Freitag, 6. Dezember 2013

Der Jitter und die Richtung

Weiter geht's mit Jitter. Anscheinend gibt's eine unendliche Vielfalt, wie man das Thema verdrehen kann um Unsinniges an gutgläubige Audiophile zu verkaufen. In mehreren Foren geht im Moment eine Entwicklung von Ulrich Brüggemann von AudioVero um, die dem leidigen Jitter-Thema einen neuen "Spin" verpaßt. Jedenfalls habe ich diese Kombination aus Jitter und M/S-Stereophonie bisher noch nirgends gesehen.

Es ist aber leider nur eine neue Variante des hinreichend bekannten Jitter-Bullshit. Natürlich ist auch die Reaktion der audiophilen Gemeinde so wie bei jeder solchen Sau, die durch's Dorf getrieben wird, das heißt es werden selbstverständlich Unterschiede gehört, und die unsinnigsten Erklärungen dazu werden für plausibel gehalten. In dieser Hinsicht also nichts Neues.

Ich kann mich natürlich nicht mit irgendwelchen Hörberichten auseinandersetzen, die mit großer Wahrscheinlichkeit unter "audiophilen Bedingungen" zustande gekommen sind, also völlig nichtblind und für jede Einbildung höchst anfällig. Alles Andere wäre überraschend. Sie werden also schon irgendwas gehört haben.

Was ich aber schon kann, ist mich mit den technischen Erklärungen auseinander zu setzen, die allen voran vom "Erfinder" selbst stammen. Dafür brauche ich zum Glück auch keine Hörversuche am konkreten Objekt zu machen, das genügen ein paar Denkversuche vollkommen. Das hat den Vorteil daß Ihr als Leser unmittelbar was davon habt, ohne Euch vom Bildschirm zu entfernen. Und Denken macht eben auch Spaß, nicht bloß Unterschiedhören. ;-)

Ich versuche mal zusammenzufassen, was hinter der Brüggemann'schen Entwicklung steckt, insofern ich es aus seinen Erklärungen entnehmen kann:

Hinter der ganzen Entwicklung steckt die Grundannahme, daß in einem Stereosignal Jitter, der unabhängig (also unkorreliert) auf den linken und rechten Kanal wirkt, eine Auswirkung auf das Richtungshören hat, weil sich durch den Zeitfehler des Jitters die relative Phase beider Signale verschiebt. Also wenn das linke Signal unabhängig vom rechten Signal jittert, dann jittern eben nicht beide zusammen, folglich passiert es im Extremfall daß der linke Kanal vorwärts jittert, während zugleich der rechte zurück jittert. Resultat: Eine relative Phasenverschiebung zwischen links und rechts, und damit eine Änderung der Richtungswahrnehmung.

Ausgehend von dieser Annahme (die weder in Frage gestellt wird, noch quantifiziert wird), präsentiert Brüggemann eine "Lösung", die das Audiosignal auf der Digitalseite in ein M/S-Signal umrechnet, und das nach dem D/A-Wandler auf der Analogseite wieder rückgängig macht. Ein M/S-Signal ist eine andere Repräsentation des Stereosignals, wo es ein Signal für die Mitte und eines für die Richtung gibt. Eine alte Technik, die z.B. bei UKW dazu benutzt wird, um einen Stereo-Sender monokompatibel zu machen. Das Mittensignal ist nämlich das Monosignal, und wenn man das S-Signal einfach wegläßt, dann verliert man den Stereoeffekt, und behält das Monosignal.

Laut Brüggemann soll das für das postulierte Jitterproblem nun dadurch vorteilhaft sein, daß Jitter im M/S-Signal keine Änderung der Richtung mehr verursachen soll, was für das M-Signal auch unmittelbar einleuchtet, für das S-Signal aber nicht.

In dieser Argumentation ist aber eine derartige Anzahl an Denk- und Argumentationsfehlern drin, daß eigentlich jeder ernstzunehmende Entwickler vor Scham im Boden versinken müßte.
  1. Eigentlich überflüssig zu erwähnen: Brüggemann macht sich keine Mühe, zu zeigen daß die Grundannahme, die dem Ganzen zugrunde liegt, überhaupt zutrifft. Das Prinzip scheint zu sein: Ich halte es für denkbar, also muß es real sein. Das paßt gut zu einem anderen Motto, das ich von einem seiner Anhänger in besagten Foren lese: Wahrnehmung ist Realität. Wer das ernst meint, dem ist nicht mehr zu helfen.
  2. Wieviel Phasenverschiebung (oder Zeitverschiebung) zwischen linkem und rechtem Kanal man haben muß, um einen Effekt zu hören, wäre eine ganz interessante Debatte in diesem Zusammenhang, zumal das gerade von audiophiler Seite schon öfter (und fälschlicherweise) als Argument in der Debatte um die richtige Abtastfrequenz gebraucht wurde. Da wurde immer wieder ins Feld geführt, daß das Gehör eine zeitliche Auflösung von um die 5 µs habe. Wenn das so sein sollte, würde das nicht heißen daß der Jitter eine Amplitude von 5 µs erreichen muß, damit die dadurch bewirkte Phasenverschiebung in den hörbaren Bereich kommt? Das wären 5000 ns! Kaum plausibel, daß Brüggemann es mit derart schlimmem Jitter zu tun hatte, zumal er von dateninduziertem Jitter redet, und der spielt sich prinzipbedingt in einem Bereich ab, der weniger als eine halbe Bitlänge im SPDIF-Signal ausmachen muß, andernfalls würde die Datenverbindung nicht mehr funktionieren. Das wären also weniger als 200 ns. In der Praxis weit weniger. Wie kann man dann aber auf die Idee kommen, das reiche für hörbare Auswirkungen auf die Richtungswahrnehmung? Das erfordert doch, daß man einen zuvor im audiophilen Bereich kursierenden Wert kurz mal um zwei oder drei Zehnerpotenzen "korrigiert", und wie selbstverständlich so tut als sei das immer noch hörbar.
  3. Die Annahme, daß der Jitter in einem D/A-Wandler auf beide Kanäle unabhängig voneinander wirkt, ist ebenfalls falsch. In den meisten Fällen spielt sich das innerhalb ein- und desselben Chips ab, der die Wandlung für beide Kanäle auf der Basis desselben Taktes erledigt. Es ist nur ein Takt, die Daten kommen auf der gleichen Leitung daher, und die Abtastung findet im Allgemeinen auch gleichzeitig statt. Da ist der Jittereffekt zwischen den Kanälen eben nicht unabhängig, sondern müßte eigentlich zum gleichen Phaseneffekt auf beiden Seiten führen. Selbst wenn es (wie in machen High-End-Wandlern) zwei getrennte Chips sein sollten, dann werden es zwei gleiche Chips sein, und auch die kriegen wieder den gleichen Takt. Wie es unter solchen Umständen zu unabhängigen und unkorrelierten Jittereffekten zwischen den Kanälen kommen soll, bleibt unverständlich. Wenn aber der Phaseneffekt auf beide Kanäle der Gleiche ist, dann ist auch der Richtungseffekt weg, und die Voraussetzung für Brüggemann's "Lösung" verschwunden. Es scheint also, als biege sich Brüggemann seine eigene Wahrheit zurecht.
  4. Die Annahme, daß mit einem M/S-Verfahren die Sache besser aussieht ist ebenfalls falsch. Zwar kann prinzipbedingt Jitter im M-Signal keinen Richtungseffekt haben, aber für das S-Signal gilt das Gegenteil. In dem ist ja gerade die Seiteninformation drin, also die Richtung, folglich müßte jeder Jitter im S-Signal direkt in die Richtungswahrnehmung eingehen, und zwar diesmal sogar besonders auch dann, wenn die Jittereffekte in beiden Kanälen korreliert sind. Das bedeutet: Wenn Jitter für die Richtungswahrnehmung ein Problem wäre (und ich habe schon oft genug argumentiert wie weit wir davon im Normalfall entfernt sind), dann müßte es in einem M/S-System eher größere Auswirkungen haben als in einem L/R-System. Brüggemann würde es mit seiner Lösung nicht etwa besser, sondern schlechter machen.
Das Ganze ist eine geistige Fehlzündung ersten Ranges. Auf so etwas fällt man als Entwickler natürlich vor allem dann herein, wenn man sich die Mühe nicht macht, die erwarteten Resultate seiner Überlegungen auch einigermaßen handfest in der Realität nachzuweisen. Wir wissen aber zur Genüge, wie solche Nachweise im audiophilen Sektor aussehen. Sie wären da auch kontraproduktiv, denn man würde sich die Gelegenheit zunichte machen, eine Sau durch's audiophile Dorf zu treiben, die nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung verschwinden wird, nicht ohne zwischenzeitlich ein paar Fans um ihre Kröten erleichtert zu haben.

Es ist auch ein schönes Beispiel wie Leute eine Argumentation für plausibel halten, die sie nicht verstehen. Das audiophile Geschäft lebt von solchen "pseudoplausiblen" Erklärungen, sonst würden sie nicht dauernd vorgebracht. Jede Menge Leute beteiligen sich an den technischen Diskussionen, die sich an solchen "Theorien" entzünden, indem sie betonen, daß sie das nicht verstehen, und es ihnen reicht daß sie es hören. Warum sie dann an solchen Diskussionen überhaupt teilnehmen, sagen sie nicht, und warum sie diese angeblich so unnötigen technischen Erklärungen überhaupt zur Kenntnis nehmen auch nicht.

Es ist offensichtlich: Sie wollen glauben, daß die ihnen angebotenen Geräte auch auf der technischen Seite einwandfrei sind, und eine unverständliche aber plausibel klingende Erklärung hilft ihnen dabei. Allerdings bloß wenn sie nicht ernsthaft in Frage gestellt wird. Drum werden die Kritiker angepisst, und den schärfer werdenden Tonfall, für den man selbst sorgt, legt man ihnen dann gleich auch noch zur Last. Den "Erfinder" der unsinnigen "Lösung" für seinen Bullshit zur Rechenschaft zu ziehen kommt dagegen gar nicht in Frage. Selbst wenn er am Ende widerlegt ist, findet man es immer noch lobenswert daß er es probiert hat.

Sonntag, 27. Oktober 2013

Jitter hören lernen -- Gehörtraining oder Desinformation?

Seit einigen Monaten gibt's auf der Cranesong-Webseite ein paar Audiodateien anzuhören, die Dave Hill erstellt hat mit dem erklärten Ziel, Leuten das Hörtraining von Jitter zu erleichtern. Die Message ist ziemlich eindeutig: Hier habt Ihr ein paar Dateien, die in unterschiedlichem Ausmaß "verjittert" sind, schaut mal ob Ihr es hören könnt und wie es klingt.

Ein nützliches Angebot, so sollte man meinen. Besonders da auf einer zweiten Seite zum Einen die Differenzdateien angeboten werden, was es ermöglicht, sich nur den Unterschied anzuhören, und zum Anderen angegeben wird, um was für einen Typ und Pegel von Jitter es sich jeweils gehandelt hat. Zudem werden technische Erklärungen geliefert, wie der "Versuchsaufbau" ausgesehen hat, mit dem die Dateien erzeugt wurden. Macht auf den ersten Blick einen vernünftigen Eindruck, oder?

Mal ehrlich, wer von Euch würde das was da geboten wird tendenziell für seriös halten?

Und wer von Euch würde daraus den Schluß ziehen, daß Jitter offenbar auch schon weit unterhalb von 1 ns hörbar ist?

Das wäre ein Resultat, das in ziemlich krassem Widerspruch zu dem steht, was ich früher auch schon hier im Blog schrieb, und ebenso im Widerspruch zu mehreren Studien, die in der Vergangenheit dazu schon gemacht wurden, siehe dazu hier.

Mich hat natürlich interessiert woher diese Diskrepanz kommt, und hatte nach dem Lesen der technischen Dokumente, die Hill anbietet, auch schnell einen Verdacht: Es liegt an seiner Meßmethode für Jitter, die er zwar nicht in ausreichendem Detail beschreibt, die aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gerade für den Typ von Jitter so gut wie blind ist, den er hier anwendet. Mit anderen Worten: Seine Beispieldateien sind sehr viel mehr verjittert als er angibt. Wahrscheinlich um mehrere Zehnerpotenzen.

Das ist ein ziemlich interessantes Beispiel dafür, wie beim Thema Jitter die Schwierigkeiten des Themas selbst, das audiophile Wunschdenken, und die technische Unbedarftheit des Publikums eine ziemlich unselige Verbindung eingehen, so daß völliger Unsinn heraus kommt, der nichtsdestotrotz nur mit ziemlich viel Detailwissen durchschaut werden kann. Ein ideales Feld für Leute, die einem ein X für ein U vorzumachen versuchen.

Aber eins nach dem anderen: Wie hat Dave Hill die Dateien erzeugt?

Nun, er hat mit einer Audio-Workstation eine Audiodatei abgespielt, und mit einem handelsüblichen D/A-Wandler ins Analoge gewandelt. Dieses Analogsignal hat er dann wieder mit einem A/D-Wandler ins Digitale zurückgewandelt, und mit derselben Workstation wieder aufgenommen. Der Takt des A/D-Wandlers wurde dabei kontrolliert verjittert, der des D/A-Wandlers nicht.

Das ist im Grunde eine recht clevere Anordnung, aus gleich mehreren Gründen:
  • Würde man beide Wandler gleichermaßen verjittern, dann könnte sich der Effekt aufheben.
  • Da die Workstation das verjitterte Signal nur aufzeichnet und nicht direkt wieder wandelt, hat der Jitter im A/D-Wandler keine weiteren Auswirkungen als nur die (gewünschten) bei der Wandlung selbst. (Dave Hill scheint das allerdings selbst nicht recht zu glauben).
  • Pegel und Zeitverzögerung in der Schleife kann man für die Differenzbildung auf der Workstation recht gut auskalibrieren (wenngleich das nicht ganz trivial ist, siehe später).
Der kontrollierte Jitter für den A/D-Wandler wurde mit einem HF-Signalgenerator erzeugt, der frequenzmodulierbar ist. Diesen Generator stellt man so ein, daß seine "Trägerfrequenz" den korrekten Mastertakt für den Wandler liefert. Wenn man diesen dann frequenzmoduliert, dann ergibt sich ein kontrolliert verjitterter Takt. Dave Hill erzeugte das Modulationssignal mit dem Generator in einem Audio-Meßplatz (einem dScope III), das bedeutet er hatte die Kontrolle über die Art des Jitters.

Nun könnte man im Prinzip die Stärke des Jitters, den so eine Anordnung erzeugt, auch rechnerisch bestimmen, wenn man die Einstellung der beteiligten Geräte kennt. Schließlich sind die kalibriert (oder wenigstens kalibrierbar). Das heißt, wenn man weiß wie das Modulationssignal in Frequenz und Pegel beschaffen ist, und wenn man die Modulationseinstellungen des Generators kennt, dann kann man damit berechnen, wieviel Jitter daraus resultieren müßte. So hat es Dave Hill aber offenbar nicht gemacht. Er hat den resultierenden Jitter stattdessen mit einem Oszilloskop gemessen. Ein ziemlich hochwertiges Oszilloskop sogar, das mit einer speziellen Software-Option zur Jittermessung ausgerüstet ist. Er beschreibt das zwar nicht im Detail, aber es wird wohl so gewesen sein, daß er das Modulationssignal am dScope so eingestellt hat, daß sich der gewünschte Jitterwert auf der Oszilloskop-Anzeige ergeben hat. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß er nachgerechnet hätte.

Und da geht das Problem los. Es gibt eine ziemliche Menge unterschiedlicher Meßmethoden und -varianten, die man im Oszilloskop wählen kann, um die Jittermessung an seine Bedürfnisse anzupassen. Dave Hill läßt aber nichts darüber verlauten, wie er das eingestellt hat. Da das Ergebnis sich je nach gewählter Meßmethode zum Teil sehr drastisch unterscheiden kann, weiß man im Ergebnis nicht mal mehr ungefähr, wie stark der Jitter bei ihm wirklich war. Das gilt ganz besonders für den niederfrequenten Jitter, den er in seinen Versuchen benutzt hat.

Woran liegt das? Dafür muß ich leider etwas ausholen.

Jittermessungen mit dem Oszilloskop werden vor allem in der Datenkommunikation angewendet, und dafür sind auch die entsprechenden Funktionen eines (Luxus-)Oszilloskops ausgelegt. Für die Charakterisierung von Wandlertakten ist das nicht optimal, da wäre eine Phasenrauschmessung besser, die ganz andere Ausrüstung erfordert. Die Anforderungen sind deswegen unterschiedlich, weil bei der Datenkommunikation vor allem der Jitter mit höheren Frequenzen kritisch ist. Man verwendet daher Meßmethoden, die für niederfrequenten Jitter ziemlich blind sind. Der Hintergrund dafür ist der, daß man in der Datenkommunikation wissen will, ob ein Signal korrekt empfangen werden kann (also mit möglichst wenig Bitfehlern), und das hängt davon ab wie gut die Taktrekonstruktion im Empfänger dem eingehenden Signal folgen kann. Dem niederfrequenten Jitter kann man recht leicht folgen, daher spielt der wenig Rolle. Der hochfrequente Jitter ist das eigentliche Problem. Würde man eine Meßmethode verwenden, die für jede Jitterfrequenz gleich empfindlich ist, dann würde man oft ein Problem sehen, wo eigentlich gar keines ist.

Will man mit diesem Aufbau den Jitter so messen, daß auch die ganz niedrigen Jitterfrequenzen in etwa gleich empfindlich gemessen werden wie die hohen, dann muß man sich genau überlegen was man da tut. Vergreift man sich in der Einstellung, dann kann das Resultat möglicherweise um den Faktor 10000 oder mehr zu gering ausfallen.

Ein prominentes Beispiel dafür ist in einem Artikel von Bruno Putzeys und Renaud de Saint Moulin beschrieben, über den sie vor knapp 10 Jahren auf einer AES-Convention vorgetragen haben. Dort ist in einem Diagramm zu sehen (Abschnitt 4.2), wie die Empfindlichkeit zweier dieser Meßmethoden zu niedrigen Frequenzen hin immer weiter abnimmt. Ein weiteres AES-Papier von Chris Travis und Paul Lesso ein halbes Jahr danach vertieft das noch, und man kann dort lesen: "We can only guess how many times it has happened that people hear the effects of baseband jitter, measure the period jitter, and reach erroneous conclusions." Ich gehe davon aus, daß Dave Hill genau dieser Fehler passiert ist.

Warum glaube ich das?

Es gibt dafür eine Reihe von Indizien. Es fängt damit an, daß die Differenzsignale, die Dave Hill in eigenen Dateien bereitgestellt hat, erheblich stärkere Signale beinhalten, als es aufgrund der behaupteten Jitterwerte plausibel wäre. Das könnte natürlich auch eine Folge einer unzureichenden Phasen- und Pegelkompensation bei der Differenzbildung sein, und da Dave Hill nichts darüber schreibt, wie er das bewerkstelligt hat, kann man diese Erklärung schlecht ausschließen. Wenn man aber zu seinen Gunsten annimmt, daß die Differenz wirklich großteils auf Jitter zurückgeht, dann ist kaum vorstellbar wie das mit den angegebenen Werten zustande kommen soll.

Das wäre leichter kontrollierbar gewesen, wenn zusätzlich zu den vorhandenen Audiodateien auch noch ein Satz Dateien mit Sinussignalen vorhanden wäre, die mit den gleichen Jitterwerten aufgenommen wurden, aber auch das hat Dave Hill nicht bereitgestellt.

Nebenbei: Wer sich überlegt, wie man wohl am besten zwischen zwei Audiodateien eine Differenz bildet, so daß wirklich bloß die jitterbedingten Unterschiede übrig bleiben, obwohl das Signal unterwegs durch einen D/A-Wandler und einen A/D-Wandler ging, der kommt bald darauf daß das gar nicht so einfach ist. Zum Beispiel muß man den Pegel exakt anpassen. Wer weiß schon genau wie sich auf der D/A-A/D-Strecke der Pegel verändert? Wenn man Differenzen von z.B. -80dB gegenüber dem Nutzsignal auflösen will, dann muß man den Pegel auf besser als 0,01% genau abstimmen. Sind die Wandler überhaupt so genau?

Und was ist die exakte Laufzeit zwischen Wiedergabe und Aufnahme? Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß die eine ganzzahlige Anzahl Samples beträgt. Man muß also die Zeitverzögerung in Bruchteilen von Samples kompensieren können. Und was ist mit eventuellen frequenzabhängigen Phasenverschiebungen? Die können dazu führen, daß man die Differenz gar nicht "nullen" kann, völlig unabhängig von Jitterproblemen.

Man muß daher ausloten, wie gut die Differenzbildung eigentlich ist, also in welchen Grenzen man noch halbwegs sicher sagen kann daß eine eventuelle Differenz noch auf Jitter zurückgeht, und nicht auf etwas Anderes. Auch dafür hätte man sich Kontrollsignale gewünscht.

Ein weiteres Indiz ist, daß es gar nicht so einfach ist, mit einem so niederfrequenten Jittersignal wie im vorliegenden Fall, und mit Frequenzmodulation (FM), solche kleinen Jitteramplituden hinzukriegen. Das liegt daran, daß die Jitteramplituden bei FM immer größer werden, je kleiner die Modulationsfrequenz wird. Um kleine Jitteramplituden bei niedriger Frequenz hinzukriegen, muß man mit recht kleinen Signalpegeln modulieren. Das liegt technisch gesprochen daran, daß die Phasenabweichungen (also die Jitteramplitude) bei FM proportional zum Integral des Modulationssignals sind. Und das Integral wird immer größer, je kleiner die Jitterfrequenz wird. Einfacher hätte man es mit der Phasenmodulation (PM), einem engen Verwandten der FM, wo die Jitteramplitude von der Frequenz des Modulationssignals unabhängig ist. Dazu bräuchte man einen Signalgenerator, der nicht nur die FM, sondern auch die PM anbietet, was aber nicht auf das Gerät zutrifft, das Dave Hill verwendet hat.

Ich habe das mal mit meinen Mitteln nachgestellt, und dabei gefunden, daß bei einer Modulationsfrequenz von 300 Hz (also der höchste von Dave Hill benutzte Wert) der Jitter bereits an die 5 ns (peak-to-peak) beträgt, wenn man die kleinstmögliche Modulationsamplitude im Generator wählt (100 Hz peak frequency deviation). Mit kleineren Modulationsfrequenzen wird's noch extremer. Ich habe dabei als Taktfrequenz mal 24,576 MHz gewählt, weiß aber nicht ob das die gleiche ist wie bei Dave Hill, weil er sich darüber ebenfalls ausschweigt.

Noch ein Indiz ist, daß das Oszilloskop gar nicht genug Speicher hat, um selbst bei der günstigsten Wahl der Meßmethode solche niedrigen Jitterfrequenzen wie bei Dave's Versuchen ohne Abschwächung zu messen. Dave Hill hat wohl mit ziemlicher Sicherheit die höchste mögliche Samplingfrequenz des Oszilloskops gewählt, damit er die bestmögliche Auflösung bekommt. Das wären 20 Gs/s, also eine Abtastung alle 50 ps. Selbst wenn er unter diesen Umständen die TIE-Messung mit interner Taktrekonstruktion gewählt hat, was noch die günstigste Variante wäre, dann reicht das schon bei 300 Hz kaum für eine komplette Periode des Jittersignals, und das setzt noch den maximalen Speicherausbau des Oszilloskops voraus, was nur als (teure) Option zu kriegen ist. Bei 10 Hz ist das noch umso extremer. Da Dave Hill allerdings keine Angaben über seine Wahl der Meßmethode macht, kann es auch sein daß es noch wesentlich schlimmer ist. Wenn schon der denkbar günstigste Fall eine Abschwächung des gemessenen Jitters zur Folge hat, dann befürchte ich Ungünstiges.

Wenn man den Jitter ohne Abschwächungseffekt bis hin zu niedrigen Frequenzen mit dem Oszilloskop korrekt messen will, dann braucht es einen etwas anderen Ansatz, der dann auch nicht so viel Speicher im Oszilloskop braucht. Dafür braucht man allerdings eine passende Triggerquelle für das Oszilloskop, welche vom verjitterten Signal unabhängig ist. Ideal wäre es, wenn man aus dem Signalgenerator auch das unmodulierte Signal kriegen könnte, um damit das Oszilloskop zu triggern. Also sozusagen eine Anzapfung zwischen dem Generator und dem Modulator. Das unmodulierte Signal hätte dann die Rolle einer Referenz, relativ zu welcher man dann die Zeitabweichungen des verjitterten Signals messen könnte. Diese Referenz müßte dann nicht im Oszilloskop aus dem verjitterten Signal selbst abgeleitet werden, was - wie wir gesehen haben - in unserem Fall nur mit sehr viel Speicher möglich wäre.

Der verwendete Generator bietet aber auch diese Möglichkeit nicht. Man hat keinen Zugriff auf das unmodulierte Signal während die Modulation aktiv ist. Deswegen kommt diese Variante bei Dave's Versuchsaufbau nicht in Betracht.

Die einfachste Möglichkeit, die Dave Hill in dieser Situation gehabt hätte, würde in etwa so aussehen: Da der Generator auf seiner Rückseite das Signal seines eigenen 10 MHz Referenzoszillators ausgibt, könnte mit Hilfe eines externen Frequenzteilers ein Triggersignal für das Oszilloskop erzeugt werden, dessen Frequenz ohne Rest aus der eingestellten "Trägerfrequenz" teilbar ist. Beispielsweise könnte man bei der von mir angenommenen Taktfrequenz von 24,576 MHz einen Teilerfaktor von 625 verwenden. 10 MHz geteilt durch 625 ergibt 16 kHz, und 24,576 MHz geteilt durch 1536 ist auch 16 kHz. Damit kriegt man dann wieder ein stabiles Bild auf dem Oszilloskop, mit dem man den Jitter messen kann. Man nimmt damit gewissermaßen den Referenzoszillator des Generators als ideal an, und mißt den Jitter relativ dazu. Ideal ist er zwar nicht wirklich, aber in diesem Kontext ist sehr wahrscheinlich keine bessere Referenz verfügbar. So eine Messung ist dann unabhängig von der Jitterfrequenz und liefert damit den "tatsächlichen" Jitter.

Aber das hat wohl kaum stattgefunden, sonst hätte es darauf einen Hinweis in Dave Hill's Beschreibung gegeben. Wir müssen also davon ausgehen, daß er den Jitter auf eine Art und Weise gemessen hat, welche für niedrige Jitterfrequenzen relativ unempfindlich war. Um welchen Faktor sie unempfindlich war, gemessen an der Empfindlichkeit für hohe Jitterfrequenzen, bleibt unklar. Es können leicht etliche Zehnerpotenzen gewesen sein.

Wenn er den Jitter durch seine Meßmethode abgeschwächt hat, dann war der tatsächliche Jitter auf seinen Hörbeispielen stärker als was er angibt. Tendenziell ist die Diskrepanz umso größer, je niedriger die Jitterfrequenzen sind. Am extremsten wird sie bei seiner Datei E sein.

Übrigens merkt man bei solchen Jittermessungen, die auch sehr niedrige Jitterfrequenzen gleichberechtigt erfassen, die Effekte sehr niederfrequenter Instabilitäten von Oszillatoren, die sich als überraschend dominant herausstellen. Das führt dazu, daß man in der Praxis eine untere Grenzfrequenz in seine Meßanordnung einbauen muß, sonst wird eine sinnvolle Jittermessung unmöglich. Das ist zum Teil eine Folge der oben angesprochenen integrierenden Eigenschaft der Frequenzmodulation, die bewirkt, daß die Zeitabweichung ohne Grenze ansteigt wenn man Modulation bis herunter zur Frequenz 0 (DC) zuläßt. Das ist ein weiteres Indiz, denn Dave Hill gibt für Datei E an, daß das Modulationssignal durch einen Tiefpaß bei 10 Hz begrenzt wurde, was impliziert daß es bis zu 0 Hz herabreicht. Das kann nur funktioniert haben wenn eine untere Bandbegrenzung stillschweigend auf andere Weise zustande kam, was wiederum auf eine Abschwächung des Jittereffektes bei niedrigen Frequenzen hindeutet.

Das war jetzt eine ziemliche Packung an technischem Detailkram, schauen wir uns also mal an, was das unterm Strich bedeutet:

Dave Hill's Informationen über die Art und Weise, wie die Dateien zustande kamen, reichen bei Weitem nicht um die Jitterwerte einordnen zu können. Man kann sich aber mit genug Sachverstand einen Reim darauf machen, wie plausibel seine Angaben sind. Dabei kommt heraus, daß sie eigentlich nicht stimmen können, wahrscheinlich weil er eine Meßmethode benutzt hat, die genau den Jitter, den er verwendet hat, deutlich abgeschwächt hat. Was er für einen Jitter unterhalb von einer Nanosekunde hält, kann damit in Wirklichkeit Jitter im Mikrosekundenbereich sein.

Ich habe vier Wochen lang versucht, von Dave Hill weitergehende Informationen über seinen Meßaufbau zu bekommen. Ich habe mich sogar mit ihm auf der jüngsten AES-Convention in New York getroffen, um mit ihm persönlich zu reden. Das waren allesamt höfliche und rücksichtsvolle Konversationen, die aber keinerlei konkretes Ergebnis erbracht haben. Ich hätte erwartet, daß etliche der mich interessierenden Informationen, z.B. bzgl. der verwendeten konkreten Jitter-Meßmethode im Oszilloskop, aus dem Gedächtnis zu beantworten gewesen wären. Aber es kam nur allgemeines Blabla und Ausweichen, egal wie konkret ich fragte. Es bleibt mir nichts anderes, als zu glauben daß Dave keinerlei weiterführende Informationen geben wollte. Stattdessen hat er mich mit diversen Links auf Webseiten und Dokumente zu beschäftigen versucht, die keinerlei Nutzen für mein Anliegen gebracht haben. Die einzige Information, die im Zusammenhang mit meinem Anliegen weiter geholfen hat als das was ich bereits aus den Dokumenten auf der Webseite wußte, war die Angabe, daß sein Oszilloskop nur 2 MSamples Speicher hat, also die Grundausstattung und nicht etwa den Maximalausbau von 64 MSamples, was meinen Verdacht umso wahrscheinlicher macht. Ich vermute inzwischen, daß er mir das nicht mitgeteilt hätte, wenn er geahnt hätte daß ich damit etwas anfangen kann. Auf die konkrete Frage welche Meßmethode er beim Oszilloskop gewählt hatte, antwortete er mir zum Beispiel zweimal, es sei "Peak-to-Peak" gewesen (was schon auf der Webseite steht und nicht meine Frage war), obwohl ich eigentlich schon erklärt hatte was ich genau wissen wollte. Beim dritten Mal hat er mich dann vertröstet.

Ich glaube man macht keinen Fehler wenn man annimmt daß Dave Hill will, daß man an die Hörbarkeit von Jitter im Subnanosekunden-Bereich glaubt. Ob das tatsächlich stimmt scheint ihn nicht zu interessieren, und es ist ihm offensichtlich unrecht wenn dem jemand auf den Grund zu gehen versucht, weshalb er es auch hartnäckig vermieden hat, irgend etwas dazu beizutragen das mir das einfacher hätte machen können. Er war an meinem Verdacht, daß da etwas nicht stimmt, sichtlich uninteressiert, und hat abzuwiegeln versucht, indem er darauf hinwies, daß es ihm ja nicht auf's Messen ankomme, sondern auf das Hörtraining. Eine Antwort darauf, was ein Hörtraining wert ist, wenn die zugrunde liegenden Angaben grundfalsch sind, hat er nicht gegeben. Und er hat auch keinerlei Informationen oder Material zur Verfügung gestellt, die irgend eine Art von Plausibilitätscheck erleichtert hätte.

Ich sage daher: Er betreibt Desinformation, und er weiß das auch. Sein Verhalten ergibt keinen anderen Sinn. Ich muß das eingestehen, obwohl ich vorher einiges von seinen Entwicklerfähigkeiten gehalten habe, und ihm gegenüber sicher nicht feindlich eingestellt war. Er hätte alle Möglichkeiten gehabt, sich als integer zu präsentieren. Stattdessen hat er versucht, mich am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, und seine Message auf der Webseite zu retten, von der er wissen mußte daß sie nicht stimmt.

Vielleicht meint jetzt jemand, daß das zu weit geht und ich gar nicht wissen kann welches Motiv Dave Hill hat. Vielleicht ist das ja gar keine Absicht, sondern im besten Wissen und Gewissen passiert.

Abgesehen davon daß das nicht zu seinem gezeigten Verhalten passen würde, würde ich dazu auch noch folgendes Antworten: Wenn das wirklich ernst und ehrlich gemeint gewesen sein sollte, was soll man dann von jemandem denken, der Andere über die Hörbarkeit von Jitter weiterbilden will, aber anscheinend die unterschiedlichen Jittermeßmethoden nicht auseinander halten kann? Nicht weiß welchen Unterschied das insbesondere bei niedrigen Jitterfrequenzen macht? Der auch anscheinend die anderen Untersuchungen zur Jitterhörbarkeit nicht kennt, oder sich nichts dabei denkt daß die zu ganz anderen Ergebnissen kommen? Der keinen Anlaß sieht, in seinen Aufbau die eine oder andere Plausibilitätskontrolle einzubauen, die ihm hätte sagen können wie plausibel sein Ergebnis ist.

Vielleicht macht das klar genug, warum mir so etwas gegen den Strich geht. Seriös ist anders.

Sonntag, 8. September 2013

Humpty Dumpty und die "Belief Perseverance"

„Wenn ich ein Wort verwende“, erwiderte Humpty Dumpty ziemlich geringschätzig, „dann bedeutet es genau, was ich es bedeuten lasse, und nichts anderes.“ 
„Die Frage ist doch“, sagte Alice, „ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – und das ist alles.“ 
(Lewis Carroll: Alice hinter den Spiegeln)
In der aktuellen Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung fand ich heute einen Artikel auf der Wissen-Seite mit dem Titel "Starrköpfe". Überflüssig zu sagen, daß ich mich sofort angesprochen fühlte. ;-)

Der Artikel bespricht einen Forschungsbeitrag eines Innsbrucker Forschers, der jüngst im Psychonomic Bulletin & Review erschien. Tobias Greitemeyer zeigt darin, daß viele Menschen auch dann noch an widerlegte Informationen glauben, wenn ihnen klar ist, daß sie falsch sind. Ja, das klingt nicht nur paradox, das ist es auch, weshalb die Süddeutsche extra betont: "Es ist wert das zu wiederholen: Selbst wenn jemand weiß und verstanden hat, dass eine Geschichte falsch und nichts als eine Lüge ist, neigt er dazu, trotzdem daran zu glauben."

Das ist für Aufklärer eine frustrierende Nachricht. Es reicht nicht, einen falschen Glauben zu widerlegen. Es reicht auch nicht, wenn der Betreffende kapiert hat, daß sein Glaube widerlegt ist. Er hört trotzdem nicht auf zu glauben. "Wenn der Mensch einmal an etwas glaubt, dann will er seine Haltung nur äußerst ungern aufgeben." Das Ganze heißt im englischen Fachbegriff "Belief Perseverance", also etwa "Glaubensbeharrlichkeit".

Offenbar hängt die Sache damit zusammen, wieviele Gründe man sich für die letztlich falsche Meinung zurecht gelegt hat. Diese Gründe brauchen gar nicht schlüssig zu sein, sie können sogar recht trübe sein, Hauptsache man hat sie für sich angenommen. Dann nutzt nicht mal der Nachweis, daß ein Ergebnis falsch ist, sondern es hilft laut Greitemeyer nur noch eines: "Man muss Argumente generieren, warum das (...) Ergebnis keinesfalls richtig sein kann."

Das heißt im Umkehrschluß, daß sich eine falsche Ansicht so lange hält, bis der Betreffende nicht nur kapiert hat, daß seine Meinung falsch ist, sondern auch daß sie unter keinen Umständen stimmen kann. Es reicht also nicht wenn man alle Beweise und Indizien für den Glauben zunichte macht, man muß darüberhinaus eine wasserdichte Beweiskette dagegen aufstellen, und zudem erreichen daß der Betreffende sie zur Kenntnis nimmt und auch kapiert.

Wer dagegen erreichen will, daß der Betreffende seinen Glauben behält, der braucht eigentlich nur für eines zu sorgen: Zweifel an der Wasserdichtigkeit des Gegenbeweises aufrecht zu erhalten. Den Rest erledigt die Glaubensbeharrlichkeit. Jede Verschwörungstheorie speist sich daraus.

Wer in den Hifi-Diskussionen schon so lange mitmischt wie ich, der wird keine Mühe haben, Beispiele für diese Sachlage zu finden. Mein in dieser Hinsicht frappierendstes Erlebnis (und es gibt einige starke Konkurrenten!) hatte ich Anfang 2011, als in meinem Blog-Thread im Hifi-Forum ein Streit wieder aufgeflammt ist, der sich um ein Blindtestangebot zum Thema Netzkabel drehte, welches "Franz" im Kommentarteil dieses Blogs machte (am 9. April 2010), nur um es dann wieder platzen zu lassen als er merkte, daß ich ihn beim Wort nehmen wollte, und der dann versuchte, mir die Sache in die Schuhe zu schieben. Dabei war nicht etwa Franz selbst derjenige, der mich am meisten frappiert hat, sondern "hifiaktiv" David Messinger, der mit dieser Diskussion zeigen wollte, wie unter anderem von mir "Andersdenkende diffamiert" werden. Stattdessen hat er er gezeigt, wie weit er zu gehen bereit ist um sich diese Meinung zu bewahren, und das habe ich in der krassen Form wirklich noch nicht erlebt gehabt.

David war bei der Kommentar-Diskussion im Blog mit dabei, und er hätte wissen müssen, daß ich die nachher so heiß umstrittene Vorbedingung einer Generalprobe von Anfang an gestellt hatte und keineswegs nachträglich auf's Tapet geracht hatte, wie er danach kategorisch behauptete. Das konnte man auch alles im Blog nachlesen, zudem gab's etliche Zeugen, und es wurde mehrfach in der Diskussion klargestellt. Trotzdem ließen sich weder Franz noch Charly noch David davon abbringen, zu behaupten ich hätte diese Bedingung nachträglich hervorgeholt. Charly ging so weit daß er nahelegte, ich hätte die Blogkommentare selbst nachträglich editiert, seine eigene Erinnerung sei anders. Und David weigerte sich sogar dann, die Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, als man ihm die Textpassagen ins Forum kopierte, damit er sie maximal bequem lesen konnte.

Das heißt es reichte nicht einmal die Aufstellung eines wasserdichten Beweiskette in Form von schriftlichen Originalzitaten, um den falschen Glauben zu überwinden, David weigerte sich einfach, das zur Kenntnis zu nehmen. Das ist die ultimative Verteidigung einer ansonsten unhaltbaren Position: Man verweigert die Kenntnisnahme der Fakten. Die eigene "Erinnerung" und die so liebgewonnene Überzeugung ist ohnehin überzeugender als alle Fakten es je sein können. Tobias Greitemeyer hätte damit bestimmt auch seine Freude gehabt.

David hat nach einigem hin-und-her dann tatsächlich seinen "Irrtum" anerkannt (in Beitrag #1653 als Reaktion auf meine #1651, beide lesenswert), aber man kann sich nicht sicher sein ob nicht seine "Erinnerung" irgendwann wieder die Oberhand bekommt. Das ist eben auch die Gefahr: Der liebgewonnene Glaube kann auch wieder zurückkommen. Zumal es durchaus passieren kann, daß sich das negative Erlebnis, derart "vorgeführt" zu werden, zu einer Rechtfertigung des ursprünglichen Glaubens wandelt. Ich habe also vielleicht die Testbedingungen nicht faktisch nachträglich verschärft, aber angesichts meiner generell empfundenen Niedertracht ist er davon überzeugt, daß ich dazu bereit und fähig gewesen wäre. Von da aus ist es nur noch ein kleiner Schritt, daß man die Tatsache, daß ich es so hingekriegt habe, daß ich faktisch nicht niederträchtig war, als noch größere Niedertracht ansehen kann, weil es mir ja dadurch gelungen ist, meine Widersacher bloßzustellen. "Weil Du recht hast, stehe ich jetzt dumm da! Du Arschloch!", könnte er denken.

Wie geht man damit um?

Beim angegebenen Fall war die Sache wenigstens so, daß die Diskussion offen genug ablief, daß die Positionen klar sichtbar waren, und daß demzufolge Ausweichen nicht wirklich möglich war. Man kann zwar bezweifeln, daß der Betreffende daraus etwas gelernt hat, aber er kam nicht darum herum, seinen "Irrtum" öffentlich einzugestehen. In seinem eigenen Forum hätte es dafür keine Chance gegeben. Dort ist er Humpty Dumpty, er bestimmt was die Worte "freundlich", "sachlich", "Forenregel" usw. bedeuten. Dafür hat er die Macht. Was das in der Praxis bedeutet kann man im Hififorum.at sehen.

Für mich ergeben sich daraus mehrere Lehren:
  1. Wenn der Glaube stark genug ist, dann hilft gar nichts.
  2. Wer Glaubensbeharrlichkeit überwinden will, muß dem Gegenüber die Beschäftigung mit der Realität aufnötigen.
  3. Man kommt am besten gegen eine "Glaubensbeharrlichkeit" an, wenn man ausgeglichene Machtverhältnisse hat. Wer die Macht hat, braucht keine Fehler zuzugeben, muß nicht argumentieren, muß noch nicht einmal zuhören. Man kann ihn daher nicht dazu bringen, sich mit den Fakten zu beschäftigen.
  4. Öffentlichkeit neutralisiert Macht.


(Ich habe nach meiner Abmeldung im Hifi-Forum übrigens die Kommentare hier im Blog wieder erlaubt, allerdings diesmal nur für Leute mit Google-Konto.)

Montag, 26. August 2013

Viehhüter — was im Hifi-Forum falsch läuft

Letzten Monat bat ich im Hifi-Forum per Privatnachricht an einen Vertreter des forumseigenen "Community-Support-Teams" (dessen Identität hier keine Rolle spielen soll, da es mir nicht um die Person geht) um Auskunft über meine dort gespeicherten personenbezogenen Daten. So ein Auskunftrecht hat man, wie viele von Euch wahrscheinlich wissen, nach dem bundesdeutschen Datenschutzgesetz, und in den Nutzungsbedingungen des Forums wird darauf auch pflichtschuldigst hingewiesen. Der sich daraus ergebende Austausch von Nachrichten hat sich über einige Zeit hingezogen, und verlief ziemlich frustrierend — leider nicht zum ersten Mal, wie ich später noch ausführen werde.

Nachdem die Urlaubzeit dazu geholfen hat daß ich diesen Eindruck setzen lassen konnte, habe ich mich nach reiflichem Überlegen entschlossen, die ganze Sache hier mal im Zusammenhang aufzuschreiben, und so etwas zusammenzufassen und auf den Punkt zu bringen, was sich über viele Monate hinweg aufgebaut und angestaut hat. Vielleicht wird es so auch für Dritte besser verständlich, und damit auch leichter diskutierbar. Kurz wird dieser Text dennoch nicht werden, denn es gibt schlicht einiges zu sagen, und erst im Zusammenhang entsteht das Gesamtbild.

Bevor ich darauf eingehe, was bei der Auskunftsanfrage heraus kam, muß ich zuerst die Vorgeschichte zusammenfassen, denn weder die Anfrage noch die Antwort darauf wäre ohne diese Vorgeschichte verständlich.

Vorgeschichte: Die Transparenzdiskussion

Viele von Euch werden die Diskussionen mitgekriegt haben, in denen ich auf größere Transparenz in moderativen Angelegenheiten gedrungen habe. Das ist mehrfach aufgeflammt, immer ausgelöst durch moderative Aktionen, die einen ziemlich willkürlichen Anschein gemacht haben, und die mit ziemlich ungenügender und tendenziell herablassender Kommunikation verbunden waren. Zuletzt war es der notorische "Verstärkerklangthread", die "Metadiskussion" dazu gibt's hier.

Einige Monate früher gab es ähnliche Auseinandersetzungen um den Thread "Voodooverherrlichungskritik", und auch da gab's eine ausgelagerte "Metadiskussion". Nochmal davor war der Kommentarthread zu meinem Blog betroffen, und auch da ist eine ähnliche Diskussion entstanden.

Völlig unabhängig davon und ohne mein Zutun gab's auch kürzlich wieder ähnlich gelagerte Komplikationen im Verstärkerklang-Thread, und auch wenn das mit meiner Auskunftsanfrage nichts mehr zu tun hatte, so zeigt es doch daß die zugrundeliegende Problematik keine Anzeichen zeigt, sich aufzulösen.

Ich will Euch nicht aufnötigen, diese ganzen Diskussionen im Einzelnen nachzulesen, wenngleich Ihr dazu natürlich eingeladen seid, schon um nachzuprüfen, welche "Partei" sich in diesen Diskussionen wie verhalten hat. Das liegt mir schon deswegen am Herzen, weil ich in diesen Diskussionen von mehreren Moderatoren, Administratoren und Forumsvertretern wiederholt Extrempositionen und Maximalforderungen unterstellt bekommen habe, die ich nicht geäußert habe, und gegen die ich mich auch bei jeder passenden Gelegenheit verwahrt habe. Vielleicht bekommt Ihr daraus (wenn nicht schon vorhanden) einen Eindruck, mit welcher Hartnäckigkeitkeit man hier versucht hat, um eine offene und ehrliche Diskussion meines Anliegens herum zu kommen.

Was war mein Anliegen in dieser Angelegenheit? 

Ich beobachte seit längerem eine sich verstärkende Tendenz der Moderation/Administration, sich nicht als eine Instanz zu verstehen, die im Benutzerinteresse handelt und dieser Benutzerschaft gegenüber wenigstens ideell verantwortlich zu sein, sondern als verlängerter Arm des Forenbetreibers, um den Usern gegenüber dessen Interessen durchzusetzen, oder noch schlimmer um die eigentlichen Herren des Forums, die aus eigener Machtfülle handeln.

Das soll kein pauschaler und persönlicher Vorwurf an jeden einzelnen Moderator oder Administrator sein. Die Unterschiede im Verhalten und im Duktus der verschiedenen Personen sehe ich sehr wohl. Ich sehe aber daß sich diese Tendenz verstärkt, und daß insbesondere die Moderatoren im Forum den Ton anzugeben scheinen, die eine solche Einstellung haben. Ich habe auch über die letzten Jahre gesehen wie sich die Reihen derjenigen Moderatoren mehr und mehr gelichtet haben, von denen ich eine andere Herangehensweise kennengelernt habe. Auch wenn ich die Motive in jedem Einzelfall nicht kenne und auch nicht kennen kann, so denke ich daß diese Entwicklung wohl kein Zufall sein wird.

Parallel dazu schirmen sich die Moderatoren immer klarer von den Benutzern ab. Interne Moderatorendiskussionen gab es zwar schon immer, und muß es in einem solchen Forum auch geben können, aber die Distanz wächst, und die Abschottung wird höher. Mehrere Moderatoren und Administratoren lassen auch immer offener durchblicken, daß sie sich in überhaupt keiner Art von Pflicht der Userschaft gegenüber sehen, weder formell noch ideell, und daß sie es daher auch für ihre eigene Angelegenheit betrachten inwieweit sie ihre Entscheidungen öffentlich begründen.

In diesem Zusammenhang kommt üblicherweise der Hinweis darauf, daß man im Auftrag des Forenbetreibers das Hausrecht ausübe, und daß man diesem gegenüber verpflichtet sei, das Firmeninteresse zu wahren und über jedwede Interna Stillschweigen zu bewahren. Zu diesen Interna gehören auch die Regeln der Moderation selbst, denn über die Aufgaben, Grenzen und Modalitäten der Moderation ist in keinem öffentlichen Dokument des Forums etwas zu lesen. Die Benutzer-Rechte und -Pflichten stehen in den Nutzungsbedingungen (oft NUB abgekürzt), aber etwas Ähnliches für die Moderation fehlt, obwohl aus etlichen Äußerungen von Moderatoren hervor geht, daß "intern" solche "Spielregeln" sehr wohl existieren. Die NUBs machen lediglich klar, daß die Moderatoren im eigenen Ermessen handeln.

So ein Zustand mag in der Anfangsphase des Forums ausgereicht zu haben, aber für ein Forum mit inzwischen über 700000 angemeldete Mitglieder halte ich so eine Regelung für ein Unding, und für völlig ungeeignet, einen angemessenen Interessensausgleich zu ermöglichen. Es sollte klar sein, daß mit der Größe des Forums nicht bloß die Anzahl der Beiträge wächst, sondern auch die Konflikte größere Kreise ziehen können. Nicht zuletzt wird das Forum ja auch wirtschaftlich interessanter, was auch die Gefahr der wirtschaftlich motivierten Einflußnahme vergrößert.

Das kann bedeuten, daß eine ausgewogene und faire Diskussionskultur graduell der wirtschaftlichen Interessenlage zum Opfer fällt. Damit meine ich nicht bloß, daß der Betreiber seine Werbeeinnahmen optimiert, dagegen hätte ich (noch) nichts einzuwenden. Es kann aber irgendwann auch so weit gehen, daß die Werbetreibenden Kritikschutz einfordern, und die Moderation dem nachgibt. Es gibt Foren im Hifi-Sektor, bei denen das ganz klar so ist: Wer Kritik an einem Werbekunden des Forenbetreibers übt, wird abgewatscht.

Ich sage nicht daß das im Hifi-Forum bereits der Fall ist, aber ich sehe nicht wodurch es verhindert werden würde, wenn es mal so weit kommt. Wir sehen gerade in der öffentlichen Diskussion zur Abhöraffäre, wie sehr eine Geheimstruktur zum Mißbrauch verleitet. Wenn man nicht fürchten muß, daß es herauskommt, dann kann man seine Macht umso unverblümter mißbrauchen. Genau deswegen braucht es ein gewisses Ausmaß an Transparenz, damit man sich als Öffentlichkeit davon überzeugen kann, daß es im großen und ganzen mit rechten Dingen zugeht.

Mir geht es darum, ein vernünftiges Maß an Transparenz im Forum zu schaffen, so daß einerseits ein effizientes Moderieren nach wie vor möglich ist, andererseits man als User nicht auf Vermutungen zurückgeworfen ist, was die Moderationsmodalitäten angeht, sondern daß die Vorgänge nachvollziehbar, kritisierbar und plausibel sind, man also begründetes Vertrauen haben kann, und nicht blindes Vertrauen haben muß. Dazu gehört z.B. ein formelles Beschwerdeverfahren, das nicht darauf hinaus läuft daß die Beschwerde von demjenigen bearbeitet wird, über den man sich beschwert. Und dazu gehört eine Informationskultur, die den User als Interessenträger ernst nimmt.

Das heißt nicht, daß alle moderative Tätigkeit bis ins Einzelne im grellen Licht der Öffentlichkeit stattfindet, und daß über jedes Komma eines Moderators bis ins Unendliche diskutiert werden müßte. Es geht auch nicht um "Basisdemokratie", also die kollektive Moderation durch die Gesamtheit der User. Solche Extrempositionen wurden mir aber grundsätzlich unterstellt, um mein Anliegen ins Absurde zu ziehen, und sich nicht mit meinen tatsächlichen Vorschlägen auseinandersetzen zu müssen.

Stattdessen wird so getan als wäre die momentane Struktur des Moderationswesens im Forum praktisch die einzig sinnvolle, die sich so sehr bewährt hat, daß grundsätzliche Kritik daran quasi automatisch unsinnig und tendenziell sogar böswillig wird. Ich sehe darin zunehmend den Versuch einer Machtelite, ihre liebgewonnene Unangreifbarkeit zu zementieren. Eine Machtelite zumal, die zunehmend auf die Userschaft herunter blickt, und sie nicht mehr auf Augenhöhe wahr nimmt. Die folglich auch keine Verpflichtung der Userschaft gegenüber mehr spürt, auch keine ideelle, sondern die Userschaft eher als etwas ansieht, was Arbeit macht. Ein Pöbel, der sich nicht zu benehmen weiß und bloß Ärger macht. Die User als Viehherde, die gehütet werden muß.

Einige der Moderatoren weisen das empört zurück, und verhalten sich doch immer wieder genau so wie man es mit so einer Einstellung erwarten würde. Das mag sogar ehrlich gemeint sein, was zwar Böswilligkeit ausschließt, aber doch zeigt wie weit man sich als langjähriges Mitglied einer sich strikt abschirmenden Moderatorentruppe von der User-Realität entfernt hat.

Man mag einwenden, ich würde mich da etwas weit aus dem Fenster lehnen, und Urteile treffen, die ich mir mangels persönlichem Kontakt mit den Betreffenden nicht anmaßen kann, aber ich urteile über das was ich an Verhalten sehe, und wenn das ein solches Urteil nahe legt, dann sollte man vielleicht das Problem anerkennen, statt einfach den Überbringer der schlechten Nachricht zu beschuldigen. Die Tatsache, daß dieses Problem schon so lange gärt bis ich so weit gekommen bin, daß ich es hier im Blog thematisiere, sollte ein Hinweis darauf sein, daß es kein Ergebnis einer momentanen Frustration ist, sondern daß ich zur Hinterfragung meiner eigenen Position und Beobachtungen durchaus reichlich Gelegenheit hatte, und diese Gelegenheit auch nicht ungenutzt gelassen habe. Mit einem Wort: Ich meine es ernst, und die Tatsache daß man mich wiederholt kaltzustellen oder ins Leere zu laufen versucht hat, hat mein Vertrauen in meine eigene Beobachtungs- und Bewertungsfähigkeit eher gestärkt als erschüttert.

Über Interessen, und deren Ausgleich

Wenn es Konflikte gibt, tut man gut daran, sich zu überlegen, welche der beteiligten "Parteien" wohl welche Interessen hat. Der Konflikt selbst geht oft auf tiefer liegende Interessen zurück, die in der Auseinandersetzung nicht offen und klar zur Sprache kommen. Sie ans Tageslicht zu zerren kann den Konflikt auflösen helfen, oder wenigstens das Verständnis vertiefen, worum es eigentlich geht.

Zunächst: Welche Parteien gibt es eigentlich? Und wer gehört wozu?

Aus meiner Sicht gibt es in erster Näherung drei klare Parteien mit ihren jeweils eigenen Interessen: Die Betreiber des Forums, die Moderatoren/Administratoren, und die User.

Daß jede Partei wiederum selbst in Gruppen unterteilt werden kann versteht sich von selbst. Hier geht es aber um die Transparenzdiskussion, nicht um z.B. den Konflikt Goldohr/Holzohr.

Den Betreibern geht es, so kann man annehmen, um das Geschäft. Sie betreiben ein Wirtschaftsunternehmen mit der Absicht, einen Gewinn zu erzielen. Es wäre zwar auch ein altruistisches Motiv denkbar, aber dann hätte man wohl kaum eine GmbH als Rechtsform gewählt, sondern z.B. einen Verein. Die Diskussionen und deren Inhalte sind dafür eher nebensächlich, es kommt darauf an daß möglichst viele User angelockt werden, an deren Anwesenheit Anzeigenkunden so stark interessiert sind, daß sie für das Schalten von Anzeigen Geld ausgeben. Daß Diskussionen kontrovers ablaufen ist dabei sogar bis zu einem gewissen Grad ein Vorteil, denn Lärm lockt Gaffer an, es sollte bloß nicht so ausarten daß man sich eher wieder abwendet. Und es sollte nicht so weit gehen, daß man als Forenbetreiber juristischen Ärger kriegt, der auch wieder den Gewinn schmälert.

Der Betreiber spendiert die technische und organisatorische Plattform, für deren Unterhalt er aufkommt, und bekommt dafür von den Usern Inhalt und "Community", die das Forum nicht bloß für User, sondern auch für Inserenten attraktiv macht. Es ist nicht ganz so einfach wie bei der Blume und der Biene, wo die Blume den Nektar spendiert um die Biene anzulocken, die die Bestäubung übernimmt, aber fast. Eine Stufe mehr ist hier im Wertschöpfungskreislauf vertreten.

Die User möchten sich austauschen und informieren können, ohne zu sehr belästigt oder verarscht zu werden, möchten manchmal auch unterhalten werden, oder sich selbst produzieren. Eine reine Werbeplattform oder ein Hersteller-Sprachrohr wäre uninteressant, das gibt's ohnehin mehr als genug. Man hofft darauf, daß der Betreiber schon dafür sorgen wird, daß es nicht dazu kommen wird. Wer nur 15 Beiträge schreibt wird sich wenige Gedanken darüber machen, aber für die Stammgäste wird das zunehmend wichtiger. Da ist man darauf angewiesen, daß man "in guten Händen" ist, daß man also mit seinen Beiträgen und seinen Daten nicht ein System "füttert", das Schindluder damit treibt. Die Sensibilität dafür wächst seit einiger Zeit, hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Gebaren der Betreiber sozialer Netzwerke (Facebook, Google, ...) und ihrem Datenhunger, jüngst noch verstärkt durch die Verbindung zu den Geheimdiensten. Insbesondere wächst das Gefühl, daß solche Netzwerke, bei ihrem kleinen Anfang noch vertrauenserweckend und cool, mit steigender Größe eine Tendenz zum Übergriff und Mißbrauch zu entwickeln neigen. Entsprechend wichtiger werden Transparenz und Kontrollmöglichkeiten.

Die Moderatoren und Administratoren stehen in gewisser Weise dazwischen. Einerseits vertreten sie den Betreiber gegenüber den Usern, indem sie im Namen des Betreibers das "Hausrecht" im Forum ausüben. Andererseits rekrutieren sie sich aus der Userschaft, und man könnte erwarten, daß sie auch umgekehrt die Interessen der User dem Betreiber gegenüber vertreten. Bisher ist es im Hifi-Forum zudem so, daß sie unentgeltlich arbeiten, daß also nicht über die finanzielle Schiene eine zusätzliche Verpflichtung entsteht. So könnte man jedenfalls meinen.

In den Anfangszeiten des Forums konnte man nach meinem Eindruck tatsächlich davon ausgehen, daß diese Balance einigermaßen funktioniert hat. Meine User-Id ist 50952, ich habe also zu einer Zeit angefangen, in der das Forum noch nicht einmal ein Zehntel der angemeldeten User hatte als heute. Es gab auch noch keine alteingesessenen Moderatoren, weil das ganze Forum noch nicht so alt war.

Heute sehe ich diese Balance als verloren an. Davon, daß sich die Moderation, insbesondere der "harte Kern", sich als Vertreter der Userinteressen versteht, merke ich nicht mehr viel. Mir gegenüber wenigstes verhält man sich ganz explizit als Vertreter der Betreiber, jedenfalls gibt man das vor. Das wirft automatisch die Frage nach dem Interesse auf:

Was bringt einen Moderator, der ja selber mal User war, auch wenn sich wohl manch einer wohl kaum mehr daran erinnern können wird, dazu sich ohne Bezahlung als Interessenvertreter der Betreiber gegenüber der User zu verstehen? Was hat er davon?

Bevor man anzweifelt, daß es so ist: Bitte lest Euch die Beiträge einiger Moderatoren aus den oben verlinkten Diskussionen durch und zeigt mir Stellen, die nahe legen daß sich die Moderatoren als Vertreter der User gegenüber den Betreibern verstehen, und nicht als Vertreter der Betreiber gegenüber den Usern. Ich finde da sehr wenig.

Wenn es nicht das Geld ist, was ist es dann? Die Moderatoren schreiben immer wieder mal daß sie das aus Spaß an der Sache machen, aber das wirkt auf mich eher ominös wenn sie sich dann wenig später darüber mokieren, daß ein Thread bzw. die Debatte darin "Arbeit macht", und der in einem Thread versammelten Teilnehmerschaft kollektiv bescheinigt, sich nicht "benehmen" zu können. Wie wäre es wenn sich ein Schiedsrichter bei den Spielern beschweren würde, weil er so viel hin- und her rennen muß, und so lange nichts unternimmt bis es zur Rudelbildung und zu Handgreiflichkeiten kommt, nur um dann den kompletten Mannschaften schlechte Manieren zu attestieren? Würde man dem nicht vorwerfen, daß er seinen eigenen Job nicht macht? Würde man da nicht vermuten, daß da Faulheit, Unfähigkeit oder gar die Lust am Zuschauen bei einer Keilerei im Spiel ist? Letzteres wird ja noch dadurch begünstigt, daß man sich als Außenstehender dabei umso besser als über den Pöbel erhaben wähnen kann.

Man muß also schon fragen dürfen worin dieser angebliche Spaß eigentlich besteht. Ich habe in den letzten etlichen Monaten zu viele Hinweise darauf gesehen, die mir in dieser Hinsicht kein gutes Gefühl geben. Bei einigen der Moderatoren habe ich den Verdacht, daß sie daran Spaß haben, ihre Unangreifbarkeit oder Überlegenheit heraushängen zu lassen. Verliehene Macht wird ja oftmals noch viel unerbittlicher ausgeübt als eigene Macht. Das scheint ein typisches menschliches Verhalten zu sein. Daß ich das mal so unverblümt über Moderatoren eines Forums schreiben würde, das mich über inzwischen mehr als 9 Jahre begleitet hat, und zu dem ich viel Substanz beigetragen habe, sollte zeigen wie weit die Erosion des Vertrauens inzwischen geht.

Für mich ist so über die Zeit aus einer Mittlerrolle zwischen User und Betreiber, aus einer Balance-Funktion, eine Kumpanei zwischen Betreiber und Moderatoren zum Nachteil der User geworden. Die Moderatorenschaft scheint zudem intern weiter hierarchisch organisiert zu sein. Abgesehen von der Unterteilung zwischen Administratoren und Moderatoren, von der man nach außen wenig merkt außer den unterschiedlichen Titeln, die aber intern eine weitere Abschottungslinie bedeutet, gibt es auch unter den eigentlichen Moderatoren solche, die eine höhere Stellung haben. Offenbar gibt es Moderatoren für nur einen abgegrenzten Bereich des Forums, während andere überall moderieren können. Zusammen mit der Rekrutierung weiterer Moderatoren, die die gleichen Leute betreiben, sieht das für mich überhaupt nicht so aus als wäre unter solchen Umständen wirksame Kontrolle und Pluralität gewährleistet oder überhaupt möglich. Man kann mir noch so oft beteuern, daß es unterschiedliche Meinungen und lebhafte, kontroverse Diskussionen hinter den Kulissen gebe. Ich bezweifle nicht daß es das gibt, ich bezweifle aber daß das in den wichtigen Fragen als Korrektiv wirkt. Die Beteuerung, es sei alles in Ordnung damit, ist ungefähr so vertrauenswürdig für mich wie die Beteuerung unserer Politiker, mit den Geheimdiensten sei alles in Ordnung, und die parlamentarische Kontrolle funktioniere. In beiden Fällen weiß ich wegen der Geheimhaltung nicht genug um es wirklich beurteilen zu können, aber in beiden Fällen sind die Anzeichen nicht beruhigend, und je heftiger die Geheimhaltung betont wird, desto eher fürchte ich, daß es da dreckige Wäsche gibt, die man nicht herzeigen will.

Datenschutz, für wen?

Und da sind wir endlich bei meinem Auskunftsersuchen angekommen, das ich eingangs erwähnt habe. Ich habe das nicht als Fortsetzung der alten Auseinandersetzungen verstanden, sondern ich war einfach daran interessiert, was das Forum über mich speichert. Trotzdem kann man natürlich die Vorgeschichte nicht ignorieren, sie ist sowohl bei mir als auch beim Betreiber und den Moderatoren im Hinterkopf vorhanden, ob man will oder nicht. Deswegen war ich auch daran interessiert, zu erfahren, wie man sich mir gegenüber verhalten würde. In den NUBs erweckt man den Eindruck, als ob man solchen datenrechtlichen Auskunftsersuchen natürlich gerne nachkommen würde. So gerne würde man das bei mir wohl nicht tun wollen, hatte ich schon vermutet. Wie würde man das handhaben? Da kein Moderator im Spiel war rechnete ich mir sogar eine vergleichsweise unaufgeregte Handhabung aus.

Mit mehr als 8000 Beiträgen über 9 Jahre hinweg, vielfach in kontroversen bis konfrontativen Debatten geschrieben, einschließlich solcher mit oder gegen Moderatoren, war ich mir sicher daß über mich wesentlich mehr Informationen gespeichert sein würden als was in meinem für mich sichtbaren Profil steht. Schon die NUBs schreiben ja, daß Protokolldaten über meine Seitenabrufe anfallen, und daß die in gewisser Weise ausgewertet werden, um es den Administratoren zu erlauben, Verstöße gegen die Regeln zu entdecken, war spätestens bekannt seit vor etwa einem Jahr der Moderator Bothfelder (vermutlich fälschlicherweise) Jakob1863 beschuldigte, unter mehreren Pseudonymen zu schreiben. Es ist klar, daß es solche Möglichkeiten braucht, wenn man gegen die unschöneren Formen des Guerilla-Marketing und der Manipulation etwas in der Hand haben will, insofern habe ich dagegen auch nichts einzuwenden.

Zusätzlich zu diesen Daten ist ebenfalls klar, daß es zu jedem Profil eines  Benutzers auch ein internes Profil geben muß, wo die Moderatoren eigene Informationen eintragen können, die die Moderation erleichtern. Wenn es mehr als 50 Moderatoren gibt, dann ist man dankbar wenn man in einer Problemsituation in einem Thread zu den notorischen Verdächtigen ein paar Informationen abrufen kann, um sie besser einordnen zu können. Es ist zudem zu erwarten, daß darüber auch interne Diskussionen entbrennen. Gerade bei einer kontroversen Figur wie bei mir selbst bin ich sehr sicher, daß ich mehrfach Anlaß zu internen Diskussionen gegeben habe, gerade auch wegen meines Blogs und dem entsprechenden Thread im Hifi-Forum.

Die Moderation versucht, darüber in der Öffentlichkeit Stillschweigen zu bewahren, aber wer lange genug dabei ist, der kann sich an ein paar Fingern abzählen, was da wohl abläuft. Auch wenn die Forensoftware spezifisch und nicht kommerziell ist, so kann man sich aufgrund der Funktionalität gängiger Software einen Reim darauf machen wie so etwas wohl intern organisiert ist, und welche Möglichkeiten es da geben muß. Nicht daß das prinzipiell verkehrt wäre, aber es braucht auch nicht viel Phantasie um sich die damit verbundenen Risiken zu überlegen.

Eine interne Diskussion über meine Figur würde mich auch dann nicht stören, wenn sie mit Verwünschungen gespickt wäre. Ich habe das ja auch schon kraß genug im Kommentarbereich des Blog gehabt, ohne daß ich da an Geheimhaltung interessiert gewesen wäre. Es könnte da höchstens sein, daß man sich wundert wie ätzend mancher werden kann, der sich in der Öffentlichkeit ganz gut zusammenreißt, bloß weil er denkt im internen Bereich sieht's keiner, der es nicht sehen soll. Das interessiert mich allerdings eher wenig, manachmal muß man auch Dampf ablassen können. Diese Diskussionen wird's wohl immer geben, und die können meinetwegen gern geheim bleiben.

Bei den Profildaten wird's aber schon kritischer. Ich hätte vermutet, daß da neben eher "faktischen" Inhalten auch einige Einschätzungen landen, die irgend jemand aus der Moderation zum Nutzen der Anderen beisteuert, wenn er schon mal das "Vergnügen" mit mir hatte. Das kann je nach Fall zutreffend sein, oder auch geradezu rufschädigend, und es kann einen beträchtlichen Einfluß darauf haben wie man mit mir umspringt, wie also insbesondere auch Moderatoren mit mir umspringen, die wenig eigene Erfahrung mit mir haben und mich anhand der im Profil abgelegten Einträge einschätzen. Es kann da durchaus so weit gehen daß man als User keinen Fuß mehr auf den Boden kriegt, nicht etwa weil man sich selbst unmöglich gemacht hätte, sondern weil man sich unter den Moderatoren Feinde gemacht hat. Eine Art von internem Mobbing sozusagen.

Bevor jemand sagt: "Selber schuld, wärst Du eben netter gewesen": Man kann über mein Diskussionsverhalten denken wie man will (und viele halten es für durchaus fair, wenn auch konfrontativ), aber wenn eine "Organisation" anfängt, jemanden aufgrund interner Informationen zu benachteiligen, die der Betroffene nicht sehen darf, deren Charakter er daher auch nicht einschätzen kann, der hat den Datenschutz nicht verstanden. Schon einmal von der Schufa gehört, die gezwungen werden mußte, die Bewertungsgrundlagen für eine Bonitätsauskunft dem Betroffenen offenzulegen, weil es oft genug völlig falsche Informationen darin gab und der Betroffene keine Ahnung hatte wieso er plötzlich keinen Kredit mehr kriegt? Die lange Zeit bereits das Auskunftsersuchen mit einer negativen Wertung belegte? Wer um Auskunft ersuchte war damit automatisch weniger kreditwürdig.

Daß es so etwas wie interne Profile geben muß, so wie es eine Schufa geben muß, ist mir klar. Genauso klar sollte es aber den Betreibern und Moderatoren sein, daß sie damit ein potenziell riskantes und zum Mißbrauch einladendes Werkzeug haben, mit dem verantwortungsvoll umgegangen werden muß. Das Datenschutzgesetz verlangt deswegen, daß nur solche Daten erfaßt und aufbewahrt werden, die für die Aufgabe nötig sind, also das Prinzip der Datensparsamkeit. Und es verlangt, daß der Betreffende diese Daten über ein Auskunftsersuchen einsehen kann, um ihm die Kontrolle zu ermöglichen, ob sie korrekt sind, und ob damit verantwortungsvoll umgegangen wird.

Das Gesetz sieht allerdings auch einige Ausnahmen und Grenzen vor. Hier wird's gerade in meinem Fall interessant.

Wie wurde mein Auskunftsersuchen vorigen Monat behandelt?

Nun, die erste Reaktion war, mir die "Minimaldaten" aus meinem Profil zu schicken. Die meisten der Daten sind auch für mich selbst im Profil einsehbar, lediglich Datum und IP-Adresse der letzten Anmeldung, sowie eine 72-stündige Schreibsperre im November 2011 waren von mir nicht direkt sichtbar, sowie die mir auch so bekannte Tatsache, daß ich im Hifi-Wissen seit 2004 als Themenersteller freigeschaltet bin.

So wenig? Das dachte ich gerade auch wegen der Angaben in den NUB, die ich oben erwähnte. Da mußte mehr sein. Ich fragte also nochmal nach. Das dauerte dann geraume Zeit (ich vermute ich habe mal wieder eine interne Diskussion ausgelöst), bis nach nochmaligem Nachhaken eine etwas ausführlichere, offiziell wirkende Erklärung kam, warum eine weitergehende Auskunft "nicht möglich" sei.

Ich bin ja inzwischen für solche Formulierungen sensibilisiert, nicht zuletzt weil auch die Politikersprache damit gespickt ist. Ich denke man kann getrost davon ausgehen, daß eine weitergehende Auskunft sehr wohl möglich gewesen wäre, daß es also eher am Willen gefehlt hat, bzw. am Ergebnis einer Abwägung lag, die zu meinen Ungunsten ausfiel. Angesichts der Tatsache, daß ich solche Formulierungen schon öfter moniert habe, finde ich es schon bemerkenswert wenn man sich immer wieder bemüßigt fühlt, mit den gleichen Desinformations-Floskeln zu arbeiten. Gibt es da kein Dazulernen? Kein noch so leicht betretenes Gefühl, daß man die gleichen Tricks anwendet, die man bei Politikern zum Kotzen finden würde?

Aber sei's drum, interessanter ist der Katalog an Grunden dafür, der folgte. Drei wurden angeführt, jeweils unterlegt mit der entsprechenden Passage aus dem Gesetz:

1. sei der Aufwand für die Auskunftserteilung unverhältnismäßig
2. würden durch die Auskunftserteilung die Geschäftszwecke der K&K erheblich beeinträchtigt
3. würden die Geheimhaltungsinteressen von Dritten überwiegen

Zum dritten Punkt wurden die Interessen der Moderatoren und Administratoren als "Dritte" genannt. Dies angeblich weil sie nicht zur K&K gehören, da sie nicht dort angestellt sind.

Dafür hoffte man auf mein Verständnis.

Das habe ich leider nicht. Wenn die Ausnahmen des BDSG von Allen derart breit ausgelegt werden würden, dann wäre das BDSG nicht das Papier wert auf dem es geschrieben ist. Vielleicht gehorcht man so dem Buchstaben des Gesetzes, aber keinesfalls dem Geist oder der Intention.

Was ich aus der Antwort herauslese ist Folgendes:

Zu 1: Warum ist der Aufwand unverhältnismäßig? Man begründete das mir gegenüber witzigerweise damit, daß man sämtliche Beiträge zusammentragen müßte, die ich geschrieben habe. Wörtlich: "Um den Aufwand, der mit deiner Anfrage einher geht, transparenter zu machen: Du bist ein sehr aktiver Nutzer im Forum mit fast 8.000 Beiträgen und jeder Beitrag stellt einen Datensatz dar, den wir im Zuge deiner Anfrage hätten zusammenstellen und anonymisieren müssen. Das diese Daten dir bereits zugänglich sind, spielt dabei keine Rolle."

Es ist schwierig, darüber nicht in Lachen auszubrechen. Das ist wirklich derartiger Blödsinn, daß ich nicht verstehe warum man sich die Blöße gibt, so etwas zu schreiben. Meine Beiträge sind alle öffentlich einsehbar, da ich in keinem internen Forumsbereich schreiben kann. Wie man da auf die Idee kommen kann, daß man diese Beiträge hätte zusammenstellen müssen, ist mir unbegreiflich, zumal klar sein dürfte daß es das bestimmt nicht ist, was mich interessiert. Und falls man da wirklich Zweifel gehabt hätte, wäre eine kurze Nachfrage bei mir völlig ausreichend gewesen. Eine weitere Erklärung gab's dann aber nicht mehr.

Zu 2: Wenn man mir offenlegt was man über mich weiß, dann würden also dadurch die Geschäftszwecke der K&K erheblich beeinträchtigt. Das führt zur beunruhigenden Frage, worin denn dann wohl die Geschäftsinteressen des Forumsbetreibers bestehen! Ich hätte gedacht, daß es um die Erzielung von Einkünften aus Werbung geht, jedenfalls ist es das, was in der Öffentlichkeit bisher im Raum stand. Wieso ist das durch eine Auskunfterteilung an mich gefährdet, und sogar "in erheblichem Maß"? Ich wollte ja schließlich über meine Daten Auskunft, nicht über die Kalkulationsgrundlagen der Firma! Ist der Geschäftszweck ein ganz anderer als was ich bisher geglaubt habe? Ist das noch ein "lauterer" Zweck, wenn man einem User gegenüber seine eigenen Daten geheim halten muß?

Zu 3: Warum haben die Moderatoren/Administratoren ein Interesse, meine Daten unter Verschluß zu halten? Ich habe ja nicht nach ihren persönlichen Daten gefragt. Das kann eigentlich nur heißen, daß meine Daten in einer Art und Weise gespeichert sind, daß sie von den schutzwürdigen Daten der Moderatoren und Administratoren nicht zu trennen sind, jedenfalls nicht unter vernünftigem Aufwand. Wenn man sich das überlegt, dann ist das eine Bestätigung meiner Befürchtungen. Würde ich Einblick in das interne Profil zu meiner Person bekommen, dann würde ich auch Einblick darin bekommen, wie die Moderatoren intern damit umgehen, was sie sammeln, wie sie es bewerten, ggf. auch um wen es ich handelt. Das ist wohl so "sensibel", daß ich es nicht erfahren darf. Ich ahne warum, und wie dieses interne Profil wohl aussieht. Genau deswegen wollte ich es sehen. Genau dafür gibt es das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht.

Das Allermindeste, was sich daraus erahnen läßt, ist daß die interne Datenhaltung des Forums, bzw. der Informationsbasis der Moderatoren, nicht einmal annähernd so organisiert ist, daß man der datenschutzrechtlichen Auskunftspflicht in angemessener Weise nachkommen kann. Auf den Datenschutz und seine Erfordernisse wird offenbar keinerlei organisatorische Rücksicht genommen. Man behilft sich damit, im Ernstfall eben die oben angegebenen, gesetzlich erlaubten Ausnahmeregeln vorzuschützen. Der Geheimhaltung wegen kann der Betroffene ohnehin wenig ausrichten. Es bliebe ihm höchstens der Gang zum Datenschutzbeauftragten, aber ob das dann noch konstruktiv wäre?

Ich vermute aber schlimmeres. Ich gehe davon aus daß das nicht bloß ein organisatorisches Defizit ist, sondern daß die beteiligten Mods/Admins auch keinerlei Sensibilität oder Respekt für die Datenschutzinteressen eines Users aufbringen, jedenfalls insoweit ihre eigene moderative Tätigkeit betroffen ist. Ihre eigenen Interessen kennen sie genau, da ist im Zweifel alles geheim und intern, das Interesse des Users spielt dagegen keine Rolle und verliert dagegen auf der ganzen Linie. Es wird nichts, absolut gar nichts akzeptiert, was der moderativen Allmacht irgendwie hinderlich sein könnte.

Letzten Herbst regte ich unter anderem an, in den NUBs ein paar Passagen aufzunehmen, die die Rahmenbedingungen moderativer Tätigkeit regeln, so daß beide Seiten wissen woran sie sind. Das wurde anfangs moderat wohlwollend aufgenommen, und man versprach, sich das intern zu überlegen. Dann mußte ich immer wieder nachfragen, was daraus geworden war. Man schrieb sogar, es gebe einen konkreten Plan und interne Entwürfe, die nach den nötigen Abklärungen dann tatsächlich in den NUBs erscheinen würden. Offenbar ist das aber alles im Sand verlaufen, denn bis heute ist kein Resultat zu verzeichnen. Das paßt natürlich ganz ins Bild, aber Ihr könnt Euch gern einen eigenen Eindruck verschaffen.

Für mich ist inzwischen das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich scheine keinerlei Chance zu haben, daß meine Vorstellungen und Vorschläge auch nur fair und offen diskutiert werden. Das Diskussionsverhalten mehrerer Moderatoren und Administratoren scheint hauptsächlich darauf ausgerichtet zu sein, meine Positionen ins Absurde zu verdrehen, um sie zu diskreditieren. Man tut so als wollte ich völlige Transparenz aller moderativen Tätigkeit, basisdemokratisch anmutende Diskussion von allem durch alle, und das alles unverschämterweise als "Forderung". Das bedeutet, daß gerade diejenigen Leute, die dafür da sind, die Fairness in Diskussionen zu gewährleisten, sich von dieser Fairness verabschieden wenn ihre eigene Machtposition zur Debatte steht. Der Schiedsrichter foult selbst. So kann's nicht weitergehen.

Für mich bedeutet das, daß ich es nicht mehr über mich bringe, im Forum Wissensvermittlung zu betreiben, und damit einer Gruppe von abgehobenen Machtpolitikern gratis zu mehr Attraktivität zu verhelfen, die zunehmend die User so behandeln wie man Vieh hütet, die sich zunehmend mit dem Forum verwechseln, und die bestrebt sind, sich in ihrer Position völlig unangreifbar zu machen. Sie können sich in der Vergangenheit so verdient um's Forum gemacht haben wie sie wollen, so wie's jetzt aussieht ist der Punkt weit überschritten wo es besser für's Forum wäre, wenn sie sich zurückziehen würden, und mal eine andere Generation ranlassen.

Die schwindende Schar von "anderen" Moderatoren, denen diese Lage der Dinge ebenfalls nicht behagt, die aber zum größeren gemeinsamen Nutzen sich zum Mitmachen durchringen, sollten vielleicht nochmal darüber nachdenken, ob sie den momentanen Zustand noch gut finden, oder ob nicht so langsam Konsequenzen angebracht wären.

Vielleicht einigen sich aber alle darauf, daß ich das Problem bin. Die einfachste Lösung wäre das ganz sicher.


Ihr dürft das aber dennoch im üblichen Thread diskutieren, insoweit es die Moderation erlaubt. Ich werde mich auch nicht direkt abmelden, dann kann ich mich bei Bedarf noch an der Diskussion beteiligen.

Samstag, 6. Juli 2013

Vorteil Ahnungslosigkeit, oder "selig sind die geistig Armen"

Wie schön ist es doch, wenn man von nichts eine Ahnung hat! Wenn man nichts weiß kann man auch am leichtesten darauf vertrauen, daß schon alles in Ordnung sein wird. "Die da oben" werden's schon richten.

Das bekommen wir auf's Schönste vorgeführt beim aktuell köchelnden NSA-Skandal, seit Edward Snowden ein paar "Interna" ausgeplaudert hat, die einerseits niemanden überraschen sollten, der sich auch nur ansatzweise mit der Materie beschäftigt, andererseits aber regelrechte Ahnungslosigkeits-Orgien bei den damit befaßten Politikern auslöst. Man wälzt sich lustvoll im eigenen Nichtwissen wie das Schwein im Schlamm.

So zum Beispiel bei der Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, die auf SPD-Antrag am vergangenen Mittwoch stattfand. Man reibt sich geradezu die Augen was man dort alles nicht wußte. Wenn es nicht schon vorher klar gewesen wäre (siehe NSU), dann hätte man daraus den Schluß ziehen müssen, daß die deutschen Geheimdienste, und die dafür zuständigen Regierungsstellen, vollkommen unfähig sind.

Um diesen bedauerlichen Zustand zu beenden, wird eine niederrangige Delegation in die USA zu Kaffee und Kuchen geschickt, der sich jetzt auch der ohnehin schon vertrauensvolle Minister Friedrich anschließen will, wo sie bei den amerikanischen Freunden nett anfragen wollen, ob man nicht ein bißchen mehr darüber erfahren dürfte was da läuft. Bestimmt werden sie von dort mit der beruhigenden Nachricht zurückkommen, daß die Gastgeber ihnen versichert haben, es gehe alles streng nach Recht und Gesetz zu, auch wenn man aus verständlichen Gründen natürlich nicht alle Details werde offenlegen können (Interna sind Interna sind Interna, schrieb mir dazu Hüb' mal sehr treffend).

Davon ist Innenminister Friedrich ohnehin schon länger überzeugt, aber selbst die eher bürgerrechtlich angehauchte Justizministerin vertraut noch auf den Rechtsstaat in den USA, auch wenn sie nicht ganz zufrieden mit gewissen "dunklen Flecken" ist.

Recht und Gesetz ist im Großen und Ganzen allerdings noch immer eine öffentliche Angelegenheit, denn die meisten Staaten konnten sich noch nicht dazu durchringen, Gesetze für geheim zu erklären, was sicher einige Komplikationen im notorisch komplizierten und langwierigen Gesetzgebungsprozeß vermeiden helfen würde. Was die Kenntnis der rechtlichen Situation angeht, müßte es Ministern daher im Moment noch etwas schwer fallen, Ahnungslosigkeit vorzuschützen, es sei denn man tut so als verstünde man die juristische Situation selber nicht, was immerhin ein klein wenig Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, denn wir sind schon daran gewöhnt daß Politiker nicht verstehen was sie tun.

So kommt es, daß bei den Stellungnahmen besagter Minister üblicherweise der Aspekt untergeht, von welchem Recht sie gerade reden, und für wen das eigentlich gilt, und für wen nicht.

Konkretes Beispiel: Nehmen wir einmal hypothetisch und gegen jeden Anschein an, das NSA-Datensammeln habe sich wirklich im Rahmen von Recht und Gesetz abgespielt, so wie der Herr Friedrich das meint. Wenn man eine Hundertstelsekunde nachdenkt, dann kommt man zum Schluß, daß es sich dabei um das Recht und Gesetz der USA handeln muß. Nicht um das Deutsche oder das Europäische. Das amerikanische Gesetz wurde vom amerikanischen Parlament verabschiedet, das aus Abgeordneten besteht, die von Amerikanern gewählt wurden, und das den Interessen der Amerikaner verpflichtet ist. Wir Deutsche und Europäer spielen dabei keine Rolle. Wir hatten bei der Gesetzesentstehung keine Mitwirkung, und wir haben aus dem Gesetz keine Rechte. Wenn uns aus der rechtmäßigen Tätigkeit der NSA ein Nachteil entsteht, dann ist das der amerikanischen Justiz egal. Wir sind Freiwild. Mit uns darf die NSA und die US-Regierung machen was sie will.

Was haben wir dann davon daß in den USA alles nach Recht und Gesetz zugeht? Was haben wir davon daß die USA eine Demokratie und ein Rechtsstaat sind? Wieso ist das in diesem Zusammenhang dann überhaupt erwähnenswert, Ihr Frauen und Herren Minister?

Wir müssen uns geradezu glücklich schätzen, daß die NSA anscheinend sogar die ziemlich laschen US-Regeln noch gebrochen hat, und sie die US-Amerikaner selbst stärker überwacht als sie dürfte. Nur deswegen kriegt sie ggf. eins auf den Deckel, aber ob es so weit kommt muß sich erst noch zeigen. Und selbst wenn sie deswegen eins auf den Deckel kriegen würde, brauchen wir uns nicht einzubilden daß wir in Europa davon in irgend einer Art und Weise profitieren.

Es gibt nur zwei Arten wie man zwischenstaatlich damit umgehen kann, daß solcherlei Recht und Gesetz eine nationale Sache ist, von der Ausländer nichts zu erwarten haben: Man kann internationale Verträge schließen, oder man kann Spionageabwehr betreiben.

Internationale Verträge kommen nur zustande, wenn beide Seiten was davon haben, und das Ergebnis hängt zum großen Teil von den Machtverhältnissen ab. Wer sich überlegen fühlt muß sich auf keine Kompromisse einlassen. Was das im Fall der USA bedeutet konnte man in den letzten Jahren vielfach beobachten. Wie sie z.B. mit der Schweiz in Sachen Steuerfahndung und Bankgeheimnis umgesprungen sind, wie mit der EU beim Thema Passagierdaten und Kreditkartendaten, und vieles mehr.

Spionageabwehr hat den Vorteil daß man sie auf eigene Faust betreiben kann und nicht auf die Kompromißbereitschaft anderer Staaten angewiesen ist. Aber gegenüber den USA würde das eine deutliche Abkühlung der bilateralen Beziehungen bewirken, an der man in der Politik kein Interesse hat. Die USA sind seit Jahrzehnten daran gewöhnt daß sie speziell in Deutschland nach Belieben schalten und walten können, und sie vor die Tür zu setzen wäre heikel. Zudem ist der unfähige deutsche Geheimdienst ja auch, wie Friedrich betont, auf "Zulieferungen" aus den USA angewiesen um seinen Job zu tun. Das würde natürlich sofort wegfallen.

Weil das beide Seiten wissen, bleibt es beim Verbalen. Wäre es Bundeskanzlerin Merkel ernst mit ihrem "das geht gar nicht", dann könnte sie z.B. ihren Freund und Friedensnobelpreisträger Barack Obama darum bitten, sämtliche NSA-Standorte in der Bundesrepublik zu schließen und die Abhörtechnik aus Deutschland zu entfernen. Daß die NSA auf deutschem Boden Abhöranlagen betreibt ist schließlich nichts Neues, und es wäre vollends lächerlich wenn sie auch das abzustreiten versuchte. Es ist z.B. noch keine 10 Jahre her, da wurde die Abhöranlage in Bad Aibling geschlossen und u.a. nach Griesheim verlegt. Nicht daß ich glauben würde daß das viel nützt: Ich bin überzeugt daß die USA deutsche Kommunikation im Notfall auch von den Nachbarländern und dem All aus überwachen könnte, und somit nicht mehr so dringend auf physikalische Präsenz in Deutschland angewiesen wäre, aber einfacher ist es so auf alle Fälle, und man muß ja nicht unbedingt Abhöranlagen auf dem eigenen Territorium dulden, wenn man weiß daß sie gegen die eigenen Interessen eingesetzt werden.

Wie viel von der demonstrativen Ahnungslosigkeit zu halten ist zeigt übrigens die Echelon-Geschichte von vor über 10 Jahren ganz deutlich. Damals ging es nämlich im Grunde um genau das Gleiche wie heute. Die Anlage in Bad Aibling wurde letztlich infolge einer EU-Untersuchung geschlossen, die zum Ergebnis kam daß der Zweck der Anlage wahrscheinlich zu einem beträchtlichen Teil in der Wirtschaftsspionage zu suchen ist. Es lohnt aus dem zwölf Jahre alten Bericht (nota bene: das war noch vor dem Terrorangriff auf New York und Washington, und damit dem "war on terror") einige Zeilen zu zitieren:

Das mit „ECHELON“ bezeichnete Abhörsystem unterscheidet sich von anderen nachrichtendienstlichen Systemen dadurch, dass es aufgrund zweier Eigenschaften eine ganz besondere Qualität aufweisen soll:

Als Erstes wurde ihm zugeschrieben, dass es die Fähigkeit zur gleichsam totalen Überwachung habe. Vor allem durch Satellitenempfangsstationen und Spionagesatelliten solle jede durch Telefon, Telefax, Internet oder E-Mail von gleich welcher Person übermittelte Nachricht abgefangen werden können, um so von ihrem Inhalt Kenntnis zu erlangen.


Als zweites Merkmal von ECHELON wurde angeführt, dass das System durch das anteilige Zusammenwirken mehrerer Staaten (dem Vereinigten Königreich, der USA, Kanada, Australien und Neuseeland) weltweit funktioniert, was gegenüber nationalen Systemen einen Mehrwert bedeutet: Die am ECHELON-System teilnehmenden Staaten (UKUSA-Staaten9) können sich ihre Abhöreinrichtungen gegenseitig zur Verfügung stellen, für den daraus erwachsenden Aufwand gemeinsam aufkommen und gewonnene Erkenntnisse gemeinsam nutzen. [...]

Mögliche Gefährdungen für Privatsphäre und Wirtschaft durch ein System vom Typ ECHELON gehen aber nicht nur davon aus, dass es ein besonders starkes Überwachungssystem ist. Vielmehr kommt hinzu, dass es im weitgehend rechtsfreien Raum agiert. Ein Abhörsystem für internationale Kommunikation zielt meistens nicht auf die Bewohner des eigenen Landes. Der Abgehörte verfügt dann als Ausländer über keinerlei innerstaatlichen Rechtsschutz. Das Individuum ist diesem System daher völlig ausgeliefert. Die parlamentarische Kontrolle ist in diesem Bereich ebenfalls unzulänglich, da die Wähler, die davon ausgehen, dass es nicht sie, sondern „nur“ Personen im Ausland trifft, kein besonderes Interesse daran haben, und die Gewählten in erster Linie die Interessen ihrer Wähler verfolgen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die im US-amerikanischen Congress stattgefundenen Anhörungen zur Tätigkeit der NSA sich lediglich um die Frage drehen, ob auch US-amerikanische Bürger davon betroffen seien, die Existenz eines solchen Systems an sich aber nicht weiter Anstoß erregt. Umso wichtiger erscheint es, sich auf europäischer Ebene damit auseinander zu setzen.
Man erkennt, daß das heutige Prism-System, und das als Tempora in Großbritannien aufgedeckte System, nichts weiter als eine Fortsetzung und Weiterentwicklung des damaligen ECHELON-Systems sind. Es ist ein Dutzend Jahre ins Land gezogen, in dem die Technik weiterentwickelt wurde, und es kam mit dem "war on terror" ein konsequent genutzter Grund bzw. Vorwand dazu, das System stärker auszubauen und rechtliche Hindernisse zu seinem Einsatz zu beseitigen oder zu umgehen.

Vor diesem Hintergrund sollte auch die Reaktion der britischen Regierung nicht verwundern, die deutsche Auskunftsersuchen kalt abblitzen ließ. Sie gehören seit Langem mit dazu, und die Zusammenarbeit zwischen Briten und Amerikanern bringt handfeste Vorteile für beide Seiten, wenn mal ein nationales Gesetz ausgehebelt werden soll: Wenn ein Land seine eigenen Bürger ausspionieren will, das aber aufgrund eigener Gesetze nicht dürfte oder umständliche Erlaubnisprozeduren durchlaufen müßte, dann kann man das den transatlantischen Partner machen lassen. Wir haben ja gesehen, daß Ausländer rechtlos sind. So wenig wie wir uns wehren können wenn uns die Amerikaner aushorchen, so wenig können das die Briten. Und natürlich gilt das auch umgekehrt.

Ein ganz so inniges Verhältnis pflegen unsere eigenen Geheimdienste offenbar nicht mit den Amerikanern, aber ein gewisser Neid dürfte da schon immer vorhanden gewesen sein, und man kann die Aussagen von Minister Friedrich, daß wir von den Amerikanern immer wieder auch nützliche Informationen kriegen, auch dahingehend deuten, daß man in Geheimdienstkreisen durchaus verstanden hat, was man mit so einem System und so einer Zusammenarbeit alles anfangen kann, und lieber halb drin als ganz draußen ist.

Selbst wenn das Gedächtnis bei Politikern keine 10 Jahre zurück reichen sollte, so hätten doch Nachrichten über den Bau eines riesigen NSA-"Rechenzentrums" in Utah, die voriges Jahr durch die Medien gingen, wenigstens für einen Moment die Überlegung auslösen können, was die Amerikaner denn wohl damit vorhaben. Daß dieser enorme Aufwand ausschließlich zur Terrorbekämpfung da sein soll wird wohl kaum einer ernsthaft geglaubt haben.

Wir sehen, daß man sich als Politiker schon eine Menge Mühe gegeben haben muß, keine Ahnung zu haben. Kein Wunder daß man den Informanten Snowden nicht hier aufnehmen will, hat der doch dafür gesorgt daß die ganze Mühe umsonst war. Er war noch nicht einmal so nett und hat sich als skrupelloser Spion geoutet, oder als Weiberheld wie Assange. Stattdessen zeigt er Gewissen! Da wird es schon ganz schön schwierig, ihn medial hinzurichten, obwohl es natürlich an Versuchen nicht fehlt, angefangen damit daß man versucht, ihn als Spion hinzustellen.

Zum Glück ist der bolivianische Präsident Morales nicht über Deutschland geflogen und hier gelandet. Man stelle sich vor was passiert wäre, wenn Snowden tatsächlich in der Maschine gewesen wäre! Er wäre unversehens auf deutschem Boden gewesen und man hätte seinen Asylantrag bearbeiten müssen! Es ist verständlich, daß Portugal das nicht riskieren wollte, wo ja anscheinend ursprünglich eine Zwischenlandung geplant war. Ich verstehe ohnehin nicht warum man so selbstverständlich davon ausgeht, daß da die USA interveniert haben. Ich glaube das war gar nicht nötig. Den beteiligten Ländern war auch so klar in welch heikle Lage sie kommen wenn bei einer Zwischenlandung auf ihrem Territorium der Herr Snowden aus der Maschine spaziert wäre und sich bei den Behörden vorgestellt hätte!

Ich vermute daher, das ging wie ein Dominospiel: Es war klar daß die Maschine irgendwo zwischenlanden mußte, um Sprit nachzufüllen, und diese heiße Kartoffel wollte niemand haben. Zuerst war Portugal vorgesehen, und die haben abgeblockt. Dann fragte Morales bei den Nachbarländern an und blitzte auch dort ab. Schließlich nahmen ihn die Österreicher, aber von dort aus hätte es wahrscheinlich nicht mit einer Tankfüllung zurück nach Südamerika gereicht, so daß immer noch ein Platz zum Tanken gebraucht wurde, wovor die betreffenden Länder aber erst sicher sein wollten daß Snowden nicht dabei ist. Daß man dann auf die Kanarischen Inseln kam, die zu Spanien gehören, aber in gewisser Hinsicht nicht zur EU, mag daran liegen daß man sich auch nach erfolgter (und nach internationalem Recht unerlaubter) "Durchsicht" der Präsidentenmaschine nicht hundertprozentig sicher war, und so wenig Risiko eingehen wollte wie möglich.

Die USA brauchten sich im Grunde nicht extra einzumischen, denn die Drohkulisse war ja schon zuvor aufgebaut worden, und die beteiligten Länder konnten sich die diplomatischen Komplikationen auch selber vorstellen, die da drohten. Für mich ist das daher kein Zeichen für US-amerikanischen Imperialismus, sondern für Rückgratlosigkeit europäischer Staaten angesichts US-amerikanischer Interessen. Interessant ist in diesem Zusammenhang schließlich noch wie das Gerücht in die Welt kam, daß Snowden in der Maschine sein könnte. Ob das wohl der überhitzten Nervosität in einer oder mehreren westeuropäischen Regierungen geschuldet ist, oder ob da Putin's Truppe einen Hinweis fallen gelassen hat? Wenn es Letzteres war, dann ist ihm der Streich gut geglückt! Die europäischen Staaten haben sich gleich reihenweise lächerlich gemacht, und das aus gänzlich eigener Unfähigkeit! Inzwischen scheinen sie immerhin kapiert zu haben welches kapitale Geschoß sie da mit ihrem nervösen Finger in den eigenen Schenkel gefeuert haben. Aber wie immer in solchen Fällen hilft Ahnungslosigkeit: Wir wußten ja nicht... Mißverständnis... Bedauern.

Barack Obama meinte außerdem einige Tage zuvor, er werde wegen Snowden keine Jets schicken. Vielleicht wollte er ja Snowden damit signalisieren, er könne ruhig in ein Flugzeug steigen, er würde schon nicht abgefangen. Wie sich zeigt wären US-Jets auch gar nicht nötig gewesen, den Job übernehmen im Zweifel die "Verbündeten". Wäre Snowden auf diese Weise in Westeuropa gelandet, hätte entsprechender Druck dafür sorgen können, daß Obama ihn ausgeliefert kriegt ohne daß er gelogen hätte, und ohne daß er sonst einen Finger hätte krumm machen müssen.

Daß die EU hier in diesem Zusammenhang nicht weiterhilft sollte klar geworden sein. Die Briten sind ja Mitglied, und sitzen zugleich ganz eng im Boot mit den Amerikanern. Daß da keine einmütige Haltung heraus kommen kann liegt auf der Hand. Eine der ersten Aufgaben für die neue litauische Ratspräsidentin dreht sich um die Reaktion der EU auf die Spionage-Enthüllungen, und sie mußte gestern bekanntgeben daß es zunächst keine zwei Arbeitsgruppen geben wird, weil das von den Briten und den Schweden blockiert wurde.

Daß da die Schweden auch dabei waren erinnert mich an die Sache mit Julian Assange, der ja fürchtet von den Schweden an die USA ausgeliefert zu werden, wenn er sich in Schweden seinem Gerichtsverfahren stellt, und deshalb seit einem Jahr in der ecuadorianischen Botschaft in London festsitzt. Seine Sorge ist wohl nicht ganz unbegründet. Übrigens ist auch das wieder ein Beispiel dafür wie das mit dem Recht und dem Gesetz in internationalen Angelegenheiten so ist. Assange bekam letzten August von Ecuador politisches Asyl und müßte nach den internationalen Gepflogenheiten eigentlich nach Ecuador ausreisen können. Großbritannien erkennt aber das "Prinzip des diplomatischen Asyls" nicht an und will weiterhin Assange verhaften wenn er die Botschaft verläßt.

So wird klar daß trotz aller Menschenrechte und Konventionen, trotz Demokratie und Rechtsstaat, trotz transatlantischer "Freundschaft", ein Mensch kein durchsetzbares Recht mehr hat wenn er den staatlichen Interessen der USA und ihrer Vasallen in die Quere kommt. Nicht wenn er das durch eigenes Handeln heraufbeschworen hat, aber genausowenig wenn er ohne eigenes Zutun in die Mühle gerät.

Letzteres wird durch Fälle wie z.B. Khaled al-Masri, der einfach das Pech des falschen Namens hatte, wohl ausreichend deutlich. Seine Versuche, von den USA auf dem Weg der Klage irgendwelche Entschädigungen zu bekommen, sind fehlgeschlagen, hauptsächlich weil sich die USA auf die Wahrung von Staatsgeheimnissen beruft, und der Rechtsweg scheint ausgeschöpft. Lediglich Mazedonien wurde auf Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt, und zwar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der für die USA nicht zuständig ist weil die USA nicht zu den Unterzeichnern der Europäischen Menschenrechtskonvention gehören.

Auch in diesem Fall versuchten sich die verantwortlichen Politiker in Deutschland in Ahnungslosigkeitsbeteuerungen. Dabei kam heraus, daß der damalige Innenminister Otto Schily noch vor der Freilassung von al-Masri über den Vorgang informiert wurde, und Vertraulichkeit zusagen sollte. Unabhängig von der Parteizugehörigkeit der Minister zeigt sich folglich immer die gleiche Grundstruktur: Die transatlantischen Beziehungen sind im Zweifel wichtiger, und die dazu gehörige Geheimhaltung. Die Individuen, die zwischen diese Räder geraten, aus welchem Grund auch immer, werden als Kollateralschaden abgeschrieben. Ihnen die normalen Vorteile und Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit zugänglich zu machen würde die Geheimhaltung bedrohen, die so dringend nötig ist um ein zutiefst ungerechtes und unfaires System vor den Augen der Öffentlichkeit wenigstens notdürftig zu verbergen, und einen Anschein von staatlicher Rechtschaffenheit aufrecht zu erhalten, die in Wirklichkeit längst nicht mehr existiert. In zwischenstaatlichen Angelegenheiten gilt offenbar nach wie vor das Faustrecht, auch zwischen angeblich befreundeten Staaten.

Deutschland hat sich angesichts dieser Sachlage offenbar mit der Einsicht arrangiert, daß der beste Schutz vor der Faust der USA ein Platz in deren Hintern ist. So lange man nicht unbequem wird, bleibt man im Warmen, und wird gelegentlich mit Verdauungsprodukten der NSA versorgt, die man sich so schon nicht selbst zu erarbeiten braucht, womit die eigenen Geheimdienste ohnehin überfordert wären. Lediglich die Blähungen der USA führen immer wieder zu Komfortverlust, und führen dazu daß bei Manchen die Ahnungslosigkeitsfähigkeit überbeansprucht wird.


Auch wenn's diesmal nicht um HiFi ging, könnt Ihr für Eure Kommentare gerne den Thread im HF benutzen, schließlich sind wir dort im Café.