrequent) problemlos ÜBER JAHRE hinweg.
Und wenn man sich dieses (fürchterliche) Szenario (hinsichtlich seines durchschlagkräftigen "Potentials") in den Kommentarbereich von pelmazos Blog übertragen denkt, so bedarf es nur WENIGER TAGE um einen Leitartikel-Kommentarbereich KOMPLETT zuzumüllen, und im selben Zuge PELMAZO SELBST für diesen Müll unmittelbar verantwortlich zu machen.

Zusammenfassend kann man also folgende zwei Tatsachen anmerken:
1.) ALLE Blog-Artikel pelmazos sind technisch präzise, trocken, überaus scharfsinnig, geistreich und höflich formuliert.
2.) Das EINZIGE "Problem" der von pelmazo verfaßten Blog-Artikel beruht DARAUF, daß diese Artikel gewissen Esoterikerkreisen "einfach nicht in den Kram passen", weil sie nicht deren "Apostelgeschichte" entsprechen.

Zur analytischen Veranschaulichung des esoterisch gesteuerten Elends, eingebettet in dessen beklemmende "Logik":

Nach vielen Jahren des erlittenen Elends und der tiefempfundenen abgrundtiefen Verzweiflung in diversen Audio-Foren habe ich den untrüglichen Eindruck gewonnen, daß SÄMTLICHE Esoterikerkreise die Realität ganz einfach um 180 Grand phasenverschoben wahrnehmen:
Das heißt im Detail:
JEDER logisch VOLLKOMMEN KLARE Tatbestand wird von diesen Leuten IN IHR PURES GEGENTEIL VERKEHRT wahrgenommen, geradeso, als ob bei diesen Leuten das meiste Zeug im Schädel einfach "komplett verkehrt" angeschlossen worden ist (Elektrische Fehlpolungen, sowie Kreuz-und-Quer-Verdrahtungen im (internen) Schädelbereich).

Und diese schrägen esoterischen "Denkmuster" sind mir einfach unbegreiflich, weil
diese Muster ABSOLUT UNLOGISCH sind.
Bei Aspekten, die beispielsweise einer technisch unbegabten Hausfrau oder einem Sechsjährigen SOFORT einleuchten, steht ein "gestandener erwachsender Esoteriker" total daneben.

Betrachten wir das ganze Dilemma einmal auf der Verstandes-Ebene:
Folgende Verstande sind (Audio-)Esoterikern völlig fremd:
Der gesunde Menschenverstand
Der gesunde Hausverstand
Der gesunde Haus- und Hofhund-Verstand
Der gesunde Katzenverstand
usw., usf..
Kurzum:
SÄMTLICHE gesunden Verstande werden von (Audio-)Esoterikern beleidigt.

Meine Diagnose:
Irreversible Schäden innerhalb des Denkgehäuses.
Reparatur unrentabel, äh, nicht behandelbar.

Grüße
Dr. Böckle


Nachwort des Blogwarts:
Um die wertvolle Diagnose des von mir hochgeschätzten Herrn Dr. h.c.* Böckle in den angemessenen Rahmen zu stellen habe ich mich dazu entschlossen, ausnahmsweise von meiner üblichen Praxis abzuweichen, alle Artikel selbst zu verfassen. Ich hoffe damit dem Bedürfnis meiner geschätzten Leserschaft zu entsprechen. Der Artikel ist peer-reviewed, dennoch liegen alle Rechte und Linke beim Verfasser.


* = humoris causa

Freitag, 12. November 2010

Geistige Bulimie

... eine Antwort auf Dr. Holger Kaletha.

Vor ungefähr sechs Wochen sprachen Neil deGrasse Tyson und Richard Dawkins über das Thema "The Poetry of Science" in der Howard University. Wer Englisch gut genug versteht wird am Video sicher seine Freude haben.

Die jüngste Auseinandersetzung mit Dr. Holger Kaletha, speziell seine Antwort auf meinen früheren Blog-Artikel, hat mich wieder an dieses Gespräch erinnert. Das ganze Gespräch ist interessant, aber in unserem Zusammenhang speziell relevant ist die Passage ab etwa Minute 14, wo Tyson über den Bezug zwischen der Mathematik, unseren Sinnen, und der Struktur der Welt redet. Über die Art und Weise wie Wissenschaft zu ihren Erkenntnissen kommt, und was das mit unseren Sinnen und unserer Wahrnehmung zu tun hat:
"You train yourself to abandon your senses, because you recognize how they can fool you into thinking that one thing is true that is not. You abandon them, you use your tools to do the measuring and say: OK, that's the reality! Then you make a mathematical model of that, that you can manipulate logically - 'cos math is all about the logical extension of one point to another - and then you can make new discoveries about the world that, frankly, you'll just have to get used to. [...] No longer are you justified saying: That idea in science is not true, because it doesn't make sense. Nobody cares about your senses! [...] It's math that allows you to take these incremental steps beyond the capacity of your senses, and perhaps even the capacity of your mind."
Genau das liegt auch an der Wurzel der Auseinandersetzung um die Funktion des CD-Spielers und darum welche Effekte im Zusammenhang mit CD-Rohlingen möglich sind und welche nicht - dem auslösenden Thema für die Kontroverse um Kaletha. Es liegt überhaupt an der Wurzel der Auseinandersetzung zwischen den "Subjektivisten" und den "Technikern".

Ein CD-Spieler ist ein technisches Konstrukt dessen Funktionsweise seine Wurzeln in mathematischen Modellen hat. Die CD speichert Zahlen, keine Klänge oder Musik. Eben weil sie Zahlen speichert kann man das gleiche Medium auch als Datenspeicher für Computer benutzen. Daß man Klänge und Musik als eine Folge von Zahlen ausdrücken und dergestalt speichern kann ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit; es ist ein Ergebnis einer ziemlich umfangreichen Forschungstätigkeit, in deren Verlauf nicht nur das Hörvermögen untersucht werden mußte, sondern insbesondere auch mathematische Verfahren und Modelle zur Repräsentation von Schwingungen und von Information gefunden werden mußten. Auf diesem Schatz von Erkenntnissen fußt die Funktionsweise einer CD und des dazugehörigen Abspielgerätes.

Ohne diese mathematischen Modelle kann man die CD letzlich nicht verstehen, genausowenig wie man die atomare Welt ohne die Quantentheorie verstehen kann, oder die Astrophysik ohne die allgemeine Relativitätstheorie, die beide ebenfalls mathematische Modelle sind. Und in allen diesen Fällen muß man zum richtigen Verständnis der Funktion seine Sinne aufgeben, denn die Wahrheit folgt aus der Anwendung der Mathematik, und der dazugehörigen Werkzeuge, und nicht aus der sinnlichen Wahrnehmung.

Wer diese Modelle und Methoden tief genug aufnimmt und darin trainiert ist, für den können sie zur zweiten Natur werden, und der Umgang damit wird intuitiv, das heißt er macht sich nicht mehr bewußt daß es solche Modelle sind und die Modelle und Werkzeuge werden zu einer Art Erweiterung seiner Sinne und Fähigkeiten. So kann es passieren daß man sich bei der Wiedergabe einer CD ins Geschehen hineinversetzt fühlt, oder es kann geschehen daß man beim Blick auf ein Oszilloskopbild intuitiv auf einen Fehler aufmerksam wird ohne ihn bewußt über das mathematische Modell hergeleitet zu haben. Es ändert aber nichts daran daß die Grundlage dafür erst einmal das mathematische Modell ist. Wenn einen dieses intuitive Gefühl dazu verleitet zu glauben die Sinne hätten die Oberhand über die Mathematik gewonnen ist man auf dem Holzweg.

Fliegen kann sich intuitiv anfühlen, man steuert das Flugzeug ohne zu denken, aber das heißt nicht daß man selbst fliegt, denn es ist immer noch das Flugzeug das fliegt, und es braucht immer noch die mathematischen Modelle um eins zu bauen oder um seine Funktion zu verstehen.

Der Subjektivist, der aufgrund eines gehörten Effekts sich dem Techniker überlegen fühlt, der die Modelle kennt auf denen die Funktion der Hifi-Anlage beruht, ist daher nicht etwa der Wahrheit näher, sondern ganz einfach auf einem illusionären Egotrip. Das wird auch nicht dadurch besser daß es "Techniker" gibt die mit ihrem Wissen hochstapeln. Die "Wahrnehmungs"-Hochstapelei stellt die meist locker in den Schatten.

Für diesen Zusammenhang zwischen mathematischen Modellen und der Realität, und der Untauglichkeit der unmittelbaren Wahrnehmung für die Wahrheitsfindung gerade in technischen und wissenschaftlichen Dingen, gibt es heutzutage derartig viele schlagende Beispiele daß man schon völliger Realitätsverweigerer sein muß um das nicht zu sehen.

In der Epoche von Galilei hat es die allermeisten dieser schlagenden Beispiele noch nicht gegeben. Die über Jahrhunderte etablierte Wissenschaft beruhte auf Aristoteles, und stellte die philosophischen Prinzipien über die Naturbeobachtung. Die philosophischen Prinzipien, das heißt insbesondere auch die Mathematik. Wie wir eben gesehen haben ist die tatsächlich wichtiger und näher an der Realität als die Wahrnehmung, insofern war Aristoteles tatsächlich ein Fortschritt über die ältere Methode, die auf der direkten Wahrnehmung beruhte. Das Mißtrauen, das man zu Zeiten von Galilei gegen die direkte Wahrnehmung hatte, war berechtigt, und deswegen ist die Polemik gegenüber denen die sich von einem Blick durch das Fernrohr nicht überzeugen ließen, oder den gar nicht erst getan haben, auch so billig. Das ist eine Polemik aus der bequemen Position der Nachwelt, die den Luxus besitzt zurückblicken zu können.

Das Vertrauen auf die direkte Wahrnehmung ist älter als Aristoteles und die Mathematik. Es ist die primitivere Methode der Wahrheitsfindung. Sich auf die Mathematik zu stützen ist demgegenüber ein Fortschritt, und als solcher der Anfang der Wissenschaft. Die Erkenntnis daß die unmittelbare Wahrnehmung eben nicht der bessere Weg zur Wahrheitsfindung ist geht auf die griechische Antike zurück und ist eine grundlegende Kulturleistung.

Das heißt nicht daß die pure Mathematik automatisch korrekte Beschreibungen der Realität liefert. Man kann vor diesem Hintergrund aber vielleicht immerhin verstehen warum diejenigen Gelehrten, die sich dieses Fortschritts bewußt waren, sich dergestalt verrannt haben daß sie Postulate mathematischer Schönheit, wie z.B. der Kreisbewegung, für so "real" gehalten haben daß sie die Verifizierung für unnötig gehalten haben.

Galilei hat nicht dem alten Prinzip der unmittelbaren Wahrnehmung wieder zum Durchbruch verhelfen wollen. Das wäre auch ihm als Rückschritt erschienen. Er hat etwas ganz anderes getan, nämlich er hat das Prinzip in die Wissenschaft eingeführt daß man Theorien über die Realität experimentell verifizieren muß. Diese experimentelle Verifizierung hat sehr wenig mit der Wahrnehmung als solche zu tun, außer daß man einen Weg finden muß wie man einen Aspekt der Realität, der für so ein Experiment wichtig ist, für den Menschen beobachtbar macht.

Dieses "beobachtbar machen" bedeutet, daß man ein Instrument bauen muß was einen Effekt in die menschliche Wahrnehmbarkeit überführt. Für Galilei war sein Fernrohr so ein Instrument. Für den Konstrukteur von Hifi-Geräten ist das Oszilloskop oder der Audio-Analysator so ein Instrument. Ein Übersetzer zwischen solchen Aspekten der Realität die der direkten Wahrnehmung nicht zugänglich sind, und irgend einem menschlichen Sinn.

Bei allen diesen Instrumenten gilt daß die unmittelbare Wahrnehmung dessen was sie zeigen keinen Sinn ergibt ohne daß es dazu vorgängig ein Modell, eine Theorie gab, anhand derer die "übersetzte" Beobachtung interpretiert werden kann. Galileis Blick durch das Fernrohr wäre ohne Kopernikus' Theorie sinnlos gewesen und hätte keinerlei Erkenntnisgewinn erbracht. Nur weil diese Theorie bereits im Raum stand konnte Galilei das was er da durch das Fernrohr sah als etwas Bedeutsames und Aussagekräftiges erkennen. Als ein Argument, ein Indiz, oder sogar als einen Beweis im Streit der Welterklärungsmodelle.

Daß ihm viele zu dieser Zeit nicht gefolgt sind ist daraus ebenfalls verständlich. Um so ein Indiz überhaupt ernst genug zu nehmen muß man zuvor zur Überzeugung gekommen sein daß die "alte" Theorie in der Krise ist, daß sie also nicht genug Erklärungsvermögen für die tatsächlichen Verhältnisse hat. Das werden naturgemäß nicht alle gleichzeitig sein.

Um aber die "alte" Theorie als in der Krise befindlich erkennen zu können muß man ihre Implikationen verstehen. Man muß wissen an welchen Stellen ihre Vorhersagen mit der Realität im Widerspruch stehen. Und um das zu wissen muß man die alte Theorie gut kennen, denn wenn dieser Widerspruch durch bloße Anschauung schon offensichtlich wäre dann gäbe es diese Theorie schon längst nicht mehr.

Ich hoffe ich habe klar machen können warum es ein allzu billiger Vorwurf ist, wenn man die Leute aus Galileis Zeit dafür schmäht daß sie beim Blick durch's Fernrohr nicht gleich ihre Meinung geändert haben, oder gleich gar nicht durchblicken wollten. So ein Verhalten war aus damaliger Sicht bei weitem nicht so unvernünftig wie es heute scheint. Und erst recht nicht hat es etwas mit einer etwaigen Überlegenheit sinnlicher Wahrnehmung zu tun.

Wer aus philosophischen Erwägungen heraus heute die Wahrnehmung über die mathematisch-technischen Erkenntnisse stellen will bewegt sich damit nicht nur hinter Galilei, sondern noch hinter Aristoteles in die vorwissenschaftliche Zeit zurück. Galilei oder so gut wie jeden neuzeitlichen Wissenschaftler kann man dafür jedenfalls nicht als Kronzeugen heranziehen, ja der Versuch ist eine krasse wissenschaftstheoretische Verfehlung. Wenn dafür die narzisstisch-egoistischen Motive so klar zutage liegen wie bei Kaletha ist es eine Frechheit, ich wiederhole mich da ausdrücklich.

Man fragt sich unwillkürlich was in so einem Fall die ganzen herbeizitierten philosophischen Geister nutzen sollen, die Kaletha beschwört ohne klar zu machen inwiefern sie seine Ansicht stützen. Es wirkt auf mich wie geistige Bulimie, wo sich einer die Texte diverser Autoritäten wie in einem Anfall in sich hineinstopft, und als unverdauten Brei alsbald wieder auskotzt. Und nicht merkt wie er dadurch immer dürrer wird.

Wenn das typisch für heutige Philosophie wäre, dann wäre sie wirklich mausetot. Hier schließt sich der Kreis zu Neil deGrasse Tyson, der sich in der Diskussion nach Ende des Gesprächs auch über Philosophie äußert. Es beginnt etwa bei 3 Minuten nach der vollen Stunde.

Für Diskussionen gibt's den inzwischen bekannten Thread im Hifi-Forum.

Montag, 8. November 2010

Der Kommentarwahnsinn

Ich mache meinen Kommentarbereich bis auf Weiteres hier dicht.

Stattdessen habe ich im Hifi-Forum einen Thread speziell zur Kommentierung meines Blogs eröffnet, der natürlich wie alle anderen dortigen Threads den Regeln und der Moderation des Hifi-Forums unterliegen. Es ist zunächst nur ein einziger Thread für mein komplettes Blog, man wird sehen müssen inwieweit eine Aufteilung in separate Threads für einzelne Themen nötig ist.

Wer also künftig Kommentare abgeben will ist herzlich eingeladen, das dort zu tun, hier geht's jedenfalls einstweilen nicht mehr. Am Ende jedes neuen Artikels hier im Blog werdet Ihr einen Link zum entsprechenden Diskussionsthread im Hifi-Forum finden.

Ich finde es außerordentlich schade daß es so weit gekommen ist, denn ich hätte eine freie Kommentierung meiner Beiträge hier für weitaus besser gehalten, so wie das bisher möglich war. Inzwischen hat aber der Vandalismus einiger Weniger ein Ausmaß angenommen bei dem auch Unbeteiligte hineingezogen werden, bis hin zu Firmen aus dem Pro-Audio-Bereich, die nun wirklich absolut gar nichts mit diesem Blog und den Streitereien zu tun haben. Was das angeht wird es womöglich rechtliche Konsequenzen geben, das ist gegenwärtig in der Prüfung, aber ich bin nicht bereit das hier oder im Forum zu diskutieren, ich bitte also von entsprechenden Nachfragen abzusehen.

Es ist klar was das Ziel dieses Vandalismus war und ist: Mein Blog und insbesondere ich selbst soll aus dem Verkehr gezogen werden, und man schreckt nicht davor zurück eine Mobbing-Kampagne auf diejenige Person zu führen, die man hinter meinem Pseudonym vermutet. Ich kann versichern daß ich nicht beabsichtige, diesem Druck nachzugeben. Ich werde in meinem Blog genauso weitermachen wie bisher, mit Ausnahme der Kommentarmodalitäten. Warum sollte ich auch einen Rückzieher machen? Es haben sich schließlich so gut wie alle meine Aussagen bestätigt, ich bin also definitiv auf dem richtigen Weg.

Ich habe schon vor langer Zeit erklärt worin der Grund für meine Pseudonymität besteht, und wie man sieht hatte ich recht damit. Man kann sich tatsächlich nicht darauf verlassen daß sich Leute wie Dirk Jambor auf Fairness besinnen und Leute bzw. Geschäftsbeziehungen aus dem Spiel lassen die nichts mit diesem Blog zu tun haben. Es ist im Gegenteil offensichtlich daß man bereit ist, absolut alles zu unternehmen von dem man glaubt daß es mir schaden könnte, völlig egal was dabei für Kollateralschäden entstehen könnten. Und es ist ebenso offensichtlich daß sie dabei jede moralische und ethische Regel zu übertreten bereit sind die sie selber bei mir anmahnen.

Dabei wird gelogen und die Wahrheit verdreht was das Zeug hält. Man rechtfertigt eigene Regelübertretungen mit Regelübertretungen die man mir gegen alle hier offen nachlesbare Realität in die Schuhe zu schieben versucht. Man lügt sich selbst und uns Allen vor, ich beginge strafbare Handlungen, aber statt die Verfolgung der Justiz zu überlassen fühlt man sich berechtigt, mich unmittelbar an den Pranger zu stellen. Das ist der Versuch, das Recht durch einen hysterischen Lynchmob zu ersetzen.

Ich betreibe hier ein satirisches, scharfes, in offene Wunden stechendes Blog, und es ist klar daß das einigen Leuten nicht gefällt. Das heißt aber noch lange nicht daß es unfair wäre. Jeder, den ich angegriffen habe, hat die Gelegenheit sich zu verteidigen und die Vorwürfe zu entkräften. Die Schlammschlacht liegt nicht in meinem Interesse, sondern die inhaltliche Auseinandersetzung. Wer meine Beiträge ohne Hysterie und Verfolgungswahn liest wird das unschwer erkennen.

Wenn sich aber ein von mir durch den Kakau Gezogener mit persönlichen Angriffen und wahnhaft betriebenen Schlammschlachten meint zur Wehr setzen zu müssen, dann demonstriert er dadurch genau das was ich behaupte und arbeitet mir letztlich in die Hand: Er zeigt daß ich recht habe und er nackt dasteht, ohne Argument, ertappt bei seinem Schwindel. Das war und ist mir nicht unangenehm, denn wie schon mehrfach betont bin ich der Meinung daß ein des Denkens fähiger Leser die Situation durchschauen wird und diesbezüglich keine moderative Reinigungsaktion und Vormundschaft braucht. Und wer so viel Verstand nicht hat dem kann ich auch nicht helfen.

Inzwischen ist aber leider die Hysterie auf ein solches Ausmaß gestiegen daß eine inhaltliche Diskussion meiner Beiträge kaum noch eine Chance hat. Auf meinen letzten Beitrag gab es einige wenige entsprechende Kommentare, die im allgemeinen blindwütigen Geschrei völlig untergehen. Ich hätte auch einfach "Buh!" schreiben können und die Kommentare wären wohl die gleichen gewesen. Das mag ich dann auch wieder nicht akzeptieren, und zur Wahl gezwungen versuche ich es jetzt eben mal mit der Verlagerung der Diskussion ins Hifi-Forum. Das ist weniger frei und offen, aber hoffentlich auch weniger hysterisch. Ihr wißt wem Ihr's zu verdanken habt.

Was haltet Ihr davon? Kommentare dazu bitte hier.

Samstag, 30. Oktober 2010

Mißbrauchte Autoritäten

Wer als Vertreter der "technischen" Seite öfter in Diskussionen mit Subjektivisten verwickelt ist der kennt das: Das "wenn-Du-ein-richtiger-Wissenschaftler-wärst-dann-wärst-Du-bescheiden-und-wüßtest-daß-Du-falsch-liegen-kannst" Argument. Oder kürzer: "Galilei wurde vom Establishment damals auch abgelehnt - und er hatte trotzdem recht!".

Statt Galileo Galilei wird je nach Präferenz öfter auch Einstein benutzt. Andere Autoritäten fallen den Leuten selten ein.

Ein harmlos aussehendes Argument, das man sogar für geradezu selbstverständlich halten kann: Niemand kann sich anmaßen die absolute Wahrheit für sich gepachtet zu haben, und Galilei wie Einstein haben gezeigt wie falsch sogar ein wissenschaftliches Establishment liegen kann.

Und doch gehört dieses Argument zu den ignorantesten, unverschämtesten und niederträchtigsten Argumenten in den Händen eines Subjektivisten. Jedenfalls ist das meine Meinung. Ein Argument mit dem sich ein Diskussionsteilnehmer auf der Stelle selbst disqualifiziert.

Vielleicht sehe ich das deswegen so "unentspannt" weil ich besagte "Autoritäten" sehr schätze und mich ärgert wie diese bewundernswerten Leute für Ziele mißbraucht werden mit denen sie mit Sicherheit nicht einverstanden gewesen wären. Und das von Leuten die in aller Regel keinen Schimmer davon haben worin die Leistung dieser Wissenschaftler tatsächlich bestanden hat (und worin eben nicht!). Wenn diese Leute nicht im Grabe rotieren, dann deswegen weil sie längst Lagerschaden haben.

Aber hier meine Tirade gegen diese Frechheit:
  • Da weiß Einer ganz offensichtlich von der in Frage stehenden Wissenschaft genau Null, aber daß seine eigene Wahrnehmung das Potential hat, diese Wissenschaft zu revolutionieren, daran glaubt er offenbar fest. Nur zum Vergleich: Galilei und Einstein kannten die damals etablierten Erklärungen und Denkmodelle genau. Die Subjektivisten haben von den von ihnen kritisierten Theorien keine Ahnung.
  • Der Diskussionsgegner soll sich gefälligst seiner Fehlbarkeit bewußt werden, aber daß die ganze Prämisse falsch sein könnte, mit der der Subjektivist seine Wahrnehmung für bedeutend erklärt, das darf nicht gesagt werden. Wo ist da also die Fehlbarkeit des Subjektivisten geblieben?
  • Das ganze Argument kommt meist zu einer Zeit in der schon aus dem Diskussionsverlauf klar wird daß es um einen pauschalen Maulkorb für den "Techniker" gehen soll. Demnach macht man sich auch gar keine Mühe ihm konkret nachzuweisen wo und warum seine Ansichten unangebracht oder zu selbstsicher sind, sondern es geht um ein pauschales Argument gegen das Selbstbewußtsein im Ganzen. Als solches ist es natürlich absurd: Niemand stellt immer alles in Zweifel, schon gar kein Wissenschaftler. So etwas würde jede konstruktive Arbeit und in der Tat das ganze Leben unmöglich machen. Man geht immer von einer Grundlage aus die man (vorläufig) nicht bezweifelt, auch und gerade die Subjektivisten tun das.
  • Weder Einstein noch Galilei hätten gutgeheißen wenn sie für etwas in Anspruch genommen werden was ihrer eigenen Grundhaltung diametral entgegen steht. Beide haben große Stücke auf die Mathematik als Grundlage der Naturerkenntnis gehalten, und hätten mit Sicherheit nicht ihre eigene Wahrnehmung als Maß der Dinge ausgegeben. Schon Galilei hat in Form des Fernrohrs ein Instrument als "Wahrnehmungsverstärker" benutzt, und hat generell geradezu Pionierarbeit darin geleistet wie man auf der Grundlage mathematischer Theorie Instrumente konstruiert, die einem bei der Naturerkenntnis helfen können. Und bei Einstein ist vollends klar daß die Wahrnehmung beim Begreifen der natürlichen Erscheinungen eher hinderlich ist. Seine Relativitätstheorie und noch mehr die Quantentheorie sind ja geradezu das Gegenteil von "anschaulich" und wären mit absoluter Sicherheit nicht von jemandem gefunden worden der die Wahrnehmung obenan stellt. Einstein ist zudem ein geradezu klassisches Beispiel für einen "Theoretiker". Ihn als Kronzeugen für eine subjektivistische Sichtweise heranzuziehen ist ganz besonders absurd.
  • Die Tatsache daß es ein paar Beispiele in der Vergangenheit gibt wo ein "Außenseiter" tatsächlich recht hatte und das "Establishment" unrecht, ist noch lange kein Argument dafür daß man jeden Außenseiter ernst nehmen müßte. Von 1000 solchen Außenseitern ist bestimmt weniger als einer auch nur einen Pfifferling wert, was seine Ansichten angeht. Ab und zu mag ein Spinner genial sein. Im Allgemeinen ist er einfach ein Spinner. Wenn einer mal kein Spinner ist, und wirklich die besseren Argumente auf seiner Seite hat, dann setzt er sich auch am Ende durch. Galilei und Einstein sind beide dafür ein Beispiel, allen Anfechtungen zum Trotz.
Besonders angetan bin ich von der pseudointellektuellen Belehrung von Dr. Holger Kaletha, weil sie so kompakt das ganze Desaster prägnant verkörpert. Er kriegt es hin in wenigen Sätzen so ziemlich alles falsch zu verstehen was man falsch verstehen kann. Er meint dabei die "Gesinnung" seines Diskussionsgegners offenzulegen und legt noch mehr seine eigene offen. Es lohnt sich das im Einzelnen auseinander zu nehmen. Gerichtet an den Teilnehmer "Scheller" redet er von der Auseinandersetzung Galileo Galileis mit den "traditionalistischen Astronomen seiner Zeit":
"Die Geschichte ist ja bekannt: sie weigerten sich einfach, durch das Fernrohr zu sehen, als Galilei die Jupitermonde erblickte bzw. die "krummen" Planetenbahnen.

Bezeichnend ist die Begründung: Sie brauchten gar nicht durch das Fernrohr zu schauen, weil aus theoretischen Erwägungen sonnenklar sei, daß es sich bei der Wahrnehmung von Galilei nur um eine Sinnestäuschung handeln könne. Ihre Argumentation war so "gut" - immerhin stütze sie sich auf ein Jahrtausend Wissenschaftsgeschichte - daß Galilei ihr rein theoretisch erst mal nichts entgegensetzen konnte. Er war einfach sprachlos. Nur leider (oder besser: Gott sei Dank!) wissen wir: So ideologisch überzeugend die wissenschaftliche Argumentation gegenüber Galilei war, so war sie doch schlicht und einfach im Irrtum: Galileis Wahrnehmung, und nicht die ideologische Konstruktion, hatte recht!"
Hier biegt er sich schon die Geschichte nach seinem Gusto zurecht. Die "Ideologie" funktioniert auch bei Kaletha, nicht nur bei Anderen.

Bei etwas nüchterner Betrachtung sieht die Situation etwas differenzierter aus. Zum Einen ist die historische Situation bei Galilei beileibe nicht so schwarzweiß wie von Kaletha dargestellt, zum Anderen paßt der implizierte Vorwurf nicht die Bohne auf Scheller.

Gerade Scheller hat durch das "Fernrohr" um das es dort geht mit Sicherheit öfter und intensiver geschaut als Kaletha selbst. Und nicht nur das, er hat das "Fernrohr" auseinander genommen und versucht es zu verstehen. Er ist gerade nicht der Theoretiker der sein Wissen auf der Couch oder am Schreibtisch gewinnt, sondern der Experimentator der das was er wissen will auch ausprobiert. Beide Teilnehmer sind lange und oft genug in diesem Forum in Diskussionen aufeinander getroffen daß das eigentlich klar sein müßte. Der implizierte Vorwurf von Kaletha ist daher eine reine Unverschämtheit. Da hält sich jemand aufgrund eines einzigen laienhaften Versuchs für überlegen, und meint einen ausgewiesenen Praktiker mit einem Vielfachen an Erfahrungen als engstirnigen Theoretiker darstellen zu können, der sich aus Angst vor Erkenntnis weigert "durch's Fernrohr zu blicken".

Galilei's Zeitgenossen haben sich auch keineswegs geweigert durch's Fernrohr zu blicken. Die meisten haben es tatsächlich getan. Am ehesten trifft der Vorwurf vielleicht auf Giulio Libri zu, einen betagten Professor der tatsächlich aus Gründen der Logik gegen die Jupitermonde argumentierte, und auf ein paar Philosophen in Padua. Mehr als zwanzig Professoren ließen sich aber im Hause von Galilei's Konkurrenten Magini die Sache vorführen und blickten durch's Fernrohr, waren dadurch allerdings nicht zu überzeugen. Das kann zwar dadurch erklärt werden daß sie es auch nicht sehen wollten, vielleicht war ihnen die Sache aber auch tatsächlich noch zu unklar. Man braucht kein Hellseher zu sein um anzunehmen daß die Sicht durch das Fernrohr nicht gerade deutlich war, jedenfalls nicht zu vergleichen mit dem was man mit heutigen Mitteln sehen würde. Zudem sind die wenigsten mit den Himmelskörpern genug vertraut. Galilei selbst schreibt:
"In Pisa, Florenz, Bologna, Venedig und in Padua haben sehr viele durch mein Fernrohr gesehen, aber sie alle schweigen und zögern, denn die meisten sind nicht imstande, den Jupiter oder Mars, sogar kaum den Mond als Planeten zu unterscheiden."
Was man sich ebenfalls klar machen muß ist, daß damals die "moderne" Art, Wissenschaft zu betreiben erst im Entstehen war, gerade auch durch Galilei, nämlich daß es dabei auf die Beobachtung der Natur ankommt, mit deren Hilfe man Theorien verifizieren oder falsifizieren kann. Die ältere Ansicht daß man zu seinen Erkenntnissen durch Anwendung von logischen und philosophischen Überlegungen kommt war zu dieser Zeit beileibe noch nicht ausgemustert, und der Professor Libri verkörpert diese Auffassung. Welche Auffassung die richtige sein würde war zu dieser Zeit noch nicht entschieden. Aus der heutigen Sicht ist es leicht ein Urteil zu fällen, aber fair wäre das nicht.

Schließlich ist es auch falsch zu glauben, Galileis Erkenntnisse würden zuvorderst auf seiner sinnlichen Wahrnehmung fußen. Das tun sie genau nicht, und zwar obwohl er die Jupitermonde sinnlich wahrgenommen hat beim Blick durch's Fernrohr. Er hat im Gegenteil die Hoffnung gehabt daß er die Anderen durch diese sinnliche Erfahrung würde überzeugen können. Die Idee daß die Sonne und nicht die Erde den Mittelpunkt darstellt, um den sich die Planeten drehen, war schließlich schon vorher bekannt. Was Galilei entdeckte war "bloß" ein ziemlich schlagender Beweis für dieses heliozentrische Weltbild, oder genauer gesagt einer gegen das geozentrische Weltbild. Die neue Theorie stammt also gar nicht von ihm, er kannte sie vor seiner Entdeckung der Jupitermonde. Die Idee des heliozentrischen Weltbildes stammt ja aus der Antike, auch Kopernikus war nicht der erste.

Galilei jedenfalls hat dem heliozentrischen Weltbild mindestens zehn Jahre vor seiner Entdeckung der Jupitermonde zugeneigt. Die Theorie war also auch in seinem Kopf lange vor der Bestätigung durch das Fernrohr vorhanden, und als er die Jupitermonde entdeckt hatte war ihm natürlich sofort klar welche Bedeutung das für die schwelende Konkurrenz der kosmologischen Weltbilder hatte. Daraus dürfte klar sein daß seine Wahrnehmungen nicht die Ursache für seine Theorien sein können, sondern daß im Gegenteil die Theorien die Voraussetzung dafür waren daß die gemachten Beobachtungen auch richtig interpretiert werden konnten. Es ist also nicht so daß Galilei's Wahrnehmung recht hatte, sondern daß seine (bzw. Kopernikus') Theorie recht hatte. Galilei's Wahrnehmung ohne die "Verstärkung" des Fernrohrs war die gleiche wie die von allen Anderen, und die zeigte daß sich die Himmelskörper um die Erde drehen. Kalethas Ideologie verdreht diesen Sachverhalt in sein Gegenteil.

Was auch gleich durch ein glattes Falschzitat von ihm untermauert wird:
"Würde und hätte - wenn meine "Wahrnehmung" wahr wäre, dann droht der "Supergau" technischen Wissens! Aha! Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor: Genau wie bei den Gegenspielern Galileis. Die Angst vor dem Supergau gab es auch dort, nämlich daß durch die unschuldige Wahrnehmung Galileis das ganze heleozentrische Weltbild zusammenzustürzen drohte."
Scheller hat keineswegs vom "Supergau technischen Wissens" geredet. Das erfindet Kaletha dazu. Wenn Scheller vom Supergau geredet hat dann ging es ihm offenbar darum , klarzustellen daß technischerseits schon extreme Fehler passiert sein müssen wenn der akustische Effekt so deutlich sein soll wie beschrieben. Dann muß der Auslesevorgang des CD-Spielers so gut wie zusammengebrochen sein. Es geht Scheller um die technische Funktion des Gerätes, nicht um das technische Wissen. Das Stichwort reicht aber um bei Kaletha den Gaul durchgehen zu lassen.
"Die zweite Parallele in Deiner Argumentation: Ich verstehe nichts von Audio-Technologie. Wenn das der Fall wäre, dann würde ich ja sehen, daß das alles nur Sinnestäuschung ist. Auch das war exakt die Argumentationsstrategie von Galileis Widersachern."
Nein, war es nicht. Ich wüßte nicht daß irgend jemand Galilei vorgeworfen hätte er verstünde nichts von Himmelsmechanik. Das wäre auch lächerlich gewesen angesichts der Tatsache daß er mit den klassischen Ansichten dazu sehr wohl im Detail vertraut war. Es ist deswegen eben keine Parallele, sondern ein Gegensatz zu Galilei: Kaletha versteht tatsächlich nichts von Audio-Technolgie.
"Aus rein theoretischen Erwägungen heraus wurde ein Sinneseindruck einfach a priori als Täuschung wegerklärt. Das ist natürlich sehr beruhigend für jede Theorie, eine perfekte Immunisierungsstrategie gegenüber der Wahrnehmung der Realität. Die Theorie schottet sich so nämlich schön ab: Jede mögliche Quelle des Zweifels ist verstopft: Die Erfahrung hat nichts mehr zu melden, wenn sie mit theoretischen Argumenten gleichsam "totgeschlagen" wird. Genau dieser Immunisierungsstrategie bedienen sich die technokratisch denkenden Ideologen hier so gerne im Forum. Man wird gleich überfallen mit einem Wust von technischen Erklärungen, daß angeblich nicht ist, was nicht sein kann und nicht sein darf! Von wegen Aufklärung - das ist wirklich ein krasser Widertspruch von Anspruch und Wirklichkeit. "
Der eine oder andere Galilei-Gegner befleißigte sich mit Sicherheit dieser Immunisierungsstrategie, aber den Kern des Problems stellt das dennoch nicht dar. Es ging um eine grundsätzliche Auseinandersetzung darum woher eigentlich Erkenntnis kommt, und welche relative Wichtigkeit dabei der Logik und der philosophischen Überlegung zukommt, und welcher der systematischen Beobachtung der Naturphänomene. Das ist eine eine Frage die an der Wurzel der Wissenschaft sitzt. Ihre Antwort hängt letztlich damit zusammen wie man die größeren Erfolge erzielt, und die wirklich durchschlagenden Erfolge wurden erst nach Galilei erzielt, so daß man zu seinen Lebzeiten noch nicht wissen konnte wie diese Sache ausgehen würde. Galileis Gegner waren nicht einfach engstirnig. Sie aus der heutigen Sicht summarisch in diese Ecke zu stellen ist unfair, auch wenn es durchaus Beispiele für krasse Engstirnigkeit dabei gibt.

Die Wahrnehmung bzw. die Sinneseindrücke als Quelle der Erkenntnis hätten aber keine der beiden Seiten nach vorne gestellt, deswegen ist die Argumentation von Kaletha völlig neben der Spur. Er projiziert seine eigene Ideologie in einen Sachverhalt hinein der völlig andere Inhalte hat.
"Tut mir leid: Mit dieser Haltung bist Du noch nicht in der Moderne angekommen, die eigentlich in der Einsicht besteht, daß Theorien und Ideologien an der Erfahrung zu messen sind und nicht umgekehrt."
Abgesehen davon daß der Vorwurf an Scheller völlig verfehlt ist, wird doch klar daß Kaletha selbst noch nicht da angekommen ist wo er sich anscheinend sieht. Er verwechselt zum Einen seine Wahrnehmung mit Erfahrung, und zum Anderen versäumt er es, sich klar zu machen daß man eine Theorie nur an etwas messen kann wenn man sie auch kennt.
"Den Einwand der sachlichen Inkomptenz gebe ich gerne zurück. Du hast auch nicht den blassesten Schimmer von Psychologie. Die Wahrnehmung zu verdächtigen ist sehr leicht - aber dafür muß man erst einmal Gründe vorlegen die in der Wahrnehmung selbst liegen und nicht anderswo. Wahrnehmungstäuschungen haben ihre Gesetzmäßigkeit. Welche konkrete Täuschung, die Du mir unterstellst, kommt denn hier in Frage, etwa dafür, daß die Chassis der jbl übersteuern, wie ich geschrieben habe. Meine Beschreibung ist äußerst differenziert - jeder Psychologe vom Fach wird Dir sagen, daß "illusionäre" Erlebnisse eine ziemlich stereotype Struktur haben. Im Grunde hast Du gar keine Einwände vorzubringen - sondern reproduzierst nur Deine Ideologie, Dein "Fachwissen" technischer Natur. Man kann natürlich auch mit Scheuklappen durch die Welt gehen und sich sehr wohl dabei fühlen!"
Man braucht kein Psychologie-Diplom zu haben um beurteilen zu können wann eine Wahrnehmung real ist und wann nicht. Dafür reicht oft genug eine Prise gesunder Menschenverstand, sogar eine detailliertere technische Kompetenz braucht es dazu oftmals nicht. Daß "illusionäre Erlebnisse" eine stereotype Struktur haben ist mir allerdings auch schon aufgefallen. Damit habe ich meinen Bullshit-Detektor trainiert. Diese stereotype Struktur ist in Kalethas Beitrag deutlich zu merken, finde ich. Er scheint das bloß selber nicht zu sehen.
"Ich wiederhole mich nochmals: Die Technik bzw. das technische Wissen zeigt sich nur dann stark, wenn es nicht vorgibt, im voraus alles wissen und zu kennen, sondern sich erst mal bemüht, nach einer möglichen Erklärung zu suchen in einem Fall, den es nicht versteht. Wissen, das sich gegenüber der möglichen Falsifikation durch die Wahrnehmung mit einem Theoriekorsett abschottet, ist nicht vernünftig, sondern hochmütig ideologisch. Und Hochmut kommt schließlich irgendwann mal vor den Fall - siehe Galilei!"
Das Problem besteht ja - wie so oft - nicht darin, daß "wir" (in diesem Fall mindestens mal Scheller und ich) nicht verstünden was in diesem Fall Sache ist. Wir haben ja mehr als genug mögliche Erklärungen. Wir werden in solchen Fällen immer als ratlos dargestellt, dabei akzeptiert man bloß unsere Erklärungen nicht. Man braucht die Erklärung nicht umständlich zu suchen, denn sie liegt auf der Hand! Und vor der Falsifikation durch Wahrnehmung schotten nicht wir uns ab, sondern die Subjektivisten, und zwar durch ein Ideologiekorsett das kein bißchen weniger theoretisch ist als das was man uns vorwirft.

Diese Argumentationsmuster scheinen abrufbereit in vielen Subjektivisten vorhanden zu sein, und wenn eine passende Situation kommt, dann kommen sie impulsiv zum Vorschein wie in diesem Fall bei Kaletha. Manchmal kann ich das locker nehmen. Wenn es aber mit einem intellektualistischen Duktus daher kommt widert es mich an. Leider ist das genau bei diesem Argument oft der Fall.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Sicherung durchgebrannt

Mich haben ja bekanntlich schon mehrfach die Methoden beschäftigt wie durch Messungen (oder den Anschein davon) versucht wird, dem Leser eine audiophile "Wahrheit" näherzubringen, oder wie solche Messungen dazu benutzt werden den Skeptikern eins überzubraten. Da gab's z.B. die Messungen an den Bybee Klangbonbons im Studiomagazin, die Verstärkerklang-Messungen in der Stereoplay, und damit zusammenhängend einen Artikel über den Betrug mit Messungen. Letzteren Artikel scheint sich die Firma Gecom Technologies zu Eigen gemacht zu haben. Der skandalöse Bybee-Meßbericht von Gecom-Inhaber Stephan Goetze im Studio-Magazin, den ich ja schon damals ausführlich kritisiert hatte, war ganz offensichtlich kein Ausreißer. Die Sache hat System. Gecom scheint zur Standardadresse für Scharlatane zu werden, die ein meßtechnisches Deckmäntelchen haben wollen. Ich frage mich ob so etwas genug Geld einbringt um dafür seinen Ruf zu ruinieren.

Seit der Bybee-Geschichte ist Gecom nämlich in mindestens zwei weiteren Angelegenheiten mit "Meßberichten" aktiv geworden, beidesmal offenbar im Auftrag der Berliner Firma Hifi-Tuning, die die Ergebnisberichte auch auf ihrer Webseite zum Download bereit hält. Der erste Bericht dreht sich um CD-Entmagnetisierer, der Zweite um Feinsicherungen. Beide bleiben ganz in der Tradition des Bybee-Berichts. Irrelevante Messungen werden ohne stichhaltige Begründung (oder mit haarsträubender Begründung) für deutliche Klangeffekte verantwortlich gemacht. Zusammenhänge werden so unterstellt oder postuliert, die völlig an den Haaren herbei gezogen sind, und die dokumentierten Meßreihen sollen offenbar den Eindruck erwecken als hätte das alles Hand und Fuß. Das Ganze ist derart unseriös daß ich an des Herrn Goetze's Stelle Schiß hätte daß das Hauptgeschäft der Firma darunter leidet.

Es geht schon damit los daß die Berichte mehr oder weniger offen als Kalibrier-Dokument vorgestellt werden. Beim CD-Entmagnetisierer-Bericht ist das ganz explizit, beim Feinsicherungs-Dokument eher dezent. Von einer Kalibrierung kann beidesmal nicht die Rede sein. Kalibriert werden Meßgeräte, und nicht Sicherungen oder Entmagnetisierer. Kalibrieren sieht für den Laien natürlich besonders fundiert und "amtlich" aus, deswegen denke ich daß das nicht aus Versehen so gemacht wurde. Es ist aber sehr bedenklich wenn Goetze bereit ist seinen Namen für diese Täuschung herzugeben.

Das Dokument über die CD-Entmagnetisierer ist ein meßtechnischer Vergleich von drei verschiedenen Produkten, von denen eines von Hifi-Tuning vertrieben wird und nicht ganz überraschenderweise "gewinnt". Was dabei gemessen wird zeigt alles andere als die Wirksamkeit der Produkte, aber das wird nach allen Regeln der Kunst verschleiert. Diese Geräte tun offenbar nichts Anderes als die Entmagnetisierdrosseln, die man früher zur Behandlung von Tonköpfen benutzt hat. Bloß die Bauform ist anders. Entsprechend wird ein Magnetfeld mit der Netzfrequenz erzeugt, und das kann man natürlich auch messen.

Man sieht das über mehrere Seiten hinweg auch dargestellt, als ob es irgendwie besonders relevant wäre. Die Oberwellen im entstehenden Magnetfeld werden analysiert, und nebenbei merkt man mal wieder daß der Autor grobe Schnitzer in der Interpretation von Meßergebnissen macht, die starke Zweifel an seiner Qualifikation nähren. So interpretiert er z.B. auf einem Spektrumanalysator-Bild die Fläche unter der Kurve als Maß für die Gesamtenergie, was bei der logarithmischen Darstellung eines Spektrumanalysators völliger Unsinn ist.

Da eine CD nicht aus magnetisierbarem Material besteht ist das natürlich alles völlig irrelevant, denn daß die Geräte ein magnetisches Wechselfeld erzeugen wird kaum jemand bezweifeln wollen, und daß das Feld zwischen den Geräten unterschiedlich sein wird wohl auch nicht. Also wird auch eine Messung gemacht in der angeblich vor und nach der Behandlung einer CD das magnetische Feld der CD selbst gemessen wird. Zum Einen ist diese Messung ausgesprochen dubios, denn es ist z.B. unklar wie das Erdmagnetfeld ausgeklammert wird. Zum Anderen zeigt das Ergebnis die Irrelevanz der ganzen Sache, denn ein CD-Spieler ist schon durch seinen eigenen Trafo, und generell durch die Umgebung im Wohnzimmer, weitaus größeren Magnetfeldern ausgesetzt als es nach dieser (zweifelhaften) Messung von der CD kommen könnte.

Dieses Argument fällt dem Autor natürlich nicht ein. Es gibt auch kein Wort eines Kommentars zu den nichtmagnetischen CDs, der Autor tut so als verstünde sich die Sinnhaftigkeit der Entmagnetisierung von selbst. Stattdessen (wir kennen das ja schon von der Bybee-Geschichte) gibt's noch den Hinweis auf einen Hörtest, der die "Wirkung" bestätigt. Zu den Einzelheiten des Hörtests natürlich kein Wort.

Bei den Sicherungen sieht's nicht viel anders aus. Mehrere Seiten Tabellen über die Messung des Gleichstromwiderstandes der Sicherungen kommen völlig ohne Diskussion ob und inwiefern diese Meßwerte in einer konkreten Situation überhaupt relevant sind. Man erweckt den Eindruck als wäre es umso besser je geringer dieser Widerstand ist. Das kann man aber bloß beurteilen wenn man weiß in welcher Schaltungsumgebung die Sicherung eingesetzt werden soll. In der Regel ist das in der Stromversorgung, z.B. in der Primärwicklung eines Netztrafos. Gerade da ist der Einfluß aber völlig vernachlässigbar.

Der Brüller ist aber, daß der Widerstand getrennt für die beiden "Laufrichtungen" gemessen wird, und der Autor entblödet sich nicht die Unterschiede auf die Zugrichtung des Drahtes zurückzuführen. Bei der Größenordnung dieser Unterschiede ist aber klar daß schon die Reproduzierbarkeit der Messung schlechter sein muß, wir reden hier von ein paar Millionstel eines Ohms. Kontaktwiderstände eines Sicherungshalters sind weit größer. Dem Autor feht offenbar jede realistische Einschätzung der Lage und der Relevanz seiner Messungen. Das wird noch unterstrichen bei den Messungen mit einem Impedanz-Analysator, der mit Wechselstrom mißt. Auch hier weist der Autor darauf hin daß es unterschiedliche Ergebnisse bei beiden "Laufrichtungen" gegeben hat. Wenn es einen Punkt gibt, wo man den völligen Unverstand am deutlichsten sieht, dann hier.

Die Rauschmessungen sind ebenso daneben. Man kann zwar dadurch feststellen ob und in welchem Ausmaß ein Stromrauschen auftritt, das über das thermische Rauschen hinaus geht, aber über die Auswirkungen auf das Gerät in dem die Sicherung sitzt ist dadurch nichts gesagt. Eine nachvollziehbare Argumentation über den Zusammenhang fehlt völlig. Der Autor tut wieder so als verstünde sich das von selbst, dabei ist das Gegenteil der Fall. Genauso bei der Thermospannung, die ist ebenfalls in der Praxis irrelevant, denn es handelt sich um eine Gleichspannung, und ähnliche Thermospannungen treten an vielen Stellen im Gerät auf ohne daß es eine Auswirkung hätte (wir reden von Mikrovolt hier).

Also das gleiche Bild erneut: Zwischen den Meßwerten und der behaupteten Wirkung ist der Zusammenhang eine bloße Unterstellung, die nirgends nachgewiesen wird. Stattdessen tut man alles um dem Leser den Zusammenhang implizit nahezulegen, und schreckt dabei nicht vor einer völlig unsinnigen Interpretation der Messwerte zurück.

Beim Dokument über die Sicherungs-Messungen ist noch bemerkenswert daß ein Textabschnitt eingefügt ist, in dem anscheinend die Firma Hifi-Tuning "spricht" und nicht Gecom. Das wird aber nicht klar gemacht, es ergibt sich eher aus dem Zusammenhang und aus dem verwendeten Textfont. Es wird also zusätzlich noch verschleiert wer hier was behauptet. Die Trennung zwischen Auftraggeber und Meßlabor verschwimmt.

Ich muß sagen daß das alles einen verheerenden Eindruck bei mir hinterläßt. Hier werden alle Prinzipien seriösen Arbeitens geradezu mit Füßen getreten. Mit solchen Beispielen seiner Arbeit gibt sich Stephan Goetze der Lächerlichkeit preis. Da muß der audiophile Wahn eine Sicherung zum Durchbrennen gebracht haben.

Montag, 4. Oktober 2010

Die neuen Leiden des jungen High-End-Herstellers

In den letzten Jahren hat immer wieder mal einer der kleineren Audio-Hersteller aus der Profi-Ecke angefangen sich im "High-End"-Audio-Bereich zu engagieren. Ich finde das "interessant". Wissen die Leute auf was sie sich da einlassen? Sind sie auf die "Kundschaft" vorbereitet die sie erwartet?

Auf den ersten Blick sieht so ein Schritt ja durchaus logisch und folgerichtig aus. Man hat sich im Profibereich einen gewissen Namen erarbeitet, kennt sich mit seiner Technik aus, und es scheint im hochpreisigen Consumer-Bereich Leute zu geben die Qualität zu schätzen wissen und dafür auch ein paar Euro mehr auszugeben bereit sind. Jetzt muß man nur noch seine Technik in ein Gehäuse verpacken das sich auch im Wohnzimmer gut macht und nicht bloß im Technikraum eines Studios. Guter Plan, oder?

Solche Gedanken scheinen sich im deutschsprachigen Raum z.B. Daniel Weiss gemacht zu haben, und danach Fried Reim. Bestimmt auch Thomas Funk, aber der hält sich bislang (un-) auffällig zurück. Bei allen dreien ist der Leumund natürlich völlig unzweifelhaft, ganz im Gegensatz zu einigen von vorn herein auf den High-End-Bereich zielenden Gesellen. Umso spannender ist es sich anzusehen wie sie sich "am anderen Ufer" behaupten.

Die Pro-Audio-Kunden sind auch nicht immer die kompletten Durchblicker, aber als Pro-Audio-Hersteller ist man nicht unbedingt vorbereitet auf den Typ von Kundschaft den man im High-End-Bereich vorfindet. Ich habe für die betroffenen Hersteller großes Mitgefühl, und gleichzeitig große Neugier wie sie diese Herausforderung meistern. Unter anderem interessiert mich dabei auch wie sie auf die Erkenntnis reagieren daß das Geld in diesem Bereich eventuell nicht ganz so einfach verdient ist wie man es sich vielleicht vorstellen würde. Man kann zwar ordentliche Preise verlangen und ordentliche Margen erzielen, aber man muß dafür auch all die Vollpfosten ertragen können die sich für gescheiter halten als man selbst. Tricky.

Sehen wir uns mal an einem schon etwas älteren Beispiel aus dem Hifi-Forum an wie das so ablaufen kann. "Betroffener" ist in diesem Fall Fried Reim als Vertreter seiner Marke "Violectric", was auch deswegen ein interessantes Beispiel abgibt weil er in betreffendem Thread unter dem Nick "fdg" selbst schreibt.

Die Story in Stichworten: Violectric hat einen neuen D/A-Wandler vorgestellt, und im Forum berichtet einer der ersten Kunden über seinen Test des neuen Geräts. Der fällt nicht gerade positiv aus, denn der Tester hört keinen Unterschied zum eingebauten Wandler seines CD-Spielers. Das und die sich daran anschließende Diskussion illustriert ganz gut mit welcher "Meute", mit welcher Erwartungshaltung und mit welcher "Fachkompetenz" man es hier zu tun hat.

Der gerade für einen Pro-Audio-Entwickler mit einem gerüttelten Maß an Sachverstand befremdliche erste Punkt ist diese interessante Erwartungshaltung, daß ein D/A-Wandler irgendwie "anders" klingen müsse. Für mich und offenbar auch Fried wäre das erst einmal eine beruhigende Nachricht. Das Vergleichsgerät wurde anscheinend ebenfalls kompetent entwickelt, und der Vergleich findet auf einem hohen Niveau statt. Bloß daß der Tester das ganz anders sieht. Daß er für Null Klangunterschied kein neues Gerät kaufen wird und somit als Kunde ausfällt ist ja noch nachvollziehbar, wenigstens wenn sein Motiv für einen CD-Wandler-Kauf darin besteht seinen CD-Spieler "aufzupeppen", aber warum zieht er daraus nicht einfach den Schluß daß sein CD-Spieler auch mit dem internen Wandler schon auf einem hohen Niveau spielt?

Stattdessen scheint festzustehen daß der CD-Spieler-Wandler nicht viel taugt und demzufolge der neue D/A-Wandler ebensowenig taugen kann. Das ist die audiophile Erwartungshaltung und gleichzeitig der audiophile Selbstzweifel: Was ich momentan habe ist sicher suboptimal, ich brauche was besseres, und das muß einen merklichen Unterschied machen. Das Problem ist bloß: Je besser die Geräte werden, desto gleicher klingen sie. So jedenfalls sieht's ein "Profi". Der Audiophile sieht's gerade andersrum: Je besser die Geräte werden desto verschiedener klingen sie. Die Anlage wird "hochauflösender", deckt mehr Unterschiede auf, so sieht er das. In Wirklichkeit geht die Qualität so bergab, den nur bergab kann es zu immer deutlicher wahrnehmbaren Unterschieden kommen.

Die Frustration des Entwicklers ist in so einem Szenario greifbar: Er ist überzeugt ein gutes Produkt gemacht zu haben, und dann schreibt ein audiophiler Tester einen Bericht der (zumindest in den Augen des Entwicklers) darauf hinausläuft daß das Gerät leider nicht schlecht genug ist. Man steht schlecht da, obwohl man nichts falsch gemacht hat. Falsch im Kontext der eigenen Qualitätsvorstellung jedenfalls. Wieso kneift man für solche Dilettanten dann eigentlich den Arsch zusammen und gibt sich Mühe? Man könnte problemlos einen Ramsch zusammenlöten, der jede Regel ordentlicher Ingenieursarbeit mit Füßen tritt, und die Leute hätten ein Gerät das tatsächlich unterschiedlich klingt. Nämlich grottenfalsch. Und sie würden es feiern. Wie z.B. die NOS-Wandler.

Und es geht weiter: Mit audiophilem Gespür findet der Tester die entscheidende Achillesferse des Gerätes, nämlich daß es eine digitale Lautstärkeregelung besitzt. Da würde ja der Datenstrom "beschnitten". Das passiert genau genommen im D/A-Wandler-Chip selbst, und der Einwand zeigt wie es um den Sachverstand des Testers bestellt ist. Im D/A-Wandler werkelt ein Digitalfilter, das bestimmt hunderte von Rechenoperationen am Audiosignal ausführt bevor es ins Analoge gewandelt wird. Die eine Rechenoperation für die Lautstärke (eine Multiplikation) ist aber was anderes, die macht angeblich den Unterschied, und der High-End-Status des Gerätes ist damit futsch.

Man wäre ja sogar als sachverständiger Dritter geneigt, dem Gesellen den berühmten Rat von Dieter Nuhr anzuempfehlen, wieviel mehr muß es da den Hersteller selbst drängen, um dessen "Baby" es schließlich geht. Aber gerade als Hersteller muß man zum üblen Spiel ja gute Miene machen, wie würde das aussehen wenn man die potenzielle Kundschaft abbürstet, so sehr sie das auch verdient hätte?

Drum finde ich daß die Geräte recht teuer sein müssen. Schließlich muß die Rechnung des Psychiaters, den man in ein paar Jahren braucht, davon mit abgedeckt sein. Nicht blöde finde ich die Strategie von Daniel Weiss. Der macht seine Geräte derart heftig teuer daß damit auch diejenigen "Kunden" abgeschreckt sind wie die Leute in diesem Hifi-Forum-Thread. Das spart Nerven. Wer sich ein Weiss-Gerät zum Ausprobieren stellen läßt wird sich hinterher wohl kaum einen 50€ China-Bausatz anschaffen und dann die Schmach dadurch kompensieren daß er das Ding mit aller Kraft in den Foren hypt.

Freitag, 3. September 2010

Für's Auge oder für den Arsch?

Als ich dieses Jahr kurz die High-End Messe in München besuchte, ist mir beim Anblick so mancher Lautsprecherkonstruktion eingefallen, wie ich vor Jahren in London im Design-Museum eine Ausstellung über Stühle gesehen hatte. Der Stuhl scheint für Designer eine besondere Herausforderung zu bergen, denn Stühle haben auch Leute entworfen die sonst ganz andere Dinge tun, z.B. Architekten.

Ich habe da gar nichts dagegen, aber als pragmatischer Mensch komme ich nicht umhin zu bemerken, daß doch etliche dieser Konstruktionen zum Sitzen kaum geeignet sind. Es stellt sich die Frage wofür diese Exemplare eigentlich da sind: Für's Auge oder für den Arsch?

Für einen Pragmatiker ist der Daseinszweck des Stuhls selbstverständlich in der menschlichen Anatomie begründet, und muß dazu passen. So wie der Hut auf den Kopf und der Schuh an den Fuß passen muß, so muß der Stuhl zum Hintern passen, sonst hat der Designer Mist gebaut. Besondere Designerkunst vermag es, ohne Abstriche an der Sitzqualität auch eine schöne und ästhetische Optik zu erreichen. Das ist für mich ohnehin das große Ziel und der Maßstab für gutes Design: Wenn das Produkt seinem Zweck so gut angepaßt ist daß es sich wie selbstverständlich zusammenfügt und umstandslos "funktioniert", und dabei auch noch schön aussieht. Etwas das "nur" schön aussieht, aber ansonsten unbrauchbar ist, begeistert mich dagegen sehr selten.

Es folgt daraus daß der Designer zwar durchaus etwas von Ästhetik verstehen muß, daß es aber noch weitaus wichtiger ist wenn er etwas von der Anwendung und Funktion des Produktes versteht. Wer einen Stuhl designen will muß zuerst etwas vom Arsch verstehen und dann vom Auge. Wer bloß etwas vom Auge versteht sollte nicht versuchen, mir einen Stuhl zu machen.

Warum bin ich darauf beim Besuch der High-End gekommen?

Nun, mir sind dort ein paar Lautsprecherkonstruktionen ins Auge gefallen bei denen ich zwar den designerischen Wunsch zur Extravaganz klar erkennen konnte, die aber eindeutig nicht von ihrem eigentlichen Zweck her entwickelt sein können. Es sind ganz offensichtlich Designerstücke, die in erster Linie ein auffälliges Möbelstück oder Accessoire in einer Wohnung sein sollen, und die zur Not auch noch musikähnliche Geräusche von sich geben können.

Das wäre in Ordnung wenn solche Konstruktionen nicht auch noch mit überragenden Klangeigenschaften beworben würden. Die können sie nämlich schwerlich haben. Nicht daß es unmöglich wäre, aber die Voraussetzungen dafür sind einfach außerordentlich schlecht.

So gab es z.B. Lautsprecher zu sehen, die wie eine steile Pyramide geformt waren, an deren Spitze ein frei aufgehängter Hochtöner senkrecht auf eine Kugel gestrahlt hat, die wiederum den Schall des Hochtöners in alle Richtungen reflektiert hat. In der Pyramidenbasis fand man einen relativ bescheidenen Tief-Mitteltöner. Das Produkt kostet nichtsdestotrotz - ganz Designerware - ein Vielfaches dessen was der recht übersichtliche Materialaufwand erwarten ließe.

So wie ein Stuhldesigner, der keine Ahnung von menschlicher Sitzanatomie hat, so kann der Designer hier kein Verständnis von akustischen Gegebenheiten gehabt haben. Oder er hat sich entschlossen, diese Gegebenheiten im Interesse der Optik völlig zu ignorieren.

Wozu soll es z.B. gut sein, den Hochtöner in alle Richtungen strahlen zu lassen? Die wenigsten Leute werden den Lautsprecher in die Raummitte stellen wollen, und die Zuhörer drum herum sitzen lassen. Immerhin, so bräuchte man bloß einen Lautsprecher und könnte die Kosten für einen zweiten sparen. Wenn man den Lautsprecher aber in die Nähe einer Wand stellt, dann bekommt man unweigerlich Probleme mit reflektiertem Schall, der dem Klangbild im günstigsten Fall etwas gefühlte Räumlichkeit verschaffen kann, aber eher dazu beiträgt daß die Ortung verschwimmt und ein Klangbrei entsteht. Wenn man aber die Wand bedämpft um den reflektierten Schall einzudämmen, dann absorbiert man drei Viertel des Schalls der vorher in alle Richtungen abgestrahlt wurde. Mit anderen Worten: Den Löwenanteil des abgestrahlten Schalls muß man eliminieren, was den Wirkungsgrad in den Keller treibt und zusätzliche Kosten für raumakustische Maßnahmen bringt. Man fragt sich was es bringen soll, Schall in Richtungen abzustrahlen die einem bloß Ärger bringen?

Wäre es da nicht besser wenn man diese Konstruktion als Funktionsmöbel für Innenarchitekten verkaufen würde, deren hauptsächliches Interesse nicht dem Klang oder der Musik, sondern dem optischen Erscheinungsbild gilt? Ehrlicher wäre es auf alle Fälle. In ein Design-Museum schafft man es damit vielleicht auch.