Montag, 29. Dezember 2008

Wahrnehmung und Wahrheit

Auseinandersetzungen zwischen den Subjektivisten und den Rationalisten in der Hifi-Szene haben ja oft einen philosophischen Hintergrund, der einem in der Hitze des Gefechts gar nicht bewußt wird. Was da aufeinander prallt ist nicht bloß eine unterschiedliche Meinung über Sinn und Unsinn von Blindtests, sondern es sind zwei unterschiedliche Weltsichten. Zwei unterschiedliche Ansichten darüber, wie man die Wahrheit rausfindet. Oder was Wahrheit überhaupt ist.

Bei so manchem Subjektivisten habe ich das Gefühl, daß er mit Wahrheit als Konzept so seine privaten Schwierigkeiten hat. Er tut so als sei für ihn das wahr was er wahrnimmt. Die Sinne sind der heiße Draht von der Welt da draußen zum Bewußtsein da drinnen, und beim Audiophilen ist dieser heiße Draht eben besonders high-fidel, besonders dick und besonders verlustarm.

Der Rationalist dagegen hält die Sinne bzw. die Wahrnehmung eher für ein Hindernis bei der Erkenntnis der Wahrheit. Zu viele Täuschungen, Irrtümer, Einbildungen und Wunschvorstellungen als daß man sich auf das Wahrgenommene verlassen könnte. Wer die Wahrheit erfahren will muß indirekt vorgehen, um die Fehler der Wahrnehmung zu umgehen. Das verlangt kritischen und kreativen Einsatz der grauen Masse, in der die Wahrnehmungen auflaufen.

Der Subjektivist: Die Welt ist so wie sie mir scheint.
Der Rationalist: Die Welt ist nicht so wie sie scheint.
Der Subjektivist spottet: Im Gegensatz zu Dir kann ich mich noch auf meine Sinne verlassen!
Der Rationalist spottet: Wenn Du den Kopf in den Sand steckst verschwindet für Dich die Welt!

Lustig zu sehen wie alt diese Auseinandersetzung ist, und wie wenig wir hier weiter gekommen zu sein scheinen. Solche Dinge waren nämlich schon Streitthema als es noch gar keine Audiophilen gab. Im antiken Griechenland z.B. gab es auch schon Subjektivisten und ihre Kritiker. Protagoras hat die Existenz einer allgemeingültigen Wahrheit abgestritten und meinte es gebe nur eine individuelle, subjektive Wahrheit. Heutzutage wäre er bestimmt Audiophiler. Sokrates hatte keine besonders vorteilhafte Meinung davon. Sein Schüler Platon hat im Theaitetos eine Diskussion niedergeschrieben (ob originalgetreu sei dahingestellt), in der sich Sokrates über Protagoras so äußert:
"Das übrige hat mir alles sehr wohl gefallen, was er sagt, daß, was jedem scheint, für ihn auch ist; nur über den Anfang seiner Rede wundere ich mich, daß er nicht gleich seine »Wahrheit« so beginnt, das Maß aller Dinge sei das Schwein oder der Affe, oder was man noch unter allem, was Wahrnehmung hat, Unvernünftigeres nennen könnte, damit er recht hochsinnig und herabwürdigend begönne zu uns zu reden, indem er zeigte, daß wir zwar ihn bewunderten als einen Gott seiner Weisheit wegen, er aber doch nichts besser wäre an Einsicht als ein halberwachsener Frosch, geschweige denn als irgend ein anderer unter den Menschen. [...] Denn wenn einem jeden wahr sein soll, was er mittelst der Wahrnehmung vorstellt, und weder einer den Zustand des andern besser beurteilen kann, noch auch die Vorstellung des einen der andere besser imstande ist in Erwägung zu ziehen, ob sie wahr oder falsch ist, sondern, wie schon oft gesagt ist, jeder nur seine eignen Vorstellungen hat und diese alle richtig und wahr sind: wie soll denn wohl, o Freund, nur Protagoras weise sein, so daß er mit Recht auch von andern zum Lehrer angenommen wird, und das um großen Lohn, wir dagegen unwissender, so daß wir bei ihm in die Schule gehn müssen, da doch jeder Mensch das Maß seiner eignen Weisheit ist? Und wie sollen wir nicht glauben, daß Protagoras dies bloß im Scherz vorbringt? [...] Denn gegenseitig einer des andern Vorstellungen und Meinungen in Betrachtung ziehen und zu widerlegen suchen, wenn sie doch alle richtig sind, – ist das nicht eine langweilige und überlaute Kinderei, wenn anders die »Wahrheit« des Protagoras wirklich wahr ist und nicht nur scherzend aus dem verborgenen Heiligtum des Buches herausgeredet hat?"
Es liest sich etwas geschraubt, aber man kann's in einfacherer Sprache zuspitzen: Wenn jeder seine eigene Wahrheit hat, wie kann dann Protagoras meinen er wisse es besser?

Oder so: Wer sagt jeder habe seine eigene Wahrheit, der vergackeiert entweder sich selbst, oder die anderen.

Ich mache keinen Hehl daraus daß ich hier auf Sokrates' Seite stehe. Ich finde er läßt den Subjektivismus ziemlich alt aussehen. 2500 Jahre alt. Da sage noch einer ich würde krass formulieren! Von den Audiophilen wäre sogar mir nicht eingefallen zu sagen, sie hätten die Einsicht von halberwachsenen Fröschen.

Was das vergackeiern angeht bin ich aber gänzlich einverstanden. Ich halte den Subjektivismus für eine Vergackeierungsmethode. Und man kann auch schön sehen daß die Einen sich selbst vergackeiern, die anderen sind eher darauf aus jemand Anderen des Geldes wegen zu vergackeiern.

Wahrheit und Wirklichkeit sind Konzepte, die überhaupt erst einen Sinn haben wenn sie nicht individuell und subjektiv sind. Wenn es eine unabhängige Wirklichkeit gibt, und wenn die Wahrnehmung davon bei unterschiedlichen Menschen verschieden ist, dann kann die Wahrnehmung allein nicht reichen, um die Wirklichkeit zu erkennen. Es braucht mehr. Was könnte das sein?

Jetzt sind wir bei der Wissenschaft. Und damit beim Wissen. Wenn Wahrnehmung allein reichen würde bräuchten wir weder Wissen noch Wissenschaft. Wir bräuchten bloß Augen und Ohren aufsperren, und die Wirklichkeit reinlassen. Das kann aber auch der halberwachsene Frosch. Wir haben ihm etwas voraus: Wir können denken. Ok, vorsichtiger formuliert: Ich vermute die meisten von uns können denken. Meistens.

Ich sage jetzt mal ganz provokativ: Der Sinn des Denkens besteht darin, seine Wahrnehmung in Frage zu stellen. Damit man hinter die Fassade der Dinge blicken kann, ihre wahre Natur erkennen kann. Vielleicht im ganz antiken Sinn auch sich selbst erkennen kann. Die Wissenschaft hat sich ein Programm und eine Methode gegeben wie man diese Wahrheit finden kann, nämlich durch eine Kombination aus Theoriebildung, Ableitung von Vorhersagen, und Überprüfen der Vorhersagen durch experimentelle, vom Experimentator unabhängige Verifikation. Dieses Programm ist geradezu spektakulär erfolgreich gewesen, wie wohl kaum jemand leugnen kann. Es kann also wohl kaum grundlegend falsch gewesen sein.

Der Rückgriff auf die eigene subjektive Wahrnehmung hätte dagegen noch nicht einmal zur Erkenntnis führen können daß die Erde um die Sonne kreist. Jeder weiß daß es so aussieht als kreiste die Sonne um die Erde, aber daß es in Wahrheit anders rum ist. Durch Wahrnehmung allein hätten wir das nie und nimmer rausgefunden. Dazu waren eine Menge tiefsinniger Überlegungen nötig, und das Vertrauen darin, daß diese Überlegungen letztlich ein besseres Bild von der Wahrheit vermitteln können als die unmittelbare Wahrnehmung.

Heute glaubt kein halbwegs aufgeklärter Mensch mehr daran daß die Sonne um die Erde kreist. Aber warum glaubt das keiner mehr? Es sieht doch immer noch so aus! Wenn die eigene Wahrnehmung bei Audio immer noch das Wichtigste ist, warum ist das bei der Sonne nicht genauso?

Auch der Audiophile akzeptiert also wissenschaftlich erworbenes Wissen, wenn es um die Sonne geht. Bei Audio aber läßt er bloß sein eigenes Gehör gelten. Wenn der wissenschaftliche Erkenntnisstand seiner Hörerfahrung widerspricht, dann hofft er auf in der Zukunft noch zu findende wissenschaftliche Ergebnisse. Das ist ungefähr so geistreich wie der Glaube, zukünftige wissenschaftliche Erkenntnisse würden irgendwann die Sonne wieder um die Erde kreisen lassen, wie es der Wahrnehmung entspricht.

Die Erkenntnis, daß die Wirklichkeit sich von unserer Wahrnehmung derselben unterscheidet, und daß es so etwas wie eine äußere Wirklichkeit gibt, die auch da bleibt wenn wir weg sind oder wegschauen, gehört zu den grundlegenden Kulturleistungen der Menschheit. Das scheinen bloß noch nicht alle in ihrer ganzen Tragweite begriffen zu haben.
"Die Wirklichkeit ist das, was nicht verschwindet wenn Du nicht mehr daran glaubst."
Bei Audio verschwindet so Einiges wenn man aufhört daran zu glauben, und daraufhin Untersuchungsmethoden anwendet, die die eigene Person ausklammern. Wenn man also anfängt, das Thema mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Wenn man seinen Stolz runterschluckt, und anfängt aus dem zu lernen, was diejenigen in den letzten 2500 Jahren über die Wirklichkeit herausgefunden haben, deren Einsicht über die halberwachsener Frösche hinausgeht.

Samstag, 20. Dezember 2008

Einbrennen, bitte!

Versuch' Dir mal vorzustellen, Du wärst Verkäufer in einem High-End-Laden. Ein Traum-Job, man lebt nicht nur die audiophile Lebensart, sondern verhilft auch dem Mitmenschen dazu, dem Gleichgesinnten. Ein Leben, dem höchsten Klanggenuß verpflichtet!

Jetzt ist es natürlich so, daß der höchste Genuß beim Verkäufer in aller Regel mit Geld zusammenhängt, das der Kunde nach Möglichkeit zurücklassen sollte. Genauer gesagt, mit dem Teil des Geldes vom Kunden, das nach Abzug der Einkaufspreise und Unkosten noch übrig bleibt.

Zum Glück ist es jetzt in diesem Markt so, daß fast durch die Bank die besten und audiophilsten Geräte auch die sind, mit denen die größten Gewinne erzielt werden können. Es ist die fast universell akzeptierte Weisheit, die man in ihren Konsequenzen in den ganzen Testzeitschriften, und in den Meinungen der meisten Händler und auch der Kundschaft wiederfinden kann, daß von nichts eben nichts kommt, daß man also schon einiges investieren muß um zur höchsten Vollendung zu kommen, und daß daher die paar unbedeutende Miesepeter die dagegen wettern im Grunde nur neidisch sind.

Unter solchen Umständen sollte man also zwischen Händler und Kunde schnell handelseinig werden können. Der Kunde will ja viel Geld ausgeben, denn nur so kann er auch den entsprechenden Hochgenuß erreichen und gilt in seiner Bezugsgruppe etwas. Besonders bei Zubehörteilen wie Kabeln, Netzleisten, Racks etc. liegen die Händlermargen in Bereichen wo man im Bereich der Elektronik sehr selten hinkommt. Da bleiben bei den Händlern locker zwei Drittel oder mehr des Verkaufspreises, sogar schon bei vergleichsweise moderat bepreisten Teilen. Der entsprechende Einfluß auf den Genuß ist offensichtlich.

Das wäre alles wundervoll wenn es nicht immer wieder Kunden gäbe, die sehr kompliziert sein können. Diese Kunden glauben es ihrer Audiophilie schuldig zu sein, klangliche Nachteile von irgendwelchen Teilen festgestellt zu haben. Da hat man sich schon gefreut, daß man wieder ein 2000 Euro teures Lautsprecherkabel verkauft zu haben, an dem man als Händler locker 1500 verdient hätte, dann kommt der Typ zwei Tage später wieder zurück und meint, das Teil sei für ihn leider nicht spielfreudig genug und würde die Bässe zu sehr verzögern, da käme einfach kein Rhythmus auf.

Dabei hat der vorige Käufer des gleichen Teils exakt das Gegenteil berichtet. Aber als Händler muß man dazu ja gute Miene machen. Ja, selbstverständlich, es muß mit der Kette harmonieren, der Kunde hat natürlich völlig recht, die schlechte Erfahrung ist angesichts des hochwertigen Teils zwar schwer erklärbar, aber den Kunden auch nur den geringsten Zweifel an seinen Worten spüren zu lassen wäre fatal.

Was tun? Es stehen genug Kröten auf dem Spiel daß sich auch ein halber Tag schwafeln noch lohnen würde. Und siehe da, es gibt auch eine einfache Lösung!

Einspielen!

Wenn es dieses Argument nicht schon gäbe, man müßte es erfinden!

Welches andere Argument könnte einem komplizierten Audiophilen, der reklamierend vor einem steht, so sehr den Wind aus dem Segel nehmen?

Würde er etwa widersprechen: "Blödsinn, das Ding ist genug eingespielt, daran kann's nicht liegen?" Er müßte sich ja eingestehen daß er ein Teil gekauft hat, was nur 2 Tage eingespielt werden muß. Also daß er minderwertigen Ramsch gekauft hat. Nein, da nickt er lieber und nimmt das Kabel noch mal mit, diesmal für zwei Wochen. "Klar, einspielen, das kann natürlich gut sein, das werde ich probieren. Haben Sie einen guten Tip wie ich das am besten einspiele?" -- "Ja, klar, am schonendsten eingespielt wird so ein hochwertiges Kabel nach unserer Erfahrung mit dem speziellen Einbrennsignal von unserer Spezial-CD, die ich Ihnen für 49,99€ mitgeben könnte..."

Wenn er dann nach 14 Tagen wieder auf der Matte steht und das Kabel dennoch zurückgeben will, dann kann man wohl nichts machen, aber die Chancen stehen gut daß er sich an das Kabel gewöhnt hat, daß er den neuen Eindringling in seine audiophile Welt akzeptiert hat und nicht wieder hergeben will. Die Zeit heilt nicht nur Wunden, sondern auch Emotionen, und die menschliche Wahrnehmung ist sehr anpassungsfähig.

Und die Chancen stehen gut daß er darüber zum begeisterten Anhänger, Verbreiter und Verteidiger des Einbrennens wird, der dem kleinen Schwindel nachträglich die Rechtfertigung verleiht. Einbrennen funktioniert, wird er der Welt mitteilen wollen, ich hab's selbst gehört!

Und so wird eingebrannt was das Zeug hält! Nichts was nicht eingebrannt werden müßte. Und wenn 14 Tage nicht reichen, dann müssen es eben 6 Wochen sein oder ein halbes Jahr. Je länger eine Komponente eingespielt werden muß, desto besser muß sie sein, und desto teurer darf (nein, muß!) sie sein. Man munkelt, die neueste Kreation einer Komponente X müsse mehrere Jahre eingespielt werden um die maximale Klangqualität zu erreichen. Zu schade daß sie teurer als ein Neubau eines passenden Hörraums ist. Aber der neue Hörraum muß natürlich ebenfalls eingespielt werden. Ob man nicht vielleicht auch die Luft darin einspielen müßte?

Samstag, 22. November 2008

Das Normale

Bei der kürzlichen Diskussion über Mehdorn's Prämien für den Bahn-Börsengang wurde es wieder einmal deutlich: Wenn etwas üblich ist, braucht man es nicht weiter zu rechtfertigen. Wie oft wurden wir schon Zeugen davon wie sich jemand in die eigene Tasche gewirtschaftet hat mit dem Hinweis, das sei doch überall so, branchenüblich, folglich normal?

Klasse Argument, nicht? Es erspart einem jeden zusätzlichen Rechtfertigungsaufwand. Es ist üblich, folglich muß es ja wohl in Ordnung sein. Im Rechtfertigungszwang ist damit der Kritiker, der jetzt im Verdacht steht, das Selbstverständliche zu bekämpfen, was nur Spinner tun.

Doch jede Normalität hat ihre Verlierer, und je selbstverständlicher sie ist, desto weniger wird sie hinterfragt, und desto weniger Chancen haben die Verlierer, daran etwas zu ändern. Für die Gewinner ist dagegen das Postulieren und Verteidigen einer Normalität ein gutes Mittel, um sich einen Vorteil zu sichern. Das geht am besten in der Herde. Allein kann man nicht normal sein. In einer Gruppe kann man sich dagegen normal fühlen, obwohl sich die ganze Gruppe auf dem Holzweg befindet, in einem kollektiven Wahn, auf dem Kurs in den Abgrund. Der Irrsinn als Normalität.

Bei der aktuellen Finanzkrise und dem Verhalten der Banken und Spekulanten drängt sich mir genau dieses Bild auf. Obwohl es an Warnungen seit Jahren nicht gefehlt hat, ist dieser kollektive Wahn anscheinend nicht aufzuhalten gewesen. Von den beteiligten "Mitspielern", von denen die meisten davon profitiert haben dürften so lange es gut ging, hat sich der größte Teil in der Normalität anscheinend sicher genug gefühlt daß man mitgelaufen ist, bis zum großen Crash.

Typisch für diese Situation: Die Warner waren noch Wochen vor dem Crash die Außenseiter. Man hat sie - wenn überhaupt - zur Kenntnis genommen und ist zur Tagesordnung übergegangen. Keiner will aus einem Spiel zu früh aussteigen, so lange es gut läuft. Daß es immer mehr Verlierer gegeben hat wird verdrängt. Und es hat Verlierer gegeben, schon lange.

Schon lange vor dem Finanzcrash waren mir Rechtfertigungen mit Hinweis auf die Normalität suspekt. Wer meint es reiche wenn man seine eigenen Ansichten und Taten mit Hinweis auf die üblichen Gepflogenheiten rechtfertigt, der hat üblicherweise etwas zu verbergen. Auch wenn etwas normal sein sollte, braucht es dennoch einen guten Grund, denn ohne guten Grund kann auch das Normale falsch sein. Und wenn etwas einen guten Grund hat, wozu braucht es dann den Hinweis auf das Normale?

Man braucht nicht die großen Katastrophen bemühen um das zu illustrieren, das Prinzip wirkt auch im Kleinen. Mit dem Hinweis auf das Normale rechtfertigen die meisten Leute nicht nur ihre eigenen Ansichten gegenüber ihrer Umgebung, sondern insbesondere auch gegenüber sich selbst, gegenüber ihrem eigenen Gewissen. Man redet sich ein, es sei etwas in Ordnung weil's ja Alle so machen. Mit Hilfe des Normalen überleben Lebenslügen. Das Normale verklebt die Augen für die Sicht auf die Verlierer und auf die Widersprüche.

Doch wie wird etwas normal? Indem man sich in der Gruppe darauf einigt, was auch stillschweigend und langfristig geschehen kann. Oft genug ist das ansonsten völlig willkürlich. Für Kannibalen ist der Kannibalismus normal. Für die Taliban die Behandlung der Frauen als Eigentum. Für jede Religion daß sie die beste, wahrste, einzig richtige ist. Man erkennt leicht wie willkürlich das Normale der Anderen ist. Bei den eigenen Ansichten fällt einem nicht so leicht auf wenn sie ebenso willkürlich sind.

Es ist eine interessante Übung sich eine Gruppe vorzunehmen und sich zu überlegen was die normal finden, wer von dieser Normalität profitiert und sie bewahren will, wer davon benachteiligt ist und sie ändern will, und welche guten Gründe für diese Normalität sprechen. Und wie ist das mit der eigenen Gruppe?

Sonntag, 2. November 2008

Entwickler beim Bier

A: Wie geht's Dir denn mit Deinem Job beim [zensiert]? Macht das Entwickeln von Luxus-Hifi noch Spaß?

B: Naja, ich hätte mir das ehrlich gesagt anders vorgestellt.

A: Wieso? Du wolltest doch immer High-End-Geräte entwickeln, wo man nicht durch zu enge Kostenvorgaben geknebelt ist! Was ist denn jetzt das Problem?

B: Ich habe ganz einfach geglaubt, das Geschäft sei durch technische Innovation und durch kompromißlosen Drang nach Qualität bestimmt. Aber bei uns regiert das Marketing!

A: Na das ist ja mal was Neues! (lacht) Willkommen in der Realität!

B: Du hast gut lachen! Ich habe dort angefangen gerade weil ich nicht wollte daß mein Job vom Marketing vorgegeben wird. Jetzt bin ich vom Regen in die Traufe gekommen. Ich hätte es ja noch akzepiert wenn ich bloß allgemeine Produktvorgaben gekriegt hätte. Aber was jetzt läuft ist, daß ich sogar technische Details vom Marketing vorgeschrieben kriege.

A: Vom Marketing? Was verstehen die denn davon?

B: Das ist es ja eben! Nichts! Darum kriege ich völlig unsinnige Vorgaben.

A: Wie muß ich mir das vorstellen?

B: Zum Beispiel hat das Marketing kürzlich entschieden, daß sie ein neues Flagschiff in ihrer Verstärkerserie brauchen. Den ultimativen Endverstärker, mal wieder. Die haben gar nicht erst nach Ideen dafür gefragt, sondern kamen gleich selbst damit daß der eine eingebaute Stromaufbereitung braucht, die einen reinen Netzsinus erzeugt. Daneben muß er Klasse-A sein, mindestens 30 Kilo wiegen, es müssen ganz bestimmte Elkos im Netzteil drin sein, ganz bestimmte Kabel in der Innenverdrahtung, und noch ein paar mehr so Vorgaben. Sie wollen rausgefunden haben daß sowas gerade "in" ist und sich verkauft, wenn man das optische Erscheinungsbild gut hinkriegt und wenn der Preis nicht zu niedrig ist.

A: Nicht zu niedrig? (lacht) Solche Probleme möchte ich haben!

B: Da gibt's nichts zu lachen, da macht man sich als Entwickler lächerlich! Überleg Dir das mal: Ich soll erst einmal den Netzsinus in einer aktiven Regelschaltung möglichst rein nachbilden, mit wenig Störungen und Klirr, um dann nach dem Netztrafo gleich wieder in die Gleichrichtung zu gehen, wo ich den Klirr dann notgedrungen wieder in gewaltigen Mengen produziere. Unsinn wäre dafür noch ein zu gnädiges Wort! Und darauf soll man als Entwickler stolz sein?

A: Wieso? Wenn sich's doch gut verkauft und die Firma daran verdient! Das sichert immerhin Deinen Job und noch ein paar mehr. Und einer Menge Möchtegern-Audiophiler wird bei der Lektüre der Exclusiv-Tests der Sabber aus dem Mundwinkel laufen! Bei denen bist Du das Genie!

B: Bei den Ahnungslosen bin ich das Genie, und bei den Berufskollegen bin ich ein Schwachkopf!

A: (Schmunzelt) Man kann's nicht jedem recht machen.

B: Jetzt mal im Ernst: Wozu bin ich als Entwickler und ausgebildeter Ingenieur denn da? Ich dachte immer es käme da darauf an, clevere Lösungen zu finden. Lösungen, die den technischen Stand voranbringen, die die Grenzen des Machbaren weiter hinausschieben, oder die wenigstens das was man schon machen kann billiger und einfacher bewerkstelligen. Aber es kann doch nicht darum gehen, völlig unproduktiven Nippes in ein Gerät reinzubauen, weil jemand glaubt daß man das leichter verkaufen kann! Überleg mal: Die Sinusregelung kostet Geld, braucht extra Strom, und nutzt rein gar nichts. Schlimmer noch: Man könnte auf die Idee kommen ich wäre unfähig, ein vernünftiges Netzteil zu bauen, und würde versuchen, das mit dieser Schnapsidee zu kaschieren!

A: Ja, aber wer kommt den allenfalls auf so eine Idee? Doch bestimmt nicht die Leute, die das Ding kaufen sollen! Die wollen einfach etwas Besonderes haben. Man will sich von der Masse abheben. Das ist wie die Unterbodenbeleuchtung bei Autos, die bringt ja auch nichts, sieht aber cool aus.

B: Das ginge ja noch wenn's nur für's Aussehen wäre. In diesem Fall ist's aber eher wie ein Aggregat zum Straße Waschen und Fönen, damit man dahinter Slicks aufziehen kann. Solche Ideen hatte ich als Zehnjähriger!

A: Du meinst ein Aggregat unter dem Kühlergrill, vor den Vorderrädern? Das wäre allerdings wirklich völliger Unfug.

B: Eben. Beim Auto verstehen die Leute immerhin genug von der Sache um so etwas als sinnfrei zu erkennen, aber bei Hifi geht anscheinend alles. Hauptsache teuer und edel, dann findet man schon genug Leute die dem huldigen. Gerade auch bei der Presse. Die stecken doch unter einer Decke mit den Marketingabteilungen solcher Firmen wie meiner.

A: Ja aber wenn es sich so gut verkauft? Ich weiß immer noch nicht so recht was Dich eigentlich plagt. Schämst Du Dich für etwas Geld einzunehmen was Dir nicht sinnvoll erscheint? Du verzapfst doch den ganzen Marketingblödsinn nicht selbst, was machst Du Dir dann Gedanken?

B: Klar bin ich bloß der Ausführende hier, aber erstens kann ich das Gehirn nicht einfach ausschalten, zweitens habe ich auch eine Berufsehre, und drittens werden die Marketingleute ebenso behaupten sie könnten nichts dafür, denn sie würden nur verkaufen was nachgefragt wird.

A: Und die Berufsehre verlangt von Dir daß Du der Kundschaft vorschreibst was sie für gut zu halten haben?

B: Das hätte jetzt auch von den Marketingleuten kommen können! Bist Du inzwischen auch schon zu denen übergelaufen?

A: (schmunzelt) Nein, ich kann Dich ja gut verstehen, ich wollte Dich bloß ein bißchen kitzeln. Mir schon klar daß die angepeilte Kundschaft aus den Leuten besteht, die das gut finden was man ihnen erfolgreich einreden kann. Auch wenn's ein Auto mit Straßenwaschaggregat sein sollte.

B: (schmunzelt auch) Nein, die finden es gut weil sie es ausprobiert haben und eine entscheidende Verbesserung hören.

A: (grinst breit) Ja, nee, is klar!

B: Mir wär's ja noch wurscht wenn es eben ein paar Leute gäbe die auf so verrückte Sachen stehen und ihren Spaß dran haben. Ist ja schließlich ihr eigenes Geld was sie dafür ausgeben. Aber ich will eigentlich als guter Entwickler dastehen. Vor mir selbst und am besten auch vor Fachkollegen. Wie stehe ich denn da wenn ich mit solchen Konstruktionen daherkomme?

A: Wie jemand dem das verdiente Geld wichtiger ist als seine Entwicklerehre. Und? Wo ist das Problem? Ist es eine Schande einen Job für Geld zu machen?

B: Wenn man dabei Leute verarscht schon.

A: Dann wären viele Jobs eine Schande.

B: Das findest Du ok, oder wie?

A: Ok nicht gerade, aber ein Stück Normalität. Wenn Leute verarscht werden wollen wird's auch immer welche geben die sie verarschen. Und ob das immer eine Verarschung ist, ist auch nicht gesagt. Vielleicht weiß der Käufer ja daß der Verkäufer lügt, und kauft's trotzdem? Wieviele Leute kaufen wohl Haarwuchsmittel obwohl sie sich insgeheim drüber im Klaren sind daß das alles leere Versprechungen sind was da vom Hersteller kommt? Oder spielen Lotto obwohl sie wissen daß auf jeden Fall die Hälfte davon beim Staat landet? Du mußt zugeben daß es auch am Käufer liegt wenn so etwas funktioniert. Wenn der sich ein paar Gedanken machen würde bevor er kauft, dann würde er nicht so leicht seine Kröten für nutzlosen Quatsch ausgeben.

B: Woher soll er's denn besser wissen wenn ihm ein Chor aus Herstellern, Händlern und Zeitschriften unisono das gleiche Lied vorsingen? Das ist es ja gerade was ich meinte mit dem Unterschied zwischen Auto und Hifi. Beim Auto sind die meisten in der Lage den Blödsinn zu entlarven, bei Hifi nicht.

A: Vielleicht wollen sie das ja auch gar nicht. Wenn's keine halbwegs unparteiischen Zeitschriften gibt, dann gibt's daran vielleicht einfach nicht genug Interesse.

B: Kann ich schwer glauben.

A: Dann mach doch eine Zeitschrift, dann wirst Du's sehen. Ich wette mit der Wahrheit kommst Du da nicht weit.

B: Nee Du, das ist nicht mein Gebiet. Vielleicht sollte ich mir einfach weniger Gedanken machen und den Schmarrn liefern wie er verlangt wird. Pekunia non olet und so. Oder vielleicht ist es doch besser ich finde 'ne gescheite Firma, die Produkte baut die die Welt braucht.

A: (schmunzelt) So wie ich, wolltest Du sagen...

Samstag, 18. Oktober 2008

Rubidium Schwurblidium

Der wahre Audiophile schwört ja bekanntlich auf die Analogtechnik, denn da ist noch "Leben" drin, und nicht alles numerisch perfekt und mathematisch steril. Beim Abspielen von Schallplatten z.B. gibt's noch Höhen- und Seitenschlag, was zu geringen Schwankungen der Tonhöhen führen kann. Da hilft selbst der beste Plattenspieler nichts, denn der Fehler ist oft genug bei der Schallplatte. Aber solche sympathischen Eigenheiten machen ja dieses Hobby aus, nicht wahr? Sie verleihen der Musik die Wärme die man bei der Digitaltechnik vermißt. Das ist ein Unterschied wie zwischen einem Schlagzeuger und einem Drumcomputer.

Aber um die Digitaltechnik kommt man heutzutage ja nicht mehr herum, darum ist es verständlich wenn man in diesem Bereich die bestmöglichen Bedingungen schaffen will. Und bei allem Mathematischen und Numerischen bleibt doch immer noch etwas Analoges in der Digitaltechnik: Die Zeit. Oder anders gesagt der Takt. Die Signalamplitude mag abgetastet und quantifiziert und in Zahlen gewandelt werden, die Zeit bleibt kontinuierlich. Was Wunder daß man als Audiophiler nur mit der bestmöglichen Zeit zufrieden ist, und daß sich auch nur mit dieser der optimale Klang einstellen kann.

Also vereinfacht: Bei der Analogtechnik sind die Fehler gut, bei der Digitaltechnik schlecht, selbst die analogen.

Äh.

Na gut, wir wollen also die beste Zeit, die wir kriegen können. Klar, daß hier ein einfacher Quarzoszillator nicht reicht, es muß etwas teures her, und da hat die "Szene" vor einiger Zeit das Rubidium entdeckt. Abgesehen vom exotischen Klang dieses Wortes, und den Kosten eines damit arbeitenden Taktgenerators, ist noch ein weiterer Faktor wie geschaffen für den audiophilen Einsatz: Keiner hat eine Ahnung davon wie diese Dinger funktionieren, worauf's im Zusammenhang mit Audio ankommt, und was dabei "hinten rauskommt".

Ein paar Leute wissen immerhin noch daß das Rubidium in einer Röhre untergebracht ist, und auch das trägt zum audiophilen Wohlgefühl bei.

Noch besser wäre hier allerdings Cäsium, weil damit die Atomuhren arbeiten die weltweit verstreut die Zeit bestimmen, aber sowas können sich nur wenige Audiophile leisten. Da muß man schon sehr enthusiastisch sein. Aber das kommt bestimmt auch noch in Mode. Noch exotischer wäre ein aktiver Wasserstoff-Maser, aber solche Kisten bringt man besser im Keller unter, am besten präzise klimatisiert. Als Möbel im Wohnzimmer wirken sie nicht so gut.

Die Gemeinsamkeit aller dieser Taktgeber ist, daß sie zwar auf eine gewisse Art und Weise tatsächlich "besser" sind als ein normaler Quarzoszillator, und zwar zum Teil um viele Größenordnungen, daß aber die Verbesserung für Audioanwendungen völlig irrelevant ist. Das läßt die Geräte in die gleiche Kategorie fallen wie z.B. Silberkabel mit Teflonisolierung. Also etwas was man unbedingt haben muß. Außerdem müssen sie tagelang "eingespielt" werden und sollten kontinuierlich durchlaufen, um ihre beste Leistung zu erreichen.

Ungemein hilfreich ist bei diesem Thema, daß die Fehler und die Fehlerauswirkungen bei Taktgebern ein außerordentlich verzwicktes Thema sind, man aber auf der anderen Seite auch als Laie sehr schnell das intuitive Gefühl bekommt, das Grundproblem verstanden zu haben. Das ist eine Situation, wie sie für einen audiophilen Hersteller besser kaum sein könnte. Es ist hier besonders einfach, irgendeinen Schwachsinn zu erzählen, der sich auch für halbwegs informierte und kritische Zeitgenossen recht vernünftig anhört.

Eines der Probleme besteht darin, daß man die Qualität eines Taktgebers nicht in einer Zahl ausdrücken kann, außer man hat eine sehr eingeschränkte und genau umrissene Vorstellung davon, was man mit Qualität meint. Eines dieser Qualitätsmerkmale ist z.B. die Langzeitstabilität. Das heißt, wenn man eine "lange" Zeit wartet, wie viel oder wenig weicht dann die durch Zählen der erzeugten Takte gemessene Zeit von der "richtigen" Zeit ab. Eine Angabe als Zahl hat hier nur einen Sinn, wenn man auch dazu sagt wie lange man die Meßzeit macht. Anders als man vielleicht denken könnte kann man nicht von einer Meßzeit auf eine andere schließen. Konkret: Wenn man weiß daß eine vom Taktgeber angetriebene Uhr nach einem Tag um maximal 1 Sekunde abweicht, dann kann man daraus nicht schließen wie groß die Abweichung nach einem Jahr maximal wäre. Sie könnte ebensogut 1 Sekunde wie 365 Sekunden sein.

Umgekehrt funktioniert's ebenfalls nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Netzfrequenz in unserem Stromnetz. Die sollte 50 Hz sein, kann aber schwanken. Man kann sie trotzdem als Taktgeber für Uhren nehmen, denn langfristig sorgen die Stromnetzbetreiber dafür, daß die Zeit stimmt. Die Langzeitstabilität ist also gut, obwohl die Kurzzeitstabilität recht bescheiden ist. Würde man aus der Langzeitstabilität auf die Kurzzeitstabilität schließen wollen, dann käme man auf viel zu optimistische Werte. (Nebenbei: Einige Hersteller von Plattenspielern fanden, daß die Netzfrequenz immer noch gut genug ist um die Geschwindigkeit des Plattentellers damit zu steuern)

Will man also die Stabilität eines Taktgebers etwas umfassender beschreiben, dann müßte man statt eines einzelnen Wertes eine ganze Serie von Werten für unterschiedliche Meßzeiten erfassen, und könnte die z.B. in einem Diagramm auftragen. Man könnte daran sehen welcher Taktgeber eher kurzzeitstabil und welcher eher langzeitstabil ist. Für eher längerfristige Stabilitätsbetrachtungen im Sekundenbereich und darüber hat sich dafür das Diagramm der Allan-Abweichung durchgesetzt (das hat entfernt etwas mit der Standardabweichung aus der Statistik zu tun). Abweichungen in solchen Zeitbereichen werden auch auf Englisch Drift oder Wander genannt.

Für Abweichungen im sehr kurzfristigen Bereich benutzt man dagegen den Begriff Jitter. Die Grenze zwischen Jitter und Wander liegt recht willkürlich bei 10 Hz bzw. 100 ms, aber abgesehen davon bezeichnen beide Begriffe letztlich dasselbe Phänomen. Auch bei Jitter reicht eine einzelne Zahl nicht, um einen Taktgeber zu charakterisieren. Anders als bei der Allan-Abweichung wird hier aber ein anderes Meßverfahren und ein anderes Diagramm benutzt. Man betrachtet die Fehler als Ergebnis einer Phasenmodulation des idealen Taktsignals und trägt im Diagramm das Spektrum des Modulationssignals auf. Jitter wird aus diesem Grund auch Phasenrauschen genannt. Das mag jetzt nicht jeder verstanden haben, macht aber nichts. Der wesentliche Unterschied für den Betrachter der Diagramme ist folgender:

Beim Allan-Diagramm ist auf der waagrechten Achse die Meßdauer aufgetragen. Links im Diagramm stehen also die Stabilitätswerte für kürzerfristige Beobachtung, rechts für längerfristige.

Beim Jitterspektrum ist auf der waagrechten Achse die Frequenz des Fehlersignals aufgetragen. Links stehen die tiefen Jitterfrequenzen und rechts die höheren.

In beiden Diagrammen wird nach oben der Fehler aufgetragen, das heißt der Taktgeber ist umso besser je tiefer die Kurve liegt.

Ein Beispiel findet sich hier, wo beide Diagramme für denselben Rubidium-Taktgeber gezeigt werden. Das Diagramm "Phase Noise Plot" zeigt das Jitterspektrum, während das Diagramm "Allan Variance Plot" sinnigerweise nicht die Allan-Varianz sondern die Allan-Abweichung zeigt, die die Wurzel aus der Allan-Varianz ist (siehe die Beschriftung der vertikalen Achse). Oft findet man in den technischen Daten der Taktgeber auch nur eine kleine Tabelle mit einzelnen Werten aus den Diagrammen, statt ein ganzes Diagramm. Daraus kann man ein grobes Diagramm zwar selbst zeichnen, aber bessere Einblicke bietet es natürlich wenn der Hersteller das Diagramm direkt liefert.

Mit diesen beiden Diagrammen hat man schon einen ziemlich guten Überblick über die Qualitäten und die Eigenheiten eines Taktgebers, und wenn man zwei Modelle miteinander vergleichen will, dann kann man die Diagramme übereinander legen und sehen in welchen Bereichen der Eine besser ist und in welchen der Andere.

Beim "Allan Variance Plot" aus obigem Beispiel hat das der Hersteller schon getan, er hat nämlich mit GPS einen weiteren Taktgeber eingezeichnet. GPS ist eigentlich zur Navigation da, kann aber auch als genaue Zeitquelle genutzt werden, und in dieser Funktion kann man auch für GPS ein Diagramm der Allan-Abweichung zeichnen. Wie man sieht ist GPS langfristig besser als der Rubidium-Oszillator. Es überschneidet sich bei ungefähr 200000 Sekunden, also bei gut 2 Tagen. Für kürzere Zeiten ist dieser Rubidium-Oszillator besser, für längere Zeiten hält man sich besser an GPS. Indem man den Rubidium-Taktgeber mit Hilfe von GPS "diszipliniert" kann man die Vorteile beider miteinander kombinieren. Dieses "Kombinieren" muß man übrigens "richtig" machen, einfach irgendwie zusammenstöpseln reicht nicht, sonst kombiniert man die Nachteile und nicht die Vorteile.

Was hat das jetzt alles mit Audio zu tun?

Für die Beantwortung dieser Frage muß man sich damit beschäftigen was die Auswirkungen der Fehler, die in den Diagrammen dargestellt sind, auf ein Audiosignal sein können. Man hört die Fehler im Takt ja nicht direkt. Dafür muß man sich zunächst ansehen was der Taktgeber überhaupt im Wiedergabesystem antreibt. Letztlich soll er den Takt liefern für einen D/A-Wandler, der den als Zahlen kodierten Schall wieder zurück in ein analoges Audiosignal wandeln soll. Dazu braucht er ein Taktsignal "guter" Qualität, doch was bedeutet in diesem Zusammenhang "gut", und wie gut muß es sein, wenn man sicher sein will daß dadurch keine Qualitätsverluste im Audiosignal bewirkt werden?

Man kann sich dieser Frage nähern indem man untersucht was denn ein schlechtes Taktsignal im D/A-Wandler bewirkt. Man kann dazu z.B. ein gutes Taktsignal nehmen und bewußt Jitter hinzufügen, um dann am Ausgang des D/A-Wandlers nachzusehen wie sich das Nutzsignal verschlechtert. Die Details hängen hier von den Einzelheiten des D/A-Wandlers ab, aber typischerweise findet man, daß eine bestimmte Jitterfrequenz als Modulationsprodukt im Ausgang des Wandlers erscheint. Wenn man sich das als Spektrum anschaut, dann sieht es aus wie wenn man das Nutzsignal (also im einfachsten Fall z.B. einen Sinuston) mit dem Jittersignal phasenmodulieren würde. Das erzeugt charakteristische "Seitenbänder" im Spektrum, was darauf hindeutet daß Summen- und Differenz-Frequenzen gebildet werden zwischen dem Nutzsignal und dem Jittersignal.

Jetzt sind wir also nolens volens wieder bei der Modulation, was uns oben beim "Phase Noise Plot" bzw. dem Jitterspektrum schon begegnet ist. Das ist keine zufällige Ähnlichkeit. In der Tat ist es das Jitterspektrum, welches direkt relevant dafür ist welche Konsequenzen der Jitter für das Ergebnis einer D/A-Wandlung hat. Es geht also um die kurzfristigen Schwankungen und nicht um die längerfristige Stabilität, und demzufolge interessiert der "Allan Variance Plot" hier überhaupt nicht, sondern wir müssen uns mit dem "Phase Noise Plot" beschäftigen. Und hier sind es hauptsächlich die Audiofrequenzen, die uns interessieren, weil die als Modulationsprodukt auch wieder im hörbaren Bereich des Wandlungsergebnisses enden.

Außerdem ist das Gehör offenbar nicht für jede solche Modulationsfrequenz gleich empfindlich. Tiefe Frequenzen unterhalb von ein paar Hundert Hertz scheinen recht harmlos zu sein, während im Bereich der einstelligen kHz die Empfindlichkeit wesentlich höher ist. Für einen Taktgeber eines D/A-Wandlers brauchen wir also ein Exemplar, das speziell im Bereich von - sagen wir - 200 Hz bis 20 kHz niedrige Werte im Jitterspektrum hat. Dabei ist ein gleichmäßiger "Rauschteppich", in dem alle Frequenzen vertreten sind, besser als wenn es einzelne Frequenzen im Jitterspektrum gibt, die besonders herausstechen.

Bei unserem Rubidiumoszillator sehen wir, daß er zwar generell recht niedrige Jitterwerte hat (-150dBc/Hz bei 100 Hz ist schon ausgesprochen gut, und weit sauberer als auch ein sehr guter D/A-Wandler brauchen würde), aber es gibt da ein paar dubiose Einzelfrequenzen, die deutlich hervorstechen. Möglicherweise sieht man da die amerikanische Netzfrequenz und ihre Oberwellen, vielleicht ist es auch etwas anderes. Für unsere D/A-Wandler-Zwecke würde ich einen Oszillator bevorzugen, der satte 20 dB schlechteren "Rauschteppich" hat, dafür aber keine herausstechenden Einzelfrequenzen.

Da erkennt man letzlich auch, daß der Rubidiumoszillator für einen anderen Zweck gemacht ist. Der Bereich wo man vom Rubidium was merkt ist nämlich auf dem Allan Variance Plot zu sehen und nicht dem Phase Noise Plot. Der Sinn des Rubidium-Oszillators liegt in seiner Langzeitstabilität. Das kann man mit etwas Sachverstand auch auf dem Blockschaltbild erkennen, das auf der Webseite über den beiden Diagrammen zu sehen ist.

In diesem Blockschaltbild sieht man, daß der 10 MHz-Taktausgang direkt aus einem ofengeheizten Quarzoszillator kommt. Das Rubidium-Gedöns in der "Physics Package" hat damit nur indirekt was zu tun. Letztlich ist es nämlich so daß das Ganze schon in sich eine Kombination aus zwei Oszillatoren ist, ähnlich wie oben bei GPS beschrieben. Der eigentliche Oszillator, dessen Signal man am Ausgang bekommt, ist der Quarzoszillator, und der wird nur über das Rubidium-System diszipliniert. Wenn man für diese beiden Oszillatoren jeweils eine eigene Kurve im Allan Variance Plot zeichnen würde, dann würde das wieder so ähnlich wie bei GPS sein, mit einem Kreuzungspunkt zwischen den Kurven, wobei für kürzere Zeiten der Quarzoszillator besser ist und für längere der Rubidium-Oszillator. Der Kreuzungspunkt läge allerdings deutlich links vom oben behandelten Kreuzungspunkt mit der GPS-Kurve.

Mit anderen Worten: Bei der Kurzzeitstabilität sehen wir praktisch ausschließlich die Eigenschaften des Quarzoszillators. Erst bei längeren Zeiten macht sich dann der Rubidium-Teil bemerkbar, und bei noch längeren Zeiten kann man dann ggf. noch mit GPS "nachhelfen".

Der Phase Noise Plot ist für die besonders kurzfristige Stabilität, und da macht sich erst recht nur der Quarzoszillator bemerkbar. Das bedeutet daß für unseren Zweck der Takterzeugung für den D/A-Wandler der Rubidium-Teil keinerlei Nutzen bringt. Man könnte ihn genausogut weglassen und den Quarzoszillator frei (undiszipliniert) laufen lassen, das Ergebnis für das Audiosignal wäre das gleiche.

Den Rubidium-Teil wegzulassen, das bedeutet daß nur noch der Quarzoszillator samt Ofen und Netzteil übrig bleibt. Damit wäre man schon mal bei unter 10% der Kosten. Wenn man sich jetzt noch die Situation beim Quarzoszillator selbst anschaut, dann führen ähnliche Überlegungen zur Erkenntnis, daß der Ofen ebenfalls der Langzeitstabilität hilft und auf den Phase Noise Plot praktisch keine Auswirkungen hat. Das könnte man nachmessen, aber genauso kann man es sich auch plausibel machen indem man sich klar macht daß der Ofen lediglich Temperaturschwankungen ausgleicht, und dadurch den Takt stabilisiert. Temperaturschwankungen gehen aber nicht so schnell vonstatten daß sie auf so kurzzeitige Schwankungen wie bei Jitter noch eine Auswirkung haben könnten.

Das heißt wir können auch den Ofen weglassen. Was bleibt dann noch übrig? Ein stinknormaler Quarzoszillator. Langweilig, nicht?

Das ist Ingenieurskunst! Wir haben ein Bauteil für $1500 durch ein Bauteil für $1,50 ersetzt, ohne daß dadurch ein Nachteil entstehen würde. Zusätzlich gewonnen haben wir schnellere Einsatzbereitschaft, geringeren Energieverbrauch, geringeres Gewicht und geringeren Platzbedarf. Ich würde meinem Arbeitgeber vorschlagen er solle das Gerät für den gleichen Preis verkaufen, und die Einsparung in den Bauteilekosten geht auf mein Konto. Alternativ könnte man gebrauchte, defekte oder Ausschußware des Rubidiumoszillators einbauen (die Rubidiumröhre hat eh keine unbegrenzte Lebensdauer), denn ob das Rubidium-Dingens funktioniert merkt sowieso keiner. Welcher Audiophile mißt schon Allan-Varianzen?

Wobei ich jetzt nicht damit sagen will daß irgendein Quarzoszillator gut genug wäre. Das Phasenrauschen bzw. der Jitter kann sich von Quarzoszillator zu Quarzoszillator sehr deutlich unterscheiden, und wegen der Einflüsse der Schaltungsumgebung hat es nur einen Sinn wenn man das in der endgültigen Umgebung mißt. Falls der Hersteller hier Angaben macht sagen die nur was man günstigstenfalls erreichen kann, wenn man die Schaltung drum herum optimal auslegt. Es nutzt also z.B. wenig, einen per Datenblatt jitterarmen Oszillator in eine beliebige Schaltung einzusetzen. Ob der gewünschte Jitterwert dabei rauskommt weiß man so überhaupt nicht. Das an die Adresse der "Tuner".

Aber noch ein weiterer Faktor kommt hier ins Spiel. Ich habe bisher so getan als würde der Takt aus dem 10 MHz-Ausgang des Oszillators direkt den D/A-Wandler antreiben. Das ist aber nicht so, denn dazwischen befindet sich noch eine nichttriviale Elektronik, die ihrerseits ihre Auswirkungen auf die Jittersituation hat. 10 MHz ist kein binäres Vielfaches der Audio-Abtastfrequenzen, die so gemeinhin in Verwendung sind. Diese Frequenz ist zwar der Standard für Zeitnormale, wie es Rubidiumoszillatoren sind, aber nicht für Audio-D/A-Wandler. Man muß die Frequenz also umsetzen auf eine, die für D/A-Wandler genehm ist. Die gängigen Verfahren dafür laufen darauf hinaus daß das Jitterspektrum des erzeugten Taktes nicht mehr dem entspricht, was am 10 MHz-Eingang vorhanden war. Stattdessen kommt ein großer Teil des Jitters vom Frequenzumsetzer selbst. Wer zum Beispiel einen Master-Taktgenerator für Audio oder Audio/Video einsetzt (z.B. Mutec iClock), und diesen mit der Rubidium-Referenz antreibt, der sieht an seinen Ausgängen typischerweise im gesamten interessierenden Frequenzbereich des Jitterspektrums den Eigenjitter des Master-Taktgenerators, und nicht den der Rubidium-Referenz. Was den Jitter angeht könnte man also hier die ganze Referenz auch weglassen und den Master-Taktgenerator frei laufen lassen. Auch hier ist es wieder so daß eine Rubidium-Referenz lediglich die Langzeitstabilität verbessert, was für die Qualität der D/A-Wandlung völlig irrelevant ist.

Ist die Langzeitstabilität für gar nix gut? Wozu gibt's dann überhaupt Rubidium-Generatoren?

Die Langzeitstabilität braucht man für die genaue Zeitmessung, und dafür, zwei unabhängige Takte über längere Zeit hinweg miteinander synchron zu halten. Das sind Bereiche die bei Audio in den allermeisten Fällen keine Rolle spielen, schon gar nicht bei der Anwendung an einer Hifi-Anlage. Im Professionellen Bereich kann es manchmal nützlich sein, z.B. um zwei räumlich getrennte Sender miteinander synchron zu halten, auch für eine Überbrückungszeit wenn GPS gerade nicht funktioniert. Das ist auch beim Mobilfunk so.

Mit audiophiler Wiedergabe hat das aber nichts zu tun. Da ist es reiner Voodoo.

Ach ja, und da war dann noch das Ding mit der Präzision.

Oft findet man Angaben bei solchen Taktgebern in ppm (parts per million) oder gar ppb (parts per billion). Bei Letzterem ist die Milliarde gemeint, die ja bei den Amerikanern "billion" heißt. Diese beiden Angaben sind geistesverwandt mit dem Prozent und dem Promille. Wenn man im gleichen System bleiben wollte dann müßte das Prozent pph (parts per hundred) heißen und das Promille ppt (parts per thousand).

Was damit angegeben wird ist in aller Regel die Genauigkeit eines Taktgebers relativ zum Sollwert. Da kommt also überhaupt keine zeitliche Variation rein, wie Jitter oder Wander. Es geht darum um wieviel die Taktfrequenz "statisch", also dauerhaft, daneben liegt. Dafür ist weder der "phase noise plot" noch der "Allan variance plot" zuständig.

Das bedeutet - und das ist wichtig - daß die Präzision mit dem Jitter und mit der Stabilität des Taktgebers rein gar nichts zu tun hat. Nichts, nada, nothing, niente. Wer also von ppm und Jitter im gleichen Zusammenhang redet, der hat entweder keine Ahnung oder er will jemanden hinter's Licht führen.

Es ist auch nicht so daß ein besonders genauer Oszillator in der Regel auch besonders stabil bzw. jitterarm wäre, oder umgekehrt. Es könnte zwar sein daß ein Hersteller sowohl die Genauigkeit als auch die Stabilität besonders optimiert hat, aber das muß er dann gewollt haben, zufällig bekommt er das nicht. Diese Kriterien sind schlicht unabhängig voneinander. Viele Anbieter, die sich im Audiobereich tummeln und Taktgeneratoren verkaufen wollen, verwechseln oder vermischen diese Dinge, ob aus Mangel an Sachverstand oder Mangel an Gewissen lasse ich mal dahingestellt.

Im Zusammenhang mit Audio und der D/A-Wandlung ist die Auswirkung eines statischen Fehlers in der Taktfrequenz eine falsche Tonhöhe. Ein ganz normaler Quarzoszillator könnte z.B. 10 ppm Genauigkeit haben, das ist ein Tausendstel Prozent. Das bedeutet daß ein D/A-Wandler, der von diesem Quarzoszillator gespeist wird, die Töne um eben dieses Tausendstel Prozent zu tief oder zu hoch wiedergibt. Alle Töne gleich, das heißt die Harmonie untereinander stimmt nach wie vor.

Hört man das? Keine Chance. Selbst 1% Abweichung, also das Tausendfache, bleibt in der Regel unerkannt. Schon ein ganz normaler Quarzoszillator ist also Tausend mal genauer als er für Audio sein müßte. Ofen, Rubidium und dergleichen ergeben zwar noch wesentlich mehr Genauigkeit, aber wofür?

Es gibt einen anderen Grund warum ein Oszillator unter Umständen genauer sein muß. Das ist wenn zwei verschiedene Oszillatoren miteinander synchronisiert werden müssen. So etwas tritt typischerweise bei der digitalen Übertragung von einem auf ein anderes Gerät auf. Das sendende Gerät hat z.B. seinen Oszillator frei laufen, während das empfangende Gerät seinen Oszillator so verstellen muß daß die Frequenz mit der im sendenden Gerät übereinstimmt. Eine Art Uhrenabgleich also. Das Problem ist hier, daß der Empfänger den eigenen Oszillator nur innerhalb eines begrenzten Frequenzbereiches verstellen kann. Liegt die geforderte Frequenz außerhalb dieses Bereichs, dann klappt die Synchronisation nicht. Daraus ergeben sich für die Toleranzen in der Frequenzgenauigkeit gewisse Einschränkungen, die je nach Situation schon auch mal wesentlich strenger sein können als das für Audio eigentlich nötig wäre. Aber das hat keinen Zusammenhang mit dem Klang, sondern daran hängt ob die Datenübertragung funktioniert oder nicht.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Anonymität und Feigheit

Man bekommt schöne Einblicke in jemandes Charakter wenn man ihn mit seiner eigenen Borniertheit konfrontiert. Drum gibt's ja auch diesen Blog, in dem es mir speziell um die Borniertheit in der Hifi-Szene geht, oder genauer in der High-End-Ecke dieser Szene. Doch manchmal nimmt besagte Borniertheit solche unappetitlichen Ausmaße an, daß man anfängt sich zu fragen ob man's dermaßen explizit überhaupt wissen wollte. Wobei ich gleich dazu sage daß mir persönlich ein ehrlicher Gestank immer noch lieber ist als überpuderter und parfümierter Dreck. Da weiß man wenigstens gleich was Sache ist.

So ist's im Thema, dem ich mich gerade mal vor drei Tagen hier gewidmet habe. Aus meiner Sicht eines Fürsten der Finsternis hat er sich wirklich prächtig entwickelt. Man erkennt auch sehr schön daß eine auf Vermeidung von Kraftausdrücken zielende Moderationsstrategie letztlich bei solchen "heißen" Themen nichts bringt als mehr Puder über dem gleichen Dreck.

Ich wollte das auch gar nicht weiter kommentieren weil ich meine daß es für sich selbst spricht, mit Ausnahme einiger Anmerkungen über das Thema Anonymität bzw. Pseudonymität, da das in besagtem Forum einige Breite angenommen hat.

Viele der Spekulationen wären überflüssig wenn sich die Betreffenden meinen Blog-Artikel vom Mai zu Gemüte geführt hätten, was auch aus anderen Gründen durchaus zu empfehlen wäre. Aber auch wenn man daraus die Gründe für das Pseudonym wohl schon erahnen könnte, explizit hingeschrieben habe ich sie nicht. Jedenfalls meinte wegen meiner Anonymität Markus Berzborn eine regelrechte Tirade gegen mich reiten zu sollen. Zwar ist mir meine Weigerung, meine wahre Identität zu outen, auch schon zuvor immer wieder von Leuten zum Vorwurf gemacht worden, wenn sie mit ihrem sonstigen Latein am Ende waren, aber keiner hat das bisher auf eine dermaßen giftige Weise getan wie Markus Berzborn. Das fing mit Herabsetzung an und steigerte sich bis zum Gebrauch des Wortes "Abschaum", das von der Moderation zwar zensiert wurde, aber zu diesem Zeitpunkt schon von anderen Beiträgen aufgegriffen wurde, weshalb es zur besseren Verständlichkeit vielleicht besser gewesen wäre es dort stehen zu lassen. Furcht vor juristischen Konsequenzen aus meiner Richtung wäre jedenfalls unangebracht, denn ich denke Berzborn schadet sich damit ohnehin nur selbst.

Außerdem: Welchen Schaden kann ein Pseudonym nehmen? Das ist ja eben genau eine meiner Motivationen hinter der Pseudonymität. Ich wußte von Anfang an daß ich Klartext reden (bzw. schreiben) will, ich wußte von Anfang an daß das einigen Leuten nicht passen würde, und es war mir ebenfalls klar daß darunter welche sein würden die in der Hitze des Gefechts keinerlei Hemmungen haben, auch Kollateralschäden in Kauf zu nehmen. Das wäre noch nicht so schlimm wenn sie bloß mich selbst beträfen, aber ich arbeite als Freiberufler für diverse Firmen, vorwiegend aus der professionellen Tontechnik, und wenn denen aus meiner privaten Betätigung ein Nachteil entstehen sollte wäre definitiv die rote Linie überschritten. Wenn ich mich nicht darauf verlassen kann daß meine Gegenüber diese Grenze respektieren muß ich selber für deren Einhaltung sorgen.

Pseudonymität ist auch keineswegs unfair. Zum Einen ist es im Falle einer juristischen Streitsache durchaus möglich mein Pseudonym zu durchbrechen. Es ist daher für mich keine Möglichkeit einer eventuellen Strafe zu entgehen, und ich weiß durchaus was ich sagen will, was ich sagen darf, und wo die Grenzen der freien Meinungsäußerung sind. Satire ist ausdrücklich davon gedeckt, und zwar auch wenn die Opfer der Satire namentlich bekannte Personen sind. Wer sich öffentlich äußert, und dazu gehören auch öffentliche Foren, dann muß er akzeptieren daß seine Aussagen in der Öffentlichkeit faktisch oder satirisch "auseinandergenommen" werden. Das muß ich schließlich ggf. ebenso ertragen können. Man kann dabei zwar durchaus auch mal der Meinung sein ich hätte die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, aber das ändert nichts daran daß ich in den Grenzen des geltenden Rechts auch dazu die Freiheit habe, und ich sage ausdrücklich daß ich auch weiterhin die Absicht habe sie zu nutzen.

Zum Anderen ist es auch nicht feige. Es steht hier im Blog nichts was ich nicht ggf. einem Betroffenen auch ins Angesicht sagen würde. Der Vorwurf der "ungleichen Gesprächsvoraussetzungen" schließlich könnte kaum idiotischer sein, da ein Jeder mit Leichtigkeit Gleichheit herstellen könnte indem er sich selbst ein Pseudonym zulegt, dafür braucht er mein Einverständnis nicht. Sogar hier im Blog wäre das gegangen, wie Andere ja schon gezeigt haben. Weil ich mir kaum vorstellen kann daß Markus Berzborn nicht selbst darauf gekommen ist, halte ich das in seinem Fall schlicht für eine verlogene Argumentation. Ich denke es ist offensichtlich daß er mich zur Preisgabe meiner Identität mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln reizen wollte, und mit seinen Analogien vom Duell und vom Atomkrieg macht er auch unzweifelhaft klar daß es ihm nicht um's Argumentieren sondern um "Krieg" geht. Wenn es nicht schon vorher genügend Gründe für ein Pseudonym gegeben hätte, spätestens angesichts solcher Amokläufer ist sonnenklar warum das eine gute Idee ist.

Ein weiteres immer wieder vorgebrachtes Argument ist, daß man so nicht beurteilen könne mit welcher Kompetenz ich schreibe. Das wird einmal an meiner Ausbildung und Berufserfahrung festgemacht, ein anderes mal daran welche Hifi-Anlage ich selbst benutze. Dazu kann ich nur sagen: Wer meine Kompetenz ohne diese Information nicht beurteilen kann der kann das auch mit ihr nicht. Jeder, auf dessen diesbezügliches Urteil ich Wert lege, hat eine Vorstellung von meiner Kompetenz sobald er von mir ein paar Beiträge gelesen hat. Das Urteil der Anderen ist mir ziemlich gleichgültig. Wer pelmazo einschätzen will der lese seine Texte. Wer den Menschen dahinter persönlich einschätzen will der muß ihn persönlich kennenlernen, und der Weg dahin führt nicht über pelmazo.

Und zuletzt: Der beste Weg meinem Spott zu entgehen, ist sein Gehirn einzuschalten und nicht so einen hanebüchenen Stuß von sich zu geben wie er leider im "audiophilen" Bereich viel zu häufig ist. Ich spotte nicht aus Abneigung, sondern um Denkvorgänge auszulösen.

Als Bonus gibt's noch eine Literaturempfehlung.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Audiophile Logik

Ah, welch eine reichhaltige Quelle das Hochalpinistenforum* doch für einen Satiriker sein kann! Wie unschuldig da doch immer wieder die übelsten rhetorischen Maschen angewandt werden, und alle finden, was für ein super Argument das doch sei. Hier ein besonders schönes Beispiel:
"Wenn ich todkrank bin und ein Placebo mich heilt, was würdet ihr über den Menschen denken, der mich mit Formeln und Messwerten überzeugt, dass das Medikament wirkungslos ist und ich unheilbar bin? Was denke ich wohl über jemanden, der mich mit aller Kraft überzeugen will, dass die schöne Musik, die ich glaube, meinem Kabel zu verdanken, gar nicht schön sein kann? Wenn er es geschafft hat, und mir mein Lieblingslied nicht mehr gefällt, werde ich ihm sicher danken..." (Gabi alias Tour Eiffel)
Also ich gebe zu daß selbst ich Schwierigkeiten hätte, so eine perfide Logik ohne Scham öffentlich zu äußern. Es erinnert mich an die Zeiten als es noch Gewissensprüfungen für Wehrdienstverweigerer in Westdeutschland gab (kann sich daran noch jemand erinnern?). Was antwortet man da auf die Frage:
"Sie erwischen einen russischen Soldaten dabei wie er gerade Ihre Freundin vergewaltigt. Sie haben zufällig eine Maschinenpistole dabei. Was würden Sie tun?"
Würde da nicht sogar ein ausgesprochener Pazifist einen spontanen Impuls verspüren, diesem Arschloch von Gewissensprüfer an die Gurgel zu gehen?

Analog dazu frage ich mich, ob man die Verfasserin des obigen Zitats wirklich noch als gutmütige Diskutantin ansehen kann, die halt einfach eine etwas andere Meinung hat? Zumal natürlich gerade in besagtem Forum eine meiner Meinung nach durchaus angebrachte etwas grobere Reaktion sofort als Zeugnis einer niederen Diskussionskultur aufgefaßt und weithin beklagt würde. Aber hier ist ja mein Blog, da gelten zum Glück meine Regeln.

Aber obwohl die Perfidie eigentlich für einen halbwegs vernünftigen Menschen auch so klar sein sollte, warum eigentlich nicht im Dienste höchstmöglicher Diskussionskultur sachlich antworten? Ich versuch's mal:

Ich weise auf die Unverfrorenheit, ein vergleichsweise harmloses Phänomen wie Kabelklang mit einer Frage von Leben oder Tod zu verknüpfen, nur mal mit einem Satz hin - mehr sollte nicht nötig sein. Interessanter ist ohnehin die Logik.

Was ist ein Placebo? Ein Medikament ohne Wirkstoff, das ausschließlich psychologisch wirkt, nämlich indem der Patient an seine Wirksamkeit glaubt, und sich durch diese Überzeugung quasi selbst heilt. Der Einfluß der Psychologie auf Heilungsprozesse ist ja auch bei der "Schulmedizin" nicht umstritten.

Was heißt es, wenn jemand durch ein Placebo geheilt wird? Nun, es heißt daß ihn sein Glaube geheilt hat, nicht das Placebo. Das Placebo war auch im Erfolgsfall nur ein Trick um diesen Glauben hervorzurufen.

Wenn ein Patient auf diese Weise von einer lebensgefährlichen Krankheit geheilt wurde, und man erzählt ihm danach daß es sich um ein Placebo gehandelt hat, stirbt er dann oder wird wieder krank? Natürlich nicht.

Was soll also dann das Argument? Es fängt schon damit an daß ein verantwortlicher Arzt wohl kaum ein Placebo für eine lebensgefährliche Krankheit einsetzen würde! Man stelle sich bloß mal vor was wohl wäre wenn es nicht helfen sollte und die Tatsache daß es sich um ein Placebo handelte wird den Angehörigen des Verstorbenen bekannt. Dieser Arzt würde ich nicht sein wollen.

Oder wenn die Krankheit nicht so ernst sein sollte, und man hätte die Hoffnung daß ein Placebo hilft, dann würde man natürlich dem Patienten nicht sagen daß es ein Placebo ist, sonst könnte man sich die Aktion ja sparen. Wenn er dann gesund wird und hinterher vom Placebo erfährt, was wäre dann der Schaden? Wenn mir das als Patient passieren würde hätte ich nicht das geringste Problem damit, und ich würde auch von niemandem schlecht denken. Und wenn ich als Skeptiker kein Problem damit habe, warum sollte ein Subjektivist eins damit haben?

Wäre es da übertrieben wenn ich Gabi's Argument nicht bloß unsinnig, sondern regelrecht demagogisch nenne?

Der zweite Teil des Arguments, der mit der Musik, ist nicht viel besser. Der gröbste Fehler darin ist die Unterstellung, wer den Kabelklang abstreite würde damit jemanden überzeugen wollen, die darüber laufende Musik könne nicht schön sein. Das ist zwar kein so abscheuliches Argument, aber dafür ist es umso dämlicher.

Und um die rhetorische Frage nachzuäffen: Was soll ich von jemandem halten, der ihr Lieblingslied nicht mehr gefällt wenn ich ihr den Kabelklang ausgeredet habe? Wieviele Leute es wohl geben mag, denen ihr Lieblingslied nur über die eigene Anlage gefällt, nicht aber über andere Anlagen, weil dort nicht die richtigen Kabel drin sind? Oder genauer gesagt von denen sie bloß glauben, daß die falschen Kabel drin sind, denn wir reden ja von Placebos!

Und schließlich: Die Abstreiter von Kabelklang streiten ja eben nicht ab, daß es psychologische Placebo-Wirkungen gibt. In der Regel betonen sie sogar daß sie kein Problem damit haben wenn jemand aus diesem Grund spezielle Kabel haben will. Das Problem ist lediglich ob man Kabel andere als Placebo-Wirkungen, also elektrisch bedingte Wirkungen zuschreiben kann. Und es wäre ja wohl absolut widersinnig wenn man behaupten wollte, es müsse elektrische Wirkungen geben sobald es Placebo-Wirkungen gibt. Bei Placebos in der Medizin behauptet ja auch niemand, wenn sie geholfen haben müsse irgend ein realer Wirkstoff drin gewesen sein. Da wird ja auch allgemein akzeptiert daß sie psychologisch gewirkt haben. Würde das beim Kabelklang ebenso akzeptiert, gäbe es keinen Streit.

Das war jetzt viel Antwort für ein wenig audiophilen Dünnpfiff. War er's wert? Vielleicht nicht, aber als Schlaglicht auf die Denkweise, die in Charly's Forum (und nicht nur da) weit verbreitet ist, fand ich's gut geeignet. Wer noch mehr solche Stilblüten und mentale Darmverschlingungen lesen will wird jedenfalls dort keine Mühe haben, Material zu finden.

Und falls gegen meine Warnung jemand hier lesen sollte, dem meine Texte sauer aufstoßen, und dem daraufhin sein Lieblingslied nicht mehr gefällt, dann wird ihm das dortige Forum sicher Balsam auf die geschundene Seele sein.

Ich bin jedenfalls überzeugt, daß für jeden, der sich noch ein nüchternes Urteil bewahrt hat, solche Argumentationsweisen wie von Gabi noch viel stärkere Argumente gegen Kabelklang sind, als es alle "gescheiterten" Hörtests, alle technischen Argumente, und alle Messungen sein können. Wer so verbohrt ist, daß er diese Art der Argumentation für angebracht oder gar überzeugend hält, kann wohl kaum für einen glaubwürdigen oder respektablen Zeitgenossen gehalten werden.

(*) Für Alle, die noch nicht so lange dabei ist: Das ist ein Spitzname für Charly's Open-End-Forum, dem man im Hifi-Forum öfter begegnet.

Montag, 13. Oktober 2008

Feedback

Ich gebe zu, es hat mich als narzisstisch verdrehtem Heckenschützen und Vertreter der dunklen Macht schon arg geschmerzt, daß ich bisher mit meinem Blog noch keinen um den Globus laufenden Hifi-Tsunami auslösen konnte. Auch wenn das Gift auf langfristige Wirkung ausgelegt ist, so liegt es doch im Wesen meiner Arroganz und Selbstüberschätzung daß ich ungeduldig geworden bin. Doch es scheint sich zu bessern. Zu meinem großen Vergnügen hat das Verhängnis nun offenbar in Österreich seinen Anfang genommen. Es scheint nun doch unmöglich geworden zu sein, meinen Blog zu ignorieren.

Es haben inzwischen einige hellsichtige Psychologen im verlinkten Forum meine eigentliche Persönlichkeitsstruktur durchschaut. So gebe ich zu daß mich das ausführliche Persönlichkeitsprofil von Dualese schon sehr gut getroffen hat. Direkt schade daß er es später unnötigerweise wieder relativiert. Das ist eine völlig unnötige Rücksichtnahme (auf was oder wen eigentlich?), zumal die Wahrheit noch ein wenig schlimmer ist.

Ich esse nämlich gern kleine Kinder zum Frühstück. Das hätten die Diskussionsteilnehmer bestimmt bald selbst herausgefunden, drum gebe ich's lieber gleich zu. Ich meine, wie hätte ich es auch sonst so schnell zum Audio-Gott bringen können, wenn nicht über die Macht über Leben und Tod? Ansonsten hätte ja wohl auch ein Papst genügt, nicht wahr?

Genaugenommen fände ich es allerdings als Ausgeburt der dunklen Macht angebrachter, wenn man mich Audio-Luzifer nennen würde. Schließlich bin ich Teil jener Kraft, die stets Böses will und Gutes schafft. Außerdem gilt ja das geflügelte Wort: Je größer der Glaube desto näher der Teufel.

Damit sollten sich Spekulationen um meine wahre Identität erübrigen.

Besonderen Applaus verdient auch diese Bemerkung. Das ist natürlich in seiner prägnanten Knappheit völlig korrekt. Ich verstehe ohnehin nicht wie man nach der Lektüre meines Blog auf die Idee kommen konnte, ich würde denken. Solch zusammenhangloses, dem gesunden Menschenverstand und der menschlichen Sittlichkeit Hohn sprechendes Gefasel wie ich es hier am laufenden Band produziere kann unmöglich das Ergebnis eines Denkprozesses sein. Es sind Einflüsterungen der dunklen Macht. Auswürfe eines kranken Unterbewußtseins. Säure am Fundament der glänzenden Hifi-Kathedrale!

Doch es ist zu spät, die Säure tut ihre Wirkung, der Tsunami wird das wahre Hifi dahinraffen, und nur eine rationalistisch geknebelte, freudlose, gleichgeschaltete Hifi-Karikatur wird übrig bleiben. Die dunkle Macht wird siegen!

Ich möchte nicht schließen ohne den herausragenden satirischen Sinn für das Groteske und das Absurde zu würdigen, den ich in diesem Thema im österreichischen Hifi-Forum genießen durfte. Ich kann dessen Lektüre wärmstens empfehlen. Besonderen Dank dafür auch an den Themenstarter, David Messinger.

Montag, 22. September 2008

Lob der Passivbox

In der professionellen Tontechnik hat sich in der letzten Zeit ein besorgniserregender Trend breit gemacht, dem sich die audiophile Szene und der Hifi-Markt bisher wohlweislich entgegen gestemmt hat: Die Aktivbox. Also die Unsitte, in eine Lautsprecherbox den Endverstärker gleich mit einzubauen. Es gibt aber leider immer wieder und in letzter Zeit auch vermehrt Aktiv-Missionare, die ihre Irrlehre offen auch im Heim-Hifi und High-End Sektor zu verbreiten versuchen, und dabei zwar wenig, aber doch stellenweise spürbaren Erfolg haben. Wehret den Anfängen, heißt es ja bekanntlich. Darum will ich hier die Herausforderung annehmen und die Sache vom Kopf wieder auf die Füße stellen, damit der vielleicht weniger Sattelfeste nicht unversehens in sein Unglück gestürzt wird.

Viele der von den Aktiv-Missionaren vorgebrachten angeblichen Vorteile von Aktivboxen sind nämlich bei Licht betrachtet Nachteile, wie im Folgenden noch klar sichtbar werden wird.

Aktivboxen sind unflexibel

Das ist leicht gezeigt: Angenommen es gibt 1000 verschiedene Passivboxen und 1000 verschiedene Verstärker. Das dürfte eine deutlich untertriebene Schätzung sein, aber es geht hier ja um's Prinzip. Das ergibt eine Million verschiedener Kombinationsmöglichkeiten, die alle ihren charakteristischen Klang ergeben. Wenn man jetzt noch 1000 verschiedene Lautsprecherkabel annimmt (auch das vorsichtig geschätzt), dann sind wir schon bei einer Milliarde. Weitere Variationsmöglichkeiten ergeben sich für den ernsthaften Audiophilen wenn man solche Alternativen wie Biwiring und Biamping betrachtet, wenn man Tuningmöglichkeiten wie z.B. spezielle Lautsprecherterminals oder Blechbrücken berücksichtigt, und wenn man das Selbstkonfigurieren der Kabel mit Kabelschuhen, Pins, Bananensteckern oder ähnlichem Zubehör mit einschließt. Auch wenn nicht alle theoretischen Kombinationsmöglichkeiten einen Sinn ergeben ist man damit doch bequem über der Zahl lebender Menschen, was bedeutet daß Jeder seine für ihn am besten passende Kombination wählen kann, ohne damit seine Individualität zu gefährden.

Wenn es stattdessen nur 1000 verschiedene Aktivboxen gäbe, dann wäre ja zu befürchten daß schon im gleichen Dorf jemand das gleiche Setup hat. Welche Chance hat man da noch auf Individualität?

Aktivboxen sind eine Bevormundung

Jeder weiß daß nur das kritische und unbestechliche Ohr des Audiophilen selbst entscheiden kann welcher Verstärker am besten zu einem Lautsprecher paßt. Bei der Aktivbox maßt sich der Hersteller selbst diese Entscheidung an. Woher soll er das aber wissen?

Mehr noch: Man muß beim Hersteller sogar befürchten, daß er diese Entscheidung auf der Basis irgendwelcher Meßwerte trifft, oder sonstiger zweifelhafter Kriterien die oft genug im Dunkeln bleiben. Der Kunde bekommt dann das resultierende Schlamassel nach dem Motto vorgesetzt: Friß oder stirb!

Wer eine solche fertige Aktivbox mal aufgemacht hat, um sein Inneres zu begutachten, wird zudem in den meisten Fällen zu seinem Entsetzen feststellen müssen, daß die Verkabelung aus schlichtestem Kupferdraht besteht, womöglich noch nicht einmal sauerstoffrei. Man denkt da offenbar, was der Audiophile nicht sieht, das hört er auch nicht!

Aktivboxen machen keinen Spaß

Gibt es etwas langweiligeres als ein Gerät, das man einfach einsteckt und dann geht's? Mal ehrlich, ein Lautsprecher ist doch nicht wie ein Wasserkocher! Da muß man doch noch ein Mysterium drin lassen! Man muß doch ausprobieren dürfen wieviel kapazitive Last durch ein extremes Kabel oder einen extremen Impedanzverlauf des Lautsprechers ein Verstärker noch verkraftet! Es ist doch spannend zu sehen welchen Einfluß ein Lautsprecher auf den Frequenzgang eines Röhrenverstärkers hat!

Die Stories von verstärkerkillenden Lautsprechern sind doch geradezu legendär, wollte man sich das alles verbieten lassen? Und umgekehrt hat ja auch schon so mancher Verstärker einen Lautsprecher abgeschossen. Das sind doch alles prima Stories, die man seinen Enkelkindern noch erzählt!

Dagegen bauen die Hersteller von Aktivboxen ja sogar noch extra Schutzschaltungen ein, was da ja auch nicht so schwer ist, besonders wenn man für jedes Chassis einen eigenen Verstärker hat und keine Passivweiche dazwischen ist. Das ist etwa so witzig wie Umsteigen vom Autoscooter auf Kinderkarussell.

Aktivboxen haben zu wenig Leistung

Ohne Watt läuft nix bei Lautsprechern, wie man weiß. Was soll man also von Aktivboxen halten die entweder die Watt gar nicht mehr angeben oder mit mickrigen Werten wie 70 Watt oder so daher kommen. Wen kann man denn damit beeindrucken?

Es liegt natürlich auch mit an der unseligen Entscheidung, die Passivweichen rauszuschmeißen, die sonst immer einen Teil der Watts brauchen. Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht schlecht: Erstens landen alle Watt aus dem Verstärker direkt im entsprechenden Chassis, was zur angesprochenen Wattarmut führt (und eine geradezu unheimliche Kontrolle der Chassis ergibt), zweitens fehlen so die klangfördernden Weichenteile (was sollen dann bitte Hersteller wie Mundorf noch machen? Einpacken?), und drittens braucht man dann vor den Endverstärkern noch Aktivweichen.

Um das gleich noch mal im Detail aufzudröseln:

1. Die direkte Verbindung der Chassis. Hier setzen die Hersteller dem ganzen manchmal die Krone auf indem sie ernsthaft anfangen, Spulenströme zu messen um Leistungsentwicklung und Verzerrungen bestimmen zu können, sie messen Schwingspulentemperaturen für einen besseren Überlastschutz, und sie fangen an die Verstärkerimpedanz und weitere seiner Parameter auf das Chassis anzupassen. Das steht im direkten Gegensatz zum bewährten Purismus des Audiophilen, der möglichst wenige Manipulationen am Audiosignal duldet. Wenn man darüber nachdenkt was da alles noch auf einen zukommen könnte wird einem ganz schwindlig.

2. Die Passivweiche. Wo, bitteschön, kann man denn noch so schön rumtüfteln wie an einer Passivweiche? Hier tummeln sich nicht umsonst eine Reihe von Herstellern von Spezialbauteilen, von denen ich schon einen genannt habe. Will man das alles abschaffen? Das wäre unverantwortlich, und auch wieder eine Bevormundung des tuningwilligen Audiophilen. Und wenn man die Verstärkerleistung nicht zum Teil in der Weiche verbraten darf müssen die Chassis mehr Leistung verdauen können, oder man spart am Verstärker. Und wie kommt man dann auf die nötigen großen Wattzahlen? Soll man dann ernsthaft anfangen auf den PMPO-Zug aufzuspringen? Da macht man sich ja lächerlich!

3. Aktivweichen. Das ist ja schon deswegen Teufelszeug weil da unweigerlich Operationsverstärker drin auftauchen, und nicht zu knapp. Oder es wird sogar mit Digitaltechnik gearbeitet. Muß ich schreiben warum das Murks ist?

Und an die Angabe von technischen Daten kann man sich auch kaum gewöhnen. Bei Lautsprechern interessieren Watt und Ohm. Bei Aktivboxen muß man sich stattdessen mit maximalen Schalldrücken und so abstraktem Zeug herumschlagen. Wer kann denn damit was anfangen?

Aktivboxen brauchen blöde Verkabelung

Da hat man als Audiophiler gerade extra wegen seiner Anlage einen eigenen Stromkreis vom Sicherungskasten bis zur Anlage gelegt und noch speziell mit Klangmodul abgesichert, und jetzt stellt man fest daß man zu den Boxen auch noch Steckdosen hätte legen sollen. Mal im Ernst: Wer macht das? Das wäre ja so wie wenn man Monoblöcke zu den Boxen stellt. Es ist doch so: Lautsprecherkabel müssen lang, Netzkabel dagegen kurz sein. Die möglichst reine Stromversorgung hat schließlich höchste Priorität! Oder etwa nicht?

Zudem brauchen die meisten Aktivboxen symmetrische Verkabelung damit's keine Brummschleifen gibt. Dabei weiß man doch daß die einzig vernünftige Verkabelung das Cinch-System ist. Nirgendwo sonst gibt's eine solche Vielfalt von innovativen und audiophilen Steckerkonstruktionen wie hier. Bei der symmetrischen Technik gibt's Neutrik. Und sonst?

Aktivboxen verstecken den Verstärker

Der Verstärker ist das Herz und Schmuckstück einer Anlage. Ausgerechnet der soll aus dem Blickfeld verschwinden? Das kann ja wohl nicht angehen! Mal abgesehen davon daß das der Tod für fast alle Röhrenverstärker wäre, was bitte stellt man denn sonst da hin wo er hätte stehen sollen? Ein dicker Volume-Knopf an einem mickrigen Gehäuse kann's ja wohl nicht sein. Ein wichtig aussehendes Gehäuse in dem so gut wie nichts drin ist kommt auch nicht in Frage. Nicht umsonst zählen Vorverstärker zu den Exoten im Hifi-Markt. Womöglich werden die sogar mit Kopfhörerverstärkern verwechselt.

Aktivboxen sind häßlich

Naja, eigentlich sollte es darauf ja nicht ankommen, und Passivboxen sind ja oft auch keine Schönheiten. Aber welche wirklich schöne Box ist denn heutzutage aktiv? Oder welche spektakulär und exotisch aussehende? Aktivboxen sehen meist so aus als hätte man bei ihrer Entwicklung bei der Akustik angefangen, und die Optik beiseite gelassen. Da kann einfach kein Feeling aufkommen. Man müßte ja geradezu beim Musikhören die Augen zu machen, und selbst dann kann sich nicht Jeder vom Gedanken an die Box lösen.

Der ernsthafte Audiophile orientiert sich zwar ausschließlich am Klang, aber eine Geithain ansehen müssen...?!?

Lob der Passivbox

Wie inzwischen klar geworden sein dürfte ist die Passivbox eindeutig die bessere Lösung, von der man sich auch nicht leichtfertig abbringen lassen sollte. Die schiere Anzahl an Freiheitsgraden für den Kunden, durch deren konsequente Nutzung man die spannendsten Effekte erzielen kann, und die dazu im Vergleich langweilige technische Perfektion der Aktivboxen, sollten einem jeden Audiophilen die Entscheidung einfach machen. Wenn es nicht auch bei Aktivboxen noch das Problem der Aufstellung und Raumakustik gäbe, man könnte den Klang gleich normieren lassen. Das kann in niemandes Interesse sein. Bleiben wir also beim Bewährten!

Mittwoch, 10. September 2008

High-Ender Highlight

Wow!

Auch wenn man die High-Ender schon jahrelang zu kennen meint und glaubt, jede Spielart des Schwachsinns schon erlebt zu haben, passieren einem doch noch ganz unerwartete Highlights. Fast zu schön um wahr zu sein. Man ist geneigt sich zu kneifen um sicher zu sein daß man wach ist.

Wie oft kriegt man ein derartig reinrassiges Exemplar eines High-Enders vor die Flinte wie hier? Quasi ein audiophiler 22-Ender. Mit allen nur denkbaren Klischees so randvoll gestopft daß ein normaler vernünftiger Gedanke noch nichtmal mit Gewalt dazwischen passen würde.

Da paart sich auf's Schönste technischer Unverstand mit Größenwahn, Aufschneiderei mit Ignoranz, Ressentiments gegenüber der Technik mit völlig kritikloser Verherrlichung der eigenen Wahrnehmung. Ich gebe zu, ich habe einen neuen Favoriten. Der lange Zeit führende joerchi ist auf den zweiten Platz zurück gefallen.

Donnerstag, 28. August 2008

Das Experiment

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, auch der Hifi-Foren-Öffentlichkeit, fand dieses Frühjahr ein interessantes und aufschlußreiches Experiment statt, von dem ich hier berichten will. Ich habe mit dessen Durchführung nichts zu tun, und bin auch selbst erst nachträglich darauf aufmerksam geworden, komme aber nicht umhin, meinen Respekt dem dafür Verantwortlichen, Dirk Jambor, zu zollen.

Worum geht's?

Vordergründig geht es darum, in Form einer Analogie ein überzeugendes Argument dafür zu bieten, weshalb Kurzzeit-Blindtests nicht funktionieren. Also eine Episode in der unendlichen Geschichte der Blindtest-Saga. Vielleicht war deswegen die öffentliche Resonanz gering. Umso besser, denn so konnte sich das Experiment besser entfalten. Dirk Jambor, recht angesehener und respektierter Teilnehmer des Forums Open-End-Music-Professional (ein Titel übrigens mit einer ganz hintersinnigen Ironie), startete dort dieses Thema mit einem Beitrag, in dem ein Stereogramm zu sehen ist, nebst einer kurzen Erläuterung und dem Statement: "So in etwa funktioniert das mit den typischen Kurzzeit BT und unter Stress."

Der geneigte Leser möchte sich vielleicht einen Überblick über die Diskussion in diesem Thema verschaffen, ehe ich hier weiter eindringe, vielleicht kommt er ja auch selbst auf die zweite Ebene hinter der vordergründigen Ebene des simplen Blindtest-Bashings. Es kann auch nicht schaden sich mit den Stereogrammen selbst ein wenig zu beschäftigen, wenigstens so weit bis man es geschafft hat wenigstens eins davon auch tatsächlich "in 3D" zu sehen.

Wer das hinter sich hat und bereit ist für die zweite Ebene, der lese jetzt hier weiter.

Die Stereogramme sollen ja ganz offen als eine Art Beweis durch Analogie fungieren, für eine These von der in besagtem Forum sowieso praktisch niemand überzeugt werden muß. Eine Predigt also an die schon Bekehrten, der Beweis für eine Selbstverständlichkeit, das Stürmen eines offenen Scheißhauses. Was so überflüssig aussieht ist feines Kalkül. Wohl wissend, wie dankbar die Leserschaft sein würde für solche Bestätigungen der eigenen Überzeugung (da schwingt ein wenig das Gefühl der diskussionsmäßigen Unterlegenheit gegenüber den "Technikern" mit), probiert Jambor aus, in wie weit solche Bedürfniserfüllung in der Lage ist, kritisches Hinterfragen auszuschalten. Und das ohne die reflexartige Abwehrhaltung zu produzieren, die bei Eingreifen des "Gegners" unvermeidlich gewesen wäre. Audiophile unter sich, und damit in ihren Reaktionen umso authentischer.

Gehen wir, die wir eine größere Distanz dazu haben, also einmal die explizit oder implizit gemachten Behauptungen durch und klopfen sie auf ihre Stichhaltigkeit ab.

Ein Beweis durch Analogie steht und fällt damit ob die Analogie tatsächlich gegeben ist, also ob ein Ding als Modell für ein anderes herhalten kann oder nicht. Jambor behauptet die Analogie zwischen Stereogramm und Kurzzeit-BT. Durch die ganzen Beiträge hindurch wird das nicht ernsthaft in Frage gestellt. Womit wird diese Analogie begründet?

Im Eröffnungsbeitrag stellt Jambor die analytische, konzentrierte Betrachtungsweise des Bildes, die nur ein 2D-Bild sichtbar werden läßt, gegen eine Betrachtung, in der man "endspannt" (sic) das Bild auf sich wirken läßt und dann vielleicht die 3D-Struktur entdeckt. Das ist die Message: Konzentration und analytisches Wahrnehmen (was gleich auch noch mit Stress assoziiert wird) verstellt den Blick für eine andere "Ebene", und nachdem der Kurzzeit-BT auf eben Konzentration und analytischem Wahrnehmen basiert, bleiben ihm prinzipiell bestimmte Aspekte der Wahrnehmung verborgen, es fehlt quasi die dritte Dimension. Nochmal Dirk Jambor: "Der klassische BT, wird nur dem etwas bringen, der den Leuten das 3D ausreden will ohne jetzt Person oder Befindlichkeiten aufzurollen. Wer die Wahrheit sucht, sollte es locker und humorvoll wie mit diesen Bilder sehen/hören."

Daß man entspannt sein müsse um die dritte Dimension der Stereogramme zu sehen wird dann auch von mehreren Teilnehmern teils euphorisch bestätigt. Doch wie ist es tatsächlich?

Nun, ein Stereogramm basiert darauf daß man nicht auf das Bild fokussiert, sondern daß man auf das Bild in der "richtigen" Weise schielt, daß also die beiden Augen ein jeweils zueinander verschobenes Bild sehen. Räumliches Sehen basiert ebenfalls darauf daß die beiden Augen ein unterschiedliches Bild sehen, aber nicht völlig unterschiedlich sondern geringfügig anders, so daß das Gehirn aus den kleinen Unterschieden die Tiefeninformation rekonstruieren kann. In den Stereogrammen nutzt man diese Fähigkeit des Gehirns aus, indem man ihm ein Bild vorsetzt das sich horizontal wiederholt, aber mit kleinen Unterschieden, die normalerweise nicht auffallen, aber genau so gestaltet sind daß sie im Sinne räumlichen Sehens interpretiert werden können. Dazu muß bloß der Blick so schielen, daß der richtige horizontale Versatz in den Bildern in beiden Augen entsteht. Mit Entspannung hat das nur insofern etwas zu tun als Vielen das unwillkürliche Schielen oder Defokussieren im Zustand der Entspannung leichter fällt. Hat man den "Dreh" aber einmal heraus, dann kann man das oft schneller ganz ohne Entspannung und mit Konzentration hinkriegen.

Ich selbst habe zum Beispiel eine Weile mit dem Smarties-Bild herumgeknobelt bis ich die richtige Distanz und "Schielstärke" gefunden hatte, aber seither kann ich es ohne große Probleme "aufrufen". Mit anderen Worten, wenigstens bei mir hat diese Effekt keine Verbindung mit Streß und Konzentration, im Gegenteil, ich habe den Eindruck daß ich - nachdem ich's einmal gelernt habe - durch Konzentration schneller dahin komme, den 3D-Effekt zu sehen. Es wäre interessant zu erfahren wie viele Andere die gleiche Erfahrung gemacht haben.

Ich wäre dagegen vermutlich auch bei größter Entspannung von selbst, ohne Tipp, nicht darauf gekommen wie das Bild zu betrachten ist, damit der 3D-Effekt auftaucht. Ich würde aufgrund der Beiträge im Thread das gleiche auch von den dortigen Teilnehmern vermuten. Praktisch alle scheinen dort eine mehr oder weniger genaue Anleitung gebraucht zu haben bevor sie "es" sehen konnten.

Es haut also etwas nicht hin mit dem Argument. Die Verbindung zum Stress und der Konzentration existiert so wie behauptet nicht, und wenn man etwas daraus folgern kann dann eher daß auch in diesem Fall Training hilft. Wie beim Kurzzeit-BT. Ergo: Eine Bestätigung des Blindtests, und keiner hat's gemerkt. Denn auch der Blindtest soll ja nicht die Fähigkeit abtesten, etwas völlig unbekanntes ohne Anleitung spontan finden zu können, sondern man interessiert sich dafür ob jemand unter Verblindung etwas kann was er zuvor unverblindet schon konnte. Die Analogie wäre also eher so daß ein Stereogramm-Blindtest jemandem, der Stereogramme kennt, ein neues Stereogramm vorsetzt und ihn probieren läßt ob er es "entschlüsseln" kann. Ich würde sagen die Chancen stünden nicht schlecht das er es könnte.

Vielen erzähle ich damit nichts Neues, aber ich finde es bemerkenswert wie es Dirk Jambor, ein mit Blindtests erfahrener Mann, hier geschafft hat die versammelte Runde so vollständig von der Stichhaltigkeit eines unsinnigen Argumentes zu überzeugen, und jeden Antrieb zum Hinterfragen schon im Ansatz ausgeschaltet hat. Eine eindrucksvolle Demonstration der Macht des Wunschdenkens. Jeder dort im Thema Mitdiskutierende wünschte sich ein gutes und wirkungsvolles Argument gegen Blindtests, und wenn dann eines angeboten wird, ist man dafür so dankbar daß man die Kritikfähigkeit direkt an der Garderobe ablegt. Besonders wenn man es so klar und eindeutig als Kampfmittel gegen den gemeinsamen Gegner anpreist wie es Jambor tut: "Sollte man jedem Techniker, Physiker und Mathematiker verordnen."

Nebenbei: Er wußte natürlich nur zu gut daß dieses Verordnen bei den Technikern etc. nicht gut funktionieren würde, denn es fehlt ihnen die Sehnsucht nach einem guten Argument gegen Blindtests, und damit wäre die Gefahr zu groß daß jemand tatsächlich anfängt, die Argumentation zu hinterfragen. Aber als Zuruf an die versammelten Audiophilen wirkt es natürlich wie Balsam: Wenn die Techniker sich nur einmal unserer Erlebnisfähigkeit öffnen könnten, dann würden sie zweifellos überzeugt sein.

Es ist so genial und so überzeugend vorgetragen, daß man geneigt sein könnte zu denken, Jambor glaube das wirklich alles auch selbst. Es ist ein Genuß, einen solch begnadeten Experimentator am Werk zu sehen.

Sonntag, 24. August 2008

Gschwerl

Weit ist's schon gekommen mit unserem schönen Hobby HiFi! Im größten deutschen Forum zu diesem Thema regieren die Defätisten, Abstreiter und Störenfriede. Kaum verirrt sich ein rechtschaffener Mensch ins Forum hinein, der noch mit seinen eigenen Ohren hört, dann wird er sofort zum Gespött der Leute gemacht.

Doch der Hergott läßt die Seinen nicht im Stich. Der Rechtschaffene und im Glauben Unerschütterliche war schon immer Anfechtungen ausgesetzt, aus denen er errettet wird, so wie der ans Kreuz Genagelte hernach leibhaftig in den Himmel aufgefahren ist.

Da ist es gut zu wissen, daß es eine Schar wackerer und mutiger Leute gibt, die noch immer sich auf ihre Ohren nichtblind verlassen können, und sich nicht scheuen diesem Gschwerl Paroli zu bieten, was keinen Anstand nicht hat und keinen Glauben, und ihnen klipp und klar sagen was sie für welche sind.

Wenn die Regierung etwas taugen würde, dann würde sie dieses Gschwerl in ihre Schranken weisen, aber der sittliche Verfall hat sich in diesem Forum ja bereits bis in die höchten Moderatorenränge ausgebreitet!

Umso notwendiger ist es, daß die Rechtschaffenen ihr eigenes Forum haben, in dem ein Regiment herrscht, das was noch einen Schneid hat. Da wo die Abstreiter das Maul halten müssen wenn einer etwas hört. Da wo noch Freiheit und Toleranz gepflegt wird für alle, die nicht den Zweifel zwischen ihre Ohren kommen lassen wollen.

Freitag, 11. Juli 2008

Die Schöpfung

Der audiophile Hersteller wußte gleich nach dem Aufwachen, was er heute erschaffen würde. Es würde ein Lautsprecher sein. Der beste Lautsprecher, der jemals gebaut wurde. Wer ihm zuhören würde, würde sich mitten ins Geschehen versetzt fühlen, alles rundherum vergessen, und in der Musik leben.

Heute war der Tag dafür.

Schon unter der Dusche stand der Lautsprecher vor seinem geistigen Auge, so klar als wäre er bereits gebaut. Er war groß und imposant, aber wirkte doch zugleich unaufdringlich, er war unübersehbar und doch nicht im Mittelpunkt. Er war wie eine Diva, die den Anwesenden zu sagen versucht, man solle sich nicht um sie kümmern, wohl wissend daß das völlig unmöglich ist. Die beleidigt wäre wenn man es wirklich befolgte.

Auf dem Weg zum Firmengebäude verdichtete sich das Konzept zum Bauplan. Die Hölzer und die Lacke, die Wege und die Weichen geronnen zu einem Ganzen, das darauf wartete in die Welt gesetzt zu werden.

Der audiophile Hersteller rief seine Mitarbeiter sogleich zu einer Besprechung zusammen. In gepannter Erwartung lauschten die Anwesenden den neuen Schöpfungen ihres großen Vorbildes. Es war genial. Binnen zwanzig Minuten wußte Jeder, was er zu tun hatte. Kaum daß der audiophile Hersteller geendet hatte, machten sich alle an die Arbeit.

Der audiophile Hersteller begleitete den Schreiner ins Holzlager, wo er die besten Stücke aussuchte, die Resonanzen abklopfend wie ein Geigenbauer.

Sodann begab er sich mit dem Elektroniker ins Bauteilelager, wo er die besten Spulen und Kondensatoren aussuchte, und den Elektroniker ermahnte, immer auf die richtige Flußrichtung der Elektronen zu achten.

Schließlich ging er zum Lackierer, um mit ihm den schönsten Lack herauszusuchen, und ihn zur Sicherheit noch einmal auf die Wichtigkeit der richtigen Materialschwingungen hinzuweisen.

Als das alles auf den Weg gebracht war, widmete er sich den Treibern, die er mit besonderem Bedacht auswählte, kam es doch auf deren richtiges Zusammenspiel entscheidend an. Den Rest des Vormittags verbrachte er sodann beim Schreiner, den er bei der Fertigung der vielfältigen inneren Gehäusedetails überwachte.

So geschäftig war die ganze Firma, daß man das Herannahen der Mittagszeit beinahe versäumt hätte. Doch die gute Fee der Firma war auf dem Posten und rief die Männer zur Mahlzeit, die keiner über Gebühr ausdehnte, war doch ein wichtiges Tagwerk zu tun!

Jeder spürte, daß etwas Großes im Entstehen war, und alle arbeiteten gewissenhaft an dessen Vervollkommnung. Kurz nach vier, der Lack war noch frisch, versammelten sie sich um das neue Geschöpf. Dem Meister stand es zu, den Klängen als Erster zu lauschen. Würde das Werk gelungen sein?

Man verband den neuen Lautsprecher mit dem besten Verstärker der weit und breit zu finden war. Stark wie ein Stier war er, und zugleich geschmeidig und unbekümmert wie ein Eichhörnchen spielte er auf. Es war der ideale Partner für den neuen Lautsprecher. Jeder war auf das Ergebnis gespannt.

Der audiophile Hersteller bat um Ruhe, wählte seine Musik, lauschte den ersten Klängen seiner Schöpfung, und hörte daß es gut war. Ganz versenkte er sich in die Darbietung, und er fühlte sich sogleich mitten in das Geschehen versetzt und vergaß alles rundherum.

Doch als er eben anfing in der Musik zu leben, hielt ihn etwas zurück. Warum wollte sein Fuß nicht wippen? Wo blieb die Lust, Luftgitarre zu spielen? Was hielt die Handbremse gezogen? Etwas stimmte noch nicht.

Der audiophile Hersteller war beunruhigt, lauschte in sich hinein, aus sich heraus, am Lautsprecher hoch und runter und dem Hörerlebnis zu, und schließlich, als seine Mitarbeiter schon angefangen hatten, sich zu sorgen, ballten sich die Wolken der Erkenntnis zusammen und die Lösung regnete herab wie ein erfrischender Sommerschauer.

Der audiophile Hersteller wußte jetzt was zu tun war. Er schritt zu seinem schweren Stahlschrank, öffnete ein spezielles Fach und entnahm eine Silberkugel. Diese überreichte er dem Metallbauer mit dem Auftrag, in der nächsten Vollmondnacht einen feinen Silberdraht aus ihr zu schmieden. Der Metallbauer nahm die Kugel ehrfürchtig in Empfang, und schwor dem audiophilen Hersteller daß er sie sorgsam behandeln und den Auftrag schon in der kommenden Nacht ausführen werde, denn die Vollmondnacht stand unmittelbar bevor. Der audiophile Hersteller schärfte ihm noch einmal ein, welche Verantwortung auf ihm liege, und entließ dann die ganze Mannschaft in den wohlverdienten Feierabend.

Am nächsten Morgen waren alle rechtzeitig zur Stelle, um dabeizusein wie der audiophile Hersteller den neuen Draht vom Metallbauer in Empfang nahm, und sogleich daran ging, mit ihm die Weiche und den Hochtöner zu verbinden. Der erfahrene audiophile Hersteller brauchte dafür nur wenige Handgriffe, und die Mitarbeiter staunten über die Fertigkeit ihres Meisters.

Wieder ward der Lautsprecher mit dem Verstärker verbunden, und die Prozedur vom vorigen Nachmittag ereignete sich erneut. Konnte der Lautsprecher diesmal überzeugen? Alles schien stillzustehen während die Mitarbeiter auf das Ergebnis harrten. Doch groß war der Jubel und die Freude als die Füße des Meisters zu wippen anfingen und er zur Luftgitarre griff.

Das Werk war gelungen. Diese Schöpfung würde die Welt im Sturm erobern.

Samstag, 24. Mai 2008

High-End Crashkurs

So manch einer würde gerne zur erlesenen Riege der High-Ender in Sachen HiFi angehören, schreckt aber vor den scheinbar großen Hürden zurück, die sich da vor ihm auftun. Diesen Aspiranten ist mein kleiner Beitrag hier gewidmet. Er soll zeigen daß High-Ender werden ganz einfach ist, wenn man es richtig anfängt, und wenn man die richtige Einstellung dafür hat. Meine jahrelangen Studien in High-Endologie will ich hiermit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Wenn Sie sich meine einfachen Regeln verinnerlichen, und mit Hingabe praktizieren, werden Sie in kürzester Zeit "dazugehören".

Sie werden vielleicht glauben, man müsse sehr viel wissen und sehr viel gehört haben, um High-Ender werden zu können. Es wäre kein Wunder wenn Sie das glauben würden, denn in High-Ender-Kreisen erweckt man diesen Eindruck gerne. Nehmen Sie das nicht zu ernst. Damit wird gerne kokettiert, aber es ist meist nur Show, so wie man in Literatenkreisen gern den Eindruck erweckt als hätte man James Joyce's "Ulysses" schon mit 14 im Original gelesen. Und wie viele Leute haben die Bibel oder den Koran nicht gelesen, wissen aber genau was das bedeutet, was da drinsteht? Na also.

Das Wissen der High-Ender besteht im Wesentlichen aus ein paar Ansichten, auf die man sich geeinigt hat, und mit denen man sich untereinander als High-Ender zu erkennen gibt. Wenn man den wesentlichen Teil dieser Ansichten kennt und sie passend zu äußern versteht, nimmt man fast automatisch den richtigen "Stallgeruch" an, der einem den Eintritt in den erlesenen Kreis erlaubt. Ob die Ansichten richtig oder falsch sind spielt erst einmal keine Rolle, sie zu hinterfragen wäre hinderlich. Es geht darum sie anzunehmen und zu eigen zu machen. Je mehr man auf diesem Weg fortschreitet, je leichter geht es, und je selbstverständlicher werden einem die Ansichten vorkommen. Der Clou beim Hinterfragen ist schließlich auch, daß man nicht die eigenen Ansichten hinterfragt, sondern die des Gegenüber.

Die Tatsache, daß sich so viele Leute, sogar über Sprachgrenzen und Nationen hinweg, auf diese Ansichten geeinigt haben, sollte man als Beweis für ihre Richtigkeit begreifen. Eine Konspiration hat es dazu ja nicht gegeben, alle haben aus freien Stücken gehandelt. Streng genommen beweist das zwar gar nichts, z.B. haben ja auch viele Leute unabhängig voneinander die Ansicht vertreten, die Erde stehe im Zentrum des Universums, aber es ist ein zu schönes Argument als daß man es ungenutzt lassen könnte. Außerdem siehe meine Warnung bzgl. dem Hinterfragen. Der Vorteil des Arguments beschränkt sich auch nicht darin, denn man kann daraus gleich noch weiteren Saft ziehen indem man bemerkt, daß die noch zahlreicheren Nicht-High-Ender die Ansichten nicht teilen. Das ist quasi noch ein zusätzlicher Beweis, denn die haben ja auch das Wissen nicht, und oft genug auch nicht das Gehör oder die Mittel.

Wer mir bis hierher gefolgt ist, hat den wesentlichsten Schritt zum High-Ender schon getan, und das interessanterweise ohne daß ich über die konkreten Ansichten etwas gesagt hätte. Nur über die "Meta-Ansichten". Der springende Punkt dabei ist daß man so weit kommen muß sich als privilegiert zu betrachten, als ein Mitglied einer erlesenen Gemeinde von Gleichgesinnten, die nicht nur gemeinsame Ziele und Leidenschaften eint, sondern auch eine Gabe, die nicht jedem zuteil wird. Die Tatsache daß die High-End-Ansichten nur von wenigen geteilt werden ist Zeichen dafür daß man zur Erlangung des Wissens eben privilegiert sein muß, und weil es nur Privilegierten zugänglich ist, muß das Wissen auch stimmen.

Damit wären wir bei den konkreten Ansichten, die unter High-Endern Konsens sind, und die man verinnerlichen muß. Die Ansichten sind so aufeinander abgestimmt, daß man sich die Richtigkeit nach Belieben immer wieder selbst bestätigen kann.

1. Der Kettengedanke

Hier vergegenwärtigt man sich, daß das kostbare Audiosignal durch eine Aneinanderreihung von Komponenten hindurch muß, die alle eine Bedrohung für die Integrität des Signal darstellen. Es drängt sich der Satz vom "schwächsten Glied" auf, und man wird dazu neigen allen Stationen in der "Kette" die gleiche Bedeutung zuzumessen. So werden Dinge, die dem Laien harmlos erscheinen, sehr bedeutsam, wie z.B. Blechbrücken an Lautsprecherterminals, oder das Lötzinn für die Weichenbauteile. Die daraus folgende Bedeutung, die den Details zugemessen wird, macht einen sehr "high-endigen" Eindruck und sollte auf keinen Fall vernachlässigt werden.

Eine nützliche Vorstellung ist, sich die Bauteile und Komponenten wie die Schläger bei einem Spießrutenlauf vorzustellen, durch den das arme Audiosignal durch muß. Logisch daß es da am besten ist wenn man möglichst wenige Stationen hat, entsprechend "gesünder" kommt man am Schluß heraus.

Man sollte sich nicht scheuen, diese Philosophie auf die einzelnen Bauteile in einem Gerät anzuwenden. Besonders konsequent ist es, auch die Bauteile mit einzubeziehen die gar nicht im Signalweg liegen, wie z.B. das Netzteil. Auch solche Dinge wie Gegenkopplung sollten Sie nicht beeindrucken, wie später noch beschrieben. Als High-Ender haben Sie sowieso ein Problem mit Gegenkopplung.

Reden Sie also nicht von Ihrer Anlage, sondern von Ihrer Kette. Das ist ein High-End-Codewort. Und reden sie davon daß man die Komponenten darin aufeinander abstimmen muß. Sie brauchen nicht zu erklären wie das geht, Sie werden auch so verstanden. Tun Sie einfach so als hätten Sie in mehrwöchiger harter Arbeit herausgefunden, welche Lautsprecherklemmen am besten zum Klangcharakter des Netzkabels ihres Plattenspielers passen.

2. Es kommt nur auf den Klang an.

Lassen Sie sich nicht dabei erwischen daß sie vom optischen Erscheinungsbild oder von der bequemen Bedienung eines Gerätes schwärmen. So etwas ist für Warmduscher. Ihnen kommt es nur auf den Klang an. Ausschließlich.

Deswegen gibt es auch speziell für den ambitionierten High-Ender wie Sie Firmen, die die dazu passenden Produkte liefern, wo ebenfalls auf Optik und Bedienung nichts gegeben wird, und einzig dem Klang gehuldigt wird. Firmen wie Transrotor, Burmester oder Graaf, deren Geräte man diese puristische Vielosophie auf den ersten Blick ansieht.

Noch besser sprechen Sie davon daß es nur auf die Musik ankommt. Denn der Klang dient ja letztlich der Musik. Wenn Sie es schaffen, so zu wirken daß Sie als High-Ender Dienst an der Musik leisten, ja für die Musik leben, für sie leiden, und für sie Verzicht üben, dann ist es perfekt. Sehen Sie sich Burmester an: Er möchte Sie vergessen lassen daß Sie Musik über technische Geräte hören. So selbstlos im Dienste der Musik ist er daß er seine unscheinbaren Geräte am besten ganz verschwinden lassen würde. Ein echter Highender.

3. High-End ist keine Geldfrage

Selbstverständlich nicht. Da es nur auf die Musik ankommt, kann es natürlich nicht auf's Geld ankommen. Der wahre High-Ender vergißt beim Musikhören nicht nur, daß er über technische Geräte hört, er vergißt gleich mit daß er für den Preis den sie gekostet haben auch fünf Jahre früher in Rente hätte gehen können.

Beim Klang kommt es ebenfalls nicht auf's Geld an. Jeder High-Ender wird das jederzeit bestätigen und Anekdoten beisteuern, wie er selbst schon ein billigeres Gerät klanglich besser fand als ein teureres. Außerdem kommt's ja wie schon geschildert auf die Abstimmung der Kette an.

Sie sollten sich auch gleich das entsprechende Vokabular zulegen, wenn Sie über Klang reden. Die entsprechenden Code-Wörter werden Sie als High-Ender ausweisen. Die unverzichtbare Grundausrüstung folgt hier, lassen Sie sich jedoch nicht dadurch beschränken, Sie dürfen gern ähnliche Wortschöpfungen selbst erfinden, das macht Sie um so authentischer als High-Ender. Außerdem findet man neue, interessant klingende Begriffe in der High-End-Presse, in den Herstellerprospekten, und in der Konversation mit anderen High-Endern.

Feinzeichnung, Dynamik, Durchhörbarkeit, Tiefenstaffelung, Bühne, Luftigkeit, Schwärze des Basses. Benutzen Sie diese Begriffe so als sei Ihnen selbstverständlich klar was sie aussagen.

Was übrigens prinzipiell nicht vorkommen kann ist daß ein Gerät aus der Massenproduktion klanglich mit einem High-End-Gerät mithalten kann. Daß man es klanglich nicht vom High-End-Gerät unterscheiden kann. Das geht nicht an und ist purste Holzohr-Demagogie. Das liegt natürlich nicht am Geld, vielmehr führt das direkt zum nächsten Punkt:

4. Es gibt immer einen Unterschied

Daß man zwei verschiedene Komponenten miteinander vergleicht und keinen Klangunterschied findet gibt's nicht. Man findet immer einen Unterschied. Man muß nur intensiv genug hören. Würde man offen sagen man höre keinen Unterschied würde man sich ja auch der Lächerlichkeit preisgeben. Man müßte befürchten, zum Ohrenarzt geschickt zu werden.

Es ist ja auch ziemlich einfach, Unterschiede zu hören. Man muß nur die richtige Methode anwenden. Die Methoden, die keine Unterschiede erkennen lassen, sind einfach zu unempfindlich. Blindtests zum Beispiel. Schon die Angst davor, man könnte sich dabei blamieren, macht einen praktisch taub. Besser ist es auch, wenn man die zu vergleichenden Geräte nicht zu direkt aufeinander hört. Ein Klang muß sich setzen. Wenn ich heute ein Gerät und morgen das andere höre sind die Voraussetzungen schon viel besser, um Unterschiede zu hören. Spötter wenden ein, diese Methode sei so empfindlich, daß man auch Unterschiede höre, die gar nicht da sind. Aber die verstehen nicht daß ein gehörter, nicht vorhandener Unterschied immer noch besser ist als ein nicht gehörter, vorhandener Unterschied.

Lesen Sie doch mal eine High-End Zeitschrift. Image-Hifi oder sowas. Finden Sie da jemals einen Test in dem zwei Geräte als klanglich identisch beschrieben werden?

Na also.

5. Meßwerte sagen nichts über den Klang aus.

Ist es Ihnen nicht völlig unverständlich wie die "Techniker" immer auf ihren Meßwerten rumreiten? Der Klang entsteht schließlich beim Hören, und das Entscheidende dafür sind die Ohren, nicht wahr? Wozu dann messen?

Schlimmer noch, wozu sich die ganze Theorie reinblasen, die man dazu anscheinend braucht? Der High-Ender braucht das alles nicht. Anlagenoptimierung, Komponentenauswahl, Hörräume, alles passiert nach Gehör. Wenn mal ein Lautsprecher verpolt ist, was soll's, Hauptsache es klingt gut! Und bei einem Hörvergleich die Anlage auf Pegelgleichheit ausmessen ist auch Humbug, Sie werden ja wohl noch Klang von Lautstärke unterscheiden können!

Außerdem, wenn Sie zwischen zwei Kabeln Unterschiede hören (Methode siehe oben), die meßtechnisch nicht nachvollziehbar sind, wessen Problem ist das dann wohl? Ist ja wohl klar: Gehört ist gehört, da hat dann wohl die Meßtechnik Nachholbedarf. Was auch nebenbei beweist, daß die Wissenschaft eben noch nicht so weit ist. Das menschliche Gehör, besonders das des High-Enders, ist eben ein sehr empfindliches und komplexes Organ, das der Wissenschaft weiterhin Rätsel aufgibt, und die Fähigkeiten der Meßtechnik übersteigt.

Und wenn sie schon noch nicht so weit ist, die Meßtechnik, warum sich dann mit ihr beschäftigen? Ist doch Zeitverschwendung! Weder der High-End-Zeitschriftenredakteur, noch der High-End-Gerätehersteller hält sich damit auf. Ersterer konzentriert sich darauf, herauszuhören, welche Schleier das Produkt in welche Richtung wegzieht, und letzterer erschafft seine Geräte durch die Kraft seines Gehörs, seiner Intuition und seines Willens: Es werde Klang!

High-End ist etwas für Genies, nicht für Buchhalter.

6. Der Live-Klang ist das Maß der Dinge

Wenn Sie eine Scheibe abspielen wollen Sie damit ein Konzert ersetzen, nicht wahr? Man geht ja nur deswegen nicht ins Konzert, weil gerade nicht das Gewünschte läuft (am Geld liegt's nicht, wie wir oben schon festgestellt haben). Wenn man also schon mit der technischen Krücke leben muß, dann soll sie möglichst das Live-Erlebnis originalgetreu reproduzieren, so daß man sich mitten im Geschehen wähnt.

Eine High-End-Anlage vollbringt da wahre Wunder. Sie schließen die Augen und sitzen in der Mailänder Scala, bloß ohne die übertriebene Parfümierung (Hugo Boss Femme) der Dame vor Ihnen. Oder im Shepherd's Bush Empire, bloß ohne die Bierpfütze (Newcastle Brown Ale) unter Ihren Schuhen. Macht nichts, daß die Scheibe im Studio aufgenommen und am Computer bearbeitet wurde, die Anlage, pardon, Kette bringt das authentische Live-Feeling rüber. Sie können das beurteilen, auch wenn Sie nie da waren. Es klingt einfach authentisch, also muß es so stimmen.

Lassen Sie die Spötter ruhig reden, die ihnen weis machen wollen so etwas könne es gar nicht geben, denn die Produktion sei schon künstlich gewesen, und die Wiedergabe über zwei Lautsprecher schaffe nur eine Illusion. Buchhalter, wieder mal. Entscheidend für originalgetreue Wiedergabe ist nicht, ob es im Original so war oder ob es das Original überhaupt gab. Wichtig ist daß es sich so anfühlt als daß es so gewesen sein muß, und man selbst dabei war. Mit sauberen Schuhen.

7. Klangkiller, die man als High-Ender vermeidet

Jeder High-Ender kennt ein paar Dinge die den Klang killen und daher äbäh sind. Die Kunde darüber wird von Mund zu Mund und Zeitschrift zu Zeitschrift weitergereicht. Die wichtigsten, bei deren Erwähnung man als High-Ender am besten ein Schweppes-Gesicht macht, sind diese
  • Die Gegenkopplung.
    Was das genau ist kann kaum ein High-Ender sagen, aber er weiß daß es schlecht ist. Es ist irgendwas im Verstärker, das nachträglich versucht zu korrigieren was zuvor krumm gelaufen ist. Kann ja nicht funktionieren, das kommt ja immer zu spät. Die Techniker meinen dadurch seien gute Verstärker überhaupt erst möglich, aber warum, das kapiert keiner, und folglich kann's auch nicht stimmen.
  • Der Jitter
    Weiß auch keiner genau was das ist, eine Art Zittern, und das kann ja nicht gut sein. Das Entstehen ist mysteriös, die Auswirkungen sind mysteriös, man kann's in Nanosekunden angeben, und weniger ist besser. Das zeigt doch wie präzise das Gehör ist, nicht wahr? Wenn's die Nanosekunden heraushören kann! Und da soll noch so ein Buchhalter-Schlaumeier behaupten es sei nicht wichtig daß man die Lautsprecherleitungen gleich lang macht!
  • Sauerstoff im Kupfer
    Ganz übel, macht Dioden zwischen den Metallkörnchen und der Klang wird davon ganz kratzig. Überhaupt, die Körnchen. Wenn man den Draht richtig zieht und behandelt dann geht der Klang in eine Richtung besser durch's Kabel als in die andere Richtung. Dann ist ein Pfeil aufs Kabel aufgedruckt. Spötter meinen daß der Pfeil dafür da ist daß die Elektronen sehen können wo der Klang hin soll. Typisch Buchhalter.
    Noch besser ist aber man nimmt Silber. Wie man schon vom Anblick her leicht vorhersagen kann, klingt ein Silberkabel heller. Die Elektronen gehen da einfach lieber durch.
  • Transistoren
    Kann man schwer drauf verzichten heutzutage, aber die guten alten Röhren sind einfach besser. Was gut aussieht klingt auch gut. Und die Bude wird auch warm davon. Lassen Sie in diesem Zusammenhang bei Gesprächen die Begriffe "ungeradzahlige Harmonische" fallen und Sie sind "in".
Es gibt natürlich mehr davon, aber es geht ja auch nur um einen Einstieg hier. Mit der Erwähnung der obigen Begriffe können Sie schon eine High-End-Fachsimpelei bei einer Grillparty überstehen.

Ein Begriff, bei dem Sie das Schweppes-Gesicht in verschärfter Form aufsetzen sollten, der aber nicht direkt den Klang sondern eher den Spaß killt, muß hier aber noch kurz Erwähnung finden: Blindtest. Oben ist er schon kurz angeklungen. Das ist ein fieser Trick der Buchhalter, mit dem sie versuchen die High-Ender mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Die eigenen Waffen, das ist natürlich das Gehör. Man tut so als würde man dem High-Ender die reine Entscheidung über das Gehör überlassen, und ihm lediglich die Augen verbinden, damit er die Kette nicht sehen kann. So manch ein High-Ender ist darauf herein gefallen und meinte, ob er was sieht oder nicht spielt keine Rolle. So ist das aber nicht. Man verbindet ihm die Augen, schnallt ihn auf einen Sitzplatz, spielt Musik ab die er nie zuvor gehört hat und schaltet wie wild hin und her, bis er ganz durcheinander ist. Danach behauptet man dann, das sei der Beweis daß es keine Unterschiede geben könne. Da darf man sich als High-Ender nie drauf einlassen! Blindtest und High-End schließen sich gegenseitig aus!

Zum Schluß noch ein guter Rat:

Als High-Ender werden Sie Anfechtungen ausgesetzt sein. Das passiert jeder Avantgarde, denn die Masse ist noch nicht so weit, die Sache zu begreifen. Und was sie nicht begreift, davor fürchtet sie sich. Sie sind dagegen als Teil der Avantgarde schon darüber hinaus, und sollten sich nicht wieder herunterziehen lassen. Begreifen Sie den Widerspruch als Ermutigung und als Chance zur Bewährung! Was so viel Widerspruch hervorruft kann nicht falsch sein!

Suchen Sie ruhig die Auseinandersetzung mit den Gegnern, aber tun Sie es nicht leichtfertig. Ihre Gegner werden versuchen die Wirklichkeit gegen Sie in Stellung zu bringen, dagegen müssen Sie sich wappnen. Gegen die Wirklichkeit kann man sich immunisieren. Hier sind ein paar Anregungen dafür:
  • Geben Sie auf alle Fälle Ihren Wahrnehmungen Vorrang. Was Sie hören und sehen ist Ihre Wirklichkeit, selbst wenn das die Stimme des Allmächtigen sein sollte, der Sie zur Vernichtung der Ungläubigen aufruft. Mein Beispiel mag Ihnen geschmacklos erscheinen, es zeigt aber die Kraft dieses Prinzips aufs Deutlichste.
  • Hören Sie nicht auf diejenigen, die Ihnen mit technischen Erklärungen kommen. Sie wollen Sie nur auf's Glatteis führen. Gut bewährt hat sich, in solchen Fällen darauf zu pochen, es käme auf die Musik an, und vergessen Sie auch nicht Ihre Gegner darauf hinzuweisen daß man Musik nicht mit Meßgeräten hören kann. Es ist wichtig, immer wieder zu betonen daß Sie der Vertrëter der Praxis, ihr Gegner der Theorie ist. Auch wenn er vorgibt, schon seit 30 Jahren praktisch tätig zu sein, ist er doch ein Theoretiker.
  • Vergewissern Sie sich immer wieder ihres Wissens. Wenn Sie in Diskussionen über z.B. Verstärkerklang verwickelt sind, ist es gut sich immer wieder hinzusetzen und Verstärker probezuhören. Wenn Sie es richtig anstellen (siehe oben) werden Sie keine Mühe haben, Unterschiede zu hören. Das wird Sie gegen die Wirklichkeit immunisieren.
  • Machen Sie sich die seelischen Defekte Ihres Gegners klar. Seine ablehnende Haltung muß ja einen Grund haben, sonst würde er zweifellos mit fliegenden Fahnen zum High-End-Tum konvertieren. Dieser Grund kann Neid sein, Geiz, Geldmangel, eine missionarische Haltung. Sie werden bestimmt schnell etwas finden. Seien Sie hartnäckig und unnachgiebig und frech, und Ihr Gegner läßt bestimmt bald die Maske fallen.
  • Beklagen Sie sich bei jeder Gelegenheit über unfaire Behandlung. Sie werden sehen, bald glauben Sie selbst daran daß Ihnen Unrecht geschieht. Man will Sie zensieren, zum Schweigen bringen, man respektiert Ihre Meinung nicht, man behandelt Sie grob und unhöflich. Sind das nicht alles Zeichen dafür daß Sie recht haben und Ihre Gegner es nur nicht zugeben können?
  • Übergehen Sie Punkte, auf die Sie keine gute Antwort wissen. Streichen Sie sie aus Ihrem Gedächtnis, und wenn Sie darauf angesprochen werden tun Sie so als würden Sie nicht verstehen worum es geht. Wird man hartnäckig, dann geben Sie sich mißverstanden. Absichtlich mißverstanden. Sie sind das Opfer, besinnen Sie sich immer darauf.
Es kann etwas anstrengend sein, aber Sie werden merken, daß Ihnen bald niemand mehr das Wasser reichen kann, und auch das bestätigt Sie wieder in der Zugehörigkeit zur Avantgarde. Das ist das Ziel: Selbstaufopferung im Dienste der Musik, ohne Bezug zur Wirklichkeit, zum Nutzen der High-End-Gemeinde, besonders der Hersteller unter ihnen.

Und wie Sie ja jetzt wissen, ist das alles gar nicht so schwierig. Sie können schon heute dazugehören.