Komisch, nicht? Man argumentiert gegen die verbreitete Desinformation, die Quacksalberei und den Schwindel in der Hifi-Branche, und schon bekommt man vorgeworfen, man mache das Hobby kaputt. Man sollte doch denken daß es viel angenehmer ist wenn man es mit ehrlichen, kompetenten und uneigennützigen Gesprächspartnern zu tun hat. Daß dann auch das Hobby mehr Spaß macht.
Ich jedenfalls fühle mich nicht besonders wohl in einem Laden, in dem ich merke daß da ein gewiefter Verkäufer zwar wenig technische Ahnung, aber dafür umso mehr Standes- und Umsatzbewußtsein hat, und dazu wenig Skrupel. Es ging bei mir so weit daß ich ein Dutzend Jahre lang mit dem Hifi-Zirkus nichts mehr zu tun haben wollte. Keine Zeitschriften, keine Ladenbesuche beim Edelgerätehändler, bloß noch Tonträger, und das auch weniger als vorher. Mir wurde das Hobby vergällt durch genau das was ich jetzt anprangere. Und ich bin mir sicher daß es vielen Anderen genauso ergangen ist und noch ergeht.
Es kann sich also, würde ich meinen, nicht um das gleiche Hobby handeln.
Jetzt wird zwar oft behauptet es gehe um das Musikhören, aber wenn es darum wirklich so unmittelbar und ausschließlich gehen würde, was tun diese Leute dann in Forendiskussionen über Geräte, Zubehörteile und in Voodoo-Streitereien? Wäre es nicht viel sinnvoller wenn man einfach Musik hören würde und sich allenfalls noch an Diskussionen über Musik beteiligen würde? Es kann mir niemand erzählen daß man für den Spaß an der Musik das ganze High-End und Voodoo-Gedöns braucht! Ich hatte Spaß an Musik in Live-Gigs mit beschissenem Sound, und ich habe den Fußwippfaktor in Mono mit der Klangqualität eines Küchenradios erlebt.
Gute Musik groovt weitgehend unabhängig vom Klang, und mit die wichtigste Voraussetzung daß der Funke überspringt liegt im eigenen emotionalen Zustand.
Klar ist eine gute Anlage geil, aber es soll mir doch keiner weismachen daß man sie zum Musikhören brauche. Es ist ein Luxusartikel, und so schön es ist ihn zu haben, nötig ist er nicht. Auch zum Musikhören nicht. Es ist wie mit allen Luxusartikeln, man schafft sie sich an weil man es sich leisten kann (zuweilen auch um zu zeigen daß man sich's leisten kann), und weil es ein gutes Gefühl ist, etwas Edles zu haben.
Ich hab das ja auch, ich will gar nicht im Ruf stehen daß ich gegen Luxus wäre, oder gegen den Genuß. Ich hab kein Problem damit wenn jemand was kauft einfach für's gute Gefühl, was "amtliches" zu haben. Etwas, was über der Kritik steht. Nicht so gut wie halt nötig, sondern so gut wie's geht. Ja, ich kann das verstehen, und ich hab das auch. Aber kann man denn nicht erwarten daß man dabei ehrlich ist mit sich selbst und gegenüber Anderen? Muß man sich dafür irgend einen Mist einreden? Einreden lassen?
Daß ich etwas von der Technik verstehe macht es mit in dieser Branche nicht einfacher, sondern schwieriger. Gerade die teuren und angeblich "hochwertigen" Geräte kommen sehr oft mit ziemlich zweifelhaften technischen Lösungen daher, und fast immer mit einem Marketing das mich mit seiner Verlogenheit anwidert. Hochwertigkeit wird da mit teuren Materialien (möglichst viel davon), und mit zweifelhaften Konstruktionsprinzipien (anders als die Anderen = besser) gerechtfertigt.
Was ist also das Hobby das angeblich in Gefahr ist wenn man wie ich das Maul aufmacht? Musik hören kann's nicht sein. Freude an hochwertiger Technik kann's auch nicht sein.
Ich habe meine Theorie: Das Hobby heißt: Unterschiedhören.
Wer dieses Hobby hat braucht keine technische Perfektion, denn die führt zu weniger hörbaren Unterschieden. Der braucht keine Blindtests, denn damit hört man keine Unterschiede. Der braucht kein technisches Verständnis, denn das könnte höchstens die gehörten Unterschiede in Zweifel ziehen. Der braucht die Musik zum Hören der Anlage, und nicht die Anlage zum Hören von Musik.
Wenn man das Unterschiedhören als das eigentliche Hifi-Hobby auffaßt dann ergibt plötzlich der ganze Irrsinn einen Sinn. Wenn zwei Hifi-Geräte gleich klingen dann ist der Hifi-Anhänger im Wortsinn (HiFi = High Fidelity) beruhigt, denn es können nicht zwei Geräte gleichzeitig High-Fidelity sein wenn sie unterschiedlich klingen. Der Unterschiedhörer aber ist enttäuscht. Die Unterschiede sind der Sinn des Ganzen, also wozu sollen unterschiedliche Geräte gut sein wenn sie nicht unterschiedlich klingen?
Von daher ist auch das Argument verständlich, das wohl schon so manches Gesicht in Verzweiflung in den Händen begraben hat: "Wenn alles gleich klingt, warum gibt's dann überhaupt so viele verschiedene Geräte?" Der Unterschiedhörer bringt das im völligen Ernst vor, überzeugt ein schlagendes Argument gefunden zu haben, das sein Gegenüber zum Denken bringen muß.
Dieses Argument hat für den Unterschiedhörer eine selbstverständliche Logik, so hoffnungslos bescheuert es für den Rest der Welt auch klingen mag. Zugleich ist es ein eindeutiges Erkennungszeichen für einen Unterschiedhörer. Niemand sonst wäre in der Lage so ein Argument zu äußern ohne das Gesicht zu verziehen.
Die "Fachpresse" hat sich aus leicht einsehbarem Grund auf die Seite des Unterschiedshörers geschlagen. Das hat über die letzten Jahre und Jahrzehnte dazu geführt daß sich das Unterschiedhören als die vorherrschende Form des Hobbies in der öffentlichen Wahrnehmung durchsetzen konnte. Mit dem Ergebnis daß sich inzwischen Unterschiedshörer oft als die einzig legitimen und wahren Vertreter des Hobbies empfinden. Andersdenkende™ werden als "Techniker" und "Meßfetischisten" verunglimpft, in Verkennung der Tatsache daß sie damit diejenigen Leute schmähen die ihnen das Hobby erst ermöglicht haben.
Doch inzwischen verschaffen sich die Vertreter der anderen Hobby-Spielarten vermehrt Gehör, mit der Folge daß die Unterschiedshörer von apokalyptischen Visionen geplagt werden und ihr Hobby untergehen sehen. Das stellt die "Fachpresse" vor interessante Herausforderungen. Man muß inzwischen zugleich für und gegen Blindtests sein. Es ist spannend zu sehen welche Konzepte zur Bewältigung dieses Dilemmas gefunden werden.
Eine verhältnismäßig neue Spielart ist es, so zu tun als würde man "selbstverständlich" blindtesten, dabei aber so gut wie nichts einhält was gemeinhin zu Blindtests gehört, sofern man überhaupt etwas über die Modalitäten der Durchführung erfährt. Nichts wirklich Neues, denn es hatte sich ja auch eingebürgert, so bei den Messungen zu verfahren. Der angestrebte Effekt ist dabei wie immer, daß die Kundschaft unter den Unterschiedhörern das Gefühl kriegt, daß das Hobby unverändert Bestand hat und die alten Wahrheiten weiterhin Gültigkeit haben - also daß es nur auf die Unterschiede ankommt.
Beispiel gefällig? Bei der Audio ist man kundenbewußt und blindtestet Unterschiedshörer-kompatibel. Mir bleibt nur, die Frage in den Raum zu stellen was wohl an diesem Test "blind" war?!
Der inzwischen übliche Spruch: Kommentare hier.