Montag, 4. Oktober 2010

Die neuen Leiden des jungen High-End-Herstellers

In den letzten Jahren hat immer wieder mal einer der kleineren Audio-Hersteller aus der Profi-Ecke angefangen sich im "High-End"-Audio-Bereich zu engagieren. Ich finde das "interessant". Wissen die Leute auf was sie sich da einlassen? Sind sie auf die "Kundschaft" vorbereitet die sie erwartet?

Auf den ersten Blick sieht so ein Schritt ja durchaus logisch und folgerichtig aus. Man hat sich im Profibereich einen gewissen Namen erarbeitet, kennt sich mit seiner Technik aus, und es scheint im hochpreisigen Consumer-Bereich Leute zu geben die Qualität zu schätzen wissen und dafür auch ein paar Euro mehr auszugeben bereit sind. Jetzt muß man nur noch seine Technik in ein Gehäuse verpacken das sich auch im Wohnzimmer gut macht und nicht bloß im Technikraum eines Studios. Guter Plan, oder?

Solche Gedanken scheinen sich im deutschsprachigen Raum z.B. Daniel Weiss gemacht zu haben, und danach Fried Reim. Bestimmt auch Thomas Funk, aber der hält sich bislang (un-) auffällig zurück. Bei allen dreien ist der Leumund natürlich völlig unzweifelhaft, ganz im Gegensatz zu einigen von vorn herein auf den High-End-Bereich zielenden Gesellen. Umso spannender ist es sich anzusehen wie sie sich "am anderen Ufer" behaupten.

Die Pro-Audio-Kunden sind auch nicht immer die kompletten Durchblicker, aber als Pro-Audio-Hersteller ist man nicht unbedingt vorbereitet auf den Typ von Kundschaft den man im High-End-Bereich vorfindet. Ich habe für die betroffenen Hersteller großes Mitgefühl, und gleichzeitig große Neugier wie sie diese Herausforderung meistern. Unter anderem interessiert mich dabei auch wie sie auf die Erkenntnis reagieren daß das Geld in diesem Bereich eventuell nicht ganz so einfach verdient ist wie man es sich vielleicht vorstellen würde. Man kann zwar ordentliche Preise verlangen und ordentliche Margen erzielen, aber man muß dafür auch all die Vollpfosten ertragen können die sich für gescheiter halten als man selbst. Tricky.

Sehen wir uns mal an einem schon etwas älteren Beispiel aus dem Hifi-Forum an wie das so ablaufen kann. "Betroffener" ist in diesem Fall Fried Reim als Vertreter seiner Marke "Violectric", was auch deswegen ein interessantes Beispiel abgibt weil er in betreffendem Thread unter dem Nick "fdg" selbst schreibt.

Die Story in Stichworten: Violectric hat einen neuen D/A-Wandler vorgestellt, und im Forum berichtet einer der ersten Kunden über seinen Test des neuen Geräts. Der fällt nicht gerade positiv aus, denn der Tester hört keinen Unterschied zum eingebauten Wandler seines CD-Spielers. Das und die sich daran anschließende Diskussion illustriert ganz gut mit welcher "Meute", mit welcher Erwartungshaltung und mit welcher "Fachkompetenz" man es hier zu tun hat.

Der gerade für einen Pro-Audio-Entwickler mit einem gerüttelten Maß an Sachverstand befremdliche erste Punkt ist diese interessante Erwartungshaltung, daß ein D/A-Wandler irgendwie "anders" klingen müsse. Für mich und offenbar auch Fried wäre das erst einmal eine beruhigende Nachricht. Das Vergleichsgerät wurde anscheinend ebenfalls kompetent entwickelt, und der Vergleich findet auf einem hohen Niveau statt. Bloß daß der Tester das ganz anders sieht. Daß er für Null Klangunterschied kein neues Gerät kaufen wird und somit als Kunde ausfällt ist ja noch nachvollziehbar, wenigstens wenn sein Motiv für einen CD-Wandler-Kauf darin besteht seinen CD-Spieler "aufzupeppen", aber warum zieht er daraus nicht einfach den Schluß daß sein CD-Spieler auch mit dem internen Wandler schon auf einem hohen Niveau spielt?

Stattdessen scheint festzustehen daß der CD-Spieler-Wandler nicht viel taugt und demzufolge der neue D/A-Wandler ebensowenig taugen kann. Das ist die audiophile Erwartungshaltung und gleichzeitig der audiophile Selbstzweifel: Was ich momentan habe ist sicher suboptimal, ich brauche was besseres, und das muß einen merklichen Unterschied machen. Das Problem ist bloß: Je besser die Geräte werden, desto gleicher klingen sie. So jedenfalls sieht's ein "Profi". Der Audiophile sieht's gerade andersrum: Je besser die Geräte werden desto verschiedener klingen sie. Die Anlage wird "hochauflösender", deckt mehr Unterschiede auf, so sieht er das. In Wirklichkeit geht die Qualität so bergab, den nur bergab kann es zu immer deutlicher wahrnehmbaren Unterschieden kommen.

Die Frustration des Entwicklers ist in so einem Szenario greifbar: Er ist überzeugt ein gutes Produkt gemacht zu haben, und dann schreibt ein audiophiler Tester einen Bericht der (zumindest in den Augen des Entwicklers) darauf hinausläuft daß das Gerät leider nicht schlecht genug ist. Man steht schlecht da, obwohl man nichts falsch gemacht hat. Falsch im Kontext der eigenen Qualitätsvorstellung jedenfalls. Wieso kneift man für solche Dilettanten dann eigentlich den Arsch zusammen und gibt sich Mühe? Man könnte problemlos einen Ramsch zusammenlöten, der jede Regel ordentlicher Ingenieursarbeit mit Füßen tritt, und die Leute hätten ein Gerät das tatsächlich unterschiedlich klingt. Nämlich grottenfalsch. Und sie würden es feiern. Wie z.B. die NOS-Wandler.

Und es geht weiter: Mit audiophilem Gespür findet der Tester die entscheidende Achillesferse des Gerätes, nämlich daß es eine digitale Lautstärkeregelung besitzt. Da würde ja der Datenstrom "beschnitten". Das passiert genau genommen im D/A-Wandler-Chip selbst, und der Einwand zeigt wie es um den Sachverstand des Testers bestellt ist. Im D/A-Wandler werkelt ein Digitalfilter, das bestimmt hunderte von Rechenoperationen am Audiosignal ausführt bevor es ins Analoge gewandelt wird. Die eine Rechenoperation für die Lautstärke (eine Multiplikation) ist aber was anderes, die macht angeblich den Unterschied, und der High-End-Status des Gerätes ist damit futsch.

Man wäre ja sogar als sachverständiger Dritter geneigt, dem Gesellen den berühmten Rat von Dieter Nuhr anzuempfehlen, wieviel mehr muß es da den Hersteller selbst drängen, um dessen "Baby" es schließlich geht. Aber gerade als Hersteller muß man zum üblen Spiel ja gute Miene machen, wie würde das aussehen wenn man die potenzielle Kundschaft abbürstet, so sehr sie das auch verdient hätte?

Drum finde ich daß die Geräte recht teuer sein müssen. Schließlich muß die Rechnung des Psychiaters, den man in ein paar Jahren braucht, davon mit abgedeckt sein. Nicht blöde finde ich die Strategie von Daniel Weiss. Der macht seine Geräte derart heftig teuer daß damit auch diejenigen "Kunden" abgeschreckt sind wie die Leute in diesem Hifi-Forum-Thread. Das spart Nerven. Wer sich ein Weiss-Gerät zum Ausprobieren stellen läßt wird sich hinterher wohl kaum einen 50€ China-Bausatz anschaffen und dann die Schmach dadurch kompensieren daß er das Ding mit aller Kraft in den Foren hypt.

8 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Grossartig,Pelmazo!
Für solche Einträge liebe ich dieses Blog.

Anonym hat gesagt…

Wir von der Pro-Audio sind halt nunmal die Königsklasse der Durchblicker.

Anonym hat gesagt…

Auf der Tonmeistertagung am 25. - 28.11.2010 in Leipzig hat man ja wieder die Möglichkeit sich zu treffen um sich mal so richtig auszusprechen. Wenn man sich nicht auf den Ständen von Weiss, Lake People oder Funk trifft, kann man sich ja vielleicht bei Mutec, ALC Networx oder Lawo treffen.

Anonym hat gesagt…

Na hoffentlich kommt man dort überall mit nem Rolli hin.

Lach!

Anonym hat gesagt…

Mit allem einverstanden, ausser mit der Bemerkung zur digitalen Lautstärkeregelung. Relevant ist nicht die Multiplikation, sondern der DA-Wandler am Schluss, welcher die reduzierte Lautstärke abgeben muss. Und das ist nur möglich wenn er seinen Aussteuerbereich nur zu einem entsprechend reduzierten Teil nutzt. Pro 6 dB Absenkung geht 1 Bit Auflösung verloren. Man bewegt sich also bei reduziertem Pegel bloss noch im untern Bereich des Wandlers, also auch bei geringerer Auflösung. Man mag einwenden, ein guter 24 Bit Wandler habe dazu genügend Reserven und bei einer digitalen Absenkung von 48 dB seien ja immer noch 16 Bit übrig. Leider lässt sich dies aber nicht so einfach skalieren, da die Wandlergenauigkeit im untern Bereich meist nicht mehr super ist. Es ist daher zu empfehlen, solche Regler nur relativ milde, d.h. in einem kleinen Bereich zu nutzen.

pelmazo hat gesagt…

So hat's der Tester im Hifi-Forum-Thread aber offensichtlich nicht gemeint. Dem war schon das Vorhandensein des digitalen Lautstärkereglers Anlaß zur Kritik. Für eine möglichst gute Ausnutzung des Regelbereiches gäbe es ja im getesteten Gerät noch per Jumper wählbare Ausgangspegel, die auf der analogen Seite nach dem Wandler wirken.

Es gibt auch keinerlei Anzeichen daß der Tester versucht hätte herauszufinden wie "schlecht" die digitale Regelung wirklich ist. Er hat einfach ein Dogma in Anschlag gebracht, ohne die Zusammenhänge zu verstehen.

Unknown hat gesagt…

Das Stichwort Dogma schlät wohl die Brücke zu dem vom audiophilen Selbstzweifel gebeutelten Adepten. Die Erkenntnissverweigerung vieler Audiophilen ist folge ihrer Glaubenssätze. Ja es fühlt sich nicht nur an wie Religion es ist tatsächlich Religion, wenn auch ins Kleid der Ideologie (Transistor,Röhre,High-Rez,analog etc..) gehüllt.
Im Übrigen bekundet Hr.Funk in Studio Magazin 10/09 auch seine "Mühen"
Zitat zum Thema Schaltnetzteile:
"Vor allem den sogenannten "Audiophilen" ist es immer wieder schwer zu vermitteln."
Nichts desto trotz Pelmazo , mach weiter

Unknown hat gesagt…

Liebe Pelmazo,Ich siehe aber in deinem Beitrag ein Widerspruch.Ich glaube, der der Violekctric DAC Tester hatte mut zu gestehen daß er keine Unterschied zwieschen CDP und teuerem externem DAC von Violectric hörte und dann ganz in deinem Sinne gesagt,daß wofür braucht Mann ein DAC für 900€ ,wenn für's gleiches Geld bekommt Man hochwertiger CDP mit internem DAC,der genauso klingt.
Dein Beitrag kiungt mehr so, als hatte der Tester mit seinem Testbericht dein Freund F.Reim beleidigt.
Ich wollte Mal auch ein KHV von Violectric kaufen,aber nach dem Probehören beim einem berliner Händler habe ich für ein andere, Schinesische KHV entschieden;obwohl ich mir ruhig ein Violectric leisten kann,nur weil ich kein Klangunterschied hörte und nicht für die Name des Hersteller das geld weg schmeißen möchte.