Sonntag, 8. April 2018

Offener Brief an Marc

In der April-Ausgabe von Sound&Recording, die ich vor kurzem aus dem Briefkasten gezogen habe, habe ich heute eine Story gelesen über den Besuch des Chefredakteurs Marc Bohn bei der Kabelfirma Vovox in der Schweiz, anläßlich deren 15-jährigen Firmenjubiläums (siehe diesen Lead). Kann ich nicht so stehen lassen. Drum hier eine öffentliche Replik an den Verfasser.

Lieber Marc,

mach Dich auf was gefaßt. Ich kann ja verstehen, daß man als Zeitschrift auch aufs Geld achten muß, und das kommt nun einmal von den Anzeigenkunden. Nicht ausschließlich, ein bißchen trägt auch mein Abo bei, aber die Prioritäten liegen nun einmal so wie sie liegen, nicht wahr?

Nur, warum muß man sich dafür derart zum Kasper machen?

So, Du hast Dich also vorbereitet angesichts des kritischen Themas "Kabelklang", wolltest "nach Punkten kritisch fragen", und doch "offen und unvoreingenommen zuhören". Wo ist dann dieser Plan geblieben? Wo sind die kritischen Fragen? Wo ist das Nachhaken, wenn dich der Firmenchef Jürg Vogt mit nichtssagenden Antworten abspeist? Wo bleibt der Journalismus?

Beispiel Laufrichtung: Schön daß Du nach einem elektrotechnischen Hintergrund fragst. Der hätte mich auch interessiert. Jürg liefert den aber nicht. Er hat "sehr viel darüber nachgedacht", und ist sich nach 15 Jahren Firmengeschichte "sehr sicher, daß es etwas mit der Orientierung der Kristallite" zu tun hat. Viel mehr kommt nicht. Warum fragst Du nicht weiter: Was hat es damit zu tun? Warum ist er sich sehr sicher, welche nachvollziehbaren Fakten und Indizien hat er zusammen getragen? Wie hat er sich davon überzeugt, daß er sich nicht täuscht? Wie paßt das mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand zusammen? Warum ist es nach so langer Zeit immer noch eine These, was fehlt noch zum Nachweis, und wie soll er erbracht werden?

Stattdessen: Nächstes Thema, Abschirmung. Jürg hat "aufgrund verschiedener Tests" festgestellt, daß es "an der Leiteroberfläche ganz viele Wechselwirkungen" gibt. Warum keine Nachfragen: Interessant! Welche sind das, wie hat er sie festgestellt, was wird dadurch bewirkt, inwiefern geht das über das hinaus was man durch die klassische Elektrotechnik erklären kann?

Ebenfalls Fehlanzeige. Stattdessen die Gelegenheit für Jürg, mit einem anscheinend sehr aufwändigen Produktionsprozeß Eindruck zu schinden.

Und das war's auch schon mit dem kritischen Nachfragen. Ansonsten reichlich Gelegenheit für Jürg, die Sympathiebreitseite als enthusiastischer undogmatischer offener toleranter sozialer beliebter großzügiger Musiker und Musikliebhaber abzufeuern, die schon dermaßen dick aufgetragen ist, daß man sich wirklich fragt ob er das nötig hat.

Schließlich kommt es wie es kommen muß: Er hat Dich um den Finger gewickelt, und Deinen Kollegen Martin erst recht. Es stimmt! Kabel klingen! Sogar Stromkabel!

Bullshit.

Du wolltest von vorn herein nicht kritisch sein, Du hast Dich zum Erfüllungsgehilfen eines ebenso plumpen wie zweifelhaften Marketings gemacht, von dem Du vorher wissen konntest, und wahrscheinlich auch gewußt hast, worauf es hinaus läuft. Es wäre ehrlicher gewesen, auf dieses Miniatur-Feigenblatt von kritischer Haltung zu verzichten, das Du im Beitrag vor Deine kaum wahrnehmbare Scham hältst.

Es geht um die Pflege von Geschäftsbeziehungen, das wissen wir doch beide! Edelkabelhersteller haben ein gut ausgestattetes Marketingbudget, und davon soll schließlich ein möglichst großer Teil bei Deiner Zeitschrift landen. Da stört kritisches Nachfragen nur, außer es ist lediglich proforma und leicht angedeutet.

Dabei ist klar: Wenn jemand wie Jürg Vogt nach 15 Jahren Beschäftigung immer noch nichts weiter vorzuweisen hat als solche leeren Phrasen, dann ist da auch nichts. Nur ist das eine wenig geschäftsfördernde Einsicht, die zum Glück auch der angepeilten Kundschaft nicht schmeichelt. Also konspirieren alle miteinander im Versuch, den Elefanten im Raum, was sage ich, die Elefantenherde!, nach allen Regeln der Kunst zu übersehen.

Ist Deine Glaubwürdigkeitseinbuße das bißchen Geld wert? Jürg Vogt kann Euch bestrafen, indem er nicht mehr bei Euch inseriert. Das wird Euch nicht umbringen, und er wird wiederkommen. Irgendwo muß sein Marketingbudget ja hin. Manchmal wäre es wirklich besser, Haltung zu zeigen.

Ein leicht angenervter Abonnent dem es gerade durch den Kopf geht, ob er nicht besser Ex-Abonnent wäre.

4 Kommentare :

kptools hat gesagt…

Hallo,

es war, ist und bleibt ein Elend!

Eine sehr gute und spannende Frage wäre auch gewesen, wieso man unzulässige Geräteanschlussleitungen im Angebot hat:

"Kabel weisen eine Vielzahl von Oberflächen, oder genauer gesagt, von Grenzflächen auf. Dazu zählen die Korngrenzen innerhalb des Kupfers, aber auch die Grenzflächen zwischen Einzeldrähten oder zwischen Leiter und Ummantelung. Jede Grenzfläche stellt eine Störstelle dar. Für unsere Klangleiter verwenden wir ausschliesslich Massivleiter und keine Litzen. Die Oberfläche wird dadurch im Vergleich zu Litzen um bis zu 90 % verkleinert."

Das ist mittlerweile EU-weit für solche Leitungen schlicht verboten und lebensgefährlich! Massive Leiter sind ausschließlich für feste Verlegung zulässig! Da hilft dann auch dieser Hinweis nicht weiter, weil (wenn überhaupt) gelesen und vergessen:

"Korrekter Gebrauch: VOVOX® bliblablub power Kabel sollen ausschliesslich an fix aufgestellte Audio-Geräte angeschlossen werden. Dazu gehören Komponenten von HiFi-Systemen oder Geräte in Tonstudios. Die Kabel sollen nicht auf der Bühne oder im Mobile Recording eingesetzt werden."

Geräteanschlussleitungen müssen mindestens mit fein- oder feinstdrähtigen Leitern ausgeführt werden. Lebensgefahr besteht spätestens dann, wenn es zu einem Bruch des Schutzleiters kommt, der im Betrieb nicht feststellbar ist.

Da bleibt nur zu hoffen, daß im Schadenfall bestenfalls der Käufer dieses Schrotts heftig einen gezimmert bekommt und nicht schlimmstenfalls ein völlig Unbeteiligter tot vor der Anlage liegt.

Grüsse aus OWL

kp

pelmazo hat gesagt…

Hi kp,

Du hast natürlich recht. Ich hatte mir die Stromversorgungsleitungen gar nicht genauer angesehen, mir ging's um den Artikel im S&R. Aber es stimmt, auch die Power-Kabel werden als mit Massivleiter ausgestattet beworben.

Das macht den lobhudeligen Artikel noch einmal unverantwortlicher. Ein Armutszeugnis, wenn das auch noch der Chefredakteur persönlich ist, der solchen Mist produziert.

Unknown hat gesagt…

Ich bin schon weiter, ich bin seit einiger Zeit Ex-Abonnent.
Die meiner Meinung nach kompetenten Artikel z.B. zu Studio-Monitoren machten die Enttäuschungen nicht mehr wett.

Jan_G hat gesagt…

Jürg hatte mal damals bei einem grossen Musikhaus mal fuer die Mitarbeiter eine Vorführung zwischen Vovox und Mogami durchgefuehrt. Wir sollten immer sagen, welcher Kabeltyp und besser gefiel. (A oder B) Als der fünfte dann wohl mit dem Buchstaben die Mogami Strecke präferierte, wurde dann schnell abgebrochen. Als ich das Vovox Kabel untersuchte und sah, dass es gar keine Schirmung hatte, fragte ich ihn, wie man das denn mit nem Kabel mit Schirm vergleichen könne - das sei ja wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ne wirklich befriedigende Antwort gab's da nicht...