Sonntag, 5. Juli 2009

Mysterium CD

Wie alt warst Du als die CD auf den Markt kam? Das war 1982, ich hatte gerade mein Abitur. Etwa genauso alt ist der IBM-PC, von dem die heutigen PCs abstammen. Wenn man sich vor Augen führt welche Fortschritte gerade die Digitaltechnik seither gemacht hat, dann bekommt man ein Gefühl dafür welche Steinzeittechnik die CD aus der heutigen Sicht darstellt. Die Daten auf einer CD passen auf den Bruchteil eines Chips wie er in USB-Sticks oder SD-Kärtchen verbaut ist. Sie sind in wenigen Sekunden über ein Computernetzwerk übertragen. Ein CD-ROM-Laufwerk hat sie in ein paar Minuten ausgelesen, und das Hindernis für noch schnelleres Auslesen ist, daß man die Scheibe nicht noch schneller drehen lassen kann, weil man Unwucht und Zentrifugalkraft sonst nicht mehr beherrscht. Die Technologie ist in jeder Hinsicht überholt.

Genau genommen ist es eine enorme Leistung daß diese Technik so lange durchgehalten hat, und ihr Ende ist noch immer nicht abzusehen. Das ist die absolute Ausnahme, und nicht die Regel. Viele andere Technologien sind in der gleichen Zeit gekommen und wieder verschwunden. Irgend etwas hat man bei der CD richtig gemacht, auch wenn es allmählich so aussieht als würde das Internet ihren Tod einläuten.

Auf den ersten Blick erstaunlich ist es daher, daß es auch noch heute völlig unsinnige Vorstellungen darüber gibt wie die CD und der Abspielvorgang funktioniert. Erstaunlich für diejenigen, die die verqueren Gedankengänge eines High-Enders nicht nachvollziehen können. In Wirklichkeit ist es ganz normal daß ausgerechnet High-Ender mit dem Verständnis hier Probleme haben. Etwas so Erfolgreiches muß Probleme haben, das ist einem High-Ender instinktiv völlig klar. Entsprechend willkommen sind pseudorationale Erklärungen, die solche Bedenken untermauern.

Es ist folglich auch völlig aussichtslos, solche Bedenken mit technischen Erklärungen ausräumen zu wollen. Der High-Ender will die Bedenken nicht ausgeräumt haben, und er legt auch gar keinen Wert auf technisches Verständnis. In seinen Zweifeln schwelgen kann nur derjenige, der von keinerlei technischem Verständnis angekränkelt ist.

Bei der CD ranken sich die audiophilen Bedenken in erster Linie um zwei Themengebiete, und das seit Jahren ohne den geringsten Hauch eines Fortschritts:

Das erste Gebiet ist die Fehlerkorrektur. Dabei geht es um ein digitales Verfahren auf mathematischer Basis, ein Umstand der es dem High-Ender sehr leicht macht mit allen möglichen Vorurteilen daher zu kommen da er davon nichts versteht. Die verbreitete Vorstellung davon ist, daß diese Fehlerkorrektur richtig Arbeit ist, daß also der arme CD-Spieler umso mehr schuften muß je mehr Fehler zu korrigieren sind. Und wie das so ist bei überarbeiteten Leuten, je mehr Streß desto schlechter das Ergebnis. In den Augen des High-Enders sieht es also so aus als müsse man bei der Konstruktion des CD-Spielers bestrebt sein, dem armen Schwein die Arbeit so leicht wie möglich zu machen, indem man die Bits von der Scheibe quasi in Schönschrift ausliest, und so den gestreßten Fehlerkorrektor bei Laune hält.

Eine weitere Erleichterung für audiophile Hirngespinste ist es, daß es neben der Fehlerkorrektur noch ein weiteres nachgelagertes Verfahren gibt, die Interpolation bzw. Fehlerverschleierung, die der High-Ender mit der Fehlerkorrektur zu verwechseln pflegt. Das Geniale an der Interpolation ist, daß sie eigentlich gar nicht nötig wäre, weil sie sowieso nur selten in Aktion tritt und dann auch nur mit bescheidenem Nutzen, daß ihre bloße Existenz aber für das audiophile Gehirn wie ein Eingeständnis der Unvollkommenheit wirkt. In der audiophilen Vorstellung nimmt so nolens volens etwas, das nur als billiger Notnagel für absolute Ausnahmefälle gedacht war, eine zentrale Stellung ein, und man tut so als ginge es dabei um eine ständige Klangbedrohung.

Es wirkt sich hier zusätzlich verstärkend aus, daß man wohlweislich bei der Konstruktion eines CD-Spielers darauf verzichtet, dem Benutzer irgendwelche Möglichkeiten an die Hand zu geben, zu kontrollieren ob die Fehlerkorrektur nun ausgereicht hat oder ob die Interpolation bemüht werden mußte. Das eröffnet das gesamte Spielfeld für die Spekulation, und man kann sich wie immer darauf verlassen, daß der Audiophile keinerlei Anstalten machen würde, den Fakten auf den Grund zu gehen.

Dabei ist das Ganze im Grunde sehr einfach. So lange die Fehlerkorrektur nicht kapituliert, ist das Ergebnis eine 100%ig genaue Kopie des original aufgezeichneten Datenstroms auf der CD. Bit für Bit. Das ist der entscheidende Unterschied der Digitaltechnik zur Analogtechnik. Digitaltechnik erlaubt Fehlerkorrektur, und so lange sie funktioniert funktioniert sie ohne jeden Fehler. So wie 2 + 2 jedesmal 4 ergibt, außer man kann das Gekritzel nicht mehr lesen. Nur wenn die CD in einem zu miesen Zustand ist kommt es so weit daß die Fehlerkorrektur überfordert ist, und nur dann kommt die Interpolation als Notnagel ins Spiel. Es wäre auch nicht viel schlimmer wenn es keine Interpolation gäbe, denn viel ist damit nicht zu gewinnen. Es wurde nur implementiert weil es so gut wie nichts kostet.

Es ist auch nicht so daß das Fehler korrigieren anstrengend wäre für die Elektronik. Der Unterschied fällt gar nicht ins Gewicht, denn die Hauptarbeit ist das Erkennen von Fehlern, und nicht das Korrigieren. Wenn Fehler einmal erkannt sind ist es ein trivialer Schritt, sie zu korrigieren, so wie das Verfahren bei der CD ist. Und die Fehlererkennung muß ohnehin dauernd mitlaufen.

Diese Art der Fehlerkorrektur hat eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, und die mathematische Theorie dahinter gehört zu den Teilen der Mathematik die von enormer praktischer Relevanz sind. Die CD ist da noch der kleinere Teil, viel bedeutender sind die Anwendungen bei Computer-Speichern, wo ein einziger Bitfehler wesentlich üblere Konsequenzen haben kann als bei der CD. Oder beim Datenfunk, einschließlich dem ins Weltall. Auch wenn man nichts davon versteht sollte man vielleicht anerkennen daß ein ganzer Haufen sehr intelligenter Leute ihre Zeit dafür investiert haben und es vielleicht etwas vermessen wäre ihre Ergebnisse summarisch in Zweifel zu ziehen.

Es ist übrigens gar nicht so schwierig zu kontrollieren ob ein CD-Spieler sich gezwungen sah die Interpolation zu bemühen, oder ob die Fehlerkorrektur ausgereicht hat. Zum Einen gibt es bei vielen CD-Spieler-Chips einen entsprechenden Anschluß, auf den man nach dem Entfernen des Gerätedeckels Zugang hat. Zum Anderen kommt diese Information in den allermeisten Fällen als sogenanntes V-Bit am SPDIF-Anschluß raus. Man braucht dafür nur einen passenden Decoder. Für den Laien und den High-Ender ein unüberwindliches Problem, aber für den talentierten Bastler oder den Profi kein ernsthaftes Hindernis. Im Ergebnis kann man sich vergewissern daß die Interpolation ein kraß überschätztes Problem ist.

Das zweite Gebiet der audiophilen Problemspekulation ist der Jitter. Auch hier ist es von großem Vorteil für die High-Ender wenn man keine Sachkenntnis hat. Wiederum ist es hier nämlich leicht, zwei völlig unterschiedliche Probleme miteinander zu verwechseln.

Jitter kann ich hier nicht halbwegs erschöpfend erklären, aber es möge genügen hier zu sagen daß es ein Problem sein kann bei der Wandlung der CD-Daten ins Analoge. Es ist daher wichtig den eigentlichen D/A-Wandler-Chip im CD-Spieler mit einem jitterarmen Takt zu versorgen. Eine audiophile Lieblingsvorstellung ist es dabei, daß das eine sehr schwierige Aufgabe sei, bei der so gut wie Alles im CD-Spieler im Weg ist und eine Rolle spielt, so daß man schon ein Nobelpreisträger sein muß um das gut hinzukriegen.

Mit der Realität hat das allerdings wenig zu tun. Im CD-Spieler ist das sogar recht einfach, denn man kann den Wandlertakt als Taktquelle für das restliche System einsetzen, braucht bloß eine einzige Taktfrequenz zu berücksichtigen, und kann den Taktgenerator in unmittelbarer Nähe des Wandlers unterbringen. Besser kann man's kaum haben. Wer unter diesen Umständen einen schlechten Taktgenerator zustande bringt kann unfähig genannt werden.

Daß man schon mal Probleme mit dem Netzteil kriegen kann, oder mit irgendwelchen Einflüssen aus anderen Schaltungsteilen, ist nicht ausgeschlossen, aber das ist das Brot des Schaltungsentwicklers. Wer darum ein zu großes Brimborium macht erregt nur den Verdacht daß für ihn Alles ein Problem wäre, auch das Triviale.

Ein zweites Feld für Jitter ist das Auslesen der Scheibe selbst. Hier verhindert zu viel Jitter daß man die Bits korrekt voneinander unterscheiden kann. Das spielt sich aber vor der Fehlerkorrektur ab, und das ist von entscheidender Bedeutung. So lange die Fehlerkorrektur damit fertig wird ist der Einfluß von Jitter bei der optischen Abtastung bedeutungslos. Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Jitter bei der optischen Abtastung und dem Jitter am D/A-Wandler. Das sind zwei völlig verschiedene Baustellen.

Unter Audiophilen schließt man dagegen gern aus der Tatsache daß der gleiche Begriff "Jitter" benutzt wird darauf, daß es um das Gleiche ginge. So ist es aber nicht. Ein FIFO-Zwischenspeicher und eine am Füllstand orientierte Regelschleife sorgt für eine weitgehende Entkopplung zwischen diesen zwei Orten, an denen Jitter auftritt. Bei jedem CD-Spieler ist es so, denn das gehört zum Funktionsprinzip.

Genau genommen gibt es daher nur einen Anlaß, sich über den Jitter bei der optischen Abtastung Gedanken zu machen, wenn es Anzeichen dafür gibt daß die Fehlerkorrektur nicht mehr ausreicht. So lange sie ausreicht kann es um die Abtastung nicht zu schlecht bestellt sein, und eventuelle kleinere Unterschiede können sich nicht wirklich auf das Ergebnis der D/A-Wandlung auswirken. Insofern ist die Fehlerkorrektur eine Art Wasserscheide. Nur wenn sie versagt lohnen sich weitere Nachforschungen auf der Abtastseite.

Aber das ist zu einfach für Audiophile. Zu wenig Mysterium. Zu wenig Raum für geheimnisvolle klangschädliche Effekte. Besser ist es daher man weigert sich auch Jahrzehnte nach der Entwicklung der CD noch, ihr Funktionsprinzip zu verstehen.

14 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Aber muss man nicht den unerschütterlichen Glauben und das finanzielle Engagement der Haiender bewundern, die tausende € ausgeben um ihre einzige CD von Sarah K. abzuhören, da alle anderen CDs den Ansprüchen (häufig nicht zu Unrecht) nicht mehr genügen, was die viel wichtigeren Anspekte als die Abspielhardware angeht: die Qualität der Aufnahme und des Masterings?

[IDC]Dragon hat gesagt…

Danke für den Aufsatz, er entspricht auch meinem Verständnis von der Sache.

Bis vor kurzem war ich daher der Meinung, daß CD-Laufwerke am Digitalausgang eigentlich gleich klingen müssen, solange die Interpolation nicht anspringt, und wünschte mir auch schon eine Art V-Counter, danke für die Anregung. Und das FIFO hinter dem Regelkreis sollte ja alles Gewabbel des Laufwerks fernhalten, jegliche Optimierung dort (z.B. Masse, Riemenantrieb, etc) wäre Unsinn. Es wird am Ausgang ja mit dem stabilen Systemtakt ausgelesen.

Ein Test beim befreundeten HighEnder ergab aber ein ganz anderes Bild. Die Laufwerke klangen auch für mich Zweifler tonal hörbar unterschiedlich. Ich glaubte an ein "Sounding" auf digitaler Basis, habe daher am S/PDIF-Ausgang mitgeschnitten, aber die WAVs waren binär identisch.

Als Erklärung bleibt mir derzeit nur der Jitter am Digitalausgang. Seitdem plane ich einen Versuchsaufbau mit einem nachgeschalteten FIFO, um das mal völlig zu entkoppeln. Das FPGA-Board dafür habe ich schon, aber die Zeit fehlt, und meine VHDL-Kenntnisse muß ich noch wiederbeleben...

Anonym hat gesagt…

guter + verständlicher Beitrag, danke.

Es gibt nur ein Mittel zum Musikgenuss.

Man muss sich lösen, von der Vorstellung, das Techniker Deppen sind, und der Versuchung den Kümmel aus dem Käse zu suchen.

CD rein, got to 11 + zurücklehnen

Alex8529

pelmazo hat gesagt…

@[IDC]Dragon:
Wenn identische Digitaldaten am gleichen D/A-Wandler unterschiedlich klingen dann sollte der erste Verdächtige der Wandler sein, denn dessen Taktaufbereitung sollte auch mit unterschiedlich verjitterten Quellen umgehen können.

Bei Digitalverbindungen ohne galvanische Trennung kommt allerdings auch noch der Einfluß einer Brummschleife in Betracht, und das hätte dann mit Jitter nichts zu tun. (Wobei allerdings eine solche Brummschleife unter Umständen auch Jitter verursachen kann.) Hier fließt dann nur der störende Brummstrom "zufällig" über das gleiche (Digital-)Kabel.

Anonym hat gesagt…

passend zum Thema:

http://www.open-end-music.de/vb3/showthread.php?t=1735

mit der Krönung:

"Ich glaube nicht daran, daß in der digitalen Welt es nur Einsen und Nullen gibt."

tja Pelmazo, Du scheinst Dir umsonst die Finger wund zu schreiben, LEIDER....

Alex8529

pelmazo hat gesagt…

Im Gegenteil, es ist als wäre eine Prophezeihung eingetreten, oder meinst Du nicht daß das Diskussionsverhalten der High-Ender dort 100%ig zu meiner Beschreibung paßt? Ich fühle mich eindrucksvoll bestätigt! ;-)

Anonym hat gesagt…

so gesehen stimmt es schon...

Also mach weiter so !

Alex8529

Anonym hat gesagt…

Oh ja weiter so!

Unknown hat gesagt…

lieber P,
mit nicht geringem vergnügen lese ich dein geschreibe. ich finde es erfrischend, dass jemand, der technisch gesehen ahnung zu haben scheint und auch bildungsmäßig über den tellerrand schaut, der abzockerei in diesen bereichen entgegenwirkt - oder wirken möchte. denn ebenso wie bei den enthusiasten auf der einen seite, die deiner meinung nach kaum rationalen argumenten zugänglich sind, kenne ich genug techniker, die ebenso stur darauf beharren, dass das, was sie nicht messen können, auch nicht zu hören ist. radioaktivität konnte man vor hundert jahren auch nicht messen - gut, ich kann sie nicht hören, aber die auswirkungen sind kaum zu leugnen.
ich denke, wichtiger - für mich zumindest - ist einfach, wie relevant ist das, was ich tue oder verändere. d.h., wenn ich musik höre, und ich bin emotional drinnen, spielt es eine rolle, nutzt es dem erleben?
oder bin ich bloß geil darauf, ständig bewiesen zu bekommen, wie toll meine anlage ist, oder höre ich auch zwischendurch musik damit?
was subjektivismus und rationalismus betrifft gehe ich davon aus, dass beides zusammen erst ein ganzes ergibt. wir kranken seit aristoteles - wenn ich jetzt auch einen antiken philosophen ins spiel werfen darf, um meine kompetenz zu demonstrieren, am ENTWEDER-ODER. es ist doch kaum zu leugnen, dass jeder ausnahmslos sich seinen eigene welt erschafft, durch seine ureigenen erfahrungen und damit durch seine einzigartigen verknüpfungen im gehirn das frequenzchaos unserer welt auf ebenso einzigartige weise filtert.
ich für mich wurde im laufe der zeit einfach gelassener, was das weltbild anderer betrifft. es geht mich praktisch nichts an, solange es keine nazis sind, die menschen lynchen etc.
ein letztes noch: ich bin ein naiver spiritueller rationalist - will damit sagen, ich halte prinzipiell alles für möglich, aber wenns nix is, dann isses nix. hab aber kein problem damit, wenns für andere was is. kabel z.b. hab ich gehört, dass durchaus signifikante änderungen stattfinden können, allerdings nicht bei allen geräten - kann sich auch umkehren. hab ich akzeptiert, dann hab ich einen - wie ich als laie finde - sehr guten artikel eines physikers gelesen, der NICHTS mit produktion etc. zu tun hat, der das system ausgang-kabel-eingang für mich verständlich und einleuchtend dargestellt hat. kann ich nicht verifizieren, da ich über zu wenige kenntnisse verfüge, aber nach 40 jahren das erste mal das gefühl, ja, das könnte die ursache sein.
ich fände es schön, wenn in deinem blog, den ich mir mit vergnügen zu gemüte führe, eben nicht nur mit einer manchmal wahrzunehmenden aggression dagegen gewettert wird, sondern im besten sinne aufklärend - eine tradition, der du dich ja verpflichtet zu fühlen scheinst.
aufklärung schließt auch toleranz mit ein.
alex

pelmazo hat gesagt…

Danke Reinhard,

nur ein Wort zu Deinem letzten Satz:

Ich halte mich durchaus für tolerant, aber ich halte das was Andere darunter verstehen für oftmals falsch. Toleranz verstehe ich Sinne Voltaires, aber nicht als eine Form des laissez-faire. Ich sehe z.B. nicht ein warum ich nicht zugleich tolerant sein können soll und in meinen Texten klar Roß und Reiter benennen kann. Ich könnte Dich für einen Idioten halten und das öffentlich zum Ausdruck bringen und trotzdem dafür einstehen daß Du Deine Meinung sowohl haben als auch frei äußern darfst.

Ich habe noch nie versucht Andersdenkende an der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit zu hindern. Aber ich will auch nicht an der Ausübung der meinen gehindert werden.

Anonym hat gesagt…

Zitat: Roß und Reiter benennen kann

Sie haben hier die Möglichkeit bei sich selber damit zu beginnen. Gleiches Recht für alle, dass wäre doch wahrhaftig tolerant.

Unknown hat gesagt…

lieber P,
du kannst natürlich andersdenkende in der regel nicht zum umdenken bewegen - da treten mechanismen in kraft, die unter anderem ja auch du recht gut beschrieben hast.
unter toleranz verstehe ich NICHT, alles laufen zu lassen mit einem gewissen "scheiß drauf - eh wurscht"-feeling, sondern eben eine gelassenere einstellung den meinungen und auch irrtümern anderer gegenüber. emotionale verstrickung kann - wenn auch oftmals kaum wahrnehmbar - den blick und das urteil trüben. aus meiner sicht siehts so aus, dass deine manchmal zwar nicht direkt verletzende, aber doch schärfere gangart für dein anliegen - so es wirklich nur darin besteht, irrtümer zu beseitigen - eher kontraproduktiv ist, da es dich angreifbar macht.
lukrierst du lustgewinn aus auseinandersetzungen, ist das natürlich eine ganz andere sache - dann bist du optimal unterwegs. so aber rennst du bloß offene türen ein bei denen, die deiner meinung sind, und baust die anderen auf.
geht mich nix an in wahrheit, stört mich auch nicht in meinem befinden. ich führ mir deine ergüsse aus 2 gründen zu gemüte: erstens kenn ich kaum jemanden außer georg schramm, der in der lage ist, so prägnant und pointiert zu formulieren, (gepflegte österr. schleimspur), und - wie schon in meinem ersten kommentar erwähnt - schätze ich beiträge von fachleuten - solange sie eben nicht nur dem sturen technikerwahn verfallen sind. ich bin auch nicht ganz dämlich, mach mir auch meine gedanken, informier mich im bescheidenen rahmen über zusammenhänge - aber was ich höre und gehört habe, lass ich mir doch von niemandem ausreden. soviel vertrauen in die eigene wahrnehmung muss sein, sonst macht man sich zum hampelmann. und ich weiß durchaus, dass man niemanden so oft bescheißt wie sich selbst.
allerdings ist unser gehör ein verdammt genialer mechanismus, dessen fähigkeiten auch wissenschaftlich noch nicht ganz erfasst sind. zudem kann man fähigkeiten trainieren - und manche leute leisten erstaunliches.
damit will ich nicht alle elektrotechnischen und -akustischen erkenntnisse vom tisch wischen - ich bin selbst oft froh, wenn ich durch erklärung eines kundigen wieder mal was schnalle, das mir zuvor unverständlich war. aber prinzipiell - physiktheoretisch und systemtheoretisch - ändert sich auch mit dem austausch einer kleinen schraube irgendwo am eck das gesamtsystem. natürlich bin ich nicht so weltfremd, zu glauben, wenn mir jemand weismachen will, er(/sie, um politisch korrekt zu bleiben) könne das hören. aber solange das jemand als private meinung in foren kundtut, find ichs der aufregung nicht wert. wenn jemand allerdings aus der unkenntnis ratsuchender brutal kapital schlagen will - da ist ja auch schon mal vor ca. 2000 jahren einer mit der peitsche durch den tempel gefegt. ich halts zumindest für möglich, dass andere etwas zu hören in der lage sind, für das ich zu unsensibel bin.
auf der anderen seite aber sind in der selben gegend leute unterwegs, die lauthals verkünden, sie hättens getestet - zwischen einem 39.-DVD und einer guten cd-maschine mit gutem wandler gäbe es keinen unterschied. find ich ebenso abwegig.
wenn leute so oft lästig werden mit der frage nach den komponenten, mit denen du hörst, kann ich jene schon verstehen. erstens interessierts mich auch - und zweitens: wenn einer z.b. bloß mit den sagenumwobenen brüllwürfeln hört, tut man sich doch schwer, ihm seine kompetenz in sachen klangrelevanz wirklich abzunehmen.
genug der mehr als vielen worte
alex

pelmazo hat gesagt…

Lieber R. ;-)

das verlangt regelrecht nach einer Klarstellung.

Durch das Lob und mehr noch durch den Vergleich mit Schramm fühle ich mich schon fast unziemlich geehrt. Ich glaube nicht wirklich daß ich dem Vergleich mit solchen "Giganten" standhalten kann.

Aber darüber steht mir das Urteil nicht zu.

Auch das Urteil darüber ob meine emotionale Verstrickung meinen Blick trübt überlasse ich wohl besser Anderen. Ich gefalle mir darin aber immerhin besser als diejenigen, die so tun als wären sie emotional distanziert und dabei so wirken als würden sie vor Ressentiments schier platzen (so wie der anonyme Heuchler der den Kommentar vor Deinem beigesteuert hat). Wenn ich auch gern emotional distanziert wäre, so ist mir Aufrichtigkeit letztlich doch lieber.

Wenn mich das wirklich angreifbarer macht (was ich bezweifle) dann sei's drum. Nicht-Angreifbarkeit hat bei mir so den Geschmack von Inhaltsleere. Wer nichts sagt, der sagt eben auch nichts Falsches. Meine Erfahrung besagt eher daß man mit der Wahrheit zwangsläufig irgend jemandem auf den Schlips spaziert, selbst dann wenn man das nicht beabsichtigt. Wenn man das mal akzeptiert hat, dann kommt man auch mit den sich daraus ergebenden Konflikten besser zurecht.

Ein Lustgewinn ist das nicht wirklich. Es ist eher eine Konzession an das eigene Temperament und hilft den Hormonhaushalt zu regeln.

Außerdem bin ich der Ansicht daß niemand davon profitiert wenn man reale Konflikte unter den Teppich kehrt. Konflikte austragen ist unappetitlich, aber sie nicht austragen ist gefährlich. Vor allem verleitet Letzteres die Parteien zum Glauben, sie seien im Recht, und ihre Position sei die "natürlichste". So wachsen Ignoranz und Borniertheit. Bis es ernsthaft knallt.

Und dann noch was zu den Hörfähigkeiten. Ich halte es nicht nur für möglich daß Andere etwas hören können für das ich zu unsensibel bin, ich bin mir dessen sogar absolut sicher. Ich bin immer gegen die Unterstellung eingetreten daß ich mich und meine Hörfähigkeiten zum Maßstab machen würde, und ich kann offen gestanden nicht einsehen warum man mir das nicht abkauft. Ebensowenig wie mein Gehör mache ich meine technische Ausrüstung (vulgo: Anlage) zu einem Maßstab. Ich stelle ja noch nicht einmal meine eigenen Hörerlebnisse als besonders relevant hin. Das ist kein Zufall, das ist Absicht, und war mir klar bevor ich den ersten Beitrag im Hifi-Forum geschrieben habe. Ich will nicht mich in den Vordergrund gestellt sehen, sondern die Argumentation die ich vertrete. Und die wäre die Gleiche, auch wenn ich taub wäre und gar keine Anlage hätte.

Mal ehrlich, was würde Deiner Meinung nach wohl passieren wenn ich diese Dinge öffentlich ausbreiten würde. Meine Anlage(n), meine Musiksammlung, meine Identität, meine Meßschriebe vom Ohrenarzt? Wäre nicht die allererste Reaktion die, mir wegen irgend welcher Gründe die Kompetenz abzusprechen? Einige Leute können sich ja jetzt schon nicht zurückhalten in dieser Hinsicht. Ich mache mir da keine Illusionen: Ich bin Feindbild genug daß jedes Informationsfragment von mir bloß dazu herangezogen würde, die Diskussion von meinem eigentlichen Anliegen abzulenken und mir an den Karren zu fahren.

Und ebensowenig habe ich ein Interesse daran daß meine Geschmäcker irgend jemandem als Vorbild dienen. Das fände ich genauso lästig. Ich will daß die Leute ihr eigenes Hirn benutzen, und wenn ihr Hirngetriebe eingerostet sein sollte können sie von mir meinetwegen einen Tropfen Öl und einen Hammerschlag haben, aber kurbeln müssen sie schon selber.

Unknown hat gesagt…

lieber P,
danke für die klarstellung.
und ebenfalls danke für das "mysterium CD" - ich steh eben drauf, sachverhalte so präsentiert zu bekommen, dass ich sie auch als laie nachvollziehen kann.
alex