Sonntag, 29. Mai 2011

Gleiche Bits, und gleichere Bits

Inzwischen hat die Aufregung ja wieder nachgelassen, vielleicht ist das die richtige Zeit um diese Akku-Farce ein wenig aufzuarbeiten. Mit ein bißchen Distanz sieht man die Dinge vielleicht klarer, und eine kleine Chronik ist für den bequemeren Überblick der Nachwelt vielleicht auch nicht schlecht.

Was bisher (nach meinen Recherchen) geschah:
  1. Im "Colorfly-Thread" des OEF kam Otwin Maas ("lotusblüte") in Beitrag #46 mit der Anregung, gerippte Dateien miteinander zu vergleichen, und zwar zwischen Versionen die mit Akkuversorgung gerippt wurden, und solchen die mit Netzstromversorgung gerippt wurden. Er bekam sogleich Unterstützung von "Sam", der dazu einen kleinen Blindtest durchgeführt haben wollte. Wohlgemerkt: Es geht um das Rippen, also um den Transfer der Audiodaten von der CD auf Dateien im Rechner. Später abgehört, sollen sich deutliche Unterschiede vernehmen lassen, mit einer deutlichen Präferenz für die mit Akku gerippte Variante.
  2. Man beachte wie schnell die eigentlich selbstverständliche Erwiderung, daß zwei gleiche Dateien auch gleich klingen müssen, sofort in den Vorwurf mündet man wolle in Persönliches abgleiten und einen Thread kaputtmachen. Beliebigen unausgegorenen Unsinn zu posten ist in diesem Forum ok, Erwiderungen darauf müssen aber jeden Anflug von Kritik vermeiden, besonders wenn man daraus ablesen kann daß man die gehörten Phänomene für eingebildet hält. Ganz speziell wenn der Betroffene auch noch als Moderator am Drücker sitzt.
  3. Einen entsprechenden, bestätigenden Bericht verfaßte dann Franz im AHF und startete dadurch eine parallele Diskussion. Wichtiges Detail hier: Er fragte ausdrücklich die "Fachleute" nach "sachlichen" Erklärungen für dieses Phänomen. Für Leute, die mit diesen audiophilen Figuren noch nicht vertraut sind, wäre noch zu bemerken, daß sich gerade bei Franz solche Spielchen schon seit Jahren wiederholen, ohne daß auch nur ein Funke eines Erkenntniszuwachses zu verzeichnen wäre. Er hätte sonst wissen müssen daß eine solche Frage an die Techniker ziemlich sinnlos ist, so lange keine Anstrengung unternommen wurde, das Phänomen auch als real zu demonstrieren. Was es dazu bräuchte müßte auch ihm seit Jahren bekannt sein, zum Beispiel daß man in so einem Fall erst einmal überprüft ob die Dateien bitidentisch sind. Ansonsten erntet man die vorhersehbare Antwort: "Entweder Du hast beim Rippen Mist gebaut, oder Du hast Dir den Unterschied eingebildet". Bloß daß eben Franz diese absolut auf der Hand liegende Antwort genauso absolut nicht haben will. Und die Farce nimmt ihren Lauf...
  4. Bemerkenswert auch, wie z.B. Franz mit dem Begriff Blindtest umgeht. Er behauptet einfach so, Blindtests durchgeführt zu haben, ohne auch nur im Mindesten Auskunft darüber zu geben was er da getan hat und wie er vorgegangen ist. Die Möglichkeiten sind gleich Null, nachzuvollziehen ob das Ganze Hand und Fuß hat. Dabei täte man gerade bei Franz gut daran, ihm in solchen Sachen genau auf die Finger zu schauen. Zu dieser Verballhornung des Blindtest-Begriffs gibt's hier im Blog schon einen Artikel.
  5. Das Thema metastasiert. Im Colorfly-Thread selbst hört man nun auch Unterschiede zwischen verschiedenen Speicherkärtchen, ein eigener Thread zum Thema "bitgenau" beginnt mit den tiefenphilosophischen Worten "Mir fällt es jedoch schwer, zwischen bitgenau und bitgenau eine Grenze zu sehen". (Das muß ein echtes Wahrnehmungsproblem sein, meine Anerkennung für den Mut, das offen zuzugeben!). Auch in anderen Foren wird man auf das Thema aufmerksam, z.B. im Hifi-Forum, in meinem Blog-Thread, und in einem Thread über Software-Klang, der sich (zufällig?) in etwa zur gleichen Zeit aufgrund eines Artikels in der STEREO ergab. Genauso im österreichischen Pendant, wo ebenfalls im Rahmen eines Threads über den STEREO-Artikel die Akku-Rip-Thematik entdeckt wurde. Später dann noch im Forum Multichannel Professional, und womöglich an weiteren Stellen* die mir entgangen sind (Tips willkommen!).
  6. Ein "Blindtest" wird angedacht, und nach beträchtlichem hin und her gibt's dann auch Ergebnisse. Es fällt aus wie zu erwarten war, und die Reaktionen darauf auch. Das hin und her selbst ist allerdings ebenfalls interessant, weil auch Leute die sonst jedes harte Wort gegenüber Audiophilen dreifach wägen, in diesem Fall aus der Haut fahren. Und in die Falle tappen: Wer den Holocaust erwähnt, verliert. Egal wie recht er damit auch hat.
Abgesehen vom etwas morbiden und zynischen Vergnügen, das man bei der Lektüre dieser Farce hat, können wir daraus auch etwas lernen?

Mir fallen ein paar Dinge ein:
  • Wer seine eigene Wahrnehmung über alles stellt, der wird auch nicht vor den einfachsten mathematischen Tatsachen halt machen, wenn er sich seine "Realität" so zusammenbastelt daß sie diese Wahrnehmung stützt. Wenn die Wahrnehmung suggeriert daß 1+1=3 ist, dann deklariert man eben daß das "1+1=2" der bisherigen Mathematik noch nicht das letzte Wort ist. Da hilft kein Appell an den gesunden Menschenverstand, der Wahn ist stärker, selbst wenn es um eigentlich völlig selbstverständliche Dinge geht.
  • Wer seine eigene Wahrnehmung über alles stellt, der lernt nichts dazu. Alles Wissen was er sich aneignen könnte, trägt die Gefahr in sich daß es mit späteren Wahrnehmungen kollidiert und dann wieder aufgegeben (oder "relativiert") werden muß. Da kann man das Lernen gleich bleiben lassen, die Wahrnehmung ist sowieso wichtiger. Entsprechend sinnlos ist es, solchen Leuten etwas beibringen zu wollen. Selbst wenn sie eine Weile lang den Eindruck machen als würden sie die Erkenntnisse aufnehmen und integrieren, so werden sie doch bereitwillig den ganzen geistigen Plunder wieder über Bord werfen wenn sie eine neue Wahrnehmung machen. Auch das Umgekehrte kommt vor, daß sie eine unzureichend verstandene Wahrheit verallgemeinern, und an den unpassendsten Stellen zur Geltung bringen, wobei die Autosuggestionsfähigkeit die Wahrnehmung passend hinbiegt.
  • Wer seine eigene Wahrnehmung über alles stellt muß auch sein Selbstwertgefühl darauf aufbauen, und dabei kommt schnell jedes Korrektiv abhanden, was einen normalerweise auf dem Teppich hält. Was Wunder daß es dann zu so grotesken Überspitzungen kommt wie dem schon tragikomischen Extrem-Elitarismus des Highender1980 im Hifi-Forum (der allem Anschein nach mit Otwin Maas bzw. lotusblüte identisch ist). Das schlägt sogar die väterliche Großspurigkeit von Charly.
  • Wer seine eigene Wahrnehmung über alles stellt ist ein Problem für jede Moderation. Er bringt Andere mühelos zur Weißglut, einfach durch völlige Argumentations- und Erkenntnisresistenz, und braucht dazu in seinen eigenen Beiträgen keinerlei anstößigen Formulierungen zu benutzen. "Powertrolling" hat so etwas mal jemand im Hifi-Forum genannt, und ich vermute daß sich diese Masche weiter verbreiten wird, nachdem sie sich als wirksam herausstellt. Und wirksam ist sie in allen den Fällen wo die Moderation es nicht als ihre Aufgabe ansieht, eine vernünftige Diskussion zu gewährleisten, sondern lediglich zu verhindern daß es zu Unflätigkeiten kommt. Siehe den Artikel den ich kürzlich zu diesem Thema geschrieben habe. Die Hilflosigkeit der Moderation ist in meinem Blog-Thread deutlich zu spüren. Der Thread ist auf moderiert gesetzt, wird aber nicht wirklich moderiert. Es ist lediglich erkennbar daß sich die Moderatoren seeehr viel Zeit lassen bis ein Beitrag freigegeben wird, das kann fast einen Tag lang dauern.
Aber ich bin auch daran interessiert was Euch so als "die Moral von der Geschicht'" einfällt. Euer individuelles Fazit könnt Ihr hier verfassen, ich hoffe Ihr laßt Euch von der Trägheit der Moderation nicht abschrecken.

* Weitere Stellen, die mir inzwischen bekannt geworden sind: Das Piega-Forum.